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Montag, 11. November 2019

Henning Mankell / Die schwedischen Gummistiefel (1)

@ Myriam / Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Weiter setzt sich die Geschichte von Die italienischen Schuhe fort mit Die schwedischen Gummistiefel. Dieser Band hat mir etwas besser gefallen. Aber die Figuren waren für mich nach wie vor gestört, kalt und abweisend. Hier suchen Menschen einander Nähe, können aber mit der Nähe nicht wirklich umgehen, wenn sie diese bekommen.  

Der Schluss ist Geschmackssache, mich konnte er nicht befriedigen. Manche Episoden fand ich sehr unlogisch, und manche Sichtweisen sehr einseitig, wenig differenziert.

Ich werde mich hier wieder kurzhalten.

Damit ich nicht alles von Neuem schreiben muss, werde ich am Ende dieser Buchbesprechung sie mit dem ersten Band verlinken.

Hier geht es zum Klappentext, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Fredrik Welin wird eines Nachts in seinem Bett aus seinen Träumen gerissen, als er von einer Hitzewelle erfasst wird. Panisch sieht er, wie Flammen sein Haus abbrennen. Schnell rennt Welin aus dem Haus und wird selbst Zeuge, wie sein Haus, das er von seinen Großeltern geerbt hatte, niederbrennt. Viele Nachbarn kamen von der Insel, auch die Feuerwehr, um den Brand zu löschen, wobei das Haus nicht mehr zu retten war. Der Postillion Ture Jansson war es gewesen, der den Brand von Weitem gesehen haben soll, und schnelle Hilfe gerufen hatte.

Der Kontakt zu Welins Tochter Louise wurde weiter aufrechterhalten. Als Welins Haus abgebrannt ist, und er für einige Zeit obdachlos wurde, war er gezwungen, in Louises Wohnwagen einzuziehen. Zur Erinnerung: Louise ist im letzten Band mit dem Wohnwagen auf Welins Schären gezogen, sie aber hier nicht wohnen blieb, sondern nach Paris gezogen ist. Hier erfährt Welin von ihr, dass er Großvater wird. Welin, weiß nicht, ob es ihn freut oder ob es ihn kalt lässt ...

Die Polizei ermittelt, sucht den Brandstifter. Wobei nicht klar ist, ob es ein Brandstifter oder ein Pyromane war, der das Haus angezündet haben könnte. Die Polizei verdächtigt sofort Welin. Was könnte der Grund sein, dass Welin sein eigenes Haus anzündet?

Wie geht das, ein eigenes Haus abzufackeln, während man selbst im Bett liegt und schläft? Denn die Polizei hat durch einen Brandingenieur herausfinden können, dass der Brand nicht an irgendeinem technischen Defekt hätte ausgemacht werden können, denn sie konnten Spuren entnehmen, die besagten, dass Benzin rund um das Haus gelegt und anschließend angezündet wurde. Ohne große Anhörung wurde Welin verdächtigt, und so warfen sie ihm Versicherungsbetrug vor …

Louise kam auf die Insel, als sie hörte, dass Welins Haus abgebrannt wurde. Von der Versicherung konnte er erst dann einen Schutz erhalten, wenn geklärt wurde, wie das Haus zu Schaden kam.

Durch den Hausbrand lernt Welin die Journalistin Lisa Modin kennen. Zwischen ihnen beiden entwickelt sich eine freundschaftliche / sexuelle Beziehung. Welin verliebt sich in Lisa, leider stößt er nicht auf Gegenliebe, sodass Welins Bedürfnisse nicht erwidert werden konnten.  

Louise entpuppt sich in Paris zu einer professionellen Taschendiebin. Einmal wird sie dabei erwischt und wird eingebuchtet. Louise bittet von ihrem Handy aus Welin um Hilfe, der schnellstmöglich angereist kam ...


Welche Szene hat mir so gar nicht gefallen?
Mich konnten die meisten Szenen einfach nicht überzeugen. Die Journalistin fand ich nicht richtig authentisch. Ich habe sie hier kaum als Journalistin erlebt. Die Polizei selbst zeigte sich ebenso wenig professionell. Wie Welin die Polizei beschrieben hat, fand ich arg merkwürdig.

Aber welche Szene mich tatsächlich angewidert hat, war Großvaters Tat gegenüber einem Hirsch. Welin denkt über seine Kindheit nach, als er seinen Großvater zum Fischen hinaus auf´s Meer begleitet.
Großvater erblickte einen Rehbock, der angeschwommen kam. Ohne zu zögern ließ er das Netz fallen, das er in den Händen hielt, schob mich zur Seite und setzte sich selbst an die Ruder. Er holte das Reh ein, stand im Boot auf und schlug dem Tier mit einem der Ruder auf den Kopf. Das Ruder zerbrach und das Reh schwamm weiter. Aber Großvater warf sich halb aus dem Boot, und es gelang ihm, das Tier am Geweih zu packen. Zugleich zog er sein Moramesser und schnitt ihm die Kehle durch. (2017, 132)

Mir liefen bei dieser Szene die Tränen. Solche heftigen Tiergeschichten treten häufig bei Mankell auf. Er erinnert mich daran, dass in der realen Welt viele Menschen eine Lust haben, unschuldige Tiere zu quälen und zu töten.

Der kleine Welin war über Großvaters Tat stark irritiert, aber das Kind wird später selber zum Täter, indem es lebendigen Insekten die Flügel ausreist.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Gefallen hat mir, als bei Wiederholungsbränden sich die Menschen auf den Inseln versammelt haben, und sie sich berieten, wie sie sich gegenseitig besser schützen könnten. Es kam auch die Frage nach dem möglichen Täter auf, und die meisten suchten den Täter nicht in den eigenen Reihen, sondern bei den Ausländern. Diese Szene hat Mankell sehr gut beschrieben, wie verzerrt die Wahrnehmung vieler Menschen sein kann. Schade, dass er dieses Niveau nicht im gesamten Ablauf seines Romans hat aufrechterhalten können.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Keine.

Welche Figur war mir antipathisch?
Sie wirkten auf mich alle ziemlich gestört, wie ich oben schon geschrieben habe.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel
Ich weiß immer noch nicht, für was die Gummistiefel stehen. Symbolisch betrachtet könnte es den Wunsch Welins ausdrücken, in der Welt unter dem Allwetterschutz mutiger auftreten zu können, ohne nasse Füße zu bekommen. Welin erhält erst am Ende der Geschichte seine Gummistiefel, die er in einem Laden bestellt hat. Er musste lange auf seine Lieferung warten.

Zum Schreibkonzept
Auf den 475 Seiten ist der Roman in fünf Teilen gegliedert, die Anzahl der Kapitel habe ich mir diesmal nicht gemerkt. Mal fangen die Teile mit Kapitel eins an, mal wieder nicht.

Meine Meinung
Mich hat die gesamte Geschichte nicht überzeugen können. Häufig sehr einseitige Beschreibungen, manchmal auch wieder sehr klischeehaft was die Zuordnung verschiedener Menschen betrifft. Auch den Begriff rassisch ist heute auf Menschen bezogen politisch nicht mehr korrekt. Der Duden schreibt:
BESONDERER HINWEIS In der Biologie wird der Begriff der Rasse nicht mehr auf Menschen angewendet. Wenn auf entsprechende Unterschiede Bezug genommen werden muss, sollten deshalb Ausweichformen wie Menschen anderer Hautfarbe gewählt werden.

Mein Fazit
Eine schlecht recherchierte Handlung, die mich nicht hat überzeugen können, dafür aber ein wundervoller Erzählstil.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
1 Punkte: Frei von Stereotypen,Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Sieben von zwölf Punkten.

________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 26
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)


Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.
Es lebe die Vielfalt.
(M. P.)

Freitag, 1. März 2019

Ferdinand von Schirach / Verbrechen

Lesen mit Tina

Klappentext
Die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit.
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er – lakonisch wie ein Raymond Carver und gerade deswegen mit unfassbarer Wucht.

Autorenporträt
Der SPIEGEL nannte ihn einen »großartigen Erzähler«, die NEW YORK TIMES einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der INDEPENDENT verglich ihn mit Kafka und Kleist, der DAILY TELEGRAPH schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Ferdinand von Schirachs Erzählungsbände »Verbrechen« und »Schuld« und seine Romane »Der Fall Collini« und »Tabu« wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern, die bisher in mehr als 40 Ländern erschienen sind. Sein erstes Theaterstück »Terror« wurde parallel am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. Schirach wurde mit mehreren – auch internationalen – Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis. Seinen Erfolg erklärt die französische LIBÉRATION so: »Schirachs Meisterleistung ist, uns zu zeigen, dass – egal wie monströs dessen Taten zunächst scheinen mögen – ein Mensch doch immer ein Mensch ist.« Ferdinand von Schirach lebt in Berlin.

Meine ersten Leseeindrücke

Leider musste ich das Buch wieder abbrechen, da es mir zu gewaltträchtig ist und noch dazu viel zu blutrünstig. Ich finde es sehr schade, da mir der Schreibstil sehr gut gefällt. Aber ich habe keine Lust, meine Seele mit diesen grausamen Geschichten zu füllen. Es gibt genug Gewalt auf der Welt, ich muss sie nicht noch literarisch haben.

Sicher schreibt Schirach Geschichten als Jurist aus seiner Berufspraxis. Ich muss aber nicht überall Bescheid wissen, wie es auf der Welt an Grausamkeiten zugeht. Ich habe wirklich hohen Respekt vor Menschen, die sich dieser Materie annehmen. 

Eine Geschichte habe ich geschafft, eine zweite nicht mehr.

Tina findet den Schreibstil ein wenig reserviert, und auch ihr hatte die Gewalt ein wenig zugesetzt, aber sie hat ausgehalten. Tina ist verglichen zu mir eine echte Krimileserin, während ich Krimis nur sehr selten lese. Die Geschichten hinter der Gewalt findet Tina gut.

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 246 Seiten
·         Verlag: Piper Taschenbuch (1. September 2011)
·         Sprache: Deutsch, 10,00 €
·         ISBN-10: 3492272436


Sonntag, 4. November 2018

Ian McEwan / Nussschale (1)

Lesen mit Monerl
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Mein fünfter McEwan. Doch leider hat mich dieser so gar nicht überzeugen können, während die anderen vier alle phänomenal waren. Doch was wollte McEwan mit diesem Buch bezwecken? Was wollte er uns Leser*innen sagen? Was ist seine Botschaft? Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Ich bin etwas enttäuscht, da meine Erwartungen sich dieses Mal nicht erfüllen konnten. Wollte McEwan einen Krimi schreiben? Als einen richtigen Krimi konnte ich das Buch nicht begreifen. Politische Ambitionen? Dafür waren mir die paar Thesen zur politischen Weltlage zu oberflächlich. Auf jeden Fall ist das Buch voller Metapher. Hut, Haus, Nussschale, Fötus. Mal schauen, welche Gedanken sich mir während des Schreibens auftun.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung wird aus der Sicht eines ungeborenen Kindes erzählt. Der Fötus wird Zeuge, als seine Mutter namens Trudy zusammen mit ihrem neuen Lebensgefährte Claude einen Mord plant. Der Mord soll an Trudys Exmann John Cairncross, an den Vater des Ungeborenen und den Bruder von Claude, verübt werden. Motiv: reine Raffgier. John soll weg, damit das Haus, eine alte Villa, das von Zerfall bedroht ist, verkauft werden kann. Mit dem Geld möchten sich Trudy und Claude eine neue Existenz aufbauen. Das Ungeborene? Soll nach der Geburt weggeben werden, weil Claude das so möchte. Trudy lebt mit Claude in der alten Villa und steht kurz vor der Geburt des Kindes.
Der Fötus ist entsetzt, dass sein Vater getötet werden soll, und gerät so langsam in eine Identitätskrise. Er ist sich bewusst, dass, würde der Mord wie geplant durchgeführt werden, wäre er das Kind einer Mörderin und der Neffe eines Mörders. Das Kind passt so gar nicht in die Pläne dieser beiden Leute und so hofft es insgeheim, dass der Mord misslingt, und der Vater am Leben bleibt. John Cairncross ist ein erfolgloser Dichter und Verleger. Sein Verlag schreibt allerdings rote Zahlen, aus denen er nicht wieder herausfindet. John ist hoch verschuldet und leidet unter einer schweren Depression. Privat quälen ihn massive Eheprobleme … All dies erfährt man von dem ungeborenen Kind, das mit seinen Ohren alles mitbekommt, was draußen, außerhalb des Mutterleibs, gesprochen wird.

Das Kind selbst empfindet existenzielle Sorgen, bekommt Ängste, ungewollt auf die Welt zu kommen, aber auch Angst, im Mutterleib umzukommen.
Meine Gedanken drehen sich mit der Welt meiner Mutter. Die Ablehnung seitens meines Vaters, sein mögliches Schicksal, meine Verantwortung dafür, dass mein eigenes Schicksal, meine Unfähigkeit zu handeln oder ihn zu warnen. (…) Mir fällt kein Plan ein, kein plausibler Weg zu einem dankbaren Glück. Ich wünschte, ich würde nie geboren. (2016, 111f)

Die Beziehung mit Claude ist aber auch nicht das, was sich Trudy erhofft hatte und fängt an, an der Beziehung zu zweifeln, als der Mord getätigt wurde. Sie fühlt sich als Frau von Claude nicht wirklich ernst genommen …

Auch der Fötus hat Pläne. Wünscht sich ein langes Leben, um mitzuerleben, wie sich die aktuelle, politische Weltlage in Zukunft, bis ins Jahr 2099, weiter entwickeln wird.

Das Schreibkonzept
Der Roman besteht auf den 277 Seiten aus zwanzig Kapiteln und wird aus der Ichperspektive eines Fötus erzählt.

Nussschale (detebe)Cover und Buchtitel?  
Finde ich beides gut getroffen. Vor allem der Buchtitel brachte mich zum Nachdenken und fand auf Seite 93 folgendes Zitat:
In eine Nussschale eingesperrt sein und zwei Zoll Elfenbein oder einem Sandkorn die ganze Welt sehen. Warum nicht, wenn alle Literatur, alle Kunst, alles menschliche Trachten nur ein Staubkorn im Universum des Möglichen ist. Wenn selbst dieses Universum vielleicht nur ein Staubkorn in einer Vielzahl möglicher und tatsächlicher Universen ist.

Mich erinnert diese Vorstellung an die menschliche Zelle, oder an den Samen einer Pflanze, die beides so klein sind, und trotzdem alle Informationen in sich trägt, um das zu werden, was es werden soll.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Meine Meinung
Auch wenn ich die vielen Symbole in Betracht ziehe, mir die Sinnhaftigkeit dieser Geschichte philosophisch daraus erschließe, konnte mich das Buch noch immer nicht überzeugen. Es hat nicht meinen Geschmack getroffen. Ich fand den Stoff viel zu trocken und immer aus der Perspektive eines ungeborenen Kindes erzählt, hat mich definitiv gelangweilt.

Mein Fazit?
Ab und zu den alten Hut lüften, dadurch neue Gedanken und Einsichten einlassen … Wichtige Lebensentscheidungen nicht immer aus dem Bauch heraus fällen, aber dennoch auf die innere Stimme hören … Den Mord an John habe ich symbolisch mit einem gewaltvollen Ende einer Lebenssituation assoziiert. Dadurch, dass Trudy schwanger ist, steht für mich die Schwangerschaft für geplante Projekte, die reifen müssen.

Lesen mit Monerl
Monerl hatte eine ähnliche Meinung wie ich. Wir wussten beide nicht, was der Autor mit seiner Geschichte bezwecken wollte, was er seinen Leser*innen sagen möchte. Ich selbst bin von dem Genre Krimi abgekommen, als ich mir die vielen Symbole angeschaut habe. Ich habe das gelesene Buch über Nacht reifen lassen und so konnte ich heute im Laufe des Tages Assoziationen zu der Geschichte und den Metaphern entwickeln. Aber lieb gewonnen habe ich den Roman noch immer nicht.

Wenn Monerl ihre Rezension freigeschaltet hat, verlinke ich meine mit ihrer. Hier ist die Verlinkung. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
9 von 12 Punkten

Vielen Dank an den Diogenes - Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.
________________
Entscheidend ist nicht, dass die Liebe überdauert. 
Entscheidend ist, dass es sie gibt.
(Ian McEwan)

Gelesene Bücher 2018: 46
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 16. September 2018

Paul Auster / Stadt aus Glas (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Das Buch fand ich anfangs superinteressant und spannend, aber später, ab der hundertsten Seite, verlor ich immer mehr den roten Faden.

Auf der ersten Seite ist gleich zu entnehmen, dass die Geschichte selbst, die hier später erzählt wird, ein Problem sei, da der Erzähler nicht wisse, ob die Geschichte etwas zu bedeuten habe. Das Buch hat surreale Züge, und ich nehme Paul Auster ernst, wenn er so etwas gleich auf der ersten Seite schreibt.

Ich glaube, Paul Auster treibt mit seinen Leser*innen ein Spiel, ein Sinn und ein Verwirrspiel.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Man bekommt es auf den ersten Seiten mit dem 35-jährigen Daniel Quinn zu tun. Daniel Quinn schreibt unter dem Pseudonym William Wilson Detektivromane ... Er besaß eine Familie, seine Frau und sein Sohn sind allerdings nicht mehr am Leben ... Was Daniel Quinn am liebsten tut, ist Gehen. Ohne ein bestimmtes Ziel lässt er sich von seinen Beinen treiben … Er lebt in New York und führt ein recht einsames Leben. Die Figuren William Wilson und Daniel Quinn scheinen eine Verschmelzung zwischen fiktiver und realer Person zu ergeben. Später bekommt man es noch mit einer dritten Identität zu tun, mit der imaginären Figur Max Work, der Erzähler seiner Detektivromane. Auster nennt es die Dreiheit in einer Person. Wilson dient als Bauchredner, Quinn stellt die Puppe dar, und Work ist die belebte Stimme. Wilson blieb für Quinn nur eine abstrakte Figur, während er Work in seiner Einsamkeit als seinen inneren Bruder, als seinen inneren Gefährten betrachtet. Quinn hatte vor einiger Zeit aufgehört, sich selbst für wirklich zu halten.

Weil diese drei Identitäten nicht ausreichen, kommt noch eine vierte hinzu. Paul Auster selbst. Dies aber war nicht von Quinn beabsichtigt, da er zu dieser Figur gezwungen wurde.

Eines Tages bekommt er einen Anruf von einer Frau, die einen Privatdetektiven namens Paul Auster sucht … Daniel Quinn hatte keine Chance, der Dame zu sagen, dass er nicht Auster war. Sie ließ sich nicht abwimmeln, so blieb Quinn nichts anderes übrig, als in diese Rolle des Austers zu schlüpfen und den Privatdetektiven zu spielen …

Er lernt später die Dame kennen, Virginia Stillman, die mit dem geistig retardierten Peter Stillman verheiratet ist. Peter ist von seinem Vater, der auch Peter heißt, schwer misshandelt worden. Mit zwei Jahren starb seine Mutter, womit der Vater nicht zurechtgekommen ist und schloss seinen Sohn neun Jahre lang in ein Zimmer ein und blieb von der Außenwelt abgeschnitten, sodass Peter sich seelisch und geistig nicht weiter entwickeln konnte. Mich erinnerte diese Szene an Casper Hauser, der in der Gesellschaft nicht sozialisiert wurde und Defizite in der Körperhaltung, kognitiv und emotional entwickelt hatte. Wie Caspar Hauser war auch Peter Stillman nach seiner Freilassung in der geistigen, seelischen und körperlichen Entwicklung zurückgeblieben ...

Peters Vater wurde verhaftet, der Sohn kam in ein Heim, und seine Krankenschwester namens Virginia hatte Mitleid mit Peter und so heiratete sie ihn, als er erwachsen wurde, um ihn zu beschützen. Der Vater sollte nach 15 Jahren Haft entlassen werden, und beide, sowohl Virginia als auch Peter haben Angst, er könnte sich an seinen Sohn für die Verurteilung rächen.

Virginia und Peter geben Paul Auster den Auftrag, den Vater Peter Stillman nach der Freilassung aufzuspüren, um herauszufinden, welche Ziele er verfolgen werde, und ob er eine Bedrohung für den Sohn darstellen würde.

Das Schreibkonzept
Darüber gibt es nicht viel zu sagen. Es gibt einen Erzähler, der diese Geschichte mit Quinn und den anderen Protagonisten beschreibt.

Cover und Buchtitel? 
Dieses Buch stammt aus der New York – Trilogie. Es geht demnach noch mit Band zwei und Band drei weiter. Aber ich bin jetzt richtig abgeschreckt und lasse es mit dem ersten Band bewenden, zumal die Geschichten abgeschlossen sind. Ich denke, dass der zweite und der dritte Band neue Themen behandeln werden.
Buchcover und Buchtitel finde ich beides schön. Stadt aus Glas hat etwas Fragiles, so wie auch die daraus hervorgehenden Figuren habe ich in ihren Charakteren alle als sehr zerbrechlich erlebt.

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Ich fand das Buch sehr verwirrend. Von Tina habe ich erfahren, dass das Buch autobiografische Züge aufweist. Außerdem sei dies Austers erstes Buch und zeigte sich damit auch extrem experimentierfreudig. Dann hatte Auster Glück, dass seine ersten drei Bücher von den Verlagen angenommen wurden. Dieses Glück hat nicht jeder junge Autor.
Ich hätte mir gewünscht, Auster wäre bei seinen Themen geblieben, die er anfangs angeschnitten hatte. 

Mein Fazit?
Ich bin noch immer der Meinung, Auster hat sich mit uns Leser*innen ein Spiel erlaubt.

Meine Bewertung
Eine Buchbewertung werde ich hier nicht vornehmen können.

Hier geht es zur Leserunde auf Whatschareadin.
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Gelesene Bücher 2018: 39
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 13. August 2018

Rafik Schami / Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre      

Das Buch hat mich sehr enttäuscht. Ich habe mehr von Rafik Schami erwartet. Ich war erstaunt über dieses Welt- und Menschenbild, das er in sein Buch verfrachtet hat. Ein Weltbild, das in Gut und Böse aufgeteilt ist, Facetten in Schwarz und Weiß. Schade um die Zeit, die ich für das Lesen dieses Buches aufgebracht habe.

Hier geht es zum Klappentext und zu den Buchdaten. 

Die Handlung
Man lernt hier den 75-jährigen Witwer Karim kennen, der eine neue Beziehung zu einer Frau namens Aida eingeht, die selbst auch Witwe und 55 Jahre alt ist. Beide sind ChristInnen und DamaszenerInnen. Karim entdeckt in seinem Alter noch einen Traum und möchte von Aida Oud beigebracht bekommen und Aida möchte von Karim Fahrradfahren lernen. Die Beziehung dieser beiden Menschen stößt bei ihren Nachbarn auf Unverständnis. Sie sind erfüllt von Neid und von anderen Widrigkeiten, doch Karim und Aida stehen drüber und gehen als eine neue Liebesbeziehung ihren Weg. Zwischen ihnen beiden finden häufig religiöse Gespräche statt. Karims Religion ist z. B. die Liebe, denn er glaubt an keinen Gott. In Damaskus findet man verschiedene Weltreligionen, viele davon sind allerdings in der breiten Bevölkerung nicht anerkannt ... Das Liebespaar stößt in der syrischen Gesellschaft auf Widerstand und Provokation, die hinter dem Rücken des Liebespaars ausgetragen werden. Karim hat eine Tochter Mahar, die einen komplizierten und für den Vater einen schwer verständlichen Weg einschlägt und zum Islam konvertiert. Zwischen ihnen beiden entstehen dadurch schwere Konflikte, die so leicht nicht auszutragen sind. Mahar kann den Vater nach dem islamischen Glauben nicht verstehen, dass er eine Beziehung mit einer anderen Frau eingegangen ist und Karim versteht Mahar nicht, dass sie zu einer anderen Religion konvertiert ist und seit dem Kopftuchträgerin geworden ist. Wie ich schon im Vorfeld vermutet habe, lässt der Autor Schami die islamische Beziehung dieser Tochter scheitern …

Parallel dazu bekommen wir es hier mit einem anderen Paar zu tun. Stella und Salman Baladi. Salman Baladi kam ursprünglich aus Syrien und exilierte in den 1970er Jahren nach Heidelberg und nahm dort als anerkannter Flüchtling die deutsche Staatsbürgerschaft an. Salman war zu der Zeit noch jung und nahm in Heidelberg ein Studium auf. Hier lernte er die Italienerin Stella kennen, die in Rom lebt. Nach dem Studium zieht Salman zusammen mit Stella nach Rom, nachdem die beiden geheiratet haben. Sie bekommen ein gemeinsames Kind, das den Namen Paolo erhält ... 

Es sind viele Jahre vergangen, und so treibt Salmans Sehnsucht nach mehr als vierzig Jahren Exil zurück nach Syrien, nach Damaskus, in die  Heimat seiner Kindheit. Er findet keine Ruhe, als er schließlich mit seiner Mutter in Damaskus Kontakt aufnimmt, um recherchieren zu lassen, ob er noch immer vom Geheimdienst gesucht wird. Elias, der Vetter von Salman, der als höherer Offizier im Geheimdienst tätig ist, verkündet der Mutter, dass Salmans Daten gelöscht seien und er nach Damaskus reisen könne. Diese Aktion hat der Mutter viel Geld gekostet und somit bekommt man etwas von der Korruption Syriens mit. Salmans Eltern hätten alles Geld gegeben, was sie hatten, um endlich ihren Sohn nach so vielen Jahren wieder in die Arme schließen zu können. Und das wusste Elias und spielte die Sehnsüchte dieser Familie aus. Salman operierte damals politisch im Untergrund und galt für lange Zeit als politisch verfolgt. Stella ist kritisch, hat Angst, ihren Mann ziehen zu lassen, während sie und das ca. fünfzehnjährige Kind in Rom zurückbleiben. Zu groß ist die Angst, in Damaskus festgehalten zu werden.

Wie ich mir schon gedacht habe, kommt Salman in Damaskus in Schwierigkeiten. Sein Vetter Elias hat ihn verraten ... Salman muss flüchten, taucht unter und so versucht er mithilfe verschiedener Menschen an falschen Papieren dranzukommen, um wieder nach Europa zu fliehen. Den Kontakt zu den Eltern musste er apbrupt abbrechen. Salman wird steckbrieflich gesucht und als gemeingefährlich eingestuft. Ihm wird ein Mord angehängt  

Das Schreibkonzept
Das Schreibkonzept hat mir sehr gut gefallen was die Zusammenführung beider Geschichten und die Erzählperspektiven betreffen. Beide Geschichten wechseln sich in der Erzählform ab und im späteren Ablauf des Romans werden beide miteinander verbunden, weil die Figuren, die erst parallel laufen, später zueinanderfinden. Jedes neue Kapitel startet mit einem Spruch eines bekannten Dichters, die mir alle gefallen haben. 

Sophia oder Der Anfang aller GeschichtenCover und Buchtitel?
Das Cover ist mir zu blumig. Für diese ernste Thematik im Buch ist es nicht ganz so passend. Und der Titel? Sophia oder Der Anfang aller Geschichten dagegen hat gepasst. Man lernt hier viele Geschichten verschiedener Menschen kennen, und wie sie alle begonnen haben ... Sophia ist Salmans Mutter, die so viel Charakterstärke besitzt, dass sie fähig ist, für ihren Sohn zu kämpfen. Gefallen hat mir, als sie Elias als einen gemeinen Verräter … bezichtigt hat und ihn aus der Wohnung geworfen hat. Außerdem war sie als junges Mädchen in Karim verliebt, es aber zu keiner echten Beziehung kam. Auch Karim wurde in seinen jungen Jahren politisch verfolgt und so war es Sophia, die ihm das Leben rettete. Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen. 

Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Ich glaube, dass Rafik Schami in seinem Buch teilweise autobiografische Elemente hat einfließen lassen. Eine direkte Verbindung sehe ich zu dem Protagonisten Salman Baladi. Es gibt zumindest recht viele Parallelen zwischen Schami und Baladi, was die Jahreszahl und die Flucht nach Deutschland, Heidelberg, betrifft.

Doch bot das Buch für mich keinerlei Überraschungseffekte in der Handlung und auch was die Gedanken vor allem von Salman betreffen, sie waren für mich immer vorhersehbar. Mir ist es gelungen, in seinen Kopf zu schauen, denn durch die frühe kritische Auseinandersetzung mit meiner eigenen Herkunft, später weiter im Studium und durch meinen Beruf weiß ich, wie Menschen mit klischeebehafteten Bildern im Kopf ticken ... Ich bin mit diesen Klischees hier in Deutschland aufgewachsen und kann sie mittlerweile nicht mehr hören. Von Rafik Schami habe ich höherwertige Literatur erwartet. Dies ist mein erstes und letztes Buch von ihm. 

Rafik Schami vermischt Italiener mit Arabern. Das habe ich noch nie gehört und noch nie wäre ich auf die Idee gekommen, Rom, Italien mit den Ländern Arabiens zu verlgeichen, denn mir fallen eher die Unterschiede ein; geografisch, politisch, kulturell, gesellschaftlich , geschichtlich u.v.m. Wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass im alten Rom viele Handelsleute aus aller Welt kamen ... Da müsste man mal die Geschichtsbücher aufschlagen. Und zu den äußerlichen Merkmalen, wie Italiener aussehen, habe ich weiter unten ein paar Gedanken dazu geäußert ... 

Unterschiede:
1. Italienerinnen tragen keine Vollverschleierung, keine Burka und auch keine Kopftücher 
2. Italienerinnen und Italiener suchen sich ihre Partner*innen selber aus.
3. Männer und Frauen wählen demokratisch
4. Männer und Frauen haben gleichermaßen ein Recht auf Bildung. Jungen und Mädchen werden in der Schule nicht getrennt. 
5. Wer hier Frauen mordet oder vergewaltigt, wird vor Gericht gestellt und ins Gefängnis gesteckt.
6. Außerdem sind Kirche und Staat politisch getrennt. 
 Und viele andere Punkte mehr ...

Was Schamis Klischeebilder betreffen sind diese veraltet, antiquirt. Besonders diese positiven und negativen Vorurteile und die zugehörigen Stereotypen. Negative Vorurteile zu Italien, positive Vorurteile zu dem Rest der westlichen Welt. Ich fühle mich damit durch das Buch dermaßen erschlagen, dass ich meine Motivation verloren habe, hier in meinem Blog stärker darüber zu sprechen. Rafik Schami scheint zu denken, nur weil er ein paar belletristische Bücher zu verschiedenen Ländern gelesen hat, macht es ihn gleich zu einem Experten. Bestimmte Länder scheint er in seinem Kopf zurechtgeformt zu haben, bis sie schließlich in sein Schreibkonzept gepasst haben. Dieses Buch forciert sämtliche Vorurteile und Klischees Menschen bestimmter Länder und Nationen gegenüber, die auch hier in Deutschland weit verbreitet sind. Lediglich seinen arabischen Landsleuten gegenüber scheint er etwas mehr Differenz eingebracht zu haben, auch was Äußerlichkeiten wie z. B. Haarfarbe und Hautfarbe bettreffen. Während er alle ItalienerInnen mit Ausnahme der Figur Stella als schwarzhaarig und dunkelhäutig bezeichnet, werden seine arabischen Landsleute bunter dargestellt. Rote Haare, helle Haut, u.v.m. Stella wird hier als hellhäutig und blondhaarig als eine Ausnahme beschrieben, wobei ihre Vorfahren sogar aus Österreich kommen. Klar, mancher Mensch sieht in der Welt nur die Bilder, die er sehen will, die in seinem Konstrukt passen, damit er sich in seiner beschränkten Wahrnehmung bestätigt fühlen kann. Blonde und/oder hellhäutige ItalienerInnen gibt es in der deutschsprachigen Literatur nicht, denn die werden ausgeblendet, sowie es keine dunklen Schweden gibt, die auch ausgeblendet werden. Das sind die Bilder von Rafik Schami und von vielen anderen Menschen. Ich kenne z. B. überwiegend sonnengebräunte dunkle ItalienerInnen und jede Menge Blondhaarige in meiner eigenen Verwandtschaft und im dortigen Freundes- und Bekanntenkreis. Und dies auch im Süden Italiens.

Und überhaupt, was hat Schami gegen dunkelhäutige Menschen? Was sagt denn schon die Hautfarbe über den Charakter eines Menschen aus?

Vor lauter Arabisch ist Schami blind für das Italienische gewesen. In der Psychologie würde man sagen, eine Projektion seiner eigenen blinden Flecken, die er von sich auf ein anderes Land zu übertragen scheint. :-).

Ich habe mich viel mit meinen beiden Freundinnen Sabine St. und Monerl ausgetauscht, was mir gutgetan hat, weil ich mich verstanden gefühlt habe. Monerl hatte selbst das Buch gelesen und sie war genauso enttäuscht wie ich. Sabine hatte das Hörbuch, das sie abbrechen musste …  

Mich beschäftigte außerdem das Bild, das aufkommen lässt, bestimmte Länder als rückständig und als antiquirt zu bezeichnen, von denen auch hierzulande viele Menschen keinen Zweifel haben, dass es Länder gibt, die diese Bezeichnung verdient hätten. Und so hatte Sabine dazu einen schönen Gedanken geäußert, den ich gerne zitieren möchte:
Das hat nichts mit Rückständigkeit zu tun. Andere Länder haben andere Entwicklungen angenommen. Vor 200 Jahren war hier auch alles anders … Kulturunterschiede würde ich es nennen.

Wobei unsere deutsche Diktatur gerade Mal 73 Jahren zurückliegt und der italienische Faschismus ebenso. Und Menschen, die es wissen wollen, wissen, dass viele kulturelle Errungenschaften eines Landes wieder verloren gehen können, je nach dem, welche Regierung gebildet wird. Man bekommt in dem vorliegenden Buch Sichtweisen zu lesen, die mich stark an die Inhalte der AfD erinnern, auch wenn dies nicht die Absicht von Rafik Schami ist.

Dafür habe ich einen Link zu einem Video eingefügt, der meine Gedanken und meine Theorien bestätigen, weil ich mir schon immer viel Gedanken über die menschliche Herkunft und dessen Hautfarbe gemacht habe. Was wissen wir schon über die DNA eines Deutschen, eines Italieners, etc? Und es geht um die nationale und um die kulturelle Zuordnung von Menschen, das Wir und das Ihr-Gefühl. Denn auch Schami hat seine Raster, und für andere Menschen eine sogennante Schublade erfunden, ohne zu bedenken, dass wir durch die Völkerwanderung alle schon längst vermischt sind. 

Hier ein Link, der zu einem Film auf youtube über die DNA Analyse verschiedener Menschen führt. Werbung bitte wegklicken. 

Was die Thematik Religion in diesem Buch betrifft, gibt mir Schami zu verstehen, dass Menschen, die gläubig sind, naive Menschen sind, die einen Hang zum Aberglauben haben. In seinem Buch spricht er über die Liebe als Religion. Was meint er damit? Jeder hat eine andere Vorstellung von Liebe, und nicht jede Vorstellung führt zu einem Frieden zu sich selbst, noch weniger führt diese Liebe zu einem Frieden zum Partner und noch weniger führt sie zu einem Weltfrieden. Andere Menschen verstehen unter Liebe nur die Ausübung sexueller triebhafter Gelüste ...  Wie dem auch sei, für die Liebe, wie Schami sie sich idealerweise ausgedacht hat, basierend auf Freiheit, Respekt ... dafür muss man sich aus psychologischer Sicht hinentwickeln, und nicht jeder Mensch befindet sich auf derselben Entwicklungsstufe, die abhängig ist von den vielen unterschiedlichen Erlebnissen eines Menschen. Mir scheint, dass Schami die Religion, den Glauben an Gott, verantwortlich für die Probleme eines Landes macht. Dabei wird die Religion in den ilamischen Ländern nur instrumentalisiert, und die Menschen, die die Religion instrumentalisieren, sind für mich keine Menschen, die religiös sind oder an Gott glauben. Sie glauben nur an die Macht und an die Herrschaft. Es gibt so viele Juden, Christen, Muslime, Buddhisten, Hinduisten … die so viel Weisheit besitzen, dass ich von jeder Religion unwahrscheinlich viel lernen konnte in einer Zeit, in der ich mich damals als junger und als einen fragenden Menschen selbst auf der Glaubenssuche befunden hatte und ich seitdem gelernt habe, Achtung vor jeder Religion zu haben. 

Eine Ambivalenz der Länder zwischen Abwertung und Aufwertung. Was weiß Schami schon von den Problemen in der westlichen Welt, die man nicht an Religiositäten festmachen kann? Hier werden diese Länder von ihm aufgewertet und idealisiert. Aber wer weiß, vielleicht weiß er darüber ganz viel, nur haben diese Kenntnisse nicht in sein Schreibkonzept gepasst. Auch weiß er sicher, dass viele Menschen aus der westlichen Welt nicht alles Atheisten sind und sonntags sogar die Kirche besuchen :-).

Mein Fazit?
Ich weiß, dass ich mit dieser Buchbesprechung gegen den Strom schwimme. Ja, ich wage es, Rafik Schami zu widersprechen, denn ich hatte mir sehr viel mehr von seinem Buch versprochen. Schade, wo ich anfangs Berührungsängste gehabt hatte, weil ich erst dachte, dass mir das Buch vom Verständnis her zu anspruchsvoll ausfallen könnte. Immerhin stand das Buch bei mir zwei Jahre ungelesen im Regal. Aber das war es dann doch nicht. Im Gegenteil, mir war das Buch viel zu seicht. Absolut nicht meine Wellenlänge.

Nachtrag, 16.08.2018
Da ich es jetzt richtig leid bin, immerzu Bücher über das klischeehafte Italien zu lesen, habe ich mir vorgenommen, ein Leseprojekt zu den Büchern italienischer AutorInnen zu starten. Da ich nicht in Italien groß geworden bin, muss ich selbst ein wenig aktiv werden und recherchieren, welche gute italienische AutorInnen es in diesem Land gibt und die ins Deutsche übersetzt sind.

Ich will nur gute italiensche Literatur lesen, denn auch dort gibt es jede Menge Bücher, die recht seicht und wenig differenziert geschrieben sind. Solche Bücher sind für mich ein absolutes No-Go. Mich interessiert das Italien mit seinen Stärken und seinen Schwächen. Vor allem mit seinen Stärken, die in deutschsprachigen Büchern viel zu kurz kommen, deshalb bin ich für einen Perspektivenwechsel.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Ein gut recherchiertes Buch
0  Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
5 von 12 Punkten.

Weitere Information zu dem Buch
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Es ist leichter einen Atomkern zu spalten
als ein Vorurteil.
(Albert Einstein)

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