Montag, 18. Februar 2013

Jane Austen / Manfield Park (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Literatur

Das Buch hat mir besser gefallen als die anderen Werke der Autorin.

Wie im richtigen Leben... Manche Menschen verhalten sich recht böse, gönnen anderen nicht die Butter aufs Brot, vor allem Menschen, die über kein Vermögen verfügen. Diese Mrs. Norris ist ja eine ganz Üble gegenüber der jungen Fanny Price, die im zarten Alter von zehn Jahren von ihrer Familie in das Haus Bertrams gezogen ist, mit denen sie verwandt ist. Sie wird hier so richtig stiefmütterlich behandelt. Sie wird als dumm deklariert, weil sie mit zehn Jahren nicht über die selbe Bildung verfügt wie die ihrer Cousinen... . Wer arm geboren wird, wird automatisch als ein schlechter Mensch charakterisiert, als betreten arme Menschen mit einem üblen Charakter die Welt. Im folgenden ein Dialog einer Cousine mit ihrer ihrer Mutter im Beisein ihrer Tante:

"Stell dir bloß vor, liebe Mama, meine Cousine kann nicht einmal die Landkarte von Europa zusammensetzen - oder meine Cousine kann nicht die wichtigsten Flüsse Russlands aufzählen - oder sie hat noch nie von Klein - Asien gehört - oder sie kennt nicht den Unterschied zwischen Wasserfarben und Buntstiften. Wie seltsam! Hast du schon mal etwas so dummes gehört?
"Meine Lieben", pflegte ihre rücksichtsvolle Tante zu erwidern, "das ist sehr schlimm, aber ihr dürft nicht erwarten, dass jeder so leicht lernt und schnell lernt wie ihr." 22 f

Fanny ist unter ganz anderen Voraussetzungen aufgewachsen, hatte nicht die selben Möglichkeiten wie ihre reichen Cousinnen sie haben. Sich über solche Menschen zu stellen, finde ich recht schwach und charakterlos... .

"Denk dir, Mama, sie sagt, sie will weder ein Instrument noch Zeichnen lernen."
"Wahrhaftig, Liebes, dass ist sehr dumm und zeigt einen großen Mangel an Begabung und Eifer. Aber wenn man es recht bedenkt, ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Dinge so liegen, denn obwohl ihr wisst (…), dass euer Papa und eure Mama so lieb sind, sie mit euch zusammen aufzuziehen, ist es gewiss nicht nötig, dass sie genauso gebildet wird wie ihr. Im Gegenteil: Es ist viel wünschenswerter, wenn ein Unterschied gewahrt bleibt." 24f
Diese Denkweise finde ich auch heute noch vor, speziell Reiche zu Armen, MigrantInnen zu Einheimischen, etc. man will gar nicht, dass diese Fremden ähnlich den anderen gleich sind. Deswegen wird immer auf die Differenz geachtet und weniger auf die Gemeinsamkeiten... . Jeder Mensch ist bildungsfähig, aber nicht jeder Mensch erhält gleichermaßen Bildung... . Man vergisst hinter der Exotik den Menschen zu sehen, in diesem Fall Fanny, als wäre sie dumm geboren... .

Fanny Price ist hier nicht nur die Protagonistin, sondern auch das schwarze Schaf in der vornehmen Gesellschaft. Sie wird aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aussehens als nicht gesellschaftsfähig betrachtet. Demnach wird sie von den Tanzabenden erstmal ausgeschlossen.
Aber Fanny hat auch Glück, denn sie findet sehr viel Beistand und Mitgefühl durch ihren Cousin Edward Bertrand. Zwei junge seelenverwandte Persönlichkeiten, die in den Nöten immer füreinander da sind, und sich gegenseitig beratschlagen.

Die jungen Leute wachsen heran und Fanny hat mittlerweile in dem neuen Familienhaus ihre Heimat gefunden. Dennoch ist sie nach wie vor ein "Stiefkind". Bei der Partnerwahl wird immer wieder das Vermögen des Bewerbers herangezogen. Fanny wird dadurch auf ihren Status festgelegt. Niemand rechnet damit, dass sich jemand Vermögendes für sie interessieren könnte. Das Vermögen entschädigt jegliche Schwäche. Es ist gar nicht mal wichtig, wie gut jemand ausschaut oder welche Schwächen man hat, oder ob man überhaupt zusammen passt, solange das Vermögen stimmt und das Vermögen macht die Paare gefügig. Dabei denke ich an Thomas Manns Werk Die Buddenbrooks.
Mr. Crawford soll mit Fannys Cousine Julia Bertram verbunden werden...
Die Jahre vergehen nämlich und die Kinder befinden sich nun im heiratsfähigen Alter... . Es wird nachgedacht, ob Mr. Henry Crawfort zu Julia Bertram passt. Die Kriterien sind eher oberflächlicher Natur:
"Ach so! Miss Julia und Mr. Crawford. In der Tat ein sehr hübsches Paar. Wie groß ist sein Vermögen?" 140
Die Frage nach dem Vermögen fand ich recht unnatürlich dran gehängt.

Fannys Onkel, Sir Thomas Bertram, Oberhaupt der Familie, besitzt eine gewisse Autorität, die bis in die Spießbürgerlichkeit reicht, die ihn weder bei seinen eigenen Kindern, noch bei Fanny wirklich beliebt macht. Aber er ist der einzige, der nach seiner mehrmonatigen Geschäftsreise eine ordentliche Wandlung gegenüber Fanny vollzogen hat. Er hat sie lieb gewonnen, und ihren Wert zu schätzen gelernt. Selbst Fanny war von ihrem Onkel so positiv überrascht worden, dass sie Gewissensbisse hatte, da sie von ihm keine so hohe Meinung pflegte.

Der Cousin Edmund und Fanny sind für mich die beiden Figuren, die mir am sympathischsten sind.
Die Szene mit dem Theater innerhalb der Familie fand ich auch recht kurios. Fanny durfte nur mitspielen, weil sich für eine weibliche Rolle keine Schauspielerin fand, da diese Rolle sehr erniedrigend war. Nun sollte Fanny einspringen, ihr wurde diese Rolle zugetragen, da sie die einzige sei, die angeblich zu der Rolle passte. Fanny verweigerte... Eine ziemlich versnobte Gesellschaft, wie ich sie schon bei Marcel Proust, Charles Dickens u.a. erfahren habe... .

" Oh! Wir wollen dich nicht von deinem Platz verjagen. Wir brauchen deine Dienste nicht sofort. Wir brauchen sie nur in unserem Stück. Du musst die Häuslersfrau spielen."
"Ich!", rief Fanny und setzte sich in äußerster Bestürzung wieder hin. " Das geht wirklich nicht. Ich könnte nicht spielen, selbst wenn Sie mir die ganze Welt dafür schenkten. Nein, wirklich, ich kann nicht spielen."
" Aber du musst, denn ohne dich geht es nicht. Es braucht dich nicht zu erschrecken; es ist eine richtige Rolle, ein wahres Nichts, insgesamt höchstens ein halbes Dutzend Textstellen, und es macht nicht viel, wenn keiner ein Wort von dem versteht, was du sagst." 172

An dieser Textstelle wird auch noch mal deutlich, wie Fanny abgewertet wird. Sie sei nicht in der Lage, mehr als ein Dutzend Textstellen auswendig zu lernen, während die anderen, was sich fortlaufend lesen ließ, mehr zu bewältigen haben. Und die Häuslersfrau keine wirklich bedeutende Rolle.
Dabei ist es Fanny, die sich verändert und Charakterstärke beweist. Sensibel, fair, feinfühlig mit einer hohen Beobachtungsgabe ausgestattet, zeigt sie sich ihren Mitmenschen gegenüber. Während die anderen, ausgenommen Edward und Sir Thomas, als hätten sie einen Panzer vor ihrer  Brust, haben jegliches Feingefühl niemals entwickeln können. Auch kein Feingefühl gegen diese Ungerechtigkeit. Emotionslos Fanny gegenüber. Fannys positive Charaktereigenschaften zählt  Mrs. Norris als ihr Verdienst und der Familie Bertram zu:
"Bei all ihren Vergünstigungen hat sie wohl Grund, gut auszusehen: immerhin ist sie ja in dieser Familie aufgewachsen und konnte sich an den Manieren ihrer Cousinen ein Beispiel nehmen. Bedenken Sie doch nur, mein lieber Sir Thomas, was für außerordentliche Vorteile Sie und ich ihr verschafft haben. Das Kleid, auf das sie gerade hingewiesen haben, war Ihr eigenes großzügiges Geschenk zur Hochzeit der lieben Mrs. Rushworth. Was wäre aus ihr geworden, wenn wir sie nicht an die Hand genommen hätten?" 317
Dass Fanny aber in dem Haus auch gebraucht wird und Arbeiten verrichtet, für die sich ihre Cousinnen zu fein sind, wird erst am Schluss des Buches wertgeschätzt.

Fanny bekommt von Henry Crawford einen Heiratsantrag gemacht , der eigentlich mit Julia verkuppelt werden sollte. Er ist zwar vermögend, liebt aber die mittellose Fanny trotzdem. Ich gönne ihr so sehr diese Heirat, um viele Neider zum Platzen zu kriegen. Leider interessiert sich Fanny nicht für Henry aber Henry gibt nicht auf, und hofft, dass Fanny mit ein wenig Geduld doch noch einer Heirat zustimmen werde. Henry hatte es einfach falsch angepackt, fiel mit der Tür ins Haus. Einige Verwandte sind der Meinung, dass Fanny ein Mann solcher Größe nicht zustehen würde. Ihr Onkel Sir Thomas und ihr Cousin Edward dagegen befürworten diese partnerschaftliche Verbindung, und versuchen auf sie einzureden, doch Fanny kommt von ihrem Standpunkt nicht ab, da sie der Meinung sei, dass sie Henry mit ihrer Liebe nicht wirklich glücklich machen könne.

Nun kommt es zu einem Skandal, und der Ruf der vornehmen Familie Bertrams ruiniert ist. Maria , die Tochter von Sir Thomas Bertrams, ist mit Fannys Bewerber Henry ausgebrannt, obwohl sie mit Mr. Rushworth vermählt ist. Jetzt, wo Fanny Henry gegenüber nicht mehr gleichgültig ist, brennt er aus. Fanny kann das nicht begreifen, wo er doch unaufhörlich um ihre Hand bat. Kann eine Liebe so schnell erlöschen? sind Fragen, die Fanny beschäftigt. Allerdings suchte Henry in Maria nur einen Seitensprung. Was Fanny nicht weiß, ist, dass er tatsächlich nur in sie verleibt ist, ärgert sich selbst, dass er nun mit diesem Seitensprung die Beziehung zu der Frau seines Lebens auf´s Spiel gesetzt hat und weiß, dass er nicht mehr zu ihr zurück kann.

Die Schuld, dass die beiden jungen Leute, Maria Rushworth und Henry Bertram, ausgebrannt sind, bekommt Fanny von bösen Zungen zugesprochen, hauptsächlich von Mrs. Norris. Hätte sich Fanny nicht so eine lange Bedenkzeit genommen, dann wären Henry und sie schon verheiratet gewesen, und der Skandal wäre nie ausgebrochen... .

Das Scheitern solcher partnerschaftlichen Verbindungen sieht die Autorin Jane Austen als ein gesellschaftliches Problem an. Wenn zu viel auf Äußerlichkeiten Wert gelegt wird, so geht eine Partnerschaft ein erhöhtes Risiko ein, dass sie nicht gelingt. Meist sind es Verbindungen, die von anderen Leuten herangetragen werden. Darin liegt die große Kritik der Autorin. Innere Werte kommen völlig zu kurz... . Für mich sind es Fanny und Edward, die über innere Werte verfügen und letzten Endes als wahre Sieger aus der Geschichte hervorgehen. Oberflächlichkeiten, Neid und Missgunst dominieren in der hohen Gesellschaftsschicht.

Das Buch endet trotzdem positiv, und Fanny bekommt den Partner, den sie verdient hat, ich verrate aber nicht, wen sie geheiratet hat.

Zu Beginn der Lektüre erwähnte ich gegenüber meinen Literaturfreundinnen, dass mich das Buch an Charles Dickens erinnern würde. Nach dem Lesen des Nachworts fand ich mich in meiner literarischen Beobachtung bestätigt. Wobei Jane Austen die eigentliche Vorreiterin war vieler Schriftsteller des Viktorianischen Zeitalter Englands, zu der nicht nur Charles Dickens, sondern auch Makepeace Thackeray und Georg Eliot zählen. Georg Eliot allerdings habe ich noch nicht gelesen, ist mir noch nicht zwischen die Finger gekommen.

Ich freue mich wirklich immer wieder, wenn sich meine Beobachtungen bestätigen lassen, so ganz ohne literaturwissenschaftlichen Studien. Meine literarischen Gedanken und Beobachtungen entstehen größtenteils aus mir selbst heraus, ohne irgendwo abgeschrieben zu haben oder mich anderweitig habe beeinflussen lassen... . . Und so macht mir Lesen Spaß.

Und nun zum Schluss die Frage für was Mansfield Park steht? Es ist ein Ort, in dem hauptsächlich reiche und vornehme Leute verkehren und sich begegnen. Im Folgenden ein Zitat:
"Ihre Gespräche drehten sich jedoch nicht immer um so hohe Themen wie Geschichte oder Moral. Auch andere kamen zu ihrem Recht. Und von denen mit weniger anspruchsvollem Inhalt wiederholte sich keines so oft oder wurde solange zwischen ihnen erörtert wie Mansfild Park, die Beschreibung der Menschen, der Sitten, der Vergnügungen, der Verhältnisse in Mansfild Park. 
Die Themen wurde sehr oft trivialisiert... .
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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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