Mittwoch, 12. September 2012

Willa Cather / Die Frau, die sich verlor (1)

Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre  

Ich habe soeben das Buch zu Ende gelesen und ich finde es erstaunlich, wie viele Bücher die Autorin nach ihrem Tod hinterlassen hat.Zwölf Romane, dazu Essays, Erzählungen u.a.m., doch ich selbst bin zuvor nie an ihre Bücher gestoßen.  

Die Protagonistin des Romans, mit dem Namen Marian Forrester, war mir überaus sympathisch, da sie eine Person ist, die doch recht ungewöhnlich ist verglichen zum Durchschnittsmenschen einer Gesellschaft. 

 Zwar ist ihr Frauenbild ein wenig eingeschränkt, sie konnte mit Frauenemanzipation nicht wirklich umgehen, á la die Frau müsse sich von dem Manne im Verhalten unterscheiden als sie sich mit einem jungen Architekturstudenten, den sie von Kind auf kannte, darüber unterhielt; 
"Und sage, Niel, rauchen jetzt wirklich Frauen nach dem Essen mit den Männern, anständige Frauen? Ich würde das nicht mögen. Bei Schauspielerin ist es ja ganz in Ordnung, aber Frauen können nicht attraktiv sein, wenn sie genau dasselbe tun wie Männer. (…) Mögen Männer nicht, dass Frauen anders sind als sie? (…)"
Und dabei lebte Mrs. Forrester alles andere als altmodisch. Hier galt sie als eine Frau im fortgeschrittenen Alter und als junges Mädchen von 19 Jahren schloss sie sich einer Bergsteigergruppe an, und bestieg Berge.

Sie besitzt Charme und ist auch beliebt bei den jungen Männern, die sie in Sweet Water seit Jugendzeit her kannte, als sie selbst noch eine junge Frau war. Eigentlich war sie eine Dame von Welt und nach Sweet Water kam sie nur zu bestimmten Jahreszeiten, da ihr Mann, Unternehmer und Eisenbahnmann, dort beruflich zu tun hatte. In Sweet Water hattwn sie auch ein Anwesen. Ihre Konversation mit Anderen pflegte sie leicht vom Trivialen in das Gehobene zu lenken, obwohl sie Bildungsgesprächen eher verabscheut. Über folgende Textstelle musste ich arg schmunzeln, als sie sich wieder Niels zuwendet, nach einer kurzen Phase des Rückzugs:

"Gibt es etwas Neues in den Zeitungen?"
Das hieß, gab es irgendwelche Nachrichten über die Leute, die sie kannten. 
Auf dem Land Sweet Water fühlt sie sich von ihren Aktivitäten her ein wenig verloren.
Ich habe hier nichts zu tun. Ich habe keine Bewegung. Ich kann nicht Schlittschuh laufen. In Kalifornien gab es das nicht, und meine Knöchel sind schwach. Ich habe im Winter immer getanzt, in Colorado Springs wird viel getanzt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mir das fehlt. Ich werde tanzen, bis sich achtzig bin. Ich werde die walzertanzende Oma sein! Es ist gut für mich, ich brauche das."
In Sweet Water gibt es zwei unterschiedliche Gesellschaftsschichten in den Präriestaaten: die Siedler und Handwerker, die dort ihren Lebensunterhalt verdienten, und dann gab es noch die Bankiers und die Gentlemen - Viehzüchter. Die Bankiers machten Bankrott, was sich auch auf die betuchten Einwohner bemerkbar machte. Von heute auf morgen wurden viele arm... .

Mrs. Forresters Mann erleidet einen Schlaganfall, von dem er sich nicht wieder hundertprozentig erholte und somit brachte dies auch einen deutlichen Einschnitt seiner Frau gegenüber, die nur in Großstädten richtig gut leben konnte. Durch die Erkrankung ihres Mannes war sie nun gezwungen, ihren Aufenthalt vorübergehend auf eine unbestimmte Zeit auf Sweet Water zu verlegen, um ihren Mann zu pflegen.



Sie gerät in eine psychische Krise, die begleitet war von Alkoholsucht und Depression und sinkt immer mehr hinab, aber sie hatte auch Hilfe, Hilfe selbstloser Art von Niel, der sehr viel von Mrs. Forrester hält. Er setzte für eine bestimmte Zeit mit dem Studium aus. Niel, der in Sweet Water seinen Onkel besuchte, ersuchte sein Einverständnis, mit dem Studium zu pausieren:

" Onkel", (…)" ich sehe nicht, wie ich nach Boston zurückgehen und die Forrester hier im Stich lassen kann. Ich würde gern das College für ein Jahr sausen lassen und ihnen durchhelfen."

In dem Haus Forresters machten sich neugierige Nachbarn breit, taten so, als wären sie so sehr um Mr. Forrester besorgt und brachten Lebensmittel mit, und sie dadurch die Gelegenheit nutzten, sich in dem Haus umzusehen. Mrs.Forrester hatte selbst nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren, und ließ alle Menschen zu sich hinein. Doch der sensible Niel gewährte Einhalt und ließ niemanden mehr in das Haus. Die Nachbarn tratschten  über das heruntergekommene Haus und über die schäbigen Wohnräume ... .


Obwohl das Buch den Titel trägt , Die Frau, die sich verlor, war die Frau allerdings nicht wirklich verloren, zumindest nicht auf Dauer, da ihr Schicksal später eine Wende durchläuft. Doch darauf gehe ich jetzt nicht ein, und verweise auf das Buch.


Auch wenn Marian Forrester dem emanzipierten Frauenbild eher skeptisch gegenübersteht, zeigte sie dafür ein sensibles Gespür Menschen gegenüber, die diskriminiert worden sind, wie z.B. die Indianer, die von den Weißen vertrieben wurden und sie für ihre Reservate fast nichts bekommen hatten. Diesbezüglich hatte sie ein Gerechtigkeitsempfinden und zeigte sich als antirassistisch. 
Ich bewundere Leute nicht, die Indianer betrügen, wirklich nicht!
Mir hat das Buch ganz gut gefallen aber doch nicht so gut, dass ich jetzt unbedingt noch Weiteres von ihr lesen müsste. Ich habe allerdings aus meiner großen SuB-Liste ersehen, dass ich doch noch einen Band von ihr besitze, sodann bleibe ich neugierig Weiteres über ihren Stil zu erfahren, was die Thematik an sich betrifft, die sie im nächsten Band behandelt, und um zu erfahren, ob sich die Themen dieser beiden Bände zueinander ähneln werden.


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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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