Samstag, 4. Mai 2013

Carlos Ruiz Zafón / Das Spiel des Engels (1)

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Dass es Menschen gibt, die zu Hause von Familienangehörigen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil sie Bücher lesen, zeigt auch Zafón in seinem Werk. David Martín ist ein begabter und leseinteressierter neunzehnjähriger Schüler. Sein Vater, Alkoholiker, der durch den Krieg auf den Philippinen in seiner Persönlichkeit stark geschädigt wurde, zudem er auch den Verlust seiner Frau, die ihn und den Sohn wegen eines anderen Mannes verlassen hat, nicht verwinden konnte, stellt sich dem Sohn gegenüber äußerst gewaltträchtig dar, wenn er diesen mit einem Buch in der Hand erwischte. 
Sehr traurige Szene und mir ist bewusst, dass es auch im Alltag wirklich solche Menschen gibt, die Bücher nicht ausstehen können. Davids Vater wurde vom Schicksal arg gebeutelt, hatte selbst nie die Gelegenheit gehabt, Schreiben und Lesen zu lernen, so dass in ihm Aggressionen aufkommen, wenn er seinen Sohn beim Lesen erwischte.. . Als wäre es mit Neidgefühlen besetzt, dass der Sohn sich Informationen aus der Welt erlesen kann, die ihm als Analphabet verschlossen bleiben. Mich hat diese Szene sehr betroffen gestimmt.

Erst hatte mir das Buch recht gut gefallen, auch hat es sich recht flüssig gelesen... . David Martín ist ein begnadeter Schriftsteller und ein Bibliophile. Lieber lässt er sich ohnmächtig prügeln, als dass er sein Buch dem tobenden Vater herausrückt, der das Buch zu vernichten beabsichtigt... .

Was Martíns schriftstellerisches Talent betrifft, so genießt er auf dem Buchmarkt wenig Erfolg, trotz seiner starken Ambitionen zum Schreiben. Und das hat Gründe... . Er verhilft seinem Mentor Vidal, ein nur durchschnittlicher Autor, zu einem guten Buch, in dem er dessen Manuskript mit Hilfe der Sekretärin Cristina komplett überarbeitet. Vídal leidet unter seinem Durchschnitt, und darunter, noch nichts Großes herausgebracht zu haben. ... und erregt bei Cristina Mitleid, die Martin zu der Überarbeitung seines Manuskriptes überredet. Heimlich, ohne dass Vidal davon weiß und auch nichtsahnend, wird die Überarbeitung von den beiden umgesetzt. Mich hat gewundert, dass Vidal so gar nichts bemerkt hat, dass der Schreibstil ein völlig anderer war, denn in dem Manuskript haftet Martíns kreative Energie, auch wenn Martin sich bemühte, Vidals Schreibstil zu erhalten. Dadurch, dass Martin viel Zeit für das Umschreiben Vidals Manuskript geopfert hat, kommt sein eigenes Manuskript viel zu kurz, beendet es eher in oberflächlicher Form... Nun werden beide Bücher aufgelegt, zwei neue Debutromane von unterschiedlichen Autoren... Vídals und Martíns erstes Buch, und die Presse wird hellhörig, stellt sehr schnell fest, dass sich der Schreibstil beider Autoren ähneln. Dadurch, dass Vidals Buch besser abgeschnitten hat, werfen die Zeitungen Martín vor, er habe Vidals Schreibkunst nachzuahmen versucht. Niemand ahnt, dass Martín der eigentliche Autor Vídals Buches ist, nur der alte Buchhändler Sempere, der Martín sehr gut kennt, von Kindesbeinen an, durchschaut es. Durch die schlechte Literaturkritik durchweg in allen Zeitungen wird Martíns Buch nicht weiter aufgelegt und so genießt Vídal, was ihm gegenüber Martin äußerst peinlich ist, den literarischen Ruhm.

Martín ist zudem Autor von Schundromanen, geschrieben unter einem Pseudonym. Nicht, weil er sich dazu berufen fühlt, Schundromane zu schreiben, nein, weil er durch einen unseriösen Verleger dazu gezwungen wurde, über eine langjährige vertragliche Anbindung, in einer Zeit, in der Martín in finanziellen Nöten steckte.

Gefallen hat mir auch, dass es einen Friedhof gab für vergessene Bücher. Bücher, die dorthin wanderten, konnten von Literaten adoptiert werden und es neu beleben. Man musste noch gewisse Regeln und Gesetze beachten, die in Artikel eins und zwei besagen:
Das erste Mal, wenn jemand herkommt, hat er das Recht, sich aus allen Büchern, die es gibt, nach Belieben eines auszusuchen. (…) Wenn man ein Buch adoptiert, geht man die Verpflichtung ein, es zu beschützen und alles zu tun, damit es nie verloren geht. Ein Leben lang. (179)
Eine andere Szene, die mich ein wenig festhielt. Der Buchhändler Sempere, der zusammen mit seinem Sohn den Buchladen führt und gerade mal außer Haus ist, ärgert sich beim Wiederkommen ein wenig,  dass der Sohn in seiner kurzen Abwesenheit den Buchladen nicht beaufsichtigt, und sich stattdessen im Wohnraum aufhält und sich mit David Martin unterhält. Er tadelte seinen Sohn, daraufhin verteidigte Martin ihn:
Keine Angst, Senior Sempere, Bücher sind das einzige auf der Welt, was nicht gestohlen werden.
Sempere ist damit die einzige Figur in dem Buch, die mir richtig sympathisch war. Oft brachte er viel Weisheit von sich und besonders dieses eine Zitat hat mich tief berührt, das von David Martin indirekt wiedergegeben wird:
Bücher hätten eine Seele, die Seele dessen, der sie geschrieben habe, und die Seele derer, die sie gelesen und von ihnen geträumt hätten. (544)
Bis hierher hat mir das Buch noch gut gefallen. Im Folgenden fing ich an, mich zu langweilen. Ich habe eigentlich gedacht, ich bekomme wieder eine komplizierte Geschichte serviert, mit reichlichen Verwicklungen wie im letzten Band, im Der Schatten des Windes.

Mit diesem Buch fühlte mich nicht gerade gefordert. Der Schatten des Windes war inhaltlich um das zigfache besser und viel authentischer geschrieben, obwohl es dort auch Parallelwelten gab. Die Dialoge in diesem Band finde ich aus meiner Sicht meist nicht wirklich gelungen, vielleicht liegt es an der Übersetzung. Doch auch was die zwischenmenschlichen Beziehungen betreffen und insgesamt auch das Thematische kam für mich wenig überzeugend rüber, etwas arg gekünstelt dargestellt.
Ich hatte die letzten zweihundert Seiten vor mir und hoffte noch auf eine Wende.

Doch leider blieb der wenig erfreuliche Eindruck bestehen, die Wende blieb aus. Mir war das Buch nicht nur viel zu blutrünstig. Zu dem noch

·    viel zu viele Tote, was ich unnatürlich fand, nicht nur aber hauptsächlich durch den Protagonisten verursacht, der gegen so viele Übeltäter im Alleingang zu kämpfen hatte und immer siegte. Sowohl in der  realen Welt als auch in der spiritistischen.

·    Mit einer einzigen Ausnahme waren mir die Figuren alle unsympathisch. Das hat aber sicher an den Dialogen gelegen... . Auch für meinen Geschmack viel zu gekünstelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen miteinander so sprechen.

·    Ich lese nicht so gerne Thriller und auch nicht so sehr Übernatürliches, Schauriges, wenn, dann muss alles passen, gut geschrieben und gut konstruiert sein, wie es in Zafóns letztem Band der Fall war. Für mich las sich das Buch wie eine Parallelwelt, wo sich Fiktion und Reales vermischten, wenn vordergründig auch nur für David Martin. Im letzten Band war dies sehr gelungen dargestellt und ich hatte es gerne gelesen. 


Mein Fazit:


Mich hat das Buch überhaupt nicht überzeugt, komplett die Thematik nicht, fand ich zu aufgesetzt, es erfüllte meine Ansprüche nicht. Wenn Menschen dem Martin im Weg standen, dann wurden sie ermordet...  So einfach geht das... Zu dem Spanischen Bürgerkrieg gehen nur recht spärliche Informationen hervor. Von der Beschreibung her fühlten sich die Szenen eher zeitlos an... 
Anfangs hatte es mein Interesse gefördert, was aber dann wieder nachgelassen hat. Zafón ist einfach nicht mein Autor und werde aufhören, ihn weiter zu lesen. Das eine, was ich noch habe, Der Schatten des Windes, wohl ein Folgeband, werde ich lesen, damit es nicht ungelesen im Regal stehen bleibt. Aber Neuanschaffungen wird es keine mehr geben.

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Manchmal muss die Wahrheit erfunden werden
(Siegfried Lenz)

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Gelesene Bücher 2012: 94
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