Donnerstag, 15. Oktober 2015

Christa Hein / Der Blick durch den Spiegel (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Meiner Meinung nach ist das Buch recht gut geschrieben. Allerdings hat es mich nicht wirklich gefesselt und ich kann einfach nicht sagen, woran es gelegen haben könnte. Vielleicht das falsche Buch zur falschen Zeit?
Die Autorin schreibt recht authentisch, fantasievoll und sehr reflektiert. Zumindest die Protagonistin dieses Buches bezeichne ich als eine recht reflektierte Persönlichkeit, die   häufig ihr Leben hinterfragt, und vor allem das Leben ihrer Mutter, um nicht in ihre Fußstapfen zu treten. Sie reflektiert ihre Männerbeziehungen und geht recht metaphorisch damit um. 

Dieses Werk hat mich aber stark an Tolstois Buch Anna Karenina erinnert und tatsächlich, hundert Seiten weiter  lerne ich die Dänin Johanna Andersson kennen, die Anna Karenina in den Händen hält und darin liest. Durch die dazukommende Gesellschaft, sie befinden sich alle auf dem Schiff in Richtung Asien, wird sie von der Lektüre unterbrochen. Hatte ich einen guten Riecher? Sicher. Das war nicht das erste Mal, dass mich der Inhalt eines Buches an ein anderes Buch erinnern lässt. Anna Karenina hatte ich vor zig Jahren auch gelesen und dieses Buch hatte mich mehr als gefesselt.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Wir befinden uns in Riga zu Beginn unseres Jahrhunderts: Es ist die Zeit großer Umbrüche. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, Sophie Berkholz, Ende Zwanzig, Lieblingstochter ihres Vaters, eines angesehenen Legationsrates. Die selbstbewusste Sophie, groß und schlank, gehörte zu den ersten Frauen, denen es gestattet wurde, ein Mathematikstudium zu absolvieren. Doch trotz hervorragender Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin für Mathematik am Rigaer Polytechnikum ist Sophie nicht glücklich: Sie bleibt den vorgegebenen Mustern ihrer Gesellschaftsschicht verhaftet. Auch die Ehe, die sie schließlich mit Albert eingeht, nimmt nach dem euphorischen Beginn schnell bedrückende Züge an: Nach der Geburt der Tochter Lina erkennt Sophie schließlich, dass sie dabei ist, das verhasste Leben ihrer Mutter zu wiederholen. Im Jahre 1903 beginnt Japan mit seiner fieberhaften Aufrüstung gegen das russische Reich. Albert, ein für seine innovativen Ideen gefragter Konstrukteur, wird im militärischen Auftrag des Zaren an die östlichste Spitze des Landes nach Port Arthur ans Gelbe Meer beordert. Sophie entschließt sich gegen den Widerstand der Eltern, ihm zu folgen. In ihrem Gepäck führt sie geheime Unterlagen ihres Mannes mit sich. Eine lange und abenteuerliche Reise mit der gerade fertiggestellten Transsibirischen Eisenbahn beginnt, eine Fahrt voller Ereignisse und folgenreicher Begegnungen, bei der es zu Verwicklungen, Verschwörung, ja sogar zu Mord kommt: bleibende Eindrücke, die Sophies Blick auf die Welt verändern.
Das Buch beinhaltet viele Reiseszenen, man befindet sich auf einer Weltreise, in die man sich gut reinversetzen kann. Sowohl mit dem Zug als auch mit dem Schiff.

Es ist ein historischer Roman und beinhaltet den Krieg zwischen Russland und Japan zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts …

Auch ist es ein gesellschaftskritischer Roman, in dem die Protagonistin Sophie Berkholz als Frau eine besondere gesellschaftliche Stellung innehat. Nicht nur beruflich, sondern auch im Bereich der Ehe und Familie. Sophies Wunsch war, als Frau unabhängig zu bleiben, doch die gesellschaftlichen Konventionen holen schließlich auch sie ein. Schon die Eltern stellen an ihre Tochter hohe Anforderungen, endlich eine Ehe einzugehen, Kinder zu bekommen und eine gute Ehefrau und Mutter abzugeben. Dass sie ein Mathematiktalent ist, das ehrt sie keineswegs. Sophie verliert ihre Dozentenstelle an dem Polytechnikum, und etwas später bringt sie in Erfahrung, dass die Eltern etwas mit dieser Kündigung zu tun hatten ...

Die Eltern versuchten Sophie mit einem Engländer namens Ashton zu verkuppeln ...

Doch das Schicksal wollte es anders, hatte ein anderes Leben für Sophie vorgesehen. Sie lernt den dänischen Brückenbauer Albert kennen, der beruflich wegen der vielen Aufträge um die Welt reist … Zwischen Albert und Sophie kommt es ziemlich schnell zu einer Vermählung und ziemlich schnell wird ein Kind geboren. Ein Mädchen namens Lisa. Doch Sophie hatte keine Lust, sich in die Rolle einer Mutter und Ehefrau pressen zu lassen und reist Albert nach Japan nach, obwohl Sophies Eltern davon abgeraten hatten. Das Kind blieb bei den Angehörigen und der Kinderfrau zurück.

Lisa sei schließlich nicht nur ihr Kind, sondern auch das des Mannes.

Auf der langen Reise lernt Sophie den amerikanischen Journalisten Stanton kennen und verliebt sich neu …

Als aus dieser Liebe mehr geworden ist als eine reine Gelegenheitsbeziehung, bekennt Sophie das ihren Eltern, nach dem auch ihr Mann Albert dahintergekommen ist. Sophies Eltern sind entsetzt, Ashton allerdings macht sich neue Hoffnungen und besonders Sophies Mutter fühlt sich von der Tochter angewidert.
Sophie hatte nicht auf ihr Verständnis gehofft. Sie wusste: Die Mutterliebe dieser Frau war eine Pflichtauffassung.
Doch auch bei Stanton war sie nicht bereit, sich ihm anzuschließen, ihm nach Amerika nachzureisen, "um die eigenen Pläne passend zu machen für die Pläne eines Mannes".  

Sophie war eine patente Frau, die ihren eigenen Weg geht, auch mit dem Risiko, auf gesellschaftliche Hürden zu stoßen. Sie hat sich beruflich auch einen völlig anderen Weg aufgebaut und wird Fotojournalistin. Ihren ersten Fotoapparat bekam sie von Albert geschenkt, der in ihr die Fähigkeit, gute Fotos zu schießen, weckte.

Das Buch endet keinesfalls so tragisch wie das von Leo Tolstoi.

Es erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

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