Montag, 11. November 2019

Henning Mankell / Die schwedischen Gummistiefel (1)

@ Myriam / Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Weiter setzt sich die Geschichte von Die italienischen Schuhe fort mit Die schwedischen Gummistiefel. Dieser Band hat mir etwas besser gefallen. Aber die Figuren waren für mich nach wie vor gestört, kalt und abweisend. Hier suchen Menschen einander Nähe, können aber mit der Nähe nicht wirklich umgehen, wenn sie diese bekommen.  

Der Schluss ist Geschmackssache, mich konnte er nicht befriedigen. Manche Episoden fand ich sehr unlogisch, und manche Sichtweisen sehr einseitig, wenig differenziert.

Ich werde mich hier wieder kurzhalten.

Damit ich nicht alles von Neuem schreiben muss, werde ich am Ende dieser Buchbesprechung sie mit dem ersten Band verlinken.

Hier geht es zum Klappentext, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Fredrik Welin wird eines Nachts in seinem Bett aus seinen Träumen gerissen, als er von einer Hitzewelle erfasst wird. Panisch sieht er, wie Flammen sein Haus abbrennen. Schnell rennt Welin aus dem Haus und wird selbst Zeuge, wie sein Haus, das er von seinen Großeltern geerbt hatte, niederbrennt. Viele Nachbarn kamen von der Insel, auch die Feuerwehr, um den Brand zu löschen, wobei das Haus nicht mehr zu retten war. Der Postillion Ture Jansson war es gewesen, der den Brand von Weitem gesehen haben soll, und schnelle Hilfe gerufen hatte.

Der Kontakt zu Welins Tochter Louise wurde weiter aufrechterhalten. Als Welins Haus abgebrannt ist, und er für einige Zeit obdachlos wurde, war er gezwungen, in Louises Wohnwagen einzuziehen. Zur Erinnerung: Louise ist im letzten Band mit dem Wohnwagen auf Welins Schären gezogen, sie aber hier nicht wohnen blieb, sondern nach Paris gezogen ist. Hier erfährt Welin von ihr, dass er Großvater wird. Welin, weiß nicht, ob es ihn freut oder ob es ihn kalt lässt ...

Die Polizei ermittelt, sucht den Brandstifter. Wobei nicht klar ist, ob es ein Brandstifter oder ein Pyromane war, der das Haus angezündet haben könnte. Die Polizei verdächtigt sofort Welin. Was könnte der Grund sein, dass Welin sein eigenes Haus anzündet?

Wie geht das, ein eigenes Haus abzufackeln, während man selbst im Bett liegt und schläft? Denn die Polizei hat durch einen Brandingenieur herausfinden können, dass der Brand nicht an irgendeinem technischen Defekt hätte ausgemacht werden können, denn sie konnten Spuren entnehmen, die besagten, dass Benzin rund um das Haus gelegt und anschließend angezündet wurde. Ohne große Anhörung wurde Welin verdächtigt, und so warfen sie ihm Versicherungsbetrug vor …

Louise kam auf die Insel, als sie hörte, dass Welins Haus abgebrannt wurde. Von der Versicherung konnte er erst dann einen Schutz erhalten, wenn geklärt wurde, wie das Haus zu Schaden kam.

Durch den Hausbrand lernt Welin die Journalistin Lisa Modin kennen. Zwischen ihnen beiden entwickelt sich eine freundschaftliche / sexuelle Beziehung. Welin verliebt sich in Lisa, leider stößt er nicht auf Gegenliebe, sodass Welins Bedürfnisse nicht erwidert werden konnten.  

Louise entpuppt sich in Paris zu einer professionellen Taschendiebin. Einmal wird sie dabei erwischt und wird eingebuchtet. Louise bittet von ihrem Handy aus Welin um Hilfe, der schnellstmöglich angereist kam ...


Welche Szene hat mir so gar nicht gefallen?
Mich konnten die meisten Szenen einfach nicht überzeugen. Die Journalistin fand ich nicht richtig authentisch. Ich habe sie hier kaum als Journalistin erlebt. Die Polizei selbst zeigte sich ebenso wenig professionell. Wie Welin die Polizei beschrieben hat, fand ich arg merkwürdig.

Aber welche Szene mich tatsächlich angewidert hat, war Großvaters Tat gegenüber einem Hirsch. Welin denkt über seine Kindheit nach, als er seinen Großvater zum Fischen hinaus auf´s Meer begleitet.
Großvater erblickte einen Rehbock, der angeschwommen kam. Ohne zu zögern ließ er das Netz fallen, das er in den Händen hielt, schob mich zur Seite und setzte sich selbst an die Ruder. Er holte das Reh ein, stand im Boot auf und schlug dem Tier mit einem der Ruder auf den Kopf. Das Ruder zerbrach und das Reh schwamm weiter. Aber Großvater warf sich halb aus dem Boot, und es gelang ihm, das Tier am Geweih zu packen. Zugleich zog er sein Moramesser und schnitt ihm die Kehle durch. (2017, 132)

Mir liefen bei dieser Szene die Tränen. Solche heftigen Tiergeschichten treten häufig bei Mankell auf. Er erinnert mich daran, dass in der realen Welt viele Menschen eine Lust haben, unschuldige Tiere zu quälen und zu töten.

Der kleine Welin war über Großvaters Tat stark irritiert, aber das Kind wird später selber zum Täter, indem es lebendigen Insekten die Flügel ausreist.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Gefallen hat mir, als bei Wiederholungsbränden sich die Menschen auf den Inseln versammelt haben, und sie sich berieten, wie sie sich gegenseitig besser schützen könnten. Es kam auch die Frage nach dem möglichen Täter auf, und die meisten suchten den Täter nicht in den eigenen Reihen, sondern bei den Ausländern. Diese Szene hat Mankell sehr gut beschrieben, wie verzerrt die Wahrnehmung vieler Menschen sein kann. Schade, dass er dieses Niveau nicht im gesamten Ablauf seines Romans hat aufrechterhalten können.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Keine.

Welche Figur war mir antipathisch?
Sie wirkten auf mich alle ziemlich gestört, wie ich oben schon geschrieben habe.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel
Ich weiß immer noch nicht, für was die Gummistiefel stehen. Symbolisch betrachtet könnte es den Wunsch Welins ausdrücken, in der Welt unter dem Allwetterschutz mutiger auftreten zu können, ohne nasse Füße zu bekommen. Welin erhält erst am Ende der Geschichte seine Gummistiefel, die er in einem Laden bestellt hat. Er musste lange auf seine Lieferung warten.

Zum Schreibkonzept
Auf den 475 Seiten ist der Roman in fünf Teilen gegliedert, die Anzahl der Kapitel habe ich mir diesmal nicht gemerkt. Mal fangen die Teile mit Kapitel eins an, mal wieder nicht.

Meine Meinung
Mich hat die gesamte Geschichte nicht überzeugen können. Häufig sehr einseitige Beschreibungen, manchmal auch wieder sehr klischeehaft was die Zuordnung verschiedener Menschen betrifft. Auch den Begriff rassisch ist heute auf Menschen bezogen politisch nicht mehr korrekt. Der Duden schreibt:
BESONDERER HINWEIS In der Biologie wird der Begriff der Rasse nicht mehr auf Menschen angewendet. Wenn auf entsprechende Unterschiede Bezug genommen werden muss, sollten deshalb Ausweichformen wie Menschen anderer Hautfarbe gewählt werden.

Mein Fazit
Eine schlecht recherchierte Handlung, die mich nicht hat überzeugen können, dafür aber ein wundervoller Erzählstil.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
1 Punkte: Frei von Stereotypen,Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Sieben von zwölf Punkten.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)


Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.
Es lebe die Vielfalt.
(M. P.)

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