Freitag, 18. Januar 2019

Mein Jahresrückblick 2018

Nun möchte ich auch meinen Jahresrückblick auf meinem Blog festhalten. Auch im Jahr 2018 habe ich verglichen zu den Vorjahren gerade Mal 60 Bücher gelesen, etwa ein Buch in der Woche. Neben dem Lesen gibt es noch viele andere Leben, die man nicht versetzen kann, auch wenn man als Bibliomanin noch so viel Liebe für die Bücher hegt.


Trotzdem möchte ich mich nicht beklagen. Bin froh, dass ich immerhin jede Woche ein Buch geschafft habe.  

Ein wenig Statistik
Insgesamt habe ich in diesem Jahr 20900 Seiten gelesen. Dies ist das zweite Jahr, in dem ich auch die Seitenzahlen mitaufgeschrieben und zusammenaddiert habe. Mit 212 Seiten Abstand von 2017 und 2018  ist nicht besonders viel. 2011 bis 2016 hatte ich deutlich mehr Bücher geschafft.

03 Bücher habe ich abgebrochen.
35 Bücher haben von mir die Höchstpunktzahl erhalten.
05 Bücher konnte ich nicht bewerten.

Am schlechtesten haben bei mir abgeschnitten
  • Charles Dickens, Klein Dorrit BD 1 und  2 (Ganz schlechte und fehlerhafte Übersetzung, konnte ich nicht bewerten)
  • Nickolas Butler, Die Herzen der Männer, 6 Punkte (ein sehr klischeehaftes Männerbild)
  • Jojo Moyes, Eine Handvoll Worte, 6 Punkte (ein sehr klischeehaftes Frauenbild)
  • Rafik Schami: Sofia oder der Anfang aller Geschichten, 5 Punkte (Sehr stereotypisch und klischeehaft, jede Menge Vorurteile, seichte Sprache)
  • Paul Auster, Stadt aus Glas (Habe ich ausgelesen, es aber nicht bewerten können. Mir hat es an Struktur gefehlt).

Wie man sehen kann, reagiere ich auf Klischees sehr empfindlich. Daran erkenne ich häufig, wie gut ein*e Autor*in über den Stoff, über den geschrieben wird, recherchiert hat. Glücklicherweise gibt es sehr viele Autor*innen, die sehr gut ohne diese Klischees in ihrer Schreibarbeit auskommen.

Abgebrochen habe ich
  • Rebecca Hunt, Everland
  • Howard Jacobson, Shylock
  • Inger Maria Mahlke, Archipel

Was waren meine Highlights im Jahr 2018?
  • Bernhard Schlink; Olga
  • Benedict Wells; Fast genial
  • Kent Haruf; Unsere Seelen bei Nacht und Lied der Weite
  • Patrick Süskind; Der Kontrabass
  • Anne Reinecke; Leinsee
  • Celeste Ng; Kleine Feuer überall
  • Helmut Böttiger; Wir sagen uns Dunkles
  • David Foenkinos; Charlotte und Lennon
  • Clemens Ettenauer; Bärige Cartoons und Vegane Cartoons
  • Erich Hackl: Am Seil
  • Min Jin Lee; Ein einfaches Leben
  • Paolo Cognetti; Acht Berge
  • Erich Kästner; Als ich ein kleiner Junge war
  • Wendy Hilling; Mein Leben in seinen Pfoten
  • Astrid Lindgren; Die Brüder Löwenherz
  • Matteo Righetto: Das Fell des Bären
  • Ari Folman und David Polonsky; Das Tagebuch der Anne Frank
  • Vera Buck; Das Buch der vergessenen Artisten
  •  Primo Levi; Ist das ein Mensch?
  • Karsten Brensing; Die Sprache der Tiere
  • Juli Zeh; Neujahr

Besucherzahlen
Durch die neuen Datenschutzverordnungen seit Mai 2018 hat sich auf unseren Blogs einiges verändert, sodass ich ein paar Funktionen  rausgenommen habe, was ich zwar schade finde, aber bevor ich hier gegen irgendwelche Regeln verstoße, werde ich damit leben müssen. Ich habe dadurch ein paar Leser*innen verloren, weil auch nicht mehr so gerne kommentiert wird. Trotzdem habe ich am Tag noch immer zwischen 200 und 300 Besucher*innen. Darüber freue ich mich. Mal schauen, was uns Buchbloger*innen 2019 auf Blogspot bringen wird.

Wenn man aus diesen o. g. Gründen Gäste verliert, so stimmt mich dies traurig, aber ich bin auch nicht abhängig davon, denn im Vordergrund steht die Freude am Schreiben und am Lesen. Ich liebe meinem Literaturblog so wie er ist.


Folgende Leseprojekte habe ich fortgesetzt
  • Ian McEwan 
  • Benedict Wells 

Mein Harry Potter – Leseprojekt habe ich erfüllen können. Ich habe alle Bände gelesen, auch das Theaterstück. Ja, es war schön, diese Bücher zu lesen, sodass ich vorhabe, 2019 mit ein paar Fantasybüchern fortzusetzen. Auf meinem Stapel liegen Walter Moers Prinzessin Insomnia und von Markus Walter Beatrice, Rückkehr ins Buchland. Mit Tina habe ich mich total gut über die Potter Bände austauschen können.
Ich habe es aber nicht geschafft, mir die Potter-Filme anzuschauen, strebe ich auch nicht an, obwohl ich mir nach den gelesenen Bänden die Filme gekauft hatte.


Welche Leseprojekte habe ich 2019 vor?
  • Haruki Murakami
  • Charles Dickens
  • Ian McEwan
  • Erich Kästner
  • John Irving

Weitere bestehende Leseprojekte fortsetzen:
  • Itaienische Autor*innen
  • Den Tieren eine Stimme geben

Lesen mit dem Bücherforum Whatchareadin
Im ersten Halbjahr 2019 bin ich stark auf Whatchareadin eingebunden. Mal schauen, ob ich das zeitlich packe. Wahrscheinlich kommen meine eigenen Bücher ein wenig zu kurz. Vielleicht im zweiten Halbjahr mit der Leserunde etwas kürzertreten. Aber es ist ein tolles Forum, die ausgewählten Bücher sind meistens top, sehr lesenswert. Durch dieses Forum habe ich viele tolle Schriftsteller*innen und Lesefreundinnen wie Sabine und Tina kennengelernt. Ich lade jede*n Bücherftreund*in dazu ein, das Forum zu besuchen. Es gibt vieles zu entdecken. Das ist das erste Forum, in dem ich so viele Jahre schon Mitglied bin. Aus Zeitgründen schaffe ich es nicht immer, mich dort stärker zu beteiligen.

Folgende Bücher lese ich im ersten Halbjahr 2019 auf Whatchareadin. Mal schauen, ob ich dieses Terminpaket schaffe einzuhalten. Berichten werde ich dann nächstes Jahr im Januar 2020. Die fettgedruckten Bücher sind schon gelesen.
  • Verena Buck: Das Buch der vergessenen Artisten (Dezember/Januar)
  • Dörte Hansen: Mittagsstunde (8.1.2019)
  • Kent Haruf: Abendrot (23.1.)
  • Markus Zusak: Nichts weniger als ein Wunder (4.2.) (abgebrochen nach 70 Seiten)
  • Han Kang: Deine kalten Hände (15.2)
  • Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall (27.2.)
  • Nicoletta Gianpietro: Niemand weiß, dass du hier bist (9.3.)
  • Fatima Farheen Mirza: Worauf wir hoffen (15.3.)
  • Charles Lewinsky: Der Stotterer (27.3.)
  • Lukas Hartmann: Der Sänger (24.4.)
  • Ian McEwan: Maschinen wie ich (22.5.)
  • Tracy Barone: Thanksgiving (1.6.)
  • Gary Shteyngart: Willkommen in Lake Sucess (11.6.)

Treffen mit Lesefreundin Christina Sauer
Tina war 2018 zwei Mal in Darmstadt und einmal haben wir uns auf der Frankfurter Buchmesse getroffen. Sie kommt immer vom Saarland angereist. Immer wieder schön, Lesefreun*Innen zu haben. Noch nie sind uns Buchthemen ausgegangen. Im Januar 2018 haben wir gemeinsam das Goethe Haus in Frankfurt Main besichtigt.

Und wir lesen weiterhin jeden Monat ein gemeinsames Buch, zusätzlich lesen wir beide noch in der Leserunde von Whatchareadin.

Treffen mit Lesefreundin Monika Abbas
Mit Monerl hatten wir auch drei Treffen geschafft. Einmal im September bei mir zu Hause bei Kaffee und Kuchen, ein weiteres Mal auf der Buchmesse über mehrere Tage und ein drittes Mal im Dezember im Café Extrablatt, in dem wir ausgiebigst über mehrere Stunden ganz gemächlich gefrühstückt hatten und anschließend sind wir auf den Darmstädter Weihnachtsmarkt, wo wir beide uns kunstvolle Ringe gekauft hatten. Immer wenn ich den Ring aus meiner Schatulle nehme, muss ich an diese Begegnung mit Monerl denken. Danach sind wir in die Gutenberg Buchhandlung, haben dort die Mitgliedschaft beantragt und ein Buch mitgehen lassen, das wir dieses Jahr gemeinsam lesen werden von Lucy Fricke; Töchter. Auch mit Monerl gingen unsere Buchbesprechungen nicht aus.

Ina Degenaar habe ich leider auf der Buchmesse verpasst. Aber wir sind mit unseren Blogs und auf facebook verbunden. Mit Renie bin ich noch auf Whatchareadin zugange, wo sie zusammen mit Helmut und mit Sabine St. das Forum moderiert. 

Die Freundschaft mit Sabine St. konnte auch 2018 vertieft werden. Auch haben wir gemeinsam in der Leserunde gelesen. Ende Januar 2019 Treffen mit Sabine, Tina und mit mir in Heidelberg. Freue mich schon. Die erste Verabredung zu dritt.

Neue Buchbloggerinnen
  • Erika Mager von LitblogKoeb
  • Petrissa Bach von Hundertmorgenwald
  • Connie Ruoff von Connies Schreibblock

Meine Art, Rezensionen zu schreiben
Ich hatte mich immer wieder gefragt, welche Art von Buchbesprechungen ich schreiben möchte? Dabei beobachtete ich die meiner Bloggerkolleg*innen und stellte dabei zwei Versionen fest. Die eher professionellen Rezis sprechen um den heißen Brei, gehen wenig auf den Inhalt ein, mit Ausnahme der Gespräche und Interviews auf der Buchmesse, die mehr über den Inhalt reden. Die andere Art von Buchbesprechungen sind die, die stark auf den Inhalt eingehen, und ich mich gefragt habe, welcher Kategorie ich angehören möchte? Ich habe mich für die zweite Art entschieden. Ich habe es gerne etwas persönlicher, weshalb ich über den Inhalt spreche, damit ich später nachlesen kann, was mich an einem Buch gereizt, gefesselt oder abgestoßen hat. Deshalb werde ich meine Art wie bisher beibehalten. Trotzdem bin ich bemüht, darauf zu achten, nicht zu viel zu verraten. Außerdem habe ich meine Besprechungen gegliedert und so kann jeder gewisse Gliederungspunkte einfach runterscrollen, wenn man über bestimmte Fragestellungen nicht im Voraus aufgeklärt werden möchte. Von Monerl weiß ich, dass sie meine Rezension erst liest, wenn sie das Buch selbst gelesen hat, ansonsten scrollt sie runter zu meiner Punktetabelle, um zu sehen, wieviele Punkte ich vergeben habe.

Von anderen weiß ich, dass sie Lust auf ein Buch erst bekommen, wenn die Rezensionen auf den Inhalt eingehen. Also, was sagt mir das? Es gibt kein Richtig und kein Falsch und so mache ich weiter wie bisher, solange ich in den Besprechungen nicht mein eigenes Leben ausschütte. Manchmal ist man schon dazu verleitet, wenn die Identitätsfigur Parallelen zu einem selbst aufweist. Ich habe vereinzelt solche Rezis gelesen, wo das Leben der Leserin über das Leben der Figuren in den Vordergrund gestellt wurde. Solche Art von Rezis lehne ich ab ...  


Frankfurter Buchmesse 2018
Über die Frankfurter Buchmesse habe ich auf meinem Blog schon einen recht ausführlichen Bericht geschrieben. Eines möchte ich trotzdem noch einmal wiederholen, dass ich mich total gefreut habe, Susanne Bühler, Pressereferentin beim Diogenes Verlag, kennengelernt zu haben, die auch uns Blogger*innen betreut. Gefreut habe ich mich über Benedict Wells und die vielen neuen Autor*innen, wie zum Beispiel Chris Kraus und Katrin Engberg, und ich an ihren Lesungen teilnehmen konnte. Alle erwähnten Autor*innen sind beim Diogenes Verlag ansässig. Und hier, beim Diogenes Bloggertreffen bin ich auch Connie Ruoff das erste Mal begegnet.  

Welche Veränderungen gibt es bei mir in Darmstadt?
In meinem Darmstädter Stadtteil, der Bessungen heißt, wurde im Herbst 2018 ein Antiquariat an der Linie drei in der Ludwigshöhstraße eröffnet. Früher befand sich in diesen Räumen ein weniger attraktives Obst- und Gemüsegeschäft mit einer sehr unfreundlichen Bedienung. Mich wundert es nicht, dass die Kunden hier weggeblieben sind und das Geschäft schließen musste ... Und aus diesem Geschäft ist ein wunderschönes Antiquariat entstanden. Wirklich wunderschön. Ich kann gar nicht glauben, dass hier vorher ein Gemüseladen stand. Der Antiquar hat wirklich Zauberhände. Jeden Morgen, wenn ich mich auf dem Weg zur Arbeit befinde, drücke ich an dem Schaufenster die Nase platt. Ich wünsche dem Antiquar Stefan Jähning von Herzen viel Erfolg mit seinem neuen Büchergeschäft. Bei Gelegenheit würde ich gerne ein Foto schießen und es auf meinem Blog reinstellen. 

So, das war´s erstmal zu meinem Bücherblogjahr 2018 ohne irgendwelchen Schnick Schnack, da es auf Blogspot sehr anstrengend und zeitaufwendig ist, Bilder oder Fotos reinzustellen, ohne dass das Layout dadurch verzerrt wird. Wer Blogspot kennt, weiß, wie eigen dieses Programm arbeitet.
  
Ich wünsche allen meinen Freund*innen, den Verlagen und meinen Besucher*innen ein schönes und friedliches buchiges Jahr 2019. 

Eure Mir(ell)a aus Darmstadt



Dienstag, 15. Januar 2019

Dörte Hansen / Mittagsstunde (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Ein wunderschönes Buch, das mich nicht mehr losgelassen hat. Auch wenn ich anfangs etwas Mühe hatte, reinzukommen, habe ich es trotzdem von der ersten bis zur letzten Seite genossen. Eine versierte, literarische Sprache, eine differenzierte Figurenbeschreibung, ein interessantes norddeutsches Familienporträt.

Dadurch, dass wir das Buch im Bücherforum besprechen, werde ich hier nur die wichtigsten Fakten beschreiben. Am Ende der Besprechung verlinke ich meine Seite mit der auf Whatchareadin. Ich habe dort ein paar schöne Zitate hinterlassen, und werde morgen Abend mich weiter an der Diskussion beteiligen. 

Hier geht es zum Klappentext, zur Vita der Autorin, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.


Die Handlung
Die Handlung spielt in Brinkebüll, eine kleine Ortschaft im Norden Deutschlands.
Auf den ersten Seiten lernt man Marret Feddersen kennen, eine merkwürdige Figur, die überall in der Ortschaft tagtäglich den Untergang preist. Doch die Apokalypse lässt bis dato noch auf sich warten ;-). Marret scheint intellektuell ein wenig retardiert zu sein, hört permanent Schlagerlieder, die nicht nur von einer heilen Liebeswelt singen … Marret stammt aus einer dreiköpfigen Familie. Der angebliche Vater, Sönke Kröger, hat noch vor Marrets Geburt in die Familie Feddersen hineingeheiratet. Sönke besitzt eine Gaststätte und ist noch als Landwirt tätig. Ella Feddersen, Marrets Mutter, ist eine sehr stille und stark introvertierte Figur, die Probleme innerhalb der Familie innerlich eher aushält, als dass sie sie anspricht. Als Sönke im Krieg war, musste sie ihren Mann auf dem Feld und in der Kneipe ersetzen. Als der Krieg vorbei war und Sönke nichts hat von sich hören lassen, rechnete Ella nicht mehr mit seiner Rückkehr …  Marret ist ein Nachkriegskind …

Eine weitere wichtige Figur ist Ingwer Feddersen, der uneheliche Sohn von Marret. die damals 17-jährige Marret wollte das Kind nicht, und so versuchte sie es durch verschiedene Selbstverletzungen abzutreiben …

Ingwer wurde trotzdem geboren und wuchs bei Sönke und Ella auf. Marret kümmerte sich nur wenig um ihr Kind.

Als Ingwer schulpflichtig wurde, entpuppte er sich zum Klassenbesten, sodass er nach der Grundschule das Gymnasium außerhalb von Brinkebüll besuchte. Sönke hatte eigentlich mit ihm andere Pläne. Er wollte, dass Ingwer beruflich in seine Fußstapfen tritt. Durch den weiteren Bildungsweg über Studium und Promotion entfremdeten sich Sönke und Ingwer immer mehr voneinander. Seinen Wohnsitz verlegte Ingwer nach Kiel, etwa 100 Kilometer von Brinkebüll entfernt, wo er an der Universität eine Dozentenstelle innehat ... Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt Ingwer in einer Dreier-WG ... Eine feste Bindung hat er nicht, eine klassische Ehe als Institution lehnte er ab. Es ist für mich noch nicht ganz klar, ob die Mitglieder in dieser Dreier-WG, zusammengesetzt aus Ingwer, Claudius und Ragnhild, ihr sexuelles Liebespotential in ihrer Dreiecksbeziehung entfalten.

Als promovierter Landvermesser kehrt Ingwer beruflich nach vielen Jahren wieder nach Brinkebüll zurück und ist erstaunt, wie sehr sein Heimatdorf sich verändert hat. Es sind kaum noch Landwirte zu sehen. Viele haben Land und Hof verkauft … Brinkebüll wird modernisiert …

Sönke und Ella, 90 Jahre alt, sind mittlerweile alte Leute, die Unterstützung in der Pflege und im Haushalt benötigen ...

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Besonders abstoßend habe ich den eher selbstgerechten Dorfschullehrer namens Steensen erlebt, als er seine Schüler geschlagen hat, wenn sie nicht pariert haben. Vom Schulamt wurde durch die 1968er Bewegung die antiautoritäre Erziehung an den Schulen vorgeschrieben, an die sich Steensen bis zu seiner Pensionierung nicht halten wollte. Auch wenn er gerecht gewirkt hat, reicht mir das nicht ... 

Welche Szenen haben mir besonders gut gefallen? Drei Szenen
1) Gefallen hat mir, dass Marret von der Gesellschaft und von ihrer Familie wegen der unehelichen Schwangerschaft nicht verstoßen wurde. Marret selbst hatte allerdings keine Ahnung, wie das Kind aus ihrem Körper geboren werden soll. Früher sprach man nicht über die Sexualität, auch nicht über Verhütung und nicht über die Geburt eines Neugeborenen. Ella hatte auch nicht den Mut, Marret aufzuklären. Aus der Schulbibliothek lieh sie sich den Atlas über die Anatomie des menschlichen Körpers. Mit Hilfe dieses Atlas` half sie ihrer Tochter, die bevorstehende Geburt verständlich zu machen ... Wie Marret diese Informationen aufgefasst hat, ist dem Buch zu entnehmen. Bücher können viel, aber doch nicht alles ... 

2) Wahnsinnig angenehm fand ich, als Sönke den kleinen schreienden Säugling Ingwer, der erst kaum zu bändigen war, ihn als kleines Bündel auf seiner Männerbrust in seiner Jacke gewärmt hat und ihn so überall hin mitgetragen hat. Sönke wirkte vom Charakter her sehr spröde und trocken, dass ich ihm diese Form von Liebe niemals zugetraut hätte, wo doch die Hebamme den Tipp gegeben hatte, das Kind einfach schreien zu lassen.

3) Gefallen haben mir auch die Szenen, in denen Ingwer Sönke und Ella in Brinkebüll gepflegt hat, als er sich beruflich dafür für ein Jahr eine Auszeit nimmt, um sich um die alten Eltern/Großeltern zu kümmern. Ella entwickelte schleichend eine Demenz, während Sönke körperlich stark geschwächt und pflegebedürftig ist.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Ella Feddersen.

Welche Figur war mir antipathisch?
Ragnhild Dieffenbach, Dipl. Ingenieurin, die, als Ingwer als Endvierziger in eine Midlife-Crisis gerät, kommt sie ihm mit naiven psychologischen Theorien, in der er sich nicht verstanden gefühlt hat. Ich vermisste bei ihr die Empathie und Ingwer sicher auch.

Meine Identifikationsfigur
Ingwer Feddersen.

Cover und Buchtitel 
Vosicht Spoiler
Das Cover hat mir sehr gut gefallen. Und den Titel Mittagsstunde, was darunter gemeint ist, wird später auf verschiedenen Seiten deutlich. Vor der Modernisation von Brünkebüll wurde die Mittagsstunde als Ruhezeit zelebriert, und nach der Modernisation wurden diese Ruhezeiten aufgelöst, als sich mit ihr auch ganz Brinkebüll aufgelöst hat. Die Städter zogen aufs Land, um die Natur zu erleben, und die jungen Leute zogen vom Land in die Stadt, weil für sie der Beruf als Landwirt nicht mehr lukrativ genug war.

Zum Schreibkonzept
Die Zeiten, in denen die Handlung sich abspielt, sind nicht chronologisch aufgebaut. Sie pendelt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Marret muss Ende der 1940er Jahre geboren worden sein, Ingwer kam Anfang bis Mitte der 1960er Jahre auf die Welt.

Meine Meinung
Wie ich anfangs schon geschrieben habe, hat mir das Buch sehr zugesagt. Die Lebensweise der Dorfbewohner*innen war so prägnant, dass mich das tief berührt hat. Die Autorin hat es geschafft, die Figuren so zu beschreiben, dass es für mich möglich wurde, in das Innenleben dieser Menschen zu schauen, das voller Abgründe ist. Auf mich wirkten all diese Menschen innerlich sehr einsam, nur jeder auf seine eigene Weise. Probleme wurden nicht angesprochen. Es war üblich, sie zu ertragen. Jede Figur wirkte auf mich wie eine einsame Insel. Daher auch ein sehr nachdenkenswertes Buch. Aber ob die Themen wirklich so spezifisch sind, dass man sie nur in Brinkebüll finden kann, das glaube ich eher nicht. Kürzlich hatte ich zwei italienische Autoren gelesen, auch darin ging es um italienische Dörfer, um Landflucht, um Modernisierung dieser Dörfer, und die Italiener waren dort ähnlich nach innen gekehrt wie die Menschen aus dem hohen Norden von Deutschland. Auch sie konnten nicht offen über ihre Probleme reden ... 

Mein Fazit
Eine faszinierte und sehr lesenswerte Familienbiografie mit ihren Besonderheiten an Lebensweisen in einer Dorfgemeinschaft.  

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Sehr gute Übersetzung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Klare Leseempfehlung.

Weitere Information zu dem Buch
Vielen herzlichen Dank an den Penguin Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.

Ein herzliches Dankeschön auch an die Moderator*innen des Bücherforums Whatchareadin für das Engagement.

Hier geht es zu der Leserunde.

________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 03
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 12. Januar 2019

Dörte Hansen / Mittagsstunde

Und wieder ein Buch, das wir gemeinsam auf Whatchareadin lesen.  

Klappentext

Die Wolken hängen schwer über der Geest, als Ingwer Feddersen, 47, in sein Heimatdorf zurückkehrt. Er hat hier noch etwas gutzumachen. Großmutter Ella ist dabei, ihren Verstand zu verlieren, Großvater Sönke hält in seinem alten Dorfkrug stur die Stellung. Er hat die besten Zeiten hinter sich, genau wie das ganze Dorf. Wann hat dieser Niedergang begonnen? In den 1970ern, als nach der Flurbereinigung erst die Hecken und dann die Vögel verschwanden? Als die großen Höfe wuchsen und die kleinen starben? Als Ingwer zum Studium nach Kiel ging und den Alten mit dem Gasthof sitzen ließ? Mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Verschwinden einer bäuerlichen Welt, von Verlust, Abschied und von einem Neubeginn.

Autorenporträt
Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, lernte in der Grundschule, dass es außer Plattdeutsch noch andere Sprachen auf der Welt gibt. Die Begeisterung darüber führte zum Studium etlicher Sprachen wie Gälisch, Finnisch oder Baskisch und hielt noch an bis zur Promotion in Linguistik. Danach wechselte sie zum Journalismus, war einige Jahre Redakteurin beim NDR und arbeitet heute als Autorin für Hörfunk und Print. Sie lebt in der Nähe von Husum. „Altes Land“ ist ihr erster Roman.

Meine ersten Leseeindrücke

Ich habe bisher 150 Seiten gelesen und mir gefällt das Buch sehr gut, besser noch als den Vorgänger Altes Land. Eine sehr nachdenkenswerte Lektüre. Ich finde die Figuren alle spannend, interessant, wie sie in dem Dorf leben .... Man hat es hier auf jeden Fall mit differenzierten Charakteren zu tun. Das macht ein gutes Buch aus. Es befinden sich Beziehungen darunter, die still und leise harmonieren, während sie nach außen genau das Gegenteil zeigen.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
·         Verlag: Penguin Verlag (15. Oktober 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3328600035

Hier geht es auf die Verlagsseite von Penguin.

Hier geht es zur Buchbesprechung. 



Dienstag, 8. Januar 2019

Clarence Day / Unser Herr Vater (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Eine wunderschöne Biografie der Familie Day in der Übersetzung von Hans Fallada. Sie hat mir bis zum Schluss sehr gut gefallen.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
In der Handlung bekommt man es mit einer sechsköpfigen amerikanischen Familie zu tun, die in New York ihren Lebensmittelpunkt hat. Die Handlung spielt noch im späten des 19. Jahrhunderts. Der Oberheld ist hier das Familienoberhaupt Clarence Day, der Anfang vierzig ist. Eine sehr gewissenhafte Figur, die stark auf Hausregeln achtet und auch in der Präfektur lässt er nichts auf sich kommen. Stets akkurat in der Buchhaltung und auch bei den Finanzen führt er streng Buch. Die Geldangelegenheit ist die empfindlichste Stelle dieses Mannes. Während er recht knauserig ist, ist seine Frau Vinnie das genaue Gegenteil. Sie gibt das Geld großzügig aus, muss sich aber immer rechtfertigen und immer wieder neue Tricks anwenden, um an das Geld zu kommen, das ihr Mann so fleißig im Safe hortet. …

Der älteste von vier Söhnen ist der am 1874 geborene Clarence, der ganz nach dem Vater benannt wurde, obwohl Clarence Junior ganz anders als sein Vater ist, denn er hat es satt, den feinen Herrn zu spielen, obwohl er aber auch stolz darauf ist, wenn der Vater ihn sonntags mit in die Präfektur nimmt.

Clarence Junior träumt davon, Landstreicher zu werden, da er gerne frei sein möchte von allen väterlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen und Konventionen. Ist klar, dass der Senior still die Erwartung hegt, der Junior möge doch in seine Fußstapfen treten. Der Junge offenbarte allerdings dem Vater, dass sein Berufswunsch eigentlich Cowboy sei, so lehnte der Senior mit der Begründung ab, dass Cowboy kein anständiger Beruf sei; dann könne er auch gleich Landstreicher werden J ...

Der Vater gab viel auf die Erziehung seiner Söhne. Er achtete drauf, dass sie neben der musikalischen Erziehung eine gute Allgemeinbildung erhalten. Allerdings wollte es mit der Musik beim Junior nicht so recht klappen, sowohl im Klavierunterricht als auch im Gesang. Der Junge brachte seinen Klavierlehrer schier zur Weißglut … Später kaufte ihm der Vater eine Violine, ohne es mit ihm abzusprechen, in der Hoffnung, dass das das richtige Instrument für den Filius sei …

Richtig gut hat mir seine Frau Vinnie gefallen, die versucht hatte, auf ihre Rechte als Frau zu kommen. Sie plante zusammen mit einer Freundin eine Reise nach Ägypten. Als sie Clarence fragte, ob er mitfliegen möchte, verneinte er, da er sich die Ägypter anschauen könne, ohne New York zu verlassen. Mumien zum Beispiel könne er sich genug in Museen betrachten. Auch die Ägypter seien nichts anderes als Wilde in ihrem Land ...

Senior Clarences Sorgen waren immerzu der richtige Umgang mit Geld, den seine Frau bei den Ausgaben häufig missachtet hatte. Hier konnte Clarence richtig cholerisch werden. Jedes kleinste Ärgernis brachte ihn in Rage. Ein richtiger Despot, der im Haus und sonst wo keine Veränderungen duldet und stellt seine Frau als unwissend, manchmal sogar als dümmlich dar, wie dies in dieser Zeit üblich war, da Frauen damals kaum Rechte hatten. Was die Geldangelegenheiten betreffen, hatte sie ihre eigene Strategie:
>>Ich verstehe eine ganze Menge davon. (…) Frau Glick sagt, die Pflicht jeder denkenden Frau sei es, sich selbst eine Meinung zu bilden, auch über Tarifreform, Kapital, Arbeit und alles andere!<< (201)

Dass Senior Clarence gar nicht gelingen wollte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, beschäftige nicht nur den Junior immens.
Außerdem blieb meinem Vater wenig Zeit, sich solchen kleinen Unannehmlichkeiten zu widmen, bald beanspruchte ihn das Drama unseres Familienlebens restlos. Unsere verblüffende Unfähigkeit, irgendeines unserer Gefühle zu verheimlichen, beschäftigte ihn ganz. (207)

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Es gab keine besondere Szene. Alles hat gepasst. Natürlich fand ich es nervend, wenn der Vater und Ehemann so schnell die Nerven verlor und laut wurde, und ganz besonders bei Geldausgaben, selbst wenn es nur um einige Cents ging. Mit welcher Raffinesse Vinnie es gelang, ihn wieder einigermaßen friedlich zu stimmen. Aber er war nicht böse, nur wahnsinnig besorgt und erregt …


Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gefallen, dass sich Vinnie nicht hat unterkriegen lassen und ihren Weg als eine selbstbewusste Frau gegangen ist, auch wenn er anstrengend war.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Clarence Day Junior. Mit welchem Humor und mit welcher notwendigen Distanz er seine eigene Familie beleuchtet und porträtiert hat, fand ich bewundernswert.

Welche Figur war mir unsympathisch?
Keine.

Meine Identfikationsfigur.
Keine

Cover und Buchtitel   
Hat mir sehr gut gefallen. Ich finde den Einband sehr schön. Ein Leinenbuch ohne lästigen Schutzumschlag.

Zum Schreibkonzept
Die Handlung wird auf 238 Seiten aus der Sicht des jungen Clarence erzählt.

Meine Meinung
Mich hat diese amerikanische buddenbrooksche Familiengeschichte amüsiert, wenn sie auch teilweise recht ernst war. Ähnlichkeiten mit den Buddenbrooks sehe ich noch immer, nur dass Johann Buddenbrook verglichen mit Clarence ein viel ruhigerer Typ Mensch, Vater, Familienoberhaupt und Geschäftsmann war. Niemals hatte er seiner Frau das Gefühl gegeben, ihm unterlegen zu sein. Oder der kleine Hanno, der auch die hohen Erwartungen seines Vaters Thomas erfüllen musste ... 

Mein Fazit
Eine wahrlich gelungene Biografie mit viel Ironie und Witz. Sehr spannend hinter die Kulissen einer amerikanischen Familie dieser Art zu blicken. 

Aber Vorsicht, es gibt noch vieles andere in dem Buch zu entdecken ...

Im Internet habe ich gesehen, dass Clarence auch über seine Mutter Vinnie Day einen Buchband geschrieben hat, allerdings ist er im Rowohltverlag erschienen, was ich schade finde, wegen der unterschiedlichen Größe und der unterschiedlichen Aufmachung. Kann das nicht bei einem Verlag bleiben? Wenn man Bücher zusammen ins Regal stellt, die vom selben Verlag sind, gibt es häufig ein ganz harmonisches Bild im Regal ähnlich wie dies mit den Diogenesbüchern der Fall ist. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Sehr gute Übersetzung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Eine klare Leseempfehlung.
________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 02
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86