Sonntag, 26. Mai 2013

Thomas Hardy / Herzen im Aufruhr (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre



Der Protagonist des Romans nennt sich Juda Fawley, ein Waisenkind, das bei seiner Tante aufwächst, die ihn nicht sonderlich gut behandelt, aber keinesfalls so schlecht mit ihm umgeht, wie es den Waisenkindern aus Dickens Büchern oft ergeht. Die Tante gibt ihm immer wieder zu spüren, dass es besser gewesen wäre, wenn er wie die Eltern mit in den Tod getrieben worden wäre. Das stelle ich mir für ein Kind grausam vor, unter solchen Umständen aufzuwachsen.

Juda liebt Bücher, was auf dem Land unüblich ist und versucht sich autodidaktisch Latain und Altgriechisch beizubringen. Desweiteren liest er viele Bücher aus dem Abendland. Sein Ziel ist, in die Großstadt Christminster zu reisen, die Stadt der vornehmen und gelehrten Leute. Im Alter von 19 Jahren lernt er allerdings eine junge Frau namens Arabella Donn kennen, die sich Hals über Kopf in Juda verliebt und sie es schafft, ihn an sich zu binden. Aus ist es mit dem Lesen und der Gelehrsamkeit. Die Freundin täuschte eine Schwangerschaft vor, als er sich seiner Ziele wegen von ihr zu trennen beabsichtigte. Es kommt zu einer Vermählung, doch die Ehe scheiterte kurzerhand.

Juda ist mir auch deshalb so sympathisch, weil er Mitleid mit Tieren hat, die von Menschen schlecht behandelt wurden. Als Junge wurde er auf dem Feld eines Bauern zum Vogelverscheuchen eingestellt. Juda, als die lebende Vogelscheuche sozusagen. Juda bekam Mitleid mit den Vögeln, da sie auch nur fressen wollten um zu leben, so ließ er den Vögeln ein paar Saatkörner picken. Der Bauer beobachte den Vorfall, schlug ihn windelweich und entließ ihn.

Später, kurz nach der Vermählung mit Arabella, wurde ein Schwein geschlachtet. Dadurch, dass der Schlächter nicht rechtzeitig kam, musste er und seine Frau das übernehmen. Die Frau redete auf Juda ein, das Schwein so zu schlachten, dass es einen langsamen Tod stirbt, damit das Fleisch dadurch eine höhere Qualität erlangen könne und man auf dem Markt dafür mehr Geld bekommen würde. Juda tat das Schwein leid und er tötete es so, dass es binnen kürzester Zeit sterben konnte. Dennoch quiekte das Schwein hoffnungslose Schreie aus... .

Juda war anders als die meisten Männer seines Dorfes Marygreen. Er war sensibel. Und er war gelehrig, war in der Lage, sich Bücher anzueignen, für die er im Dorf verspottet wurde. Sein Dorfschulleher Richard Phillotson, der Marygreen verließ, auch wegen ehrgeiziger beruflicher Ziele, beschaffte ihm die Lehrwerke zu den alten Sprachen. Richard Phillotson bleibt bis zum Ende des Romans eine wichtige Figur.

Im zweiten Teil  sucht mein junger Held seinen Platz in der Welt. Mittlerweile ist er in die Gelehrtenstadt Christminster eingereist und hat dort im Handwerk Arbeit gefunden. Er bewarb sich an einem College und machte den Fehler, sich dem Direktor nicht als ein Autodidakt in Latein und Altgriechisch vorzustellen, vielleicht hätte er damit dem Rektor imponiert und ihm eine große Fähigkeit gezeigt, nein, er stellte sich als ein Arbeiter vor, und erwähnte mit keinem Laut sein Selbststudium. Der Rektor riet ihm von einem Studium ab, und er solle sein Glück als Arbeiter weiter vervollständigen. Armer junger Mann. Auch mit der Liebe scheint es nicht so recht zu klappen.

Das waren Teil I und Teil II von acht Teilen in mehre Kapiteln untergliedert.

In den weiteren Abläufen bestimmen gesellschaftliche Konventionen das Leben der damaligen Menschen. Und nicht nur das. Der Roman spielt in einem kinderfeindlichem England. Juda und seine neue und junge Partnerin Susanna Bridehead gehen eine Wildehe ein, aus der mehrere Kinder geboren werden. Ständig befindet sich diese junge Familie auf der Flucht, immer auf der Suche nach einem Platz in der Welt.
Der Roman spielt im Viktorianischen England, das bestimmt ist durch Tratsch und Klatsch und dadurch anders denkenden Menschen das Leben schwer gemacht wird.

Ich liebe Bücher, deren Verläufe sich nicht voraussehen lassen und das ist dem Autor gelungen. Obwohl seine Absicht primär darin lag, seine Leser zu schockieren, durch die miserablen gesellschaftlichen Umstände im damaligen England. Mich hat Hardy schockiert... . Seine Leser hatte er damals auch schockiert und zwar in dem Maße, dass sie Hardys Werk abgelehnt hatten. Vor allem die Kirche verschmähte das Buch.

Die Beziehung zwischen Juda und Sue endet mit einer Tragödie, die für mich völlig unerwartet erschien. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht mit so einer tragischen Entwicklung.

Das Buch habe ich bis zum Schluss mit großem Interesse gelesen. Vor allem die letzten fünfzig Seiten erweisen sich mir besonders spannend. Ich habe das Werk als ein ganz besonderes Buch erlebt. Es ist so besonders in seiner Art, dass ich diesmal meine Buchbesprechung nicht in einem so breitem Umfang gestalten werde wie sonst. Ich werde die Zitate weglassen, weil ich der Meinung bin, dass jede oder jeder interessierte Leser von der ersten Seite an beginnen sollte, die Erfahrungen selber zu machen, ohne sie von mir auf eine Spur zu bringen. Diese vielen Überraschungen, die ich selbst erfahren habe, gönne ich jedem anderen auch.

Thomas Hardy ist ein Zeitgenosse von Charles Dickens auch wenn 28 Jahre zwischen ihnen liegen. Ich habe beide Schreibstile miteinander verglichen und mir hat Hardy, obwohl ich großer Fan von Dickens bin, besser gefallen, hat mich mehr überzeugt, da Hardy überhaupt authentischer mit Gefühlen und Emotionen umgeht als Dickens es tat. Bei Dickens fließen mir zu viele Tränen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Zu viel Rührseligkeit, für mich zu sentimental. Und bei Dickens errate ich meist so ziemlich genau die Abläufe, bei Hardy fand ich Überraschungen vor.

Herzen im Aufruhr ist ein Buch, das an das Shakespeares Drama Romeo und Julia erinnern lässt. Aber bitte nicht gleich denken, dass sich Sue und Juda sich das Leben nehmen... .

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Wegen der Authentizität im Auftritt und Charaktere der Figuren und wegen der Vielfalt an Ideen und wegen des interessanten Aufbaus der Thematik!

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Ich habe sowohl ein Herz als ihr und bin nicht geringer denn ihr;
und wer ist, der solches nicht wisse?                        
                                                    Hiob XII, 3
(Thomas Hardy)

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