Freitag, 29. Mai 2015

Sandro Veronesi / Stilles Chaos

Klappentext
Über den Mut, seiner inneren Stimme zu vertrauenDieser Roman ist dicht und tiefgründig, aber auch rasant und unterhaltsam. Die äußeren Umstände sind ansprechend – ein erfolgreicher Geschäftsmann aus Mailand und seine süße Tochter stehen im Mittelpunkt – die inneren Umstände allerdings sind tragisch:Pietro hat seine Freundin verloren, an dem Tag und möglicherweise in dem Moment, als er eine fremde Frau vor dem Ertrinken rettet. Als er mit seinem Bruder zurück zu ihrem gemeinsamen Ferienhaus kommt, steht dort der Krankenwagen, seine Freundin ist an einer Hirnblutung vor den Augen der gemeinsamen Tochter gestorben. Dass dies alles wenige Tage vor der Hochzeit des Paares geschieht, sorgt kurzfristig für tiefe Betroffenheit. Doch dann nimmt uns Sandro Veronesi, der Autor von „Stilles Chaos“, mit in die Großstadt und in den italienischen Alltag.

Autorenporträt
Sandro Veronesi, geboren 1959 in Florenz. Er ist Architekt, arbeitet jedoch seit einigen Jahren als Schriftsteller. Er gilt als einer der bedeutendsten Autoren seiner Generation in Italien und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Das ist das erste Buch, das ich von dem Autor lese. Ich kannte ihn bisher noch nicht. Die ersten fünfzig Seiten fand ich recht interessant, doch dann geriet ich ins Stocken. Ich fand die nächsten fünfzig Seiten total langweilig, als der Protagonist und Icherzähler täglich bis Schulschluss vor der Schule seiner Tochter steht und auf sie wartet. Die Schule geht bis nachmittags um 16:30 Uhr. Damit will Pietro seiner Tochter etwas Gutes tun, die nämlich ihre Mutter an einer Hirnblutung verloren hat. Seinen Arbeitsplatz hat er also in seinem Auto vor der Schule verlagert. Das kommt mir ein wenig arg übetrieben vor ...
Dann hatte ich den Bogen wieder raus und befinde mich derzeit auf Seite 250. Aber ich glaube nicht, dass mich das Buch bis zum Ende fesseln wird. Pietro redet mir zu viel. Und es sind mir einfach viel zu viele hypnotische Gedanken ... Das Buch hätte man locker um einige Seiten kürzen können.

Mal schauen, wie es weitergehen wird ...

Donnerstag, 28. Mai 2015

Andreas Izquierdo / König von Albanien (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


So, das Buch "König von Albanien" habe ich nun durch. Ich war von dem Inhalt recht angetan. Ich hatte bisher noch gar nichts von einem Otto Witte gewusst, obwohl mir der Titel irgendwie  bekannt vorkam.
Ein kurzes Zitat aus Wikipedia möchte ich als Einstieg hier 
festhalten:

"Otto Witte
Schausteller Otto Witte war ein deutscher Jahrmarktskünstler und Hochstapler. Bereits im Alter von acht Jahren kam Otto Witte nach eigener Darstellung zu Schaustellern, lernte zaubern und wahrsagen und reiste mit dem Zirkus Althoff durch halb Europa."
Die ganze Story, die sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg zwischen der Türkei und den Balkanländern zutrug, kam mir so absurd vor, und trotzdem ist sie wahr, wie Hochstapler namens Witte und Hoffmann es schafften, Albanien für fünf Tage zu erobern, bevor der Schwindel aufgedeckt wurde. Durchschaut wurden sie von Frankreich, Italien und Österreich, die das ganze Spektakel für unglaubwürdig hielten und sie sich über Otto Witte in den Zeitungen heiter ausließen, während andere Länder dem falschen König nicht auf die Schliche kamen. Zwischen der Türkei- Konstantinopel, und den Balkanländern begann der Krieg 1912.
Ich habe so viele Zettel in meinem Buch, dass ich nun beschlossen habe, sie nicht zu bearbeiten. Das Lesen hat mir vollkommen ausgereicht.  Außerdem habe ich schon so viel mit anderen Leuten über dieses Buch gesprochen. Bin jetzt irgendwie gesättigt.


"Max Hoffmanns Bewunderung für Ottos verrückten Plan stieg ins Unermessliche. Das war die Krönung dessen, was je an grobem Unfug ersonnen und durchgeführt worden war: Das albanische Volk hatte einen Clown zu ihrem König gemacht und bemerkte es nicht einmal." (Zitat aus dem Buch)

Sogar Deutschland ist wahrscheinlich darauf reingefallen, denn Witte, nachdem er durch die Flucht wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist, bestand darauf, dass in seinem deutschen Pass ein Zusatz vermerkt wurde: "Otto Witte, Exkönig von Albanien". Wie er das geschafft hat, das weiß ich nicht, denn die Polizei, die Witte in Deutschland als auffällig aufgegriffen hatte, nahm ihm das Märchen nicht ab. Um sich rückzuversichern nahm sie Kontakt mit den albanischen Behörden auf, doch niemand will Otto Witte gekannt haben. Die Polizei sperrte ihn daraufhin in die psychiatrische Heilanstalt ein ... 

Otto Witte sah einem türkischen Prinzen namens Prinz Halim Eddine wie ein Zwilling ähnlich, nur die Augen waren verschieden, sodass er sich hat falsche Pässe ausstellen lassen, und mit dem Identitätsklau dieses Prinzen nach Albanien reiste. Kurze Zeit später ließ er den Namen des türkischen Prinzen auf Otto Witte umändern. Nichtsdestotrotz flog der Schwindel in der Türkei auf, denn jeder wusste dort, dass der Prinz Eddine niemals nach Albanien für politische Zwecke ausreisen würde ... Wittes Ziele waren nicht nur, Albanien einen König zu bescheren, nein, er wollte auch das Osmanische Reich damit retten …
Witte wurde immer wahnhafter, konnte Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden, so sehr hat er sich auf seinem Monarchen-Thron gesuhlt ... Hahahaha ... Ich lach mich so kaputt. Der Mann hatte mehr Glück als Verstand. Er war total unpolitisch und trotzdem wagte er diesen staatsmännischen Auftakt ...

Durchschaut wurde Witte zusätzlich von dem türkischen Prinzen und einem österreichischen Diplomaten Alfred Rappaport. Rappaport, der mit den Türken in Verbindung stand, witterte den Betrug ...

Wie kann es zu solch einem Irrtum kommen?

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

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Sonntag, 24. Mai 2015

Andreas Izquierdo / König von Albanien

Klappentext
Salzburg, März 1913. Der Schausteller, Rumtreiber und geniale Hochstapler Otto Witte wird in eine Irrenanstalt eingewiesen, weil er steif und fest behauptet, König von Albanien gewesen zu sein. Der junge Doktorand Alois Schilchegger ist von Otto Witte fasziniert, denn dieser Mann besitzt die grandiose Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Und eine davon ist, wie er König von Albanien wurde.Alles beginnt im Oktober 1912 in Konstantinopel. Das Osmanische Reich droht auseinanderzubrechen? Albanien nutzt die Gunst der Stunde, erklärt sich nach 400 Jahren Besatzung von den Osmanen unabhängig und sucht einen König, der dem kleinen Balkanstaat vorstehen soll. Otto und sein Kumpan, der Schwertschlucker Max Hoffmann, riskieren einen waghalsigen Coup: Albanien sucht einen König ? Albanien bekommt einen König! Nämlich Otto, der einem möglichen Kandidaten auf den Thron zum Verwechseln ähnlich sieht: Prinz Halim Eddine, Neffe des letzten Sultans. Das Unglaubliche passiert im Februar 1913: Zwei Telegramme künden des Prinzen Ankunft in Albanien an. Otto und Max treten ? mit Kostümen, die sie sich in Wien geliehen haben ? als Prinz und dessen Sekretär auf. Niemand stellt auch nur eine Frage. Fünf Tage geht es drunter und drüber in Albanien. Otto hält Paraden ab, wird proklamiert, lässt sich vom Volk bejubeln, gründet einen Harem und macht gegen Serbien und Montenegro mobil. Der Schwindel bleibt freilich nicht unbemerkt und fliegt am Ende auf. König Otto I. von Albanien sitzt in der Falle, umzingelt von Untertanen, die nur noch eines wollen: seinen Kopf.

Autorenporträt
Andreas Izquierdo, geboren 1968, zog nach dem Abitur zum Studium nach Köln und volontierte in einem Sportverlag. Er arbeitet als freier Schriftsteller und Drehbuchautor und ist Mitglied der Krimiautorenvereinigung Syndikat. Bei Rotbuch erschien sein preisgekrönter Roman »König von Albanien« (2007) und »Apocalypsia« (2010).
Das Buch ist wirklich super. Ein Abenteuerroman ... Habe 150 Seiten schon gelesen und freue mich auf mehr.


Samstag, 23. Mai 2015

Haruki Murakami / Schlaf (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch Schlaf ist ein recht dünnes Bändchen von gerade mal neunundsiebzig Seiten und davon gibt es noch jede Menge Illustrationen. Deshalb habe ich es schon längst durch. Bin nur noch nicht dazu gekommen, darüber zu schreiben.

Wer nicht allzu viel wissen möchte, der sollte diese Buchbesprechung einfach überspringen.

Ich habe einfach Lust, der Welt aus diesem Buch vorzulesen …

Zur Erinnerung gebe ich aber noch einmal den Klappentext rein: 
»Es ist der siebzehnte Tag ohne Schlaf.« So beginnt Haruki Murakamis Erzählung von einer Frau, die nachts kein Auge mehr zumacht. Aber es fühlt sich anders an als die quälende Schlaflosigkeit, die sie als Studentin erlebt hat: Jetzt ist sie auf zauberhafte Weise nicht mehr müde. »Ich kann einfach nicht schlafen. Noch nicht einmal ein Nickerchen.«Spätabends, wenn ihr Mann und ihr Sohn im Bett liegen, beginnt sie ein zweites Leben, und die Nächte sind bei Weitem aufregender als ihre gleichförmigen Tage – aber auch gefährlicher. Die Illustratorin Kat Menschik hat den Zauber von Murakamis Erzählung in traumgleiche Bilder gebracht. Auch deshalb ist dieser durchgehend in Duotone (Nachtblau/Silber) gedruckte Band ein guter Grund, nachts wach zu bleiben.
Im Klappentext steht eigentlich schon alles geschrieben und ich versuche, Dinge oder Erlebnisse aus der Geschichte aufzugreifen, die nicht im Klappentext stehen.

Mit dieser Form von Schlaflosigkeit erlebt die Protagonistin und Icherzählerin ein zweites bzw. ein erweitertes Leben.Während sie am Tage ihren Pflichten als Ehe- und Hausfrau und als Mutter nachgeht, strebt sie nachts, während die Welt schläft, einem anderen Leben nach, und zwar das Leben einer ambitionierten Leserin. Aber durch die Auseinandersetzung mit dieser außergewöhnlichen Form von Schlaflosigkeit, die man eher von Psychotikern und Schizophrenen als Schlafstörung kennt, lernt sie Positives abzugewinnen.
Ich habe keine Angst mehr davor, nicht schlafen zu können. Es gab nichts zu befürchten. Nach vorne denken! Ich erweitere mein Leben, dachte ich. Die Zeit zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr früh gehörte mir. Bis jetzt war ein Drittel des Tages vom Schlaf - oder der >>Therapie zur Abkühlung<< wie es hieß - beansprucht worden. Jetzt gehört diese Zeit mir. Niemand anderem, nur mir. Ich kann über diese Zeit so, wie ich will, verfügen. Niemand stört mich, niemand verlangt etwas von mir. Ja, ich habe mein Leben erweitert. Ich habe mein Leben um ein Drittel erweitert.
Diese Frau hat tatsächlich nicht mal Angst, krank zu werden. Denn überall hört man, dass Menschen, die wenig schlafen, ein kürzeres Leben haben und erkranken können.
Das ist biologisch anormal, mag man mir entgegenhalten. Mag sein. Und vielleicht werde ich später diese Schuld, die ich mit der Fortsetzung dieser Anomalie anhäufe, begleichen müssen. Vielleicht wird das Leben diesen erweiterten Teil - den ich mir jetzt im Voraus nehme - später zurückfordern. (…) Aber ehrlich gesagt ist mir das schon egal. Auch wenn ich nach irgendeiner Rechnung früher sterben müsste, ist mir das vollkommen gleich. Sollen Hypothesen doch ihren Lauf nehmen. Ich jedenfalls erweitere jetzt mein Leben. Und das ist großartig. Darin besteht das wirkliche Gefühl. Ich spüre real, dass ich lebe. Ich werde nicht mehr von Alltagspflichten aufgezehrt. Oder zumindest existiert hier ein Teil von mir, der nicht aufgezehrt wird. Genau das verschafft mir dieses sinnliche Gefühl, zu lieben. Ein Leben ohne dieses sinnliche Gefühl mag ewig dauern, doch es ist ohne Bedeutung. Und das weiß ich jetzt.
Es ist viel Zeit vergangen, seit diese Frau das letzte Mal ein Buch gelesen hat. Durch ihre Schlaflosigkeit findet sie nun wieder einen Bezug zu ihren Büchern. Sie liest mit vollem Genuss:
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mein Mann eingeschlafen war, setzte ich mich im Wohnzimmer aufs Sofa, trank einen Cognac und öffnete mein Buch. In der ersten Woche las ich >>Anna Karenina><< dreimal. Mit jedem Lesen machte ich neue Entdeckungen. Dieser ungeheuer lange Roman war voller Enthüllungen und Rätsel. Wie in einer kunstvollen Schachtel enthielt seine Welt kleinere Welten, und diese kleineren Welten enthielten wiederum noch kleinere Welten. Und diese Welten bildeten zusammen ein Universum, und dieses Universum lag da und wartete darauf, vom Leser entdeckt zu werden. Mein früheres Ich hatte nur ein klitzekleines Bruchstück davon zu erfassen vermocht, mein jetziges Ich aber durchschaut und verstand es. Ich verstand genau, was der Schriftsteller Tolstoi sagen wollte, was er dem Leser zu verstehen geben wollte, wie seine Botschaft sich organisch als Roman kristallisiert hatte und was in diesem Roman am Schluss den Schriftsteller selbst übertroffen hatte. Ich konnte alles genau durchschauen.
Aus ihr wurde eine richtige Leseratte. Sie hatte auch guten Grund dazu, denn sie besaß eine Bibliothek, die mit zahlreichen guten Autoren der Weltliteratur ausgestattet war, und sie nun durch ihre Schlaflosigkeit die Bücher nun endlich auch genießen konnte. 
Wie sehr ich mich auch konzentrierte, ich wurde nicht müde. Nachdem ich >>Anna Karenina<< so oft ich konnte, gelesen hatte, nahm ich mir Dostojewski vor. Ich konnte so viele Bücher lesen, wie ich wollte, mich noch so sehr konzentrieren, ich wurde nicht müde.
Ich hatte den Eindruck, dass das Lesen wie ein Aufputschmittel wirkte, das auch ich in abgeschwächter Form kenne.
Schließlich ging der Cognac zu Ende. Ich habe fast die ganze Flasche getrunken. Ich ging ins Kaufhaus und kaufte eine neue Flasche (…). Bei der Gelegenheit kaufte ich auch gleich eine Flasche Rotwein. Dazu ein paar edle Kristalle Cognacgläser. Und Schokoladenkekse.Manchmal wurde ich beim Lesen ganz aufgeregt. Dann legte ich das Buch beiseite und bewegte mich ein bisschen. Ich machte Gelenkigkeitsübungen oder lief einfach ein bisschen im Zimmer rum. Wenn ich Lust hatte, machte ich eine nächtliche Spazierfahrt. Ich zog mir etwas anderes an, holte den City aus der Garage und fuhr ohne bestimmtes Ziel in der Gegend herum. Manchmal fuhr ich auch zu einem der Kettenrestaurants, die die ganze Nacht über geöffnet hatten, und trank einen Kaffee, doch da ich es als anstrengend empfand, anderen Leuten zu begegnen, blieb ich meist die ganze Zeit im Auto.
Das Familienleben dieser Frau läuft eigentlich recht harmonisch ab. Es fließt in festen Bahnen. Und doch hatte ich irgendwie das Gefühl, dass der Roman von Tolstoi etwas in dieser Frau bewirkt hatte, was mit ihrer eigenen Ehe zu tun hat. Nicht, dass sie fremd gegangen ist, nein, aber sie sah nun ihre Ehe ein wenig kritischer als sonst. Da ich aber nicht zu viel verraten möchte, halte ich mich hier lieber bedeckt.

Und was auf diese Frau noch alles zukommen wird, darüber schreibt der Klappentext nicht, und ich ebenso wenig. Damit möchte ich sagen, dass es noch genug zu entdecken gibt.
Als große Bibliomanin ist es mir wichtig, diese Bücherszenen aufzuschreiben.

Der Schluss ist spannend, nicht wirklich voraussehend, aber er ist ein typischer Murakami-Schluss.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

Gelesene Bücher 2015: 27
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Mittwoch, 20. Mai 2015

Haruki Murakami / Schlaf


Klappentext
»Es ist der siebzehnte Tag ohne Schlaf.« So beginnt Haruki Murakamis Erzählung von einer Frau, die nachts kein Auge mehr zumacht. Aber es fühlt sich anders an als die quälende Schlaflosigkeit, die sie als Studentin erlebt hat: Jetzt ist sie auf zauberhafte Weise nicht mehr müde. »Ich kann einfach nicht schlafen. Noch nicht einmal ein Nickerchen.«Spätabends, wenn ihr Mann und ihr Sohn im Bett liegen, beginnt sie ein zweites Leben, und die Nächte sind bei Weitem aufregender als ihre gleichförmigen Tage – aber auch gefährlicher.Die Illustratorin Kat Menschik hat den Zauber von Murakamis Erzählung in traumgleiche Bilder gebracht. Auch deshalb ist dieser durchgehend in Duotone (Nachtblau/Silber) gedruckte Band ein guter Grund, nachts wach zu bleiben.


Autorenporträt
Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto, Japan geboren und wuchs in Kobe auf. Nach abgeschlossenem Studium verließ er 1975 die Waseda-Universität in Tokio, wo er anschließend sieben Jahre lang Eigentümer einer kleinen Jazz-Bar war.Sein erster Roman, „Wenn der Wind singt“ (1979), brachte ihm den Gunzou-Förderpreis ein. Zusammen mit „Pinball, 1973“ (1980, beide erschienen nur in Japan) und „Wilde Schafsjagd“ (1982, dt. 1991), für den er mit dem Norma-Förderpreis ausgezeichnet wurde, bildet dieser Roman die sogenannte „Trilogie der Ratte“.Zu Murakamis weiteren Veröffentlichungen zählen „Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt“ (1984, dt. 1995), „Naokos Lächeln“ (1987, dt. 2001), „Tanz mit dem Schafsmann“ (1988, dt. 2002), „Gefährliche Geliebte“ (1992, dt. 2000), „Der Elefant verschwindet“ (1993, dt. 1995) und „Wie ich eines Tages im April das 100%ige Mädchen sah“ (dt. 1996).Von 1991 an lebten Murakami und seine Ehefrau vier Jahre lang in den USA, wo er in Princeton lehrte und den Roman „Mister Aufziehvogel“ verfasste (1994–95, dt. 1998), für den er den Yomiuri-Literaturpreis erhielt. Nach dem Erdbeben von Hanshin und dem Gas-Attentat auf die Tokioter U-Bahn von 1995 kehrte Murakami nach Japan zurück, wo er zunächst Opfer des Attentats und schließlich auch Mitglieder der Aum-Shinrikyo-Sekte interviewte. Die Interviews erschienen in Japan in zwei Bänden; der zweite, „The Place that was promised“ (1998), wurde mit dem Preis der Kuwabara Takeo-Akademie ausgezeichnet. Eine Auswahl aus beiden Büchern wurde 2002 als deutschsprachige Ausgabe unter dem Titel „Untergrundkrieg“ veröffentlicht. Von Haruki Murakami erschienen seitdem „Sputnik Sweetheart“ (1999, dt. 2002), „Nach dem Beben“ (1997, dt. 2003), „Kafka am Strand“ (2002, dt. 2004), die Kurzgeschichtensammlung „Blinde Weide, schlafende Frau“ (dt. 2006), der Roman „Afterdark“ (dt. 2005) und das Sachbuch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede" (dt. 2007), die „1Q84“-Trilogie (2010–2011), die von Kat Menschik illustrierten Erzählungen „Schlaf“, „Die Bäckereiüberfälle“ und „Die unheimliche Bibliothek“ (2009–2013) sowie die Neuübersetzung von Murakamis Durchbruchsroman „Gefährliche Geliebte“ unter dem neuen Titel „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ (2013). Zuletzt erschienen der Roman „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ (2014), der die „Spiegel“-Bestsellerliste anführte, und die Erzählungen „Von Männern, die keine Frauen haben“ (2014). Da Haruki Murakami nach langem Zögern seine Einwilligung gab, werden im Jahr 2015 endlich auch die beiden ersten Romane in deutscher Übersetzung veröffentlicht, die in einem Band vorliegen („Wenn der Wind singt/Pinball 1973“).Zu den Preisen, die Murakami in jüngerer Zeit erhielt, gehören der Frank O’Connor Internationale Kurzgeschichtenpreis (Irland, 2006), der Franz-Kafka-Preis (Tschechien, 2006), der Asahi-Preis (Japan, 2006), der Jerusalem-Preis (2009) und der „Welt“-Literaturpreis (2014). Zudem hat Murakami Werke diverser amerikanischer Autoren ins Japanische übertragen, darunter Bücher von F. Scott Fitzgerald, Raymond Carver, John Irving und Raymond Chandler. Seine eigenen Werke wurden bislang in mehr als vierzig Sprachen übersetzt.

Gelesen habe ich von Murakami:
1) Die unheimliche Bibliothek                                            
2 ) IQ84 BD 1                                                                      
3)  IQ84 BD 2                                                                    
4)  IQ84  BD 3
5)  Kafka am Strand
6)  Südlich der Grenze, westlich der Sonne
Gefallen haben mir hauptsächlich die Nr.1-5. Bilder, die man so schnell nicht vergisst.
Weitere Bücher von dem Autor werde ich mir noch nach und nach anschaffen. Wenn man alle Murakami-Bücher lesen möchte, dann hat man damit eine Lebensaufgabe gewählt. Und der Autor ist noch relativ jung. Er wird sicher noch viele Bücher schreiben.



Dienstag, 19. Mai 2015

Mark Twain / Reise durch Deutschland


Wie Mark Twain die Deutschen sieht
Aus: Reise durch Deutschland
Wie sind wir Amerikaner nur auf die Idee gekommen, die Deutschen seien ein stures, phlegmatisches Volk? Tatsächlich sind sie weit davon entfernt. Sie sind warmherzig, gefühlvoll, impulsiv, begeisterungsfähig, beim zartesten Anstoß kommen ihnen die Tränen, und es ist nicht schwer, sie zum Lachen zu bringen. Es sind wirklich Kinder des Impulses. Im Vergleich zu den Deutschen sind wir kühl und verschlossen. Sie dagegen umarmen und küssen sich, weinen und jubeln und tanzen und singen; und wo wir einen liebenden, kosenden Ausdruck anwenden, verströmen sie gleich zwanzig. Ihre Sprache ist voller zärtlicher Diminutive; nichts von dem, was sie lieben, entgeht der Anwendung einer kosenden Verkleinerungsform - weder das Haus noch der Hund, noch das Pferd, noch die Großmutter, noch irgendein anderes Geschöpf, ob beseelt oder unbeseelt.


Wie Mark Twain die Italiener sieht
Aus: Reise durch Deutschland 
Zwei oder drei Meilen unterhalb der brillanten Ruine am rechten Ufer kamen wir an einem stattlichen Komplex burgähnlicher Gebäude vorbei, die vom Gipfel eines hohen Berges aus das Wasser überschauten. (…) Entlang dieser ganzen Strecke war eine Menge italienischer Arbeiter gerade dabei, die Vorderfronten der Berge wegzusprengen, um für die neue Eisenbahn Platz zu schaffen. Sie befanden sich fünfzig oder hundert Fuß über dem Fluss. Als wir um eine scharfe Ecke bogen, machten sie uns plötzlich Zeichen mit der Hand und riefen warnend, dass wir uns vor den Explosionen vorsehen sollten. (…) Die letzte Explosion war besonders heftig, und nachdem der kleinere Schutt damit fertig war, um uns herum niederzuprasseln, und wir uns gerade ob unserer Errettung die Hände schütteln wollten, kam ein verspäteter größerer Stein mitten in unserer kleinen Gruppe von Fußgängern herunter und demolierte einen Schirm. Er richtete weiter keinen Schaden an, aber trotzdem gingen wir ins Wasser.Anscheinend wird die schwere Arbeit in den Steinbrüchen und an den neuen Eisenbahnstrecken hauptsächlich von Italienern geleistet. Das war eine Entdeckung. In unserem Land hegen wir die Vorstellung, dass die Italiener überhaupt niemals schwere Arbeit verrichteten, sondern sich auf leichtere Künste beschränken wie Leierkasten drehen, Operngesang und Mord. Wir haben schwer geirrt, das steht fest.
Ich möchte mit diesen beiden Zitaten gerne zum Nachdenken anregen ...


Montag, 18. Mai 2015

David Safier / Jesus liebt mich (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nach 220 Seiten im Miniformat musste ich schließlich kapitulieren und das Buch abbrechen.
Dass der Autor alle Südländer von Natur aus als dunkelhäutig beschreibt, davon möchte ich mal absehen. Ich kann nicht von einem Schriftsteller ein differenziertes Menschen- und Weltbild erwarten, der solche oberflächlichen Bücher schreibt mit solchen platten Attitüden.

Die Geschichte ist aus meiner Sicht nichtssagend und fahl dahergeschrieben.

Die Protagonisten sind nach meinem Empfinden reihum unreife Wesen. Und dieser Jesus? Mir kommt es so vor, als würde sich der Autor über ihn einfach nur lustig machen, den ganzen christlichen Glauben ins Lächerliche ziehen. Naiv? Jesus, der im neuen Zeitalter lebt, kennt nicht mal Dessous und Tanger … Marie, die mit Mitte dreißig die Freundin seines geschiedenen Vaters nicht akzeptieren kann, agiert wie eine fünfzehnjährige Pubertierende. Und auch sie wirkt recht kindlich-naiv in der Betrachtung ihres christlichen Glaubens. Das waren nur ein paar wenige Beispiele zum Auftreten einzelner Figuren. Im Buch steckt noch mehr. Und das alles soll lustig sein? Safiers Art von Humor spricht meinen Humor partout nicht an, denn sein Humor wirkt eher gekünstelt und manchem Leser wie mich regelrecht aufgezwungen.

Das Buch erhält von mir einen von zehn Punkten.

Safier kommt mir nicht mehr in meine Tasche, das steht fest.

Ich ziehe mir jetzt als Ersatz lieber einen Murakami aus meinem Regal heraus, es dürstet mich regelrecht danach. 
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Ein guter Roman verrät uns die Wahrheit über den Romanhelden. Ein schlechter Roman erzählt uns die Wahrheit über den Romanautor.
(Gilbert Keith Chesterton)

Gelesene Bücher 2015: 24
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Sara Gruen / Wasser für die Elefanten (2)

Zweite von zwei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

In meiner zweiten Buchbesprechung bearbeite ich die Zitate dieses Buches. Hier geht es allerdings hauptsächlich um den betagten Jacob Jankowski, möchte aber nicht versäumen zu erwähnen, dass das Buch neben der rauen Männerwelt auch eine interessante Lovestory bereithält, auf die ich aber nur peripher  eingehen werde, um anderen LeserInnen nicht zu viel   vorwegzunehmen.

Zuerst gebe ich zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
Amerika zur Zeit der Wirtschaftskrise. Der junge Tierarzt Jacob Jankowski kann von Glück reden, als ihm ein Job beim Zirkus angeboten wird. Auch wenn es ein sehr bescheidener Zirkus ist: Nicht einmal einen Elefanten gibt es. Dafür aber eine wunderschöne Kunstreiterin. Doch Marlena ist verheiratet mit dem wahnsinnigen Dompteur. Irgendwann findet sich schließlich eine, wenn auch sehr eigensinnige Elefantendame. Keiner kann mit Rosie umgehen – bis Jacob ihr Geheimnis enthüllt. Und als sich gerade alles zum Guten zu wenden scheint, nimmt eine Tragödie ihren Lauf. 
Ich finde das Buch sehr schön aufgebaut, indem man es perspektivisch mit dem jungen und mit dem alten Jacob zu tun bekommt. Beide Welten fand ich sehr interessant.

Der mittlerweile 93-jährige Jacob Jankowski lebt völlig vereinsamt in einem Seniorenheim und denkt viel über seine jungen Jahre nach. Er studierte damals Veterinärmedizin, als seine Eltern kurz vor seinem Abschluss tödlich verunglückten. Jacob verlor dadurch auch Heim und Haus, da die Eltern durch die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre hoch verschuldet waren, weshalb sein Erbe an den Staat abgetreten wurde. Jacob verkraftet diese Verluste nicht und verweigert an der Universität seine Abschlussprüfung und  schließt sich einem Zirkus an, der einen Tierarzt auch ohne Examen jeder Zeit gebrauchen konnte.

Trotz seines betagten Alters ist Jacob geistig recht fit, körperlich allerdings ein wenig schwach und ist auf Gehhilfen angewiesen. Folgende Gedanken zu seinem Alter möchte ich gerne festhalten, weil sie so schön sind: 
Das Alter ist ein grausamer Dieb. Gerade wenn man das Leben halbwegs begreift, holt es einen von den Beinen und beugt einem den Rücken. Er bringt Schmerz und Verwirrtheit mit sich und lässt im Körper der eigenen Frau klammheimlich Krebs wuchern.
Als seine Frau Marlena, die er im Zirkus als beliebte Kunstreiterin kennengelernt hatte, und die er bis zu ihrem Tod abgöttisch geliebt hat, gestorben ist, ist Jacob mit seinem Leben nicht mehr klargekommen und so wurde er zum eigenen Schutz von seinen Kindern ins Seniorenheim eingewiesen.

Das Bild, das Alter mit einem Dieb zu vergleichen, finde ich wunderschön.
Die Behandlung der alten Leute im Heim scheint recht fragwürdig zu sein. Die Bewohner werden wie Kinder behandelt, man bricht ihnen den eigenen Willen, um sie gegen Unfälle zu schützen. Die banalsten und subtilsten Geschehen im Alltag eines Seniorenheims, wie zum Beispiel das Zimmer am Morgen hell oder dunkel zu lassen, können zwischen einer Altenpflegerin und dem Bewohner nervenaufreibend sein. Das hat mich selbst auch schon recht kribbelig gestimmt. Jacob ist über die Behandlung des Heims richtig entsetzt:
Zu den größten Demütigungen des Alters gehört es, dass andere einem unbedingt bei Dingen wie dem Baden oder den Gang auf die Toilette helfen wollen.Eigentlich kann ich beides alleine, aber sie haben solche Angst, ich könnte fallen und mir wieder die Hüfte brechen, dass ich ein Kindermädchen bekomme, ob ich will oder nicht. Ich bestehe grundsätzlich darauf, allein auf die Toilette zu gehen, und trotzdem ist immer jemand dabei, nur für den Fall, und aus irgendeinem Grund ist es immer eine Frau. Ich sage ihr dann, sie soll sich umdrehen, während ich meine Hose herunterlasse und mich setze, und dann schicke ich sie hinaus, bis ich fertig bin. Das Baden ist noch peinlicher, weil ich mich von einer Schwester bis aufs Adamskostüm ausziehen muss. Die Pflegerin Rosemarie hilft mir in die Duschkabine. >>So, dann halten Sie sich einfach an dem Griff dort fest …<<
>>Ich weiß, ich weiß. Ich habe schon mal geduscht<<.
Diese gut gemeinten Behandlungsmethoden können recht aufreibend sein, sogar als entwürdigend habe ich sie empfunden. Unprofessionell, wenn das Heimpersonal wütend und beleidigt sich von dem Bewohner abwendet, wenn dieser sich deren Anforderungen zu widersetzen versucht.

In seinem Zimmer wird Jacob wieder herausgefordert, sein Grundbedürfnis, über sich selbst entscheiden zu wollen, verteidigen zu müssen:
Ich mag mich irren, aber ist dies hier nicht mein Zimmer? Vielleicht möchte ich die Jalousie erst gar nicht offen haben. Ich kann Ihnen sagen, ich bin es gründlich leid, dass jeder meint, er wüsste besser, was ich will, als sich selbst.
Auch von seiner Familie fühlt Jacob sich missverstanden. Fünf Kinder hat er und jede Menge Enkelkinder und doch hat kaum einer Zeit für ihn. Sie behandeln ihn, als wäre Altsein eine böse und ansteckende Krankheit. Auch sie versuchen, ihn zu schonen. Jacob fühlt sich der Familie gegenüber nicht mehr zugehörig:
Ich fühle mich von dem Leben meiner Kinder und Kindeskinder ausgeschlossen. Es geht viel vor sich, aber darüber sprechen sie in meiner Gegenwart nicht, weil sie mich nicht aufregen wollen. Von einigen habe ich Wind bekommen, aber sobald ich nachfrage, machen sie dicht. Wir dürfen Opa nicht aufregen, nicht wahr?Warum? Das würde ich gerne wissen. Diese merkwürdige Praxis, jemanden zu seinem Schutz auszuschließen, finde ich schrecklich, denn sie drängt mich vollkommen aus dem Spiel. Wenn ich nicht weiß, was in ihrem Leben los ist, wie soll ich mich dann am Gespräch beteiligen? 
Kaum jemand aus der Familie interessiert sich für sein Leben. Wenige wissen, dass man auch im Alter ein denkendes und ein empfindendes Geschöpf bleibt. Schließlich altern im Gegensatz zum Körper Gedanken und Gefühle nicht. Jacob gibt sich trotzdem Mühe, das Verhalten seiner Familie zu verstehen.
Mit meinen Binsenweisheiten kann ich meine Familie nicht lange fesseln, das kann ich ihnen kaum übel nehmen. Meine wahren Geschichten sind alle angestaubt. Was bringt es schon, wenn ich aus erster Hand von der spanischen Grippe erzählen kann, vom Aufkommen des Automobils, Weltkriegen, kalten Kriegen, Guerillakriegen und dem Sputnik - das ist alles längst Geschichte. Was habe ich sonst schon zu bieten? Ich erlebe ja nichts mehr. So ist es, wenn man alt wird, und ich glaube, da genau liegt der Hund begraben. Ich bin nicht bereit, alt zu sein.
Nun ja, man lässt ihn ja auch nicht am Leben teilhaben ...
Jacob möchte unbedingt den Zirkus besuchen, der, nicht weit vom Seniorenheim, aufgebaut ist. Dadurch, dass er viele Jahre seines Lebens beruflich im Zirkus beschäftigt war, fühlt er sich nach wie vor von dem Zirkus angezogen. Er ist mit seinem Sohn verabredet, der ihn für diesen Ausflug begleiten sollte, und der selbst die ersten sieben Jahre seines Lebens im Zirkus zugebracht hatte. Der Sohn vergisst die Verabredung, ausgerechnet diese, die Jacob so wichtig ist. Er ist mehr als enttäuscht ...
So, hier mache ich nun Schluss, damit ich nicht zu viel verrate. Ich kann nur sagen, der Schluss ist vielversprechend und nicht vorhersehbar.

Ich habe in meiner ersten Buchbesprechung viel über die grausame Behandlung der Zirkustiere geschrieben. Ich spare mir die Zitate dazu, weil sie mir zu heftig waren. Ich habe Herzblut empfunden.
Habe aber auch geschrieben, dass die Autorin Sara Gruen nicht nur ein Herz für Tiere hat, sondern auch für Menschen. Das spürt man in jeder von ihr geschriebenen Zeile. Auch die Behandlung der alten Menschen im Seniorenheim hat sie recht authentisch wiedergegeben.

Ebenso die Ganoven, Erpresser und die Mörder von Zirkusmitarbeitern, die nachts Menschen aus dem fahrenden Zug geworfen haben, weil sie finanziell für den Zirkus nicht mehr tragbar waren. Weil sie zu alt, zu krank oder unfähig waren. Wie schon gesagt, am Ende rächt sich alles.

Die Liebesbeziehung zwischen Jacob und der verheirateten, tierliebenden Marlena, die anfänglich keine Liebesbeziehung werden durfte, weil sie mit dem brutalen Dompteur namens August verheiratet war, ist recht spannend zu lesen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Mausklick zur ersten Buchbesprechung
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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

Gelesene Bücher 2015: 23
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Sonntag, 17. Mai 2015

David Safier / Jesus liebt mich

Klappentext
Marie hat das Talent, sich ständig in die falschen Männer zu verlieben. Kurz nachdem ihre Hochzeit geplatzt ist, lernt sie einen Zimmermann kennen. Und der ist so ganz anders als alle Männer zuvor: einfühlsam, selbstlos, aufmerksam. Dummerweise erklärt er beim ersten Rendezvous, er sei Jesus. Zunächst denkt Marie, dieser Zimmermann habe nicht alle Zähne an der Laubsäge. Doch bald dämmert ihr: Joshua ist wirklich der Messias. Hat Marie sich diesmal in den falschesten aller Männer verliebt?


Autorenporträt
David Safier, 1966 geboren, hat folgende Bücher geschrieben: "Mieses Karma", "Jesus liebt mich", "Plötzlich Shakespeare", "Happy Family", "Muh" und "28 Tage lang". Sie erreichten Millionenauflagen. Auch im Ausland sind seine Bücher Bestseller. Als Drehbuchautor wurde David Safier für seine TV-Serie "Berlin, Berlin" mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy (dem amerikanischen Fernseh-Oscar) ausgezeichnet. David Safier lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.
Das ist das dritte Buch, das ich von dem Autor lese.

 Obwohl mir David Safier nicht sonderlich zusagt. Reine Unterhaltungsliteratur, die ich gewählt habe, um mich ein wenig von den harten Themen zu erholen. Merke aber doch, dass Unterhaltungsliteratur auf ihre Weise auch anstrengend sein kann. Die Oberflächlichkeit und die klischeehaften Bilder zu betimmten Menschengruppen nerven mich. Ich weiß schon jetzt, nachdem ich die ersten hundert schon Seiten gelesen habe, dass das Buch von mir am Schluss nicht mehr als fünf Punkte erhalten wird. Der Autor ist mir nicht unbekannt, weshalb ich seinen Schreibstil recht schnell einzuschätzen weiß. Nun steht für mich fest; von diesem Autor werde ich mir keine Bücher mehr anschaffen. Hoffe hier noch durchzuhalten, ohne die Lektüre abbrechen zu müssen.

Es gibt Unterhaltungsliteratur mit Niveau. Und die muss ich wohl erst noch suchen ...









Samstag, 16. Mai 2015

Sara Gruen / Wasser für die Elefanten (1)

Eine von zwei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich heute Morgen noch vor dem Frühstück beenden können. Es hat mir sehr, sehr gut gefallen.

Dem Anhang konnte entnommen werden, dass die Autorin über ihren Stoff sehr gut recherchiert hat. Jede Menge (Fach) -Bücher über das Zirkusleben hat sie gelesen und so hat sie ihre Leseerfahrung in ihr Buch mit einfließen lassen. Einiges an konkreten Ereignissen hat sie mit in ihrem Roman übernommen, wie z. B. die Szene eines Dompteurs, der einen Elefanten mit einer brennenden Zigarette gefüttert hat. Demnach ist nicht alles reine Fiktion. Aber hier in diesem Buch rächt sich alles. Hier gibt es so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit. Von der ersten bis zur letzten Seite hat mich die Autorin mit ihrem Buch gefangen gehalten.

Wer wissen möchte, was sich hinter den Kulissen eines Zirkus' verbirgt, die oder der sollte dieses Buch lesen. Eines steht fest; ich war noch nie in einem Zirkus und werde für den Rest meines Lebens auch kein Zirkus besuchen wollen. Schon als Kind konnte ich mich nicht für den Zirkus begeistern und bin froh darüber, den ganzen Schwindel nicht mit meinem Eintrittsgeld unterstützt zu haben. Hauptsächlich wegen der grausamen Behandlung der Tiere, aber nicht nur ... Bis dato wusste ich nicht, was ein Elefantenhaken ist. Nun weiß ich es und gebe zwei Bilder aus Wikipedia hier mit rein:

 Jaipur 1870

verschiedene Ankus


Die Elefanten wurden nicht nur mit den Elefantenhaken dressiert, nein, auch Elektroschocks wurden eingesetzt, um die Tiere auf schnellstmöglichem Weg gefügig zu machen. Diese Theorie deckt sich mit dem Inhalt dieses Buches. Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und habe einige Artikel zu der Elefantendressur zu lesen bekommen:


Die Dressur von Wildtieren 
Glauben Sie nicht an das Märchen von der sanften Dressur. In Wirklichkeit geht es hart zu hinter den Kulissen eines Zirkuszeltes. Immer wieder gelingt es, Aufnahmen von den üblichen, von Gewalt geprägten Trainingsmethoden zu machen. Wildtiere lassen sich nicht ohne Zwang und Gewalt dressieren. Sie tun es, weil ihr Wille im Vorfeld bereits mittels Gewalt gebrochen wurde und weil sie permanent befürchten müssen, bestraft zu werden. Die ständigen Begleiter von Wildtiertrainern im Zirkus sind nicht etwa Rucksäcke voller Belohnungshappen, sondern Geräte, um den Tieren Schmerzen zuzufügen. Tagtäglich wird die Rangordnung neu definiert und hierbei kommen zum Einsatz: der Elefantenhaken mit seiner metallenen Spitze (damit wird den Tieren in ihre empfindliche Haut gestochen, um ihnen Schmerzen zuzufügen), Peitschen, Knüppel oder Elektroschocker. http://www.peta.de/wildtierdressur.

Bitte schaut euch auf der Peta-Seite auch das Video an.

 Ganz besonders hat mir gefallen, dass die Autorin ein so großes Herz für Tiere zu haben scheint, nein, nicht nur für Tiere, auch für Menschen und sie mit Hilfe ihrer Sensibilität die Nöte für die Tiere und den Menschen hat aufgreifen und in ihr Buch verarbeiten können.

Die Verfilmung dazu habe ich nicht gesehen. Möchte ich auch nicht sehen. Das Buch war schon heftig genug. Merkwürdig, dass Steven King das Buch als ein Riesenspaß deklariert hat.
Als Geschichte ist dieses farbenprächtige und rasant erzählte Schicksal eines zur der Depressionszeit nicht zu schlagen. Helden, Schurken, Romantik, wilde Tiere! Ein Riesenspaß von der ersten Seite an.( Steven King im Klappentext)
Unter Spaß verstehe ich etwas ganz anderes.
Trotzdem bin ich froh, das Buch gelesen zu haben, auch wenn es mich sehr traurig gestimmt hat. Aber das ist Realität und von dem Wegschauen wird keine Welt besser.

 Dieses Buch wurde von einem mir unbekannten deutschen Verlag erst abgelehnt, bis Rowohlt durch den Film darauf aufmerksam wurde und dieses auch auf den eutschen Büchermarkt veröffentlichte. Finde ich total interessant zu wissen, wie es ein Buch in die Welt hinaus geschafft hat. In Amerika war die Autorin schon längst bekannt.

Wasser für die Elefanten ist das dritte Buch, das Sara Gruen geschrieben hat.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Mausklick zur zweiten Buchbesprechung

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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

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Dienstag, 12. Mai 2015

Francine Prose / Lügen auf Albanisch (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich seit Samstagmittag durch und es hat mir recht gut gefallen, obwohl mich ein paar wenige Punkte nicht überzeugt haben. Komme später darauf zu sprechen. Habe ein paar Zettelchen im Buch kleben, die ich nun bearbeiten werde.

Manche Begrifflichkeiten waren nicht korrekt, wie z. B. die Legasthenie, die im Buch als eine typisch amerikanische psychische Labilität beschrieben wird. Wahrscheinlich hat die Autorin das ADHS gemeint und mit der Legasthenie verwechselt. Es ist tatsächlich so, dass in Amerika viele amerikanische Kinder diese ADHS-Diagnose erhalten, die einen kritisch stimmen …

Auch sind einige Schreibfehler enthalten.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein: 
Die junge Albanerin Lula – schlagfertig, trinkfest und nie um eine gute Lügengeschichte verlegen – lebt als Kindermädchen bei Mister Stanley, der an der Wall Street arbeitet, und dessen halbwüchsigem Sohn Zeke, nachdem Mister Stanleys Frau die Familie Hals über Kopf verlassen hat. Unterstützt von einem hoffnungslos idealistischen Einwanderungsanwalt, bemüht sich Lula um die begehrte Greencard. Die Tage im trübsinnigen New Jersey verstreichen mehr oder weniger ereignislos, bis Lulas Landsmann Alvo vor der Tür steht und mit einer riskanten Bitte aufwartet … 
Die Szenen mit dem Landsmann Alvo und seiner Crew hat mich nicht wirklich überzeugt. Kam mir ein wenig naiv vor. Urplötzlich stehen diese vor Lulas Haustür und bekennen sich als ihre großen Brüder, eher symbolisch als genetisch gemeint. Mir kamen sie recht mafiosi- oder terroristisch vor, weshalb mir der Schluss ein wenig unpassend erschien. Doch mehr möchte ich dazu nicht verraten. Wahrscheinlich war sich die Autorin noch nicht schlüssig, welche Rolle sie ihnen geben sollte …

Das Lügen auf Albanisch wird schon auf den ersten Seiten deutlich, was konkret damit gemeint ist:
Früher, bei Lula zu Hause, wo das Lügen jahrzehntelang eine massenhaft verbreitete Lebensweise gewesen war, wo man zustimmte, dass Tag Nacht war, wenn man glaubte, dadurch seine Kinder retten zu können, hatte sie nie gelogen, fast nie. Sie hatte so gut wie nie gelogen, bis sie ihr Touristenvisum für die USA beantragte. Doch seit sie hier war, schien sie mit dem Lügen gar nicht mehr aufhören zu können. 
Hier prallen zwei Kulturen aufeinander. Lula, aus dem kommunistischen Albanien, und Amerika, das angebliche Land der Freiheit.

Doch der Preis ist hoch, wenn Lula gezwungen wird, ihre Identität als Albanerin zu verleugnen. Immerhin hat sie es zu einem Arbeitsvisum geschafft. Doch tagtäglich ist sie erneut dem Anpassungsdruck ausgesetzt …
… Auch wenn Lulas Einwandererstatus einstweilen gesichert war, hatte sie das Gefühl, ihre Zukunft hänge von dem Lügennetz ab, das sie bei ihrer ersten Begegnung mit Mister Stanley zu knüpfen begonnen hatte. Schuld war Mister Stanley, weil er ihr eine Frage gestellt hatte, die er selbst hätte beantworten können, obwohl sie wusste, dass jeder zukünftige Arbeitgeber sie das auch fragen würde. 
Lula ist allein und vermisst ihre Verwandten in Albanien. Amerika, das Land der Freiheit, zeigt sich nicht gerade von der tolerantesten Seite, hat Probleme, Menschen mit einer anderen ethnischen Prägung zu akzeptieren und halten Lula manchmal für ein wenig naiv.
Lula ist allerdings alles andere als naiv und das wissen Mister Stanley und ihr Anwalt Don Settebello, die ihr helfen, in Amerika Fuß zu fassen und juristisch ein dauerhaftes Bleiberecht zu erwirken. Doch wenn sie hin und wieder mal etwas Albanisches von sich gibt, wird sie von Mister Stanley und von Mister Settebello zurechtgewiesen, denn dies könnte ihren Aufenthaltsstatus gefährden. Dass ein Mensch alles zurücklassen muss, nicht nur Heim, Familie und materielle Güter, und nicht nur das Seelische, um woanders bessere Lebensverhältnisse vorzufinden, wird nur wenigen Amerikanern bewusst:
Wie sehr sie ihre Mutter und ihren Vater vermisste, und ganz besonders ihre Großmutter! Sie würde sie nie wieder sehen. Hier gab es niemanden, der diese Geschichte kannte, der Lula oder ihre Oma kannte. Lula weinte um ihre Oma, ihre Eltern und ihre Kindheit, um ihre Heimat, alles verloren, um den Kommunismus, ab mit Schaden, um die Gesetzlosigkeit, die Krawalle, die Gewalttätigkeit, die nie endenden Probleme. Denn ihr einst wunderschönes Heimatland befand sich jetzt in den Händen von Giftmüllabladern und Frauenhändlern und Geldwäschern. Sie weinte darum, ihr Land zu vermissen, es nicht zu vermissen, nichts zu haben, das sie vermissen konnte. Sie weinte über die Einsamkeit und Unsicherheit ihres Lebens unter Fremden, die nach wie vor ihre Meinung ändern und sie nach Hause schicken konnten. 
Diesem Anpassungs- und Assimilationsdruck sind viele Menschen ausgesetzt, die woanders eine neue Heimat suchen, weil das Leben in der alten Heimat unerträglich geworden ist.

Lula idealisiert Amerika, auch wenn sie sehr wohl in der Lage ist, das Land ungeschminkt zu betrachten. Aus der Sicht ihres Chefs:
Für Lula müssen die Probleme hier in diesem Land schlimm sein. Sie sieht, was mit diesem Land passiert. Aber sie kommt aus einem Kulturkreis, in dem Amerika Gott ist.
Lula wägt die Probleme Amerikas mit den Problemen der Krisenländer ab. Oftmals steht sie vor einem Rätsel, mit welchen Bagatellen sich die Amerikaner auseinandersetzen. In der Zeit, in der Lula ihren Schützling Zeke betreut, und sie von ihm erzählt bekommt, wie schrecklich der letzte Sommerurlaub war, zeigt sie eher Unverständnis:
>>Das soll dein schlimmster Sommer gewesen sein?<< fragte Lula. >>Überall auf der Welt werden Kinder entführt und als Kindersoldaten eingesetzt oder werden in Munitionsfabriken in die Welt gesprengt. Ich wette, wenn Don Settebello nach Guantanamo kommt, wird er dort auf Kinder - Gefangene! - treffen, die nicht viel älter sind, als du.<<  
Auch wenn dieses Zitat mir zu wenig differenziert ist, verstehe ich schon, was Lula mit diesen Vergleichen beabsichtigt. Menschen, die in Krisenländern aufwachsen, sind tagtäglich mit der Gefährdung ihrer Existenz konfrontiert, während die meisten Amerikaner diese Form von Bedrohung erst gar nicht kennen und verstehen.

Es gibt noch eine albanische Freundin namens Dunia, die einen reichen amerikanischen Chirurgen geheiratet hat, und sie nun alle Vorteile dieses Landes genießt. Lula und Dunia haben sich seit langer Zeit das erste Mal wieder gesehen. Dunia berichtet aus dem Leben mit dem Amerikaner:
>>Er redet gerne beim Sex. Dann gefällt ihm mein Akzent. Er mag es sogar, wenn ich albanisch spreche. Er denkt, ich würde sagen: Fick mich, bis mir die Sinne vergehen! Wobei ich in Wirklichkeit sage: Morgen muss ich (…) das Hausmädchen daran erinnern, den Kühlschrank zu putzen. Außerhalb des Bettes gefällt ihm der Akzent nicht so sehr. Er sagt, je mehr Amerikanisch ich spreche, mit je mehr Amerikanern ich rede, desto amerikanischer klinge ich.<< 
Wenn der Albaner Alvo Luna besucht, machen sich in ihr alte Erinnerungen aus ihrem Land breit:
Es war schon so lange her, seit Lula albanische Tänze gesehen hatte. Sie hatte vergessen, wie es einen in die Reihe zog, auch wenn man eigentlich cool und modernen und albanischen Tänzen längst entwachsen war. In die einfachen Schritte floss so viel individuelle Seele mit ein, von Männern und Frauen, Jungen und Alten, Verheirateten, Singles, Dicken und Dünnen. Keiner trug die starre Maske der Lehre oder Ängstlichkeit, die Lula so oft in den Gesichtern von Amerikanern gesehen hatte, wenn sie ihre eigenen Tänze erfanden, unbefangen zu wirken versuchten, selbst während sie sich bemühten, eine Botschaft von Selbstvertrauen und Sexualität auszusenden, und ob sie zu haben oder vergeben waren. Wie anstrengend es war, wenn sich Amerikaner zu Paaren aus Noahs Arche zusammentaten, rhythmische Vorspiele oder Nachspiele zum Sex aufführten oder in Mädchengruppen zusammen tanzten, niemals in Jungsgruppen, sich wanden, distanziert von den Körpern, die sie zur Schau stellten. Albaner griffen nur nach der letzten Hand in der Reihe und überließen sich der Musik. 
Es ist Weihnachten und das Land gibt jede Menge Geld für die scheinbare Glitzerwelt aus, dass man meinen muss, das Land ersticke in seinem Wohlstand. Doch das ist nur das Bild, das von vielen reichen Amerikanern ausgestrahlt wird. Lula durchschaut auch diese Welt:
In ganz Amerika waren die Kinder total überdreht vor Freude, klammerten sich an ihre Matratzen, um nicht sofort nach unten zu rennen und ihre Geschenke aufzureißen. Lula wusste, dass es sich dabei um die Fernseherversion des amerikanischen Lebens handelte, dass die Hälfte der Bevölkerung krank und allein oder obdachlos war und die Festtage nur als etwas betrachtete, das hoffentlich bald vorbei war, vorzugsweise nach kostenlosem Truthahn in einer dampfigen, versunkenen Suppenküche. 
Nun habe ich noch gar nichts zu Zekes Eltern geschrieben. Der Vater ist einst mal Professor gewesen und wegen des besseren Verdienstes ist er zur Bank übergewechselt und Banker geworden. Hier verdient er wesentlich mehr, doch mit der Zeit stellte er fest, dass er sich dort nicht wirklich ausgefüllt fühlt, und sehnt sich nach seinem alten Beruf zurück. Doch er schafft den Absprung nicht, zu sehr macht er sich von seinem Banker-Gehalt abhängig.

Zekes Mutter leidet unter einer schweren psychischen Erkrankung, die so gravierend ist, dass sie die Familie verlässt und später auch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird, da sie fremd- und selbstgefährdende Züge aufweist. Für Zeke ist das ein Schock. Zum einen, weil die Mutter ihn und den Vater verlassen hat, zum anderen, weil sie psychisch krank ist …
Mister Stanley quält oftmals die Sorge, Zeke könne die Erkrankung seiner Mutter geerbt haben, da er nach außen hin auch ein wenig auffällig wirken würde. Lula schafft es recht gut, den Jungen zu betreuen, gewinnt sein Vertrauen, bis er schließlich aufs College wechseln soll. Aus Lulas Sicht:
Wenn man Zeke nicht kannte, oder selbst wenn man ihn kannte, würde man nie darauf kommen, dass er der Junge war, dessen Mutter gerade in Anwesenheit des Kindermädchens (…) einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte. Vielleicht würde es Zeke morgen treffen, oder am Tag danach, oder vielleicht in zwanzig Jahren. Wenn es eines gab, was Lula aus der Geschichte des Balkan und aus dem amerikanischen Fernsehen gelernt hatte, dann, wie lange sich Erinnerungen aufstauen können, bevor der Korken aus der Flasche schießt. 
Aufgrund eines kriminalistischen Zwischenfalls, den Lula selbst nicht verursacht hat, verlässt sie schließlich Mister Stanley und Zeke …

Die gesellschaftlichen Probleme Amerikas wurden mir zu oberflächlich dargestellt.  

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten.
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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

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