Freitag, 8. März 2013

Eugen Ruge / In Zeiten des abnehmenden Lichts (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

So richtig vertraut ist mir die Literatur zur ehemaligen DDR nicht wirklich. Auch die Figuren in dem Buch waren mir alle recht fremd. Ich konnte in keine von ihnen Sympathie oder Antipathie finden. Keinerlei Zuneigung. Das Buch an sich war nicht schlecht geschrieben, es hatte Tiefgang, Humor und die Personen wurden recht differenziert in ihren Charakteren dargestellt. Das sind so für mich die drei wichtigsten Kriterien, um ein Buch als gut zu empfinden, unabhängig davon, ob es mir nun gefällt oder nicht gefällt.

Das Buch behandelt eine DDR-Familie aus drei Generationen, die Zeitabläufe sich aber immer abwechseln von der DDR-Gründung bis zum Mauerfall. Auch werden die Figuren in ihren Widersprüchen beschrieben.

Die Gründung der DDR nach dem zweiten Weltkrieg wurde als das Neue Deutschland angepriesen, das frei von Faschismus werden sollte. Raus aus dem Deutschland mit den vielen Verbrechen an die Menschheit, rein in den Osten um ein neues, reines Deutschland zu gründen.

Die Menschen waren voller Hoffnung und voller Ideale, viele wurden allerdings enttäuscht, als der Kommunismus und der Sozialismus ihnen dieses neue Deutschland nicht hervorbringen konnte. Viele engagierten sich, ohne zu wissen, welche Auswirkungen ihr Engagement mit sich brachte:
Die Partei, die Partei, die hat immer recht  
Und, Genossen, es bleibe dabei
Denn wer kämpft für das Recht
Der hat immer recht
Gegen Lügen und Ausbeuterei
Wer das Leben beleidigt
Ist dumm oder schlecht
Wer die Menschheit verteidigt
hat immer recht
So aus Lenischem Geist
Wächst, von Stalin geschweißt
Die Partei-die Partei-die Partei.
Eigentlich ist an dem Vers nichts Schlechtes zu sagen. Sich für andere einsetzen, für andere- und für die Wahrheit zu kämpfen, sind hohe Tugenden, die das  DDR-Regime missbrauchte. Die Menschen hatten alle unterschiedliche Vorstellungen von der (Gründung) der DDR:
„Klaus ist nicht gegen die DDR, (…). Klaus ist für eine bessere DDR, mit mehr Demokratie.“
„Und warum ist er dann Pfarrer“?
„Warum denn nicht? (…) jeder kann sich einsetzen für mehr Demokratie. Als Pfarrer kann er zum Beispiel Friedensandachten organisieren.“
Markus hatte keine Lust, das Thema fortzusetzen, er spürte schon, wie seine Mutter in wieder überzeugen wollte, aber er fand die Friedensandachten einfach grausam, dieses „Alle-an-den-Händen-fassen-und-zusammen-singen“, das ganze Getue, und hinterher landen alle bei ihm auf dem Grundstück, saufen sich einen an und pissen in die Tomaten: für eine bessere DDR. Wie das gehen sollte, blieb sowieso ein Rätsel. 276
Markus ist ein Jugendlicher, der die Widersprüche sehr genau bei den Erwachsenen wahrzunehmen wusste und sich enttäuscht dagegen auflehnte, ihnen Vorwürfe machte, dass sie keinen Widerstand zeigten... . Allerdings sein Vater flieht in den Westen, lässt die Familie zurück.

Markus´ Großvater Wilhelm, der einst mit seiner Charlotte in Mexiko als Exilant gelebt hatte, da sie im zweiten Weltkrieg gegen die Nazis wirkten... . Mit dem Aufbau des ND kehren sie hoffnungsfroh wieder in die Heimat zurück, in die veränderte Heimat, die sich DDR nennt, das Neue Deutschland.

Wilhelm feiert seinen neunzigsten Geburtstag und erhält vom Bürgermeister einen Vaterländischen Vedienstorden in Gold überreicht. Ist man auf diese Ehrung stolz oder muss man sich dafür schämen? Eine gewisse Ambivalenz dieser Ehrung gegenüber bestand schon... . Galt Wilhelm als Held oder war er ein Feigling? Die selben Fragen werden auch Charlotte gestellt, die sich ebenfalls politisch engagierte mit dem Glauben, Gutes zu tun und unterstützt damit das DDR-System. Sie waren der festen Überzeigen, dass die zwanziger und dreißiger Jahre Deutschlands reine Lügen waren und setzten sich im neuen Deutschland für eine bessere Welt ein... .

Doch was ist eine bessere Welt? Was ist die Wahrheit, die darauf gründet? Darauf konnte auch keine befriedigende Antwort gegeben werden.
Markus´ Vater, Sascha, macht wiederum seinem Vater Kurt große Vorwürfe, als die beiden in Wortgefechte geraten:
-„Aha“ sagte Kurt, „dass man jetzt also nicht mehr über Alternativen zum Kapitalismus nachdenken darf“!
„Wunderbar, das ist also eure Demokratie…“
-„Na, Gott sei Dank, dass Du in deinem Scheißsozialismus über Alternativen nachdenken duftest.“
„-Du bist ja wirklich schon vollkommen korrumpiert“, sagte Kurt.
„-Korrumpiert? Ich bin korrumpiert? Du hast vierzig Jahre lang geschwiegen," schrie Sascha. „vierzig Jahre lang hast du es nicht gewagt, über deine großartigen sowjetischen Erfahrungen zu berichten.“
„-Das mache ich schon noch…“
„-Ja, jetzt, wo es keinen mehr interessiert“.
„-Was hast du denn getan?“-Jetzt schrie auch der Vater seinen Sohn an: „Wo waren denn deine Heldentaten?“
„-Scheiße", schrie Sascha zurück. "Scheiß auf eine Gesellschaft, die Helden braucht!“ 367
Die ganze Familie, über mehrere Generationen hindurch, war zerstritten, mit sich uneins. Wie oben ersichtlich wird, macht die jüngere Generation  der älteren Generation schwere Vorwürfe... . Die ältere Generation, die für ein neues Deutschland kämpfte, während andere sich gegen diesen Staat engagiert hatten.

Ich selbst kann mir schon vorstellen, wie schwer es ist, wenn man aus dem Exil wieder zurück in die Heimat kehrt, mit dem Idealismus, für ein besseres Deutschland zu kämpfen, nochmals geprägt durch die Erfahrungen des Nationalsozialismus, der ein schweres menschliches Verbrechen verübt hat und der geistig - seelisch auch nicht überwunden ist, so dass es nun schwer ist, ein weiteres Mal von einem System enttäuscht zu werden, und dies zu bekennen. Dieser Zwiespalt, der sich in diesen Menschen breit macht, wenn sie desillusioniert werden,  ist für mich sehr wohl nachvollziehbar. Eigentlich kämpften diese Menschen für ein neues und besseres Deutschland und hatten einst gute Absichten... .

Ich finde nicht, dass die junge Generation das Recht hat, der älteren Vorwürfe zu machen, da man selbst nicht mal weiß, wie man ein Leben in solch einem Gefüge bewältigen würde... .

Ich mache jetzt hier Schluss. Man sollte besser über das Buch diskutieren, als darüber zu schreiben... .
__________
„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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Sonntag, 3. März 2013

Eugen Ruge / In Zeiten des abnehmenden Lichts


Klappentext
Von den Jahren des Exils bis ins Wendejahr 89 und darüber hinaus reicht diese wechselvolle Geschichte einer deutschen Familie. Sie führt von Mexiko über Sibirien bis in die neu gegründete DDR, führt über die Gipfel und durch die Abgründe des 20. Jahrhunderts. So entsteht ein weites Panorama, ein großer Deutschlandroman, der, ungeheuer menschlich und komisch, Geschichte als Familiengeschichte erlebbar macht.  

Autorenportrait im Klappentext
 Eugen Ruge, 1954 in Soswa (Ural) geboren, studierte Mathematik an der Humboldt-Universität und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Physik der Erde. Er war beim DEFA-Studio für Dokumentarfilm tätig, bevor er 1988 aus der DDR in den Westen ging. Seit 1989 arbeitet er hauptberuflich fürs Theater und für den Rundfunk als Autor und Übersetzer. 
2009 wurde Eugen Ruge für sein erstes Prosamanuskript "In Zeiten des abnehmenden Lichts" mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet. 2011 erhielt er den aspekte-Literaturpreis und den Deutschen Buchpreis.
Der Autor ist mir noch unbekannt, bin durch eine Buchempfehlung auf das Werk gestoßen. Nun war eine Buchfreundin, die es mir aus meinem großen SuB herausgefischt hat und habe es in meinem kleinen SuB einsortiert. Und jetzt wird das Buch gelesen.

Ich bin wirklich sehr gespannt, ob die Geschichte tatsächlich mit den Buddenbrooks mithalten kann, wie dies aus der Presse zu entnehmen war.

David Safier / Plötzlich Shakespeare (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Also, David Safier wird nicht mein Freund werden. Seine Art von Humor, hm. die ist nicht so meine. Kommt mir ein wenig billig vor, zu plump, zu schnell dahergesagt. An manchen Stellen ist das Buch zwar witzig, aber so richtig zum Lachen hat es mich nicht wirklich gebracht. Ich unterscheide zwischen Humor und Humor. Ich habe noch ein Buch von ihm ungelesen im Regal stehen. Da ich der Meinung bin, man sollte jedem neuen Autor mindestens zwei Chancen geben, so werde ich das andere Buch auch lesen, bin mir aber jetzt schon ziemlich sicher, dass es nicht mehr werden. Die Grundart seines Schreibstils wird ja schon recht schnell deutlich.
Außerdem kann ich es nicht leiden, wenn sich Leute über andere Leute belustigen. Oder wenn ein Autor im Buch in abwertender Form sexualisiert, nur damit es lustig klingt, oder um damit die Spannung dadurch künstlich zu erhöhen, das mag ich schon mal gar nicht.

Safier ist für mich ein Autor, der für die Massen schreibt, und das Buch wirkt auf mich, als habe er es über Nacht geschrieben.

Mir ist aber auch klar, dass es solche Art von Literatur auch geben muss und sie ihre Leserschaft auf jeden Fall finden wird. Reihe mich dieser aber nicht an.

Ein paar Weisheiten habe ich allerdings in dem Buch auch finden können... und diese schreibe ich nun auf, aber auch Textauszüge, die mir gar nicht zugesagt haben!

Wer das Buch auch lesen möchte, so empfehle ich, diese Buchbesprechung zu überspringen, da ich ein wenig auf den Ausgang eingehen werde, der mich zur Abwechslung mal angesprochen hat.

Die Idee an sich finde ich nach wie vor gut, originell, eine Reise in die Vergangenheit zu starten, um ein Problem zu lösen, besser gesagt um herauszufinden, was die wahre Liebe ist. Vergangenheit? Nein, eigentlich eine Zeitreise voriger Jahrhunderte... , in die Zeit des großen englischen Dichters und Dramatikers William Shakespeare... .

Wie aus dem Klappentext hervorgeht, wird hier eine unerfüllte Liebe zwischen Rosa und Jan behandelt. Beide lernten sich auf der See kennen. Jan bekam einen Muskelkrampf und konnte nicht mehr schwimmen, und Rosa beobachte, als er unterging und rettete ihn mit Hilfe anderer Leute... . Beide verlieben sich ineinander und bilden ein Liebespaar. Jan war zu der Zeit noch Medizinstudent, Rosa studierte Grundschulpädagogik. Ein paar Jahre später ertappte Jan Rosa dabei, wie sie einen anderen Mann küsst, und beendet daraufhin die Beziehung. Jan lernt Olivia kennen, die Zahnmedizin studiert. Rosa gerät in eine Krise und schafft es nicht, von Jan loszulassen, greift zum Alkohol und bittet ihn für ihr Vergehen wiederholt um Vergebung.
Jahre später heiraten Jan und Olivia und Rosa hält noch immer an Jan fest, und sie noch vor der Vermählung versucht, die Hochzeit der beiden zu torpedieren.

Holgi, einer ihrer Freunde, versucht ihr die Trauer zu nehmen:
Auch andere Mütter haben hübsche Söhne.(...) und diese Söhne sind keine Zahnärzte.
Rosa vergleicht sich mit Olivia und bekommt dadurch Minderwertigkeitskomplexe, da sie keine Medizinerin sei, sondern "nur" Grundschulpädagogin, obwohl sie ihren Beruf nicht sonderlich liebte und sie nur durch unglückliche Lebensumstände zu diesem Beruf gegriffen habe. Eigentlich wäre sie lieber Schriftstellerin geworden:
Zudem war ich ein großer Freund von Ferien und regelmäßigen Gehaltsüberweisung. Von nervigen Kindern hingegen war ich kein zu großer Freund. Von ehrgeizigen Eltern noch viel weniger, von der Schulbehörde mit ihren ständig wechselnden Reformideen ganz zu schweigen. 44
Die Not treibt sie zu einem Hypnotiseur, der sie mit einem Pendel ins 16. Jhrd. befördert. Dort erfährt Rosa, dass sie einst Shakespeare war. Ihre Fähigkeit zu schreiben, habe sie aus dieser Zeit durch die Reinkarnation  in die Gegenwart mitgenommen. Sie erlebt das Leben von einst ein weiteres Mal, ebenso die vielen Gefahren, denen sie / er ausgesetzt war. Sie erkennt in den anderen Zeitgenossen auch Jan und Olivia wieder... und so bekommt vieles in ihrem Leben einen Sinn... .
Sie ist erstaunt, als sie erfährt, dass sie Shakespeare war. Aus der Hypnose würde sie erst aufwachen, wenn sie herausgefunden habe, was die wahre Liebe sei. Rosa ist verärgert, da sie der festen Überzeugung war, dass Jan die wahre Liebe sei. Doch im weiteren Verlauf findet sie sich damit ab, Shakespeare gewesen zu sein, tröstet sich mit dem Dramatiker, immer noch besser als Kafka zu sein... .

Etwas später spürt Rosa zwei Seelen in ihrem Körper. Die eigene Seele und die Seele von Shakespeare, und sie dieses Doppelleben in ihrem Körper als recht anstrengend empfunden hatte... .
Innerhalb der Hypnose gewinnt sie jede Menge Erkenntnisse. Sie hat ihr Leben als die gegenwärtige Rosa als viel zu selbstverständlich betrachtet, und erkennt plötzlich, wie wichtig ihr die Freundschaft mit Holgi ist:
 Wie oft musste er zu mir kommen, weil ich erst auf dem Klo feststellte, dass ich wieder mal vergessen hatte, Tampons einzukaufen.Dafür riskierte Holgi zwar nicht sein Leben, verzichtete aber auf den einen oder anderen One Night Stand, der ihm sicherlich mehr Freude bereitet hätte, als den Verkäufer an der Tanke nach Tampons zu fragen. Und wie hatte ich ihm das gedankt? Nicht sonderlich. Ich hatte ihn immer als selbstverständlich angesehen, ihm nie gesagt, dass er mir auf seine Weise genauso viel bedeutete wie Jan. War es das, was ich über die wahre Liebe lernen sollte, dass es die Freundschaft ist? 215
Allerdings das Bild mit den Tampons, naja, fand ich eher oberflächlich, aber hauptsache es klingt witzig, was es für mich aber nicht ist. Ich denke an ganz andere Eigenschaften, weshalb mir jemand wichtig ist... und nicht, weil Frau permanent vergisst, Tampons einzukaufen, und wird eher von dem Autor als ein sexualisierendes Symbol eingesetzt... So kann ja nur ein Mann von einer Frau denken, billige sexuelle Männerfantasien. Es gibt noch reichlich andere Versuche des Autors, Textstellen mit Hilfe von Sexualsymbolen witzig rüberzubringen, bei mir aber unwitzig ankamen und beschränke mich auf das obige Beispiel.

Eine weitere Nummer, die ich vom Witz her reichlich unpassend fand, ist, als sich die folgende Szene auf einem Schiff abspielte. Die Gräfin Maria verliebt sich in Shakespeare, eher vielmehr in seine Verse, obwohl es seine Aufgabe ist, sie mit einem anderen Mann, namens Essex, zu verkuppeln. Wenn es ihm nicht gelingen würde, würde man Shakespeare in einen Turm werfen. Allerdings bewirkten seine Verse das Gegenteil. Die Verse machten die Gräfin in ihrem Herzen liebend gegenüber Shakespeare. Shakespeare musste nun an seiner Taktik etwas ändern, damit sie von ihm wieder loskommen konnte und so änderte er die Verse so um, dass sie für ihn nur noch Verachtung übrig hatte. Da dies aber alleine nicht ausrechte, packte Shakespeare die Gräfin um die Taille und wirft sie über die Reling  so dass Essex gezwungen war, ihren Lebensretter zu spielen und die beiden dann schließlich doch noch ein Paar bilden konnten. Gräfin Maria - Olivia, Essex - Jan.
Maria schrie wie am Spieß und klatschte spektakulär ins Wasser. Wie erwartet waren solche Kleider nicht eben badetauglich: die Gräfin ging schneller unter als man "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" sagen konnte.
Auch diesen Witz im Fettdruck fand ich recht deplatziert und unschön. (Fettdruck von mir hervorgehoben).

Im 16. Jhrd. erlebte Rosa die Liebe viel intensiver als in der Gegenwart:
Die Menschen in der Vergangenheit waren zwar viel lebendiger als wir, aber wenn es um die Liebe ging, waren sie wirklich manchmal etwas extrem. Bei uns in der Zukunft waren die Gefühle der Menschen oft oberflächlich - viele Männer liebten ihre iPhone mehr als die Freundin; aber hier im England von William Shakespeare wäre es für die ein oder andere Frau vielleicht sogar besser gewesen, etwas weniger zu empfinden.  378f
Was ich recht gut fand, ist, als es darum geht, Frauen von Männern zu unterscheiden. Es gibt jede Menge Theorien dazu, und die Theorie von Shakespeare finde ich noch die am besten:
" Selbst wenn es für euch Frauen außerordentlich verblüffend sein mag… auch wir Männer haben Gefühle."" Dies ist in der Tat verblüffend", spottete ich." Doch ist es wahr. Auch wir empfinden Trauer, Freude, Liebe, Wut, ja, selbst die Unsicherheit, was den eigenen Körper betrifft, ist uns gemein. Denn wir sind alles Menschenwesen." (...). 
" Dass die beiden Geschlechter sich so ähnlich waren, hatte ich mir noch nie zuvor vergegenwärtigt. Aber jetzt begriff ich; auch wenn in unserer Zeit ständig über den Unterschied der Geschlechter palavert wurde und sich Studien, Filme und Selbsthilfebücher damit befassten, haben wir viel mehr, das uns verband, als uns trennte." 395
Denn wir sind alles Menschenwesen, das hat mir seht gut gefallen.
Aus meiner Sicht ist diese Theorie auf alle Menschen zu beziehen, auch auf Menschen mit einer anderen Hautfarbe oder anderer Herkunft, Nationalität ... .

Rosa geht zum Schluss mit viel Weisheit aus der Hypnose wieder heraus. Sie lernte Shakespear lieben, und umgekehrt Shakespeare Rosa. Dadurch hat Rosa die wahre Liebe finden können, aber nicht in Form vom Bauchkrippeln o. ä. , sondern eins werden mit sich und ihrer Seele.
__________
„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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Donnerstag, 28. Februar 2013

David Safier / Plötzlich Shakespeare

rororo
Miniformat gebunden, 480 S.
02.05.2012
10,00 €
978-3-499-25882-4





Klappentext
ZWEI SIND EINER ZU VIEL! 

Wenn Mann und Frau sich das Leben teilen, ist das ja schon schwierig. Aber wenn Mann und Frau sich auch noch ein und denselben Körper teilen müssen, dann ist das Chaos perfekt!
Die liebeskranke Rosa wird per Hypnose in ein früheres Leben versetzt. In den Körper eines Mannes, der sich gerade duelliert: William Shakespeare. Wir schreiben das Jahr 1594, und Rosa darf erst wieder zurück in die Gegenwart, wenn sie herausgefunden hat, was die wahre Liebe ist. Keine einfache Aufgabe: Sie muss sich als Mann im London des 16. Jahrhunderts nicht nur mit liebestollen Verehrerinnen rumschlagen, sondern auch mit Shakespeare selber, der nicht begeistert ist, dass eine Frau seinen Körper kontrolliert. Und während sich die beiden in ihrem gemeinsamen Körper kabbeln, entwickelt sich zwischen ihnen die merkwürdigste Lovestory der Weltgeschichte. 



Autorenportrait im Klappentext
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der letzten Jahre. Seine ersten beiden Romane "Mieses Karma" und "Jesus liebt mich" erreichten Millionenauflagen. Auch im Ausland sind seine Bücher Bestseller. Außerdem arbeitet David Safier als Drehbuchautor. Für seine TV-Serie "Berlin, Berlin" gewann er den Grimme-Preis sowie den International Emmy (den amerikanischen Fernseh-Oscar). David Safier lebt in Bremen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.

Das Buch habe ich in der Buchhandlung entdeckt und der Klappentext hat sich mir als recht originell angehört, sicher mit viel Witz geschrieben.Ich habe die ersten fünfzig Seiten gelesen. Das Buch liest sich recht locker und leicht. Muss auch mal sein, ein Wechsel von den ernsten und schwermütigen Themen  in das Légere. Wenn auch die Liebesthemen keineswegs leicht sind, das sind sie ja nie, so trivial sie meistens auch sind, wird diese Thematik hier in v
reichlich Humor gepackt. Mal schauen, wie weit ich komme. 



Mittwoch, 27. Februar 2013

Thomas Mann / Tonio Kröger (1)

Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre 

Tonio Kröger habe ich als eine recht langweilige Persönlichkeit erfahren.

Er wächst zwischen zwei Kulturen auf, wobei man nicht gleich erfährt, aus welchem Land die Mutter stammt. Sie wird beschrieben mit feurigem Künstlertalent, schwarze Haare und dass der Vater sie von ganz unten auf der Landkarte hochgeholt habe. Erst dachte ich, das sei Neuseeland, oder gar der Südpol? Nein, die Mutter kommt aus Italien. Da hat es der Dichter nicht so genau genommen mit dem Atlas. Italien ist nicht das Ende der Welt. Auf den folgenden Seiten erfährt man nicht nur, dass seine Mutter Italienerin ist, man erfährt auch, dass sie die Geige beherrscht und eine große Virtuosin ist. Und München, woher Tonios Vater kommt, befindet sich auch wieder nicht hoch oben auf dem Atlas.

Ein wenig fand ich die Erzählung klischeehaft, was ich von Thomas Mann so nicht kenne. Während Tonios Vater von Beruf Kaufmann ist, und als recht strebsam, ordnungsliebend, und als akkurat gilt, versteht es seine Mutter, sich nur auf die Musik zu konzentrieren. Tonio Kröger hat selbst eine Künstlerader in sich wachsen, zeigt großes Interesse gehobener Literatur gegenüber und versucht sich mit dem schreiben von Erzählungen und Gedichten.

In der Schule ist er bei den Lehrern nicht besonders beliebt, da seine Leistungen nicht so hervorragend sind. Tonio war als pubertierender Schüler viel zu verträumt und schwebte in anderen Spären... Der Vater rügt Tonio und wies ihn darauf hin, seine Leistungen zu verbessern. Tonio gab seinem Vater recht, anstatt zu rebellieren und sein Talent als Dichter zu verteidigen, wie das Pubertierende tun, gibt er nach, während er seine Mutter beschrieb, der die Schulzeugnisse ihres Sohnes einerlei waren. Wenn ich an die Buddenbrooks zurückdenke, so war Thomas Buddenbrooks Frau auch Geigenspielerin, schwarzhaarig und Holländerin, und die hauptsächlich mit ihrer Musik beschäftigt war und die Probleme der Familie nahm sie nicht so wichtig. Irgendwie wiederholen sich die Themen bei Thomas Mann immer mal wieder.

Tonio Kröger erkennt zwar, dass er die Gene beider Eltern in sich habe, legt sich dadurch fest, statt etwas Eigenes daraus zu entwickeln. Er ist vierzehn Jahre alt und irgendwie keineswegs auf Disput aus, stellt sich auf die Position seines Vaters, und gegen die Mutter... .
Andererseits aber empfand Tonio, dass der Zorn des Vaters weit gütiger und respektabler sei, und war, obgleich er von ihm gescholten wurde, im Grunde ganz einverstanden mit ihm, während er die heitere Gleichgültigkeit der Mutter ein wenig widerlich fand. Manchmal dachte er ungefähr: es ist gerade genug, dass ich bin wie ich bin und mich nicht ändern will und kann, fahrlässig, widerspenstig und auf Dinge bedacht, an die sonst niemand denkt. Wenigstens gehört es sich, dass man mich ernstlich schielt und Strafe dafür, und nicht mit Küssen und Musik darüber hinweggeht. Wir sind doch keine Zigeuner im grünen Wagen, sondern anständige Leute, Konsul Krögers, die Familie der Kröger… 25
Er betrachtet sich selbst als fremd und außergewöhnlich seinen gleichaltrigen Freunden gegenüber. Er wünscht sich doch ein wenig, wie die anderen zu sein.
 Nicht selten dachte er auch: warum bin ich doch so sonderlich und den Widerstreit mit allem, zerfallen mit den Lehrern und fremd unter den anderen Jungen? Siehe sie an, die guten Schüler und die von solidem Mittelmäßigkeit. Sie finden die Lehrer nicht komisch, sie machen keine Verse und denken nur Dinge, die man eben denkt und die man laut aussprechen kann. Wie ordentlich einverstanden mit allem und jedermann sie sich fühlen müssen! Das muss gut sein… was aber ist mit mir, und wie wird dies alles ablaufen? 25f
Tonio Kroger hat einen besten Freund, Hans, und sie gehen in die selbe Klasse. Hans ist ein sehr guter Schüler und bei den Lehrern gern gesehen. Sein Vater ist ebenso Kaufmann. Tonio Kröger empfindet eine starke Zuneigung zu Hans, er empfindet Liebe für ihn, so dass ich erst glaubte, er wäre homosexuell, konnte sich aber auf den folgenden Seiten nicht bestätigen.  Oder, mir kommt gerade der Gedanke,  dass er ein Problem mit seiner psychosexuellen Entwicklung hatte, und sich nicht wirklich festlegen konnte in der Wahl zwischen Mann und Frau. So viel ich weiß, ist Thomas Mann selbst homosexuell gewesen, die er aber nicht ausleben konnte.

Hans hat ein Problem mit dem Namen Tonio, so dass er in Gesellschaft mit anderen ihn nur mit dem Familiennamen nennt, da es ihm peinlich sei, ihn öffentlich mit dem Vorname zu rufen. Tonio ist die Abkürzung von Antonio, ist also ein fremdländischer und kein geläufiger Name im deutschsprachigen Raum. 32

Aus Tonio wird weder ein richtiger Künstler, nach dem Vorbild seiner Mutter, noch ein Kaufmann, nach dem Vorbild seines Vaters. Er hat nicht gelernt, zu seinen eigenen Talenten zu stehen, fühlt sich hin- und hergerissen zwischen den Fähigkeiten beider Elternteile, statt die eigene Begabung, die Liebe zur Literatur, stärker zu entfalten. Später, im Alter von etwa dreißig Jahren, gerät er in eine Identitätskrise, und versucht herauszufinden, welchen Sinn man einer Künstlernatur nur geben könne?

Tonio zieht es in den Norden, und auf dem Weg dorthin wird er in einem deutschen Hotel von einem Polizisten verhört, da man ihn, aus München kommend, der Hochstablerei verdächtigte. Er ist entsetzt, dass man ihn darin verdächtigt hatte, obwohl doch München seine Vaterstadt sei.
In Dänemark macht er die Erfahrung, dass die Menschen dort alle blond, blauäugig  ehrgeizige Menschen sind, sie dafür auch recht gewöhnliche sind. Damit drückte er aus, dass er sich für das Nördliche entschieden hat, und nicht für das Südländische.

Tonio hat nicht gelernt, aus beiden Kulturen seine Ressourcen zu ziehen. Die Kultur seiner Mutter lehnte er ab, obwohl er Talent hat zu schreiben, entscheidet sich für das Nordische, eher das Gewöhnliche. Dadurch, dass er das Künstlerische in sich ablehnte, konnte er seine Fähigkeit zu schreiben, nicht wirklich entfalten. Er bleibt ein Durchschnittsschreiber... .

Nun, so denke ich doch wohl, dass es auch im Norden Künstler mit Temparamenten gibt und im Süden Kaufleute. Auch im Süden gibt es blonde Menschen mit blauen Augen, sowie im Norden Menschen mit dunklen Haaren... .Tonio trägt ein schwarz / weiß Weltbild mit sich herum....

Ich mache jetzt hier Schluss  So bedeutend ist mir Tonio Kröger nicht gewesen, als dass ich mich jetzt seitenweise über ihn austauschen möchte. Habe mehr erwartet. Ich bin davon ausgegangen,  dass Tonio Kröger eine bedeutende Persönlichkeit darstellen wird... . Darin wurde ich enttäuscht. Aber solche Persönlichkeit gibt es nun mal nicht nur im wirklichen Leben .-).... .

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2013: 15
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Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 25. Februar 2013

Thomas Mann / Tonio Kröger...

... und andere Erzählungen; zweiter Band von vier Bänden

Hier war mal ein Cover ... 



Preis € (D) 10,00 |

Gebunden, Miniformat, 104 Seiten

ISBN: 978-3-596-51136-5



Klappentext
Im Werk Thomas Manns stehen die Erzählungen gleichberechtigt neben den großen Romanen. Ihre formale Klarheit und sprachliche Präzision zeichnen sie ebenso aus wie ihr Humor und ihr psychologischer Scharfblick.
Bereits der junge Thomas Mann hat die kurze Prosa als seine Form entdeckt und früh zur Meisterschaft entwickelt. Über Jahrzehnte hinweg hat der Autor immer wieder Erzählungen geschrieben, die zu den bedeutendsten nicht nur des 20. Jahrhunderts gehören.
Mit ›Tonio Kröger‹ (1903) hat sich Thomas Mann eine »Geschichte, die das ganze Gefühl meiner Jugend enthält«, von der Seele geschrieben. Neun Jahre später, 1912, erschien ›Der Tod in Venedig‹, über den Thomas Mann als Fazit seines Schreibens gesagt hat: »Form und Schönheit haben auf irgendeine Weise etwas mit dem Tode zu tun, so sehr sie eine Sache des Lebens sind. Das ist ein Geheimnis, aber es ist so.«


Autorenportrai im Klappentext
 Thomas Mann, 1875 – 1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

So, ihr Lieben, Pamuk habe ich nun durch und habe für mich beschlossen, die beiden ungelesenen Bücher, die bei mir noch im Regal stehen, auch zu versuchen zu lesen. Für Schnee habe ich bei http://www.perlentaucher.de  gelesen, dass er einen Literaturpreis erhalten hat. Wenn ich mir mit diesen beiden auch schwer tun werde, dann sage ich Pamuk Adieu, reiche ihm geistig meine Hand. 

Mache jetzt mit Thomas Mann weiter. Besitze von ihm vier Bände mit Novellen. BD 1 habe ich durch, beginne heute mit BD 2. Ich lese nicht alle Novellen gleichzeitig. Ein oder zwei, je nach dem wie lang oder kurz sie sind. Einige davon sind mir noch durch die Schule vertraut. 

Tonio Kröger meine ich damals auch gelesen zu haben, weiß aber den Inhalt nicht mehr einzuordnen, während mir andere im Gedächtnis haften geblieben sind. Deshalb lese ich Tonio Kröger ein weiteres Mal. 

Ich schätze Thomas Mann sehr. Er besitzt eine hohe, hohe Beobachtungsgabe und er gehört für mich zu den wenigen Schriftstellern, die zwar sehr rational schreiben, aber dennoch sind Manns Texte recht beseelt. Dadurch zählt er auch zu meinen Lieblingen... . 

Mein Favorit ist  Die Buddenbrooks. Habe das Buch gelesen, den langen Film gesehen aus den 1970er Jahren, immer wieder und immer wieder, hatte ich die Buddenbrooks bei mir laufen. 




Sonntag, 24. Februar 2013

Orhan Pamuk / Das stille Haus (2)

Zweite Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch ist durch die vielen Ich-Erzähler sehr facettenreich, dass ich nicht auf alle Figuren eingehen kann. Wie immer schreibe ich mir meistens die Stellen aus dem Text heraus, die mich tief bewegt haben.

Der Roman befasst sich mit den Jahren 1980 – 1983.

In dem Haus ist es recht still, denn dort lebt nur noch eine Großmutter mit ihrem kleinwüchsigen Stiefsohn namens Recep, der der Hausdiener der alten Dame ist. Fatima ist schon recht alt und hat viele Menschen aus ihrem Familienkreis durch den Tod verloren. Sie hätte fast alle überlebt, wären da nicht noch ihre drei Enkelkinder, die in der Hauptstadt des Landes leben. Die Namen sind Nigül, Faruk und Netim. Netim geht noch zur Schule und verdient sich ein wenig Geld durch die Nachhilfe in Mathe und in Englisch, da er nach der Schule unbedingt nach Amerika möchte, um dort zu studieren. Amerika ist das Land, wo seine Vorbilder leben. Netim und die anderen Figuren idealisieren recht stark die westliche Kultur. Nicht wenige aus den islaminschen u.a. Ländern zog es dort hin, und erlitten dann einen Kulturschock...
Nigül ist schon fertig mit der Schule und studiert an der Universität. Ich habe vergessen, was sie studiert hat. Faruk ist der älteste von den drei Geschwistern. Er ist von seiner Frau geschieden. Angeblich habe die Frau ihn verlassen, weil er nicht so viel Geld besitzen würde. Dies kritisieren die Ich-Erzähler heftigst, dass sich in der Türkei vieles nur noch ums Geld drehen würde.

Die drei Enkelkinder gehen ihre Großmutter besuchen und bleiben dort für acht Tage. Die Großmutter ist ziemlich geschwächt und liegt im Bett. Aber vom Geistigen her ist sie noch rege und fit. Das Haus ist schon recht alt und müsste eigentlich saniert oder abgerissen werden. Deshalb der Titel „Das stille Haus“, weil außer der Großmutter und Recep niemand mehr dort wohnt. Die Enkelkinder haben ihre Eltern verloren, da waren sie noch recht klein. Woran die Eltern gestorben sind, geht aus dem Text nicht hervor, oder ich habe ihn verpasst. Der Mann von Fatma, Selahattin, ist auch schon gestorben und er galt zu Lebzeiten als ein recht angesehener Arzt. Auch arbeitete er an einer Enzyklopädie und bezeichnete sich als Wissenschaftler nach dem Vorbild der westlichen Welt. Die Enzyklopädie ist eher symbolisch gemeint, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es in der Türkei keine Nachschlagewerke gibt. Wörter und Begriffe werden von Salahattin untersucht, als habe es bisher noch niemand getan. Da die Menschen dort viele Fragen mit Hilfe des Glaubens erklären, beantwortet der Arzt die Fragen ohne den Glauben, aus seiner Sicht rein wissenschaftlich.… .

Seine Frau dagegen lebte noch recht traditionell, so dass die Ehe in ihren Widersprüchen steckte.

Selahattin zählt  auch zu diesen Ich-Erzählern; Fatma erinnert sich, als sie das Haus gebaut hatten, ganz nach Vorbild Europas:
„Hier wird meine Praxis sein, hier das Esszimmer, hier eine Küche nach europäischer Art; jedes Kind bekommt sein eigenes Zimmer, denn jeder soll sich in sein Zimmer zurückziehen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln können, ja Fatma, drei Kinder will ich; wie du siehst, lasse ich an den Fenstern keine Holzgitter anbringen wie an den traditionellen Häusern, Frauen sind schließlich keine Tiere, die man einsperrt, wir sind alle frei, wenn du willst, kannst du mich verlassen, wir bringen Fensterläden an, wie drüben in Europa, überhaupt soll es zwischen dort drüben und hier kein Unterschied mehr geben, und wir lassen auch keine Erker bauen, sondern einen Balkon, ein Fenster zur Freiheit, ist das nicht ein schöner Anblick, Istanbul muss dort hinter diesen Wolken sein, fünfzig Kilometer weit weg, gut, dass wir in Gebze aus dem Zug gestiegen sind, die Zeit vergeht schnell, ich glaube sowieso nicht, dass sich die Dummköpfe lange an der Regierung halten, vielleicht werden die Jungtürken gestürzt, bevor unser Haus überhaupt fertig ist, und dann gehen wir sofort nach Istanbul zurück, (…).“ 38f. 

Selahattin bezeichnet die Kultur der Türkei als total rückständig, unreflektiert und unwissenschaftlich und tut alles, um dies in seiner Lebensweise zu ändern:
" (…) ich glaube fest an die Unentbehrlichkeit der Wissenschaft und daran, dass es bei uns deshalb so elend zugeht, weil wir unwissenschaftlich sind, ich habe zutiefst begriffen, dass auch wir eine Renaissance brauchen, ein Neuerwachen der Wissenschaft, Mir steht eine furchtbar große Aufgabe bevor, und ich kann Talat Pasar nur danken, dass er mich in diese trostlose Gegend verbannt hat, denn ohne die Einsamkeit und die vielen Lese-und Mußestunden wäre ich nicht zu diesen Gedanken gelangt und hätte nie die Bedeutung meines geschichtlichen Auftrags erfasst, Fatma, und auch die Gedanken Rousseaus sind Fantasien eines einsamen Spaziergänger auf dem Land, inmitten der Natur, doch wir beide gehen ja zusammen umher (…)". 107 f
Ja, von Roussau habe ich auch eine Biografie gelesen, und sein Standardwerk Emils Erziehung. Es stimmt wohl, die meisten Gedanken entwickelte Rousseau in seiner Einsamkeit, wobei viele seiner Theorien auch recht widersprüchlich waren... . Roussau hatte jede Menge Probleme mit seinem Land, bedingt durch sein Verhalten und seiner Denkweise, so dass er des Landes verwiesen wurde und lebte als Exilant in einem anderen europäischen Land, wie z.B. England.... . Auch hier erfahre ich eine zu starke Idealisierung.

Ich frage mich, was lehren die Universitäten und die Schulen in der Türkei? Es muss doch auch in der Türkei Geschichte und Wissenschaften geben, eine stärkere Abgrenzung zu Glaube und Religion..
Nun folgt ein Gedanke, der mir recht gut gefallen hat:
"Der Himmel ist auch in Frankreich blau, an Feigenbäumen werden auch in New York die Früchte im August reif, und ich schwöre dir, dass aus Hühnereiern in China genauso Küken schlüpfen wie bei uns, und wenn in London Wasserdampf eine Maschine in Bewegung setzt, dann tut er es auch hier, und wenn es in Paris keinen Gott gibt, dann gibt es hier auch keinen Gott, und die Menschen sind überall gleich und eine Republik ist immer das beste und die Wissenschaft steht über allem." (lol), 247
Ein sehr schönes Zitat, doch der Autor hat ganz vergessen, dass Frankreich ein katholisches Land ist. Auch Europa hat seinen Glauben und seine Religionen, nicht jeder Wissenschaftler ist Atheist.  Und nicht jeder Atheist ist Wissenschaftler. Auch in Europa gibt es viele Widersprüche und viele Differenzen. Das wäre ja schlimm, wenn alle Menschen gleich wären.
Auf mich wirkt Selahattins Bild zu Europa ein wenig zu naiv. Zu undifferenziert, nicht nur der Lebensweise der Menschen gegenüber, sondern auch der Wissenschaft. Auch die Wissenschaft ist nicht in der Lage, alle Fragen zu beantworten bzw. alle Rätseln der Welt zu lösen. Dazu ein Zitat von Einstein:
Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. (Zitat aus einer Tageszeitung)
Ich merke gerade, dass mich Fatmas Mann doch am meisten beschäftigt hat und ich überwiegend die Textstellen herausgeschrieben habe, die er gedacht  hat. Natürlich hat er mit seiner Lebensweise seine Enkelkinder auch geprägt, denn sie sind es, die mit diesen vielen Welten in sich leben und auskommen müssen. Bis sich der Wandel vollzogen hat, können Generationen vergehen.

Die junge Studentin Nigül entwickelt sich zu einer Kommunistin. KommunistInnen sind nicht gern gesehen und so wird sie Opfer von körperlicher Gewalt… . Die Gewalt wurde auch noch von einem Jüngling verübt, der in sie verliebt ist. Merkwürdige Form von Liebe… . Daran wird auch deutlich, wie Frauen behandelt werden, die anders zu leben versuchen… . Aber Nigül, das Mädchen von Welt, wirkt ein wenig arrogant, spricht nicht mehr mit den Menschen, mit denen sie einst mal gleichaltrig gespielt hatte. Diese Überheblichkeit reizt ihren Täter maßlos... .

Selahattin versucht Fatma darin zu überzeugen, dass es Gott gar nicht geben kann und ich füge ein letztes Zitat hinzu:
"Du wirst in lautloser Einsamkeit darben, aus der es kein Zurück gibt; deine Leiche wird im kalten Boden faulen, dein Schädel, dein Mund sich wie ein Blumentopf mit Erde füllen, dein Fleisch zerfallen wie getrockneter Dünger, dein Skelett zerbröseln wie Kohlenstaub, und in der Gewissheit, dass dir kein Fünkchen Hoffnung auf eine Rückkehr gegönnt ist, wirst du in einen fürchterlichen Sumpf tauchen, der dich bis zum letzten Härchen zersetzen wird, in ein unerbittliches Nichts, einen eisigen Schlamm, in dem du zu Grunde gehst: verstehst du mich, Fatma?" 507
Der Roman endet mit einer Tragik, und lässt in mir den Eindruck zurück, dass alte Lebensweisen was Politik, Glauben, Familie und Gesellschaft betrifft, immer wieder auf ihr altes Muster zurückfallen. Bemühungen für neue und moderne Lebensperspektiven konnten sich nicht durchsetzen.
Man spürt sehr deutlich diese Zerrissenheit, die Pamuk, der aus einer gebildeten Familie stammt, innerlich durchlebt. Das Buch an sich fand ich nicht schlecht, nur die Art und Weise, wie er die Probleme hat angehen lassen, fand ich arg anstrengend, zumal er sich oft wie in einem Kreis sich drehend wiederholt.

Mich hat das Buch auch ein wenig deprimiert.
Denn auch ein Wissenschaftler weiß noch lange nicht alles, viele weltliche und religiöse Fragen bleiben auch hier oft unbeantwortet.

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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Orhan Pamuk / Das stille Haus (1)

Eine von zwei Buchbesprechungen zur o. g.  Lektüre

Ich habe das Buch als zu pessimistisch erlebt und auch als recht einseitig und anfangs sogar arg verwirrend, was den Ich - Erzähler betrifft. 
Ich bin mit dem Stil des Ich-Erzählers partout nicht klar gekommen, so dass ich im Internet nach Rezis gesucht habe, um mir eine andere Meinung einzuholen und bin bei www.Perlentaucher.de fündig geworden, die mir sehr hilfreich war. Das Buch besteht aus Monologen, die aber immer aus der Perspektive der fünf Protagonisten heraus erzählt werden. Ich hatte diese Erzählform bisher noch nicht erlebt. Diese erfahre ich jetzt zum ersten Mal. Mitten im Satz wechselt der Ich-Erzähler, in dem plötzlich ein anderer aus seiner Lebensperspektive heraus monologisiert, ohne dass man darauf vorbereitet wird und ich gar nicht mehr wusste, wer denn nun erzählt.

Puh, ist das anstrengend gewesen. Bei www.Amazon.de wird die kleinwüchsige Figur Receg als der Ich - Erzähler benannt, was so nicht ganz richtig ist. Ich hatte diese auch erst vermutet, war dann irritiert, als der Ich-Erzähler plötzlich einen anderen Namen trug..

Also, wenn die anderen Bücher von Pamuk so ähnlich aufgebaut sind, dann werde ich kein Fan von Pamuk mehr bleiben. Habe gehört, dass noch andere Bücher von ihm mit ähnlichem Muster geschrieben sind, was ich gar nicht mag, ein Haufen von Gedanken auf mich niederprasseln zu sehen, was mir zu viel ist und fühle mich geradezu wie durch ein Erdbeben von den erdrückenden Gedanken begraben.
Hochgelobt von zwei Pamuk-Leserinnen wurde das Buch Rot ist der Name, wobei ich vermute, dass das auch nicht mein Buch sein wird, da es ähnlich wie das hiesige Buch durch viele Perspektiven geht, und hoffe nicht, dass es auch so monologisch geschrieben ist. 

Das Bild, das die Figuren zur westlichen Welt haben, (oder vielmehr der Autor selbst) fand ich nicht differenziert genug und ein wenig naiv.
Es gibt doch in jeder Kultur auch Positives, Stärken gibt es, selbst in den rückständigsten Staaten dieser Welt. 
In dem Buch wird die Zerrissenheit der Protagonisten deutlich. Zerrissen zwischen Orient und Okzident, zerrissen wischen Ost und West, zerrissen zwischen Tradition und Moderne, zwischen  derTürkei und der EU.

Ich denke schon, dass sehr viele TürkInnen innerlich gespalten sind. Sie werden aus meiner Sicht diese Zerrissenheit erst überwinden, wenn die Türkei endlich in die EU-aufgenommen wird. Ich sehe ja ein, dass das Problem mit der Vertreibung der Kurden ein sehr ernstes ist, mit daran scheitert ja der Eintritt in die EU. Immer wieder wird die Türkei von der EU zurückgewiesen, das nagt sicher am Selbstwert, vor allem, wenn man sich so um Anpassung der Kulturen bemüht ist. Viele TürkInnen aus den Großstädten haben einen Lebenswandel durchzogen und sind von uns Europäern nicht mehr zu unterscheiden.

Auch die Infrastruktur und das Wirtschaftswachstum ist in der Türkei dermaßen fortgeschritten, dass sie sogar EU - Länder wie z.B. Spanien, Portugal und Italien überholt haben. Ich finde schon, dass die Türkei es verdient hat, in die EU aufgenommen zu werden. Vielleicht würde dadurch auch das Kurdenproblem gelöst werden, wenn die EU verstärkt mit draufguckt. Und das Selbstwert der TürkInnen würde steigen.

Ich wünsche dem Land eine Aufnahme in die EU. und dass die Regierung es schafft, das Kurden-Problem human und menschenrechtlich zu lösen.

Da ich nun so viel zu meinen Eindrücken geschrieben habe, werde ich die Textinterpretation im gesonderten Post dranhängen, um eine Überlänge zu vermeiden.
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         (Isabel Allende)

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Montag, 18. Februar 2013

Orhan Pamuk / Das stille Haus


  • Gebunden Mini: 576 Seiten
  • Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (14. Mai 2012)
  • Sprache: Deutsch, 14,00 €
  • ISBN-10: 3596512018



Klappentext

Die Geschwister Faruk, Metin und Nilgün verbringen wie jedes Jahr auch den Sommer 1980 bei ihrer Großmutter am Meer. Jeder kämpft mit seinem Schicksal: Faruk trinkt und trauert seiner geschiedenen Frau hinterher. Metin träumt von einer Zukunft in Amerika. Die Schwester Nilgün taucht in sozialistische Ideen ab. Und die Großmutter hat Angst, dass ans Licht kommt, was sie einst den unehelichen Kindern ihres Mannes angetan hat. Und dann kündigt sich der Militärputsch an. Orhan Pamuk brilliert als Chronist dieser verlorenen Gestalten in einer politisch hoch explosiven Zeit. 


Autorenportrait

Orhan Pamuk, geb. 1952 in Istanbul, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den Independent Foreign Fiction Award, 1991 den Prix de la découverte européenne, 2003 der International IMPAC Dublin Literary Award, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in demselben Jahr den Ricarda-Huch-Preis, 2006 den Nobelpreis für Literatur und 2007 die Ehrendoktorwürde der FU Berlin als 'Ausnahmeerscheinung der Weltliteratur'.

Von dem Autor habe ich ein Buch mit dem Titel Istanbul gelesen, das mir recht gut gefallen hat und ich Lust bekommen habe, weitere Bücher von dem Autor zu lesen. Es befindet sich noch ein ungelesenes im Regal! 


Jane Austen / Manfield Park (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Literatur

Das Buch hat mir besser gefallen als die anderen Werke der Autorin.

Wie im richtigen Leben... Manche Menschen verhalten sich recht böse, gönnen anderen nicht die Butter aufs Brot, vor allem Menschen, die über kein Vermögen verfügen. Diese Mrs. Norris ist ja eine ganz Üble gegenüber der jungen Fanny Price, die im zarten Alter von zehn Jahren von ihrer Familie in das Haus Bertrams gezogen ist, mit denen sie verwandt ist. Sie wird hier so richtig stiefmütterlich behandelt. Sie wird als dumm deklariert, weil sie mit zehn Jahren nicht über die selbe Bildung verfügt wie die ihrer Cousinen... . Wer arm geboren wird, wird automatisch als ein schlechter Mensch charakterisiert, als betreten arme Menschen mit einem üblen Charakter die Welt. Im folgenden ein Dialog einer Cousine mit ihrer ihrer Mutter im Beisein ihrer Tante:

"Stell dir bloß vor, liebe Mama, meine Cousine kann nicht einmal die Landkarte von Europa zusammensetzen - oder meine Cousine kann nicht die wichtigsten Flüsse Russlands aufzählen - oder sie hat noch nie von Klein - Asien gehört - oder sie kennt nicht den Unterschied zwischen Wasserfarben und Buntstiften. Wie seltsam! Hast du schon mal etwas so dummes gehört?
"Meine Lieben", pflegte ihre rücksichtsvolle Tante zu erwidern, "das ist sehr schlimm, aber ihr dürft nicht erwarten, dass jeder so leicht lernt und schnell lernt wie ihr." 22 f

Fanny ist unter ganz anderen Voraussetzungen aufgewachsen, hatte nicht die selben Möglichkeiten wie ihre reichen Cousinnen sie haben. Sich über solche Menschen zu stellen, finde ich recht schwach und charakterlos... .

"Denk dir, Mama, sie sagt, sie will weder ein Instrument noch Zeichnen lernen."
"Wahrhaftig, Liebes, dass ist sehr dumm und zeigt einen großen Mangel an Begabung und Eifer. Aber wenn man es recht bedenkt, ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Dinge so liegen, denn obwohl ihr wisst (…), dass euer Papa und eure Mama so lieb sind, sie mit euch zusammen aufzuziehen, ist es gewiss nicht nötig, dass sie genauso gebildet wird wie ihr. Im Gegenteil: Es ist viel wünschenswerter, wenn ein Unterschied gewahrt bleibt." 24f
Diese Denkweise finde ich auch heute noch vor, speziell Reiche zu Armen, MigrantInnen zu Einheimischen, etc. man will gar nicht, dass diese Fremden ähnlich den anderen gleich sind. Deswegen wird immer auf die Differenz geachtet und weniger auf die Gemeinsamkeiten... . Jeder Mensch ist bildungsfähig, aber nicht jeder Mensch erhält gleichermaßen Bildung... . Man vergisst hinter der Exotik den Menschen zu sehen, in diesem Fall Fanny, als wäre sie dumm geboren... .

Fanny Price ist hier nicht nur die Protagonistin, sondern auch das schwarze Schaf in der vornehmen Gesellschaft. Sie wird aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aussehens als nicht gesellschaftsfähig betrachtet. Demnach wird sie von den Tanzabenden erstmal ausgeschlossen.
Aber Fanny hat auch Glück, denn sie findet sehr viel Beistand und Mitgefühl durch ihren Cousin Edward Bertrand. Zwei junge seelenverwandte Persönlichkeiten, die in den Nöten immer füreinander da sind, und sich gegenseitig beratschlagen.

Die jungen Leute wachsen heran und Fanny hat mittlerweile in dem neuen Familienhaus ihre Heimat gefunden. Dennoch ist sie nach wie vor ein "Stiefkind". Bei der Partnerwahl wird immer wieder das Vermögen des Bewerbers herangezogen. Fanny wird dadurch auf ihren Status festgelegt. Niemand rechnet damit, dass sich jemand Vermögendes für sie interessieren könnte. Das Vermögen entschädigt jegliche Schwäche. Es ist gar nicht mal wichtig, wie gut jemand ausschaut oder welche Schwächen man hat, oder ob man überhaupt zusammen passt, solange das Vermögen stimmt und das Vermögen macht die Paare gefügig. Dabei denke ich an Thomas Manns Werk Die Buddenbrooks.
Mr. Crawford soll mit Fannys Cousine Julia Bertram verbunden werden...
Die Jahre vergehen nämlich und die Kinder befinden sich nun im heiratsfähigen Alter... . Es wird nachgedacht, ob Mr. Henry Crawfort zu Julia Bertram passt. Die Kriterien sind eher oberflächlicher Natur:
"Ach so! Miss Julia und Mr. Crawford. In der Tat ein sehr hübsches Paar. Wie groß ist sein Vermögen?" 140
Die Frage nach dem Vermögen fand ich recht unnatürlich dran gehängt.

Fannys Onkel, Sir Thomas Bertram, Oberhaupt der Familie, besitzt eine gewisse Autorität, die bis in die Spießbürgerlichkeit reicht, die ihn weder bei seinen eigenen Kindern, noch bei Fanny wirklich beliebt macht. Aber er ist der einzige, der nach seiner mehrmonatigen Geschäftsreise eine ordentliche Wandlung gegenüber Fanny vollzogen hat. Er hat sie lieb gewonnen, und ihren Wert zu schätzen gelernt. Selbst Fanny war von ihrem Onkel so positiv überrascht worden, dass sie Gewissensbisse hatte, da sie von ihm keine so hohe Meinung pflegte.

Der Cousin Edmund und Fanny sind für mich die beiden Figuren, die mir am sympathischsten sind.
Die Szene mit dem Theater innerhalb der Familie fand ich auch recht kurios. Fanny durfte nur mitspielen, weil sich für eine weibliche Rolle keine Schauspielerin fand, da diese Rolle sehr erniedrigend war. Nun sollte Fanny einspringen, ihr wurde diese Rolle zugetragen, da sie die einzige sei, die angeblich zu der Rolle passte. Fanny verweigerte... Eine ziemlich versnobte Gesellschaft, wie ich sie schon bei Marcel Proust, Charles Dickens u.a. erfahren habe... .

" Oh! Wir wollen dich nicht von deinem Platz verjagen. Wir brauchen deine Dienste nicht sofort. Wir brauchen sie nur in unserem Stück. Du musst die Häuslersfrau spielen."
"Ich!", rief Fanny und setzte sich in äußerster Bestürzung wieder hin. " Das geht wirklich nicht. Ich könnte nicht spielen, selbst wenn Sie mir die ganze Welt dafür schenkten. Nein, wirklich, ich kann nicht spielen."
" Aber du musst, denn ohne dich geht es nicht. Es braucht dich nicht zu erschrecken; es ist eine richtige Rolle, ein wahres Nichts, insgesamt höchstens ein halbes Dutzend Textstellen, und es macht nicht viel, wenn keiner ein Wort von dem versteht, was du sagst." 172

An dieser Textstelle wird auch noch mal deutlich, wie Fanny abgewertet wird. Sie sei nicht in der Lage, mehr als ein Dutzend Textstellen auswendig zu lernen, während die anderen, was sich fortlaufend lesen ließ, mehr zu bewältigen haben. Und die Häuslersfrau keine wirklich bedeutende Rolle.
Dabei ist es Fanny, die sich verändert und Charakterstärke beweist. Sensibel, fair, feinfühlig mit einer hohen Beobachtungsgabe ausgestattet, zeigt sie sich ihren Mitmenschen gegenüber. Während die anderen, ausgenommen Edward und Sir Thomas, als hätten sie einen Panzer vor ihrer  Brust, haben jegliches Feingefühl niemals entwickeln können. Auch kein Feingefühl gegen diese Ungerechtigkeit. Emotionslos Fanny gegenüber. Fannys positive Charaktereigenschaften zählt  Mrs. Norris als ihr Verdienst und der Familie Bertram zu:
"Bei all ihren Vergünstigungen hat sie wohl Grund, gut auszusehen: immerhin ist sie ja in dieser Familie aufgewachsen und konnte sich an den Manieren ihrer Cousinen ein Beispiel nehmen. Bedenken Sie doch nur, mein lieber Sir Thomas, was für außerordentliche Vorteile Sie und ich ihr verschafft haben. Das Kleid, auf das sie gerade hingewiesen haben, war Ihr eigenes großzügiges Geschenk zur Hochzeit der lieben Mrs. Rushworth. Was wäre aus ihr geworden, wenn wir sie nicht an die Hand genommen hätten?" 317
Dass Fanny aber in dem Haus auch gebraucht wird und Arbeiten verrichtet, für die sich ihre Cousinnen zu fein sind, wird erst am Schluss des Buches wertgeschätzt.

Fanny bekommt von Henry Crawford einen Heiratsantrag gemacht , der eigentlich mit Julia verkuppelt werden sollte. Er ist zwar vermögend, liebt aber die mittellose Fanny trotzdem. Ich gönne ihr so sehr diese Heirat, um viele Neider zum Platzen zu kriegen. Leider interessiert sich Fanny nicht für Henry aber Henry gibt nicht auf, und hofft, dass Fanny mit ein wenig Geduld doch noch einer Heirat zustimmen werde. Henry hatte es einfach falsch angepackt, fiel mit der Tür ins Haus. Einige Verwandte sind der Meinung, dass Fanny ein Mann solcher Größe nicht zustehen würde. Ihr Onkel Sir Thomas und ihr Cousin Edward dagegen befürworten diese partnerschaftliche Verbindung, und versuchen auf sie einzureden, doch Fanny kommt von ihrem Standpunkt nicht ab, da sie der Meinung sei, dass sie Henry mit ihrer Liebe nicht wirklich glücklich machen könne.

Nun kommt es zu einem Skandal, und der Ruf der vornehmen Familie Bertrams ruiniert ist. Maria , die Tochter von Sir Thomas Bertrams, ist mit Fannys Bewerber Henry ausgebrannt, obwohl sie mit Mr. Rushworth vermählt ist. Jetzt, wo Fanny Henry gegenüber nicht mehr gleichgültig ist, brennt er aus. Fanny kann das nicht begreifen, wo er doch unaufhörlich um ihre Hand bat. Kann eine Liebe so schnell erlöschen? sind Fragen, die Fanny beschäftigt. Allerdings suchte Henry in Maria nur einen Seitensprung. Was Fanny nicht weiß, ist, dass er tatsächlich nur in sie verleibt ist, ärgert sich selbst, dass er nun mit diesem Seitensprung die Beziehung zu der Frau seines Lebens auf´s Spiel gesetzt hat und weiß, dass er nicht mehr zu ihr zurück kann.

Die Schuld, dass die beiden jungen Leute, Maria Rushworth und Henry Bertram, ausgebrannt sind, bekommt Fanny von bösen Zungen zugesprochen, hauptsächlich von Mrs. Norris. Hätte sich Fanny nicht so eine lange Bedenkzeit genommen, dann wären Henry und sie schon verheiratet gewesen, und der Skandal wäre nie ausgebrochen... .

Das Scheitern solcher partnerschaftlichen Verbindungen sieht die Autorin Jane Austen als ein gesellschaftliches Problem an. Wenn zu viel auf Äußerlichkeiten Wert gelegt wird, so geht eine Partnerschaft ein erhöhtes Risiko ein, dass sie nicht gelingt. Meist sind es Verbindungen, die von anderen Leuten herangetragen werden. Darin liegt die große Kritik der Autorin. Innere Werte kommen völlig zu kurz... . Für mich sind es Fanny und Edward, die über innere Werte verfügen und letzten Endes als wahre Sieger aus der Geschichte hervorgehen. Oberflächlichkeiten, Neid und Missgunst dominieren in der hohen Gesellschaftsschicht.

Das Buch endet trotzdem positiv, und Fanny bekommt den Partner, den sie verdient hat, ich verrate aber nicht, wen sie geheiratet hat.

Zu Beginn der Lektüre erwähnte ich gegenüber meinen Literaturfreundinnen, dass mich das Buch an Charles Dickens erinnern würde. Nach dem Lesen des Nachworts fand ich mich in meiner literarischen Beobachtung bestätigt. Wobei Jane Austen die eigentliche Vorreiterin war vieler Schriftsteller des Viktorianischen Zeitalter Englands, zu der nicht nur Charles Dickens, sondern auch Makepeace Thackeray und Georg Eliot zählen. Georg Eliot allerdings habe ich noch nicht gelesen, ist mir noch nicht zwischen die Finger gekommen.

Ich freue mich wirklich immer wieder, wenn sich meine Beobachtungen bestätigen lassen, so ganz ohne literaturwissenschaftlichen Studien. Meine literarischen Gedanken und Beobachtungen entstehen größtenteils aus mir selbst heraus, ohne irgendwo abgeschrieben zu haben oder mich anderweitig habe beeinflussen lassen... . . Und so macht mir Lesen Spaß.

Und nun zum Schluss die Frage für was Mansfield Park steht? Es ist ein Ort, in dem hauptsächlich reiche und vornehme Leute verkehren und sich begegnen. Im Folgenden ein Zitat:
"Ihre Gespräche drehten sich jedoch nicht immer um so hohe Themen wie Geschichte oder Moral. Auch andere kamen zu ihrem Recht. Und von denen mit weniger anspruchsvollem Inhalt wiederholte sich keines so oft oder wurde solange zwischen ihnen erörtert wie Mansfild Park, die Beschreibung der Menschen, der Sitten, der Vergnügungen, der Verhältnisse in Mansfild Park. 
Die Themen wurde sehr oft trivialisiert... .
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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2013: 13
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 11. Februar 2013

Jane Austen / Mansfield Park

  • Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
  • Verlag: Anaconda (31. Januar 2010)
  •  7,95 €
  • ISBN-10: 3866474814


Klappentext

Die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Fanny Price wächst in der Familie ihres Onkels Sir Thomas Bertram im Herrensitz Mansfield Park auf. Von ihren selbstverliebten Kusinen Maria und Julia hat das scheue und gutmütige Mädchen, dem es angeblich an »feiner Bildung« mangelt, Einiges zu erdulden. Doch nach Jahren voller Rückschläge und Irrtümer ist schließlich sie es, die ihre fast schon verloren geglaubte große Liebe findet. In ihrem 1814 erschienenen vierten Roman zeichnet Jane Austen ein facettenreiches Sittenbild des englischen Bürgertums am Beginn des 19. Jahrhunderts.


Autorenportrait im Klappentext

Das Leben Jane Austens (1775 bis 1817) verlief ähnlich unberührt von den historischen Ereignissen ihrer Zeit wie das ihrer Heldinnen und Helden. Ihre Welt war die verträumte Provinz, doch entdeckte sie hier eine überraschende Vielfalt der Temperamente und Typen, die sie mit heiter-ironischem Humor und kritischem Blick in ihren Romanen nachzeichnete. Ihre literarische Welt war die des englischen Landadels, deren wohl kaschierte Abgründe sie mit feiner Ironie und Satire entlarvte. Durch ihre geradezu modern anmutende Kunst der Seelenanalyse entstand ein Bild menschlicher Tugenden und Unzulänglichkeiten, das bis heute nichts von seiner Farbigkeit und Frische verloren hat. Sie starb 41-jährig, unverheiratet und kinderlos.

Von Jane Austen habe ich Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil gelesen. Die Autorin behandelt die gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit, wie man sie auch in anderen Klassikern oft vorfindet:. Intrigen, Neid, (ungleiche) Verteilung der Geschlechterrollen; Reichtum, Armut, Standesunterschiede, Arroganz, falsche Eitelkeit... .

Ich wette, das sind Themen, die ich auch in diesem Buch vorfinden werde. Oftmals fand ich die Figuren recht langweilig, wie z.B. dass sie ihre Zeit vergeuden durch Tratsch und Klatsch, und in dem sie nach außen hin durch fassadenhaftes Auftreten zu brillieren versuchen, während sie innerlich eher madig sind.

Dennoch, ab und an einen Klassiker zu lesen, finde ich reizvoll.