Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder
Eine Buchbesprechung zur
o. g. Lektüre
Dieses Buch hat mir ebenso gut
gefallen, wie die letzten drei Degen-Bücher auch, die ich bisher gelesen habe.
Allerdings wurde es mir ab der Mitte hin etappenweise ein wenig langweilig.
Innerhalb kurzer Zeit konnte der Bruder gefunden werden, Erlebnisse mit zuvor
unbekannten Verwandten, deren Geschichten mir gefallen haben, bekam man zu
lesen, doch dann kam die Phase, in der die Schauspielerei in den Fokus getreten
ist. Das fand ich nicht wirklich spannend, schließlich bin ich nicht vom Fach.
Es hätte gereicht, diese Art von Lebensspanne im Buch deutlich abzukürzen.
Doch zurück zur Hauptthematik;
mich hat es schon immer mal interessiert, wie deutsche Juden, gezwungen durch
den Nationalsozialismus, nach Israel ausgewandert sind, und wie sie ihr Leben
dort eingerichtet haben. Wie leicht ist es ihnen gefallen, sich dort eine neue
Heimat aufzubauen? Was ist mit der deutschen Identität; konnte sie abgelegt
werden wie einen alten Hut? Es gab sehr viele Juden, die nur auf dem Papier
Juden waren, ohne dass sie in Deutschland ihren Glauben zelebriert hatten.
Viele Antworten habe ich in dem
Buch gefunden. Das ist das einzige Buch, das ich bisher dazu gelesen habe.
Bekannt waren mir eher Zufluchtländer, wie z. B. Afrika, Amerika, Türkei …
Aber nach Israel flüchten? Dazu hatte ich bisher noch gar nichts gelesen.
Das Buch ist einerseits sehr
traurig, Michael trauert zusammen mit seinem Bruder um den durch die Nazis
umgekommenen Vater, andererseits hat es auch viel Humor, und auch viel
Weisheit, ohne diese hätten die deutschen Juden, die den Nationalsozialismus
überlebt haben, nicht durchgestanden.
Mein Verdacht, der Titel Mein heiliges Land könnte ironisch
gemeint sein, konnte nicht erhärtet werden. Die ersten Seiten haben mich dazu
verleiten lassen, als der junge Michael, 17 Jahre alt, 1949 mit dem Schiff nach
Israel einreist, um seinen Bruder Adolf zu suchen. Dort angekommen, wurde er
von den Grenzbeamten festgehalten; sie wollten ihn gleich als Rekrut fürs
Militär ausrüsten, für den Krieg gegen die Araber einsetzen. Er kam dann doch
davon los, und die Erfahrungen im Landesinneren waren eher wohlwollend …
Michaels Vorstellung, dass Israel
ein Land sei, in dem Milch und Honig fließen, wird von einem seiner
Mitpassagiere auf dem Schiff ironisch aufgefasst, denn er möge gar keinen Honig;
das fand ich recht humoristisch.
Interessant fand ich auch die
komplizierte Beziehung, die Michael zu seiner Mutter hatte und man erfuhr erst
viel später, weshalb die Mutter ihren minderjährigen Sohn so ganz allein nach
Israel schickte ...
Recht nachdenklich hat mich
auch gestimmt, mit wie viel deutschen Juden Michael in Israel zu tun bekam. So
viele mit deutschem Namen, und sie sprachen alle die Landessprache mit
deutschem Akzent. Oftmals konnte der deutsche Akzent nochmals eingegrenzt werden,
z. B. jüdisch mit sächsischem, oder mit berlinerischem Akzent, etc. … Man
spürte deutlich den Riss dieser Menschen in ihrer Identität.
Michael wundert sich, wie viele
Juden er trifft, die blaue Augen haben, blonde Haare, und fragt, wie Hitler nur
zu seiner Rassentheorie kam? Schließlich war er selber schwarzhaarig. Aber dies
wurde von den Deutschen nicht hinterfragt. Noch heute bestehen stereotype
Vorstellungen darüber, wie Menschen anderer Länder, SüdländerInnen, von AutorInnen
beschrieben werden.
Michael bleibt länger in
Israel, als ich geahnt habe. Er bewarb sich dort sogar am israelischen Theater. Er bestand sogar auch dort
die Schauspielprüfung und bekam eine Stelle im Kammertheater.
Sein Bruder reiste nach
Deutschland, um endlich seine Mutter wiederzusehen …
Ich möchte nicht noch mehr
verraten und verweise auf das Buch.
Lesen werde ich demnächst das
Buch Nicht alle waren Mörder.
Mein
Fazit?
Auch wenn mich die
Theaterszenen weniger interessiert haben, spürte man aber deutlich, dass diese
dem Autor wichtig waren, darüber zu schreiben. Sie gehören immerhin zu seinem
Leben, und ich fand es überhaupt toll, dass er die Schauspielprüfung sogar in einem
fremden Land hat bestehen können. Das versuchte ich mir vorzustellen, wie
schnell er die Sprache dort gelernt hat, und wie bemüht er war, seinen
deutschen Akzent abzulegen. Weil dies alles zu Michael Degen gehört, bekommt
das Buch von mir zehn von zehn Punkten.
© Mirella
Weitere
Informationen zu dem Buch
Ich möchte mich recht herzlich beim Rowohlt-Bücherverlag für dieses zur
Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.
Taschenbuch: 320
Seiten
Verlag: Rowohlt
Taschenbuch Verlag; Auflage: 3 (2. Mai 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3499621843
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