Das Buch habe ich nun durch und bis auf eine kleine Durststrecke hat es mir recht gut gefallen. Es ist sehr originell, ideell und fantasievoll geschrieben. Dazu philosophisch, politisch, gesellschafts- und sozialkritisch, gewürzt mit viel Humor.
Der Autor bezieht sich demnach auch zum eigenen Land recht selbstkritisch. Das hat mir gut gefallen.
Obwohl das Buch ein wenig kopflastig ist, muss der Autor auch ein großes Herz haben, da er sich die Mühe macht, das Verhalten von Randgruppen zu verstehen, indem er die Verhältnisse eruiert und versucht, sich in diese Menschen hineinzuversetzen.
Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Eine Entdeckung aus Finnland: scharfsinnig, schräg und zum Schreien komisch.Der rumänische Bettler Vatanescu und der knapp dem Tod entronnene Hase, der eigentlich ein Kaninchen ist, ziehen auf der Suche nach dem Glück durch Finnland. Sie begegnen integrierten Vietnamesen, kriminellen Ukrainern, trinklustigen Saunagängern und überambitionierten Polit-Aktivisten.Der Protagonist und Icherzähler ist Vatanescu, Angehöriger der Volksgruppe von Sinti und Roma, schließt sich in seinem Heimatland Rumänien einem Verband an, der eher an Straßenkriminalität erinnern lässt. Dieser Verband betreibt im Ausland einen organisierten Menschenhandel. Vatanescu ist allerdings eher ein kleines Glied dieser Gemeinschaft, eigentlich eher ein Opfer, der sich diesem Verband aus purer Armut anschließt. Er und die anderen Mitglieder gehen betteln, und die Bettelbeträge müssen sie dem Leiter dieser Organisation abliefern. Was die Bettler davon bekommen, ist nur ein kleiner Prozentteil, der immer noch mehr ist, als gar nichts zu haben.
Der Leiter koordiniert nur die Mitglieder und lebt von den Beträgen, die ihm abgeliefert werden. Auch er ist eigentlich Opfer seiner eigenen Armut, die ihn dazu getrieben hat, eine Organisation wie diese zu gründen ...
Das Betteln ist demnach eher professionell zu verstehen. Während morgens die normale finnische Bevölkerung zur Arbeit geht, gehen die Sinti und Roma betteln. Acht Stunden am Tag. Wenn abends die Menschen von der Arbeit nach Hause kommen, kommen die Sinti und Roma vom Betteln nach Hause. Nach Hause? Wo ist ihr Zuhause? Die Menschen leben in Wohnwagen und Baracken. Die Betteltricks etc. bekommen sie von dem Leiter vermittelt, ist mit einer fundierten Schulung zu vergleichen. Wie der Autor dies beschreibt, ist schon recht wahnwitzig.
Vatanescu hat genug von der Armut, er hat vor allem genug von der Organisation, genug vom Betteln. Er schafft es, von der Organisation loszukommen und versucht sich nun ohne diese in Finnland als Migrant durchzuschlagen. Sein größter Wunsch, seinem Sohn, den er in Rumänien zurückgelassen hat, Sportschuhe zu kaufen. Natürlich hat er noch andere Träume, den Traum, ein ganz normaler Mensch zu sein, der einer Arbeit nachgeht, ein Girokonto bei der Bank hat, Besitzer einer Steuerkarte, einer Sozialversicherten- und Krankenkassenkarte ist. Was für die Finnen zum selbstverständlichen Alltag gehört, stellen sich für Vatanescu diese Selbstverständlichkeiten erst wie unerfüllbare Träume dar…
Auf fremdem unbekanntem Boden bin ich frei. Mittellosigkeit ist kein Gefängnis. Auch Hunger und Armut nicht. Es sind die Menschen. Diejenigen, die etwas haben, im Gegensatz zu denen, die nichts haben. Denn Besitzer beschützen ihren Besitz. "Ich besitze dich auch mein Häschen, doch besitze ich dich nicht.Wir sind Brüder."Vatanescu rettet einem Hasen das Leben, identifiziert sich mit dem Tier und beide geben ein Team ab. Hier beginnt ein wenig für mich das Märchenhafte, gemixt mit realen Komponenten.
Der Hase stellt sich für mich eher wie eine Metapher dar …
Dem Autor ist es gelungen, die Lebenssituation dieses rumänischen Bettlers darzustellen. Der ewige Kampf ums Überleben. Vatanescu hätte selbst gerne ein anderes Leben gehabt. Wer kann sich schon aussuchen, wer wo und als was geboren wird?
Etwas im Menschen ist überall gleich, wer immer wir auch sind. Wohin uns das Leben führt, darüber entscheiden das Schicksal, der Zufall, das Sperma unserer Väter und die Eizellen unserer Mütter. Ohne Vernunft, ohne Verantwortung, ohne dass man etwas dagegen unternehmen kann. Der eine hat seinen Platz in Finnland, der andere in Rumänien, der Dritte in Hollywood. (118)Wobei der Lebenskampf hier schon sein Ende findet, auf eine recht originelle Art, wenn auch ein wenig realitätsfern. Wenn man es aber auch wie ein Märchen betrachtet, dann passt das Ende gut zu der ganzen Geschichte. Mehr verrate ich aber nicht …
Die Lektüre ist teilweise so komisch, dass ich meine weiteren Zitate im Buch lassen werde, damit auch andere LeserInnen zu ihren Lesegelüsten kommen können, das Komische in sich aufnehmen und das so schwere Thema ein wenig von der lustigen Seite zu betrachten, ohne den Ernst dieser Thematik einzubüßen.
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
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Siehe das Gute im Menschen, dann tust du dich leichter.
Sicherlich gibt es Dummköpfe.
Aber bist du selbst immer klug?
(Tuomas Kyrö)
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