Sonntag, 27. November 2016

Zelda la Grange / Good Morning, Mr. Mandela

Nelson Mandelas persönliche 
Assistentin erzählt

Klappentext
Zelda la Grange war fast zwanzig Jahre lang die persönliche Assistentin von Nelson Mandela. Eine junge weiße Frau, geprägt von der rassistischen Politik des südafrikanischen Apartheidregime. Die zunächst als Sekretärin für Mandela arbeitete und schließlich zu einer der engsten Vertrauten jenes Mannes wurde, der ihr jahrzehntelang als Feindbild gegolten hatte. Aus der Schreibkraft wurde eine Frau, die mit Nelson Mandela um die Welt reiste, bei Treffen mit Bill Clinton, Johannes Paul II, Yassir Arafat, Morgan Freeman und Gaddafi dabei war und die ihn bis zu seinem Tod begleitete. Und die wie keine andere den wahren Nelson Mandela kennenlernte. Jene außergewöhnliche Persönlichkeit, die niemanden unbeeindruckt ließ und zugleich überraschend humorvoll war. Eine Hommage an Mandelas inspirierendes Vermächtnis und ein Aufruf, dass es nie zu spät ist, ein besserer Mensch zu werden.


Autorenporträt
Zelda la Grange, geboren 1970, wuchs während der Apartheid in Südafrika auf. Seit 1992 war sie zunächst in verschiedenen Bereichen als Sekretärin für die Regierung tätig. 1994 begann sie, als "Senior Ministerial Typist" im Office des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas zu arbeiten. 1997 wurde sie zu einer von drei Privatsekretärinnen von Nelson Mandela befördert. 1999 bat Mandela sie, auch nach Ende seiner Amtszeit in seinen Diensten zu bleiben. Seit 2002 arbeitete sie festangestellt für die Nelson Mandela Stiftung. Über 19 Jahre war sie in verschiedenen Funktionen für Nelson Mandela tätig – als Schreibkraft, Privatsekretärin, Office-Managerin, als seine Pressesprecherin und stete Gehilfin. Als er im Dezember 2013 starb, war sie seine persönliche Assistentin. Zelda la Grange lebt in Pretoria.

Meine ersten Leseeindrücke?

Sehr interessant geschrieben. Ich befinde mich noch in den Anfangskapiteln, in denen die Autorin ein paar autobiografische Informationen hat einfließen lassen.


Weitere Informationen zu dem Buch

€ 22,99 [D] inkl. MwSt.
€ 23,70 [A] | CHF 30,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-442-75607-0
Erschienen: 27.04.2015 


Samstag, 26. November 2016

James Matthew Barry / Peter Pan (1)


Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Gestern Abend habe ich noch die letzten Seiten geschafft. Von dem ganzen Märchen hat mir der Schluss am besten gefallen. Der Rest? Ein wenig sonderbar. Ein wenig düster. Und recht gewaltvoll und blutrünstig in vielen Szenen. Nun habe ich aber nicht mit den Augen eines Kindes gelesen, weshalb es so sehr schwer für mich ist, eine Bewertung zu diesem Buch abzugeben. Manche Beschreibungen finde ich für achtjährige Kinder definitiv zu schwer. Aber zu einem endgültigen Urteil entschließe ich mich erst im Austausch mit meiner Lesepartnerin Tina. Unser Telefongespräch ist für Montagabend vorgesehen.


Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Mit Peter Pans Suche nach seinem Schatten im Kinderzimmer von Wendy, John und Michael Darling beginnt eine der bekanntesten klassischen Erzählungen, die seit nunmehr 100 Jahren die Fantasie von Jung und Alt beflügelt. Wendy und ihre beiden Brüder begleiten Peter ins Nimmerland. Auf der zauberhaften Insel haben sie zusammen mit den »verlorenen Jungen« und der spitzbübischen Fee Glöckchen eine Reihe spannender Abenteuer zu bestehen. Gemeinsam treffen sie auf Meerjungfrauen, tapfere Indianer und natürlich die Piraten der Jolly Roger und ihren berüchtigten Anführer Kapitän Hook, dessen Schicksal in den Händen eines krähenden Jungen und eines tickenden Krokodils liegt. 
Dass Nana, der Hund der Familie Darling, das Kindermädchen der drei Kinder Wendy, John und Michael ist, ist schon sehr originell. Weil die Familie eigentlich arm ist, wurde der Hund als Kindermädchen eingesetzt, um Kosten zu sparen. Der Vater der Kinder, von Beruf Angestellter bei einer Bank, legt sehr viel Wert auf seinen Ruf- und auf die Einhaltung gesellschaftlicher Konventionen. Er lässt nichts nach außen durchdringen, wie arm die Familie eigentlich ist. Und auch nicht, dass Nana das Kindermädchen ist.
Wendy, das älteste Kind, erfährt von Peter Pan über ihre Gedanken. Da die Mutter in die Köpfe ihrer Kinder schauen kann, bekommt sie mit, dass es einen Jungen namens Peter Pan gibt:
Frau Darling hörte zum ersten Mal von Peter, als sie in den Köpfen ihrer Kinder Ordnung machte. Es ist der abendliche Brauch jeder guten Mutter, die Köpfe ihrer schlafenden Kinder zu durchstöbern und die Dinge für den nächsten Morgen zu ordnen. Die vielen Sachen, die während des Tages verlegt wurden, kommen dann wieder an ihren richtigen Platz. (2010,12)
Wobei man später erfährt, dass Frau Darling als Mädchen selbst auch schon Kontakt mit Peter Pan hatte. Doch mit dem Eintreten ins erwachsene Alter verschwindet die Erinnerung, da Erwachsene nicht mehr heiter, unschuldig und herzlos sein können. 

In die Köpfe ihrer Kinder schauen zu können, fand ich gruselig. Hat mir persönlich nicht besonders gut gefallen. Gerade Kinder haben es gerne, Geheimnisse vor ihren Eltern zu haben.

Peter Pan lebt auf der Insel Nimmerland und führt alle Darling - Kinder dorthin, als der Vater ihnen das Kindermädchen Nana entzieht. Der Hund durfte nur noch angeleint in der Hundehütte leben. Zu außergewöhnlich für den Vater, einen Hund als Kindermädchen zu haben. Immerzu die Angst, die Nachbarn könnten dahinterkommen, und hinter seinem Rücken tuscheln.

Als Nana nicht mehr das Kindermädchen sein durfte, wurden die Kinder sehr traurig. Die Traurigkeit zog Peter Pan an, diese Kinder auszusuchen, um sie aus diesem traurigen Zuhause wegzuholen. Nachdem die Kinder im Kinderzimmer Bekanntschaft mit Peter Pan gemacht haben, entwickelten sie mit dessen Hilfe die Fähigkeit zu fliegen. Und so flogen sie auf die Insel Nimmerland.

Auf Wendys Frage, wer die Eltern von Peter Pan seien, so antwortete er, dass er am Tag seiner Geburt weggelaufen sei, und er nicht wissen könne, wer seine Eltern seien.

Peter Pan ist keinesfalls ein Junge wie jeder andere. Er ist ein Kind, das niemals erwachsen werden wollte, um ewig Spaß am Leben zu haben. Und so flüchtete er zu den Feen, bei denen er eine lange Zeit lebte.

Peter Pan genoss noch einen weiteren Vorteil. Er vertrug nur sehr schwer Ungerechtigkeiten, aber er besaß die Fähigkeit, die erlebte Ungerechtigkeit gleich wieder zu vergessen, sodass ihm jede erlebte Ungerechtigkeit vorkam, als wäre es die erste Ungerechtigkeit.

Peter Pan mag keine Erwachsenen, da diese oftmals alles verdarben, woran Kinder Freude hätten.

Wendy, John und Michael begeben sich auf ein Abenteuer. Es finden schwere Kämpfe mit Piraten, den Nixen und den Rothäuten statt.

Der Schluss hat mir am besten gefallen.


Mein Fazit?

So richtig gepackt hat mich das Märchen nicht. Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, mit meinen Gedanken überall gewesen zu sein, nur nicht bei Peter Pan und den Kindern ...

Das Buch finde ich für achtjährige Kinder zu schwer zum Selberlesen, aber zum Vorlesen geeignet. Schöne Illustrationen untermalen dieses Märchen. Manche übertriebene Gewaltszenen würde ich auslassen. Peter Pan mordet gerne große Leute. Weiß nicht, wie Kinder diese Lust auffassen und verarbeiten werden. Spaß am Leben haben wollen, das verstehe ich schon, dass aber Morden mit zum Spaßhaben dazugehört, eher nicht, wobei hier das Morden an Menschen gerichtet ist, die als „böse“ dargestellt werden. Aber im wirklichen Leben kann man auch nicht einfach Menschen töten, mit denen man nicht klarkommt.


Nachtrag, 28.11.2016, 19:00 Uhr

Telefonat mit Tina

Tina und ich hatten dieselben Eindrücke. Uns hat beiden das Märchen nicht gefallen und für ein achtjähriges Kind schwer zu lesen. Die Figur Peter Pan haben wir beide als etwas zu grausam erlebt. Auch das Alter, ein Kind, das noch seine Milchzähne hatte, aber keineswegs wie ein Kleinkind wirkt, passte nicht wirklich zusammen.

Den letzten Satz im Buch hatte ich erst ignoriert, da ich erstmal Tinas Meinung hören wollte, aber ihr ist der Satz auch aufgestoßen;
Und so wird es weitergehen, solange Kinder heiter und unschuldig und herzlos sind.
Oder auf Seite 209; Es würden nur die Kinder fliegen lernen können, die heiter, unschuldig und herzlos seien. 

Keineswegs sind Kinder herzlos.

Eine falsche Übersetzung? Tina will sich die Mühe machen, den Schluss nochmals in der Originalsprache zu lesen. 

Für Tina kam ein weiteres Problem hinzu. Sie hatte mehrmals die Disneyverfilmung gesehen und hatte dadurch ein wenig Schwierigkeiten, in das Buch rein zukommen. Ich selbst kenne den Film nicht. Aber ich hatte mit dem Reinkommen auch meine Schwierigkeit.

Ich selbst habe vor, mir die Diogenesausgabe anzuschauen. Es gibt wohl mehrere ÜbersetzerInnen. 


Dienstag, 29.11.

Da meine Neugier mittlerweile so groß ist, habe ich beschlossen, mir die Diogenes-Ausgabe auch noch zuzulegen. Ich habe das Buch im Schuber nun in meiner Buchhandlung bestellt, und kann es morgen abholen. Es sind zwei Übersetzerinnen, die sich an das Märchen herangemacht haben ... Da bin ich mal auf den Vergleich gespannt. Auf dem Cover ist Peter Pan außerdem mit grüner Kleidung abgebildet, so wie ich ihn von meinem Jugenbuch her kenne. Spricht mich eher an. 

Ich gebe dem Buch sieben von zehn Punkten. 

Und hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.


Weitere Informationen zu dem Buch

Gebundene Ausgabe: 216 Seiten
Verlag: Knesebeck Verlag (30. September 2010)
24,95 €
ISBN-10: 386873273X
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 8 - 10 Jahre

_______________
Man träume den Traum des Lebens immer noch am besten in einer Bibliothek.
 (Marcel Proust)

Gelesene Bücher 2016: 64
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Montag, 21. November 2016

James Matthew Barry / Peter Pan

Mit Illustrationen 
von Robert Ingpen

Übersetzer
Martin Romitsch

Lesen mit Tina

Es ist wieder so weit. Tina und ich lesen zum Monatsende gemeinsam ein Buch. Diesmal war ich mit dem Aussuchen dran.



Klappentext
Mit Peter Pans Suche nach seinem Schatten im Kinderzimmer von Wendy, John und Michael Darling beginnt eine der bekanntesten klassischen Erzählungen, die seit nunmehr 100 Jahren die Fantasie von Jung und Alt beflügelt. Wendy und ihre beiden Brüder begleiten Peter ins Nimmerland. Auf der zauberhaften Insel haben sie zusammen mit den »verlorenen Jungen« und der spitzbübischen Fee Glöckchen eine Reihe spannender Abenteuer zu bestehen. Gemeinsam treffen sie auf Meerjungfrauen, tapfere Indianer und natürlich die Piraten der Jolly Roger und ihren berüchtigten Anführer Kapitän Hook, dessen Schicksal in den Händen eines krähenden Jungen und eines tickenden Krokodils liegt. 

Autorenporträt
Sir James Matthew „J. M.“ Barrie, Baronet war ein schottischer Schriftsteller und Dramatiker. Er schuf mit Peter Pan eine fantastische Figur, die weltbekannt wurde.
Robert Ingpen hat über 100 Erzähl- und Sachtexte illustriert und geschrieben. 1986 erhielt er die Hans-Christian-Andersen-Medaille für seine Verdienste um das Kinderbuch. 
Peter Pan kenne ich aus meiner Jugend und habe richtig Lust, ihn nochmals zu lesen. Ich kann mich kaum noch an dieses Märchen erinnern. Aber ich erinnere mich noch genau, als das Buch in Miniformat in meinem Osterkorb gelegen hat. Auf meinem Buch damals war Peter Pan mit grüner Kleidung abgebildet. 
Ich hatte damals die Bücher regelrecht verschlungen. Nun freue ich mich auf ein Neues und dass Tina bereit ist, mit zu lesen.


Nach Marcel Proust nun etwas Leichteres. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Gebundene Ausgabe: 216 Seiten
Verlag: Knesebeck Verlag (30. September 2010)
24,95 €
ISBN-10: 386873273X
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 8 - 10 Jahre






Sonntag, 20. November 2016

Marcel Proust / Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (1)

BD 5 Die Gefangene


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Bevor ich mit meiner eigentlichen Buchbesprechung beginne, hier erstmal ein paar Leseeindrücke:
Ich freue mich sehr darüber, dass ich es nun tatsächlich geschafft habe, den fünften Band nach dem zweiten Anlauf zu Ende zu lesen. Diesmal war ich ziemlich diszipliniert, habe mir jeden Abend nach Dienstschluss meine geplanten fünfzig Seiten vorgenommen und am Wochenende etwas mehr. Dies erfüllt mich schon etwas mit Stolz, dass ich nun alle sechs Bände durchhabe. Ich habe für den vorliegenden Band eine ganze Woche benötigt.

Zur Erinnerung: Beim ersten Mal, das liegt schon etwas länger zurück, musste ich diesen Band abbrechen. Dann habe ich vor lauter Enttäuschung im sechsten Band rumgeblättert, und der sechste Band schien mich mehr anzusprechen. Und bevor ich den Bezug zu Proust verlieren würde, dachte ich damals, zog ich den sechsten Band vor. Darüber habe ich viel geschrieben, sodass ich schnell wieder in die Thematik reinkommen werde, bevor ich letztendlich mir noch den letzten Band vornehme. Doch damit lasse ich mir noch etwas Zeit.

Dieses Buch auszulesen, gestaltete sich für mich schon als ein riesen Prozess. Am Freitagabend stand ich kurz vor dem erneuten Abbruch. Für ein paar Sekunden hatte ich das Buch schon zugeklappt und habe dabei eine gewisse Freiheit verspürt und mir ausgemalt, was ich nun alles mit dieser wiedergewonnenen Freiheit anfangen würde. Das meiste hatte ich schon hinter mir, die letzten 150 Seiten von satten 650 Seiten waren für mich nochmals eine große Herausforderung. Aber dann hat mich ziemlich rasch die Lust wieder gepackt, Proust weiterzulesen; sehr ambivalent mein Verhalten diesem Autor gegenüber. Er überträgt ungewollt etwas von sich auf mich. Einerseits verachte ich ihn, andererseits verspüre ich auch eine gewisse Liebe zu ihm. Da ich mit Proust noch einiges vorhabe, musste ich einfach durchhalten. Mein Leseprojekt ist selbst nach diesen sieben Bänden noch lange nicht fertig.

Ich muss schon sagen, das Durchhalten hat sich gelohnt, habe viele interessante Themen mitverfolgen können. Den fünften Band habe ich als den schwersten von allen sechs Bänden, aber auch als den interessantesten, erlebt.

Und das Schöne? Ich bin jetzt endlich mit Proust ausgesöhnt. So viel Weisheit, wie ich hier habe finden können, haben meine Sympathiepunkte in die Höhe schnellen lassen. Ich fühle mich ja schon zu ihm hingezogen. Wie hätte ich denn sonst diese sechs Bände aushalten können? Ja, man wird für die aufgebrachte Geduld und für die Ausdauer richtig entschädigt.

Was sich für mich als recht schwierig gestaltet hat, waren die vielen Themen, die Proust hier eingebracht hat, und ich mich ein wenig überfordert fühle, alle diese Themen in meine Buchbesprechung zu verfrachten, bis schließlich meine innere Stimme sagte, lies weiter, das wird sich schon geben. Und so war es auch, nun weiß ich, worin ich meinen Fokus setzen werde. Und zwar in die Beziehung zwischen Marcel und seiner Geliebten Albertine. Die Beziehung ist dermaßen facettenreich, dass ich echt Lust habe, darüber zu schreiben ...

Trotzdem möchte ich die anderen Themen nicht unbenannt belassen, sodass andere LeserInnen vorbereitet sind, was Proust hier so alles recht exzessiv beschäftigt hat:
Literatur
Musik
Architektur
Kunst
Die literarischen Gespräche zwischen Marcel und Albertine fand ich äußerst interessant, als es um Dostojewski ging, der in seinen Romanen oftmals kriminalistische Themen behandelt, und Albertine Marcel die naive Frage stellt, ob Dostojewski selber auch kriminell sei?, denn sonst hätte er nicht darüber schreiben können.

Im Weiteren schreibe ich die Leseeindrücke hier auf für alle ProustanfängerInnen. Ich möchte Mut machen … Ich bin allerdings keine Literaturwissenschaftlerin, deshalb kann ich keine Buchbesprechung in dieser Form verfassen und rate literaturwissenschaftlich interessierte LeserInnen auf entsprechende fachgerechtere Seiten, die es sicher zahlreich im Netz zu finden gibt.

Aber ich möchte auch sagen, habt Mut für eigene Interpretationen. Habt Mut für eigene Ideen, für eigene Beobachtungen, denn auch dies ist eine hohe, geistige Leistung, die viele unterschätzen. 


Es gibt viele Methoden, ein Buch anzupacken. Mich interessiert die menschliche Psyche. Ich lese gerne psychoanalytisch. Proust lädt außerdem regelrecht dazu ein. Außerdem ist die Psychoanalyse auch eine Fachrichtung. Sigmund Freud,*1856, gest. 1939, hätte hier seine Freude gehabt, wenn er Proust gelesen hätte.

Ich selbst habe mir im Netz auch Sekundärliteratur bestellt, so viele gibt es leider nicht, auf die ich allerdings noch warte. Aber im Anhang gibt es zahlreiche Hinweise. Wobei ich aber noch anmerken möchte, dass ich viel Wert darauf lege, mir meine eigene Meinung zu bilden.

Als begleitende Lektüre gebrauchte ich ein Proust-Lexikon. Aber es gibt noch eine Proust-Enzyklopädie, beides im Suhrkamp - Verlag erschienen.

Proust hat mich arg an Hans Fallada erinnert. Fallada hat über das Leben der kleinen Leute geschrieben, während Proust über die Angehörigen der Bourgeoisie geschrieben hat. Beide aus der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts, wobei Proust, *1871, gest. 1922, etwas älter als Fallada ist, *1893, gest. 1947. Zufall, dass gerade für beide Autoren mein Interesse gilt. Ich habe auf meinem Blog von beiden Autoren Leseprojekte laufen.

Im Folgenden geht es zu meiner Buchbesprechung.

Da das Buch mit „Die Gefangene“ betitelt ist, wird für die LeserInnen recht schnell klar, dass damit Marcels Geliebte Albertine  gemeint ist. Auch lässt sich dies aus den vorangegangen Bänden schon ableiten. Marcel ist der Icherzähler, der alle seine Themen recht subjektiv behandelt. Warum es so schwer ist, dem Erzähler zu folgen, liegt eben daran, dass Marcel so ziemlich alles vermischt.  Innere Erfahrungen sind weit größer als Erfahrungen, die sich auf Tatsachen berufen. Im Umgang mit Albertine wird das sehr deutlich, aber auch in der Beurteilung von zwei Musikern wie Morel und Vinteuil. Aber dies geht auch aus den vorherigen Bänden hervor. Manche mentale Szenen habe ich sogar als recht wahnhaft erlebt. Marcel bezeichnet sich hin und wieder selbst  als wahnhaft. Er steigert sich oft in seine Wahnvorstellungen rein, die Albertine gegenüber so ziemlich negativ besetzt sind. Er lässt sie beschatten, und wirft ihr Homosexualität vor:
Ich hatte Albertine von ihren Komplizinnen trennen und dadurch meine Halluzinationen bannen können; (2004, 25).
 Albertine und Marcel leben in Balbec zusammen, wobei Albertine zu Marcel gezogen ist.

Sein großes Drama ist die Eifersucht. Er kritisiert zwar recht häufig Morels, der Geiger, cholerisches Verhalten, Marcel selbst ist allerdings auch nicht von Wutanfällen frei. Aber er hinterfragt sich manchmal auch selbst, personifiziert allerdings gewisse negative Eigenschaften:
Die Eifersucht ist auch ein Dämon, der nicht beschworen werden kann; immer wieder erscheint er uns in einer neuen Gestalt. Würde es uns gelingen, sie alle auszurotten und die Geliebte ewig für uns zu behalten, so würde der böse Geist eine andere Form annehmen, die noch weit tragischer wäre, die Gestalt der Verzweiflung nämlich, Treue nur mit Gewalt errungen zu haben, Verzweiflung darob, nicht geliebt zu werden. (143)
Häufig stellte ich mir die Frage, ob man Marcel als beziehungstauglich bezeichnen kann. Schon aus den letzten Bänden geht diese Frage hervor, und ich mich immer freue, wenn ich im Text eine hinweisende Antwort finde, indem er sich selbst diese Frage stellt,
(…) ob eine Heirat mit Albertine nicht mein Leben ruinieren würde, einerseits, weil ich damit die für mich zu schwere Aufgabe übernehmen müsste, mich einem anderen Wesen zu widmen, andererseits aber auch dadurch, dass sie mich zwänge, infolge der unaufhörlichen Gegenwart einer anderen Person abwesend von mir selbst zu leben, und mich für immer der Freuden der Einsamkeit beraubte. (33)
Immer wieder gehe ich in meinen Buchbesprechungen auf die Beziehungsproblematik ein, die aus Marcels Kindheit herrührt. Gewisse mütterliche Zärtlichkeiten, Liebkosungen, an denen Marcel bis ins erwachsene Alter hängengeblieben ist. Dazu  folgendes Zitat:
Wie früher in Combray, wenn meine Mutter mich verlassen hatte, ohne mich durch ihren Kuss beruhigt zu haben, wollte ich Albertine nacheilen, ich spürte, dass es keinen Frieden für mich gab, bevor ich sie wiedergesehen hatte, dass dieses Wiedersehen etwas Ungeheures sein würde, was es bislang noch nie gewesen war, und dass, wenn es mir nicht gelänge, mich allein von dieser Traurigkeit zu befreien, ich vielleicht die schmachvolle Gewohnheit annehmen würde, mich bettelnd bei Albertine einzufinden. (156)
Dieses Bettelnde findet man im ersten Band wieder, als Marcel noch ein kleiner Junge war, und er ohne den Gutenachtkuss seiner Mutter nicht einschlafen konnte. Der Vater, der nur ganz selten in den Büchern auftaucht, bezeichnet hierzu Marcels Verhalten als übertrieben verwöhnt.
An solchen Abenden empfand ich bei Albertine nicht mehr jene Befriedigung wie durch den Kuss meiner Mutter in Combray, sondern die Angst jener anderen, an denen mir Mama kaum gute Nacht gesagt hatte oder sogar nicht einmal in mein Schlafzimmer gekommen war, weil sie mir entweder zürnte oder durch Gäste abgehalten wurde. Diese Angst - nicht mehr ihre abgewandelte Form innerhalb der Liebe -, nein, diese Angst selbst, die sich eine Zeitlang auf die Liebe spezialisiert hatte, als sich die Teilung, die Aufteilung der Leidenschaften vollzog und sie nur noch der Liebe zugeordnet war, schien jetzt wieder, von neuem unteilbar geworden, auch über alle anderen gebreitet, als ob alle meine Gefühle , die davor zitterten, Albertine nicht an meinem Bett festhalten zu können – als eine Geliebte, als eine Schwester, als eine Tochter, als eine Mutter auch, nach deren täglichem Gutenachtkuss ich wieder ein kindliches Verlangen zu verspüren anfing-, (154f)
Wie ich mit Hilfe dieses Zitat belegen kann, dass Marcels kindliche Erfahrung, das Versagen mütterlicher Liebkosungen, sich wie ein seelisches Trauma anfühlt, und das sich in der Beziehung mit Albertine fortsetzt.

Und so bestätigt es meinen Eindruck, dass Marcel die notwendige Reife fehlt, sich auf Dauer auf einen anderen Menschen einzulassen. Diese Ambivalenz spiegelt sich im ganzen Roman wieder.

Er stellt Albertine oft zur Rede, ob sie mit bestimmten Frauen wie Andrée verkehre? Er bezeichnet sie als Lügnerin, als sie seine Frage negierte.
Ihre Lügen, ihre Geständnisse beließen mir die Aufgabe, die Wahrheit aufzuhellen: ihre Lügen, die so zahlreich waren, weil sie sich nicht damit begnügte, zu lügen wie jedes Wesen, das sich geliebt glaubt, sondern weil sie, abgesehen davon, eine Lügnerin von Natur war (und so sprunghaft im übrigen, dass sie, selbst wenn sie mir jedes Mal die Wahrheit über das gesagt hätte, was sie zum Beispiel von den Leuten dachte, jedes mal etwas anderes geäußert haben würde); (134f) 
Woher bezieht Marcel seine Theorie zu Albertine, die er oftmals verallgemeinernd auf andere Frauen überträgt? Ganz banal; er achtet auf die Mimik, auf die Wortwahl … Manchmal errötet Albertine auf Marcels peinliche Fragen und das Erröten interpretiert Marcel als ein Zeichen, dass Albertine lügt.

Hier seine Lügentheorien, die er auch auf andere Frauen überträgt:
Ist es überhaupt nötig, dass man eine Tatsache weiß? Kennt man nicht von vornherein schon auf eine ganz allgemeine Art die Lügen und die Verschwiegenheit der Frauen, die etwas zu verbergen haben? Kann ein Irrtum noch möglich sein? Sie machen aus ihrer Diskretion eine Tugend, wo man sie doch so gern zum Sprechen bringen würde. Wir spüren, dass sie  ihrem Komplizen gesagt haben: Ich bin verschwiegen. Von mir wird man nichts erfahren. Ich bin verschwiegen. (133)
Genau diese Szene bezeichne ich als eine Halluzination. Er malt sich etwas aus, das er als Wahrheit bezeichnet. Es bestehen keine handfesten Beweise, dass seine Geliebte sich mehr zu Frauen hingezogen fühlt. Weil sie ihm dieses Geständnis nicht abringen kann, bezeichnet er sie als >>die arme Gefangene, die Frauen liebt<<, dabei ist es Marcel selbst, der der Gefangene ist, und sich in seinem Gedankenkonstrukt immer weiter verstrickt, und Probleme hat, emotional da wieder herauszukommen. Marcel projiziert auf Albertine seine innere Beziehungsproblematik, seine für mich innere Unausgeglichenheit, die ich schon arg als symptomatisch bezeichne.

Eine weitere Lügentheorie, die sich auf Frauen bezieht:

Was ist schon die Lüge: Wir leben mitten in ihr und lächeln nur darüber, wir bedienen uns ihrer und glauben, niemandem weh zu tun, doch die Eifersucht leidet unter ihr und sieht mehr, als sie verbirgt, (oft weigert sich unsere Freundin, den Abend mit uns zu verbringen, und geht ins Theater, nur damit wir nicht sehen, dass sie schlecht aussieht), genauso wie sie oft blind ist, was die Wahrheit verbirgt. Doch sie kann nichts erreichen, denn die Frauen, die schwören, nicht zu lügen, würden sich auch unter dem Messer weigern, ihre Natur einzugestehen. (137f)
Immer wieder kommen ihm Verlustängste auf, Albertine könne ihn wegen einer  Frau verlassen, oder auch, weil ihr die Beziehung mit Marcel zu langweilig sei. Doch auch hier projiziert er seine Ängste auf Albertine, wie sich später herausstellte. Es war seine Angst, die Beziehung könnte ihn langweilen. Tief in seinem Inneren wünschte er sich einen Beziehungsbruch.
Die Anwesenheit Albertine bedrückte mich, ich schaute sie an, wie ergeben und verdrossen sie war, und empfand es als Unglück, dass es zwischen uns nicht zum Bruch gekommen war. (579)
Ich möchte ja nicht allzu viel verraten, aber eine wichtige Szene möchte ich unbedingt noch festhalten.

Proust hält diese vielen „Lügen“ nicht aus. Er will sich von Albertine trennen. Beide befinden sich gerade in Marcels Zimmer, als er Albertine die Trennung ausspricht, allerdings erst zum morgigen Tag. So eine Trennung, die schizoide Formen annimmt, habe ich auch noch nicht erlebt. Albertine wundert sich:
>>Wieso morgen? Ist das wirklich Ihr Wille?<< Trotz des Kummers, den ich empfand, wenn ich von unserer Trennung sprach, als sei sie bereits vollzogen – vielleicht zum Teil auch wegen dieses Kummers-, begann ich, Albertine ganz präzise Ratschläge wegen gewisser Dinge zu erteilen, die sie nach ihrem Fortgang aus dem Haus tun sollte. (489) 
Ich habe mich gefragt, wie so eine innere Zerrissenheit, diese innere Spaltung auszuhalten ist.
>>Wir sind glücklich gewesen, und jetzt fühlen wir, dass wir unglücklich werden würden.<<
>>Sagen Sie nicht, wir fühlen, dass wir unglücklich werden<<,  fiel mir Albertine ins Wort,  >>sagen Sie nicht >wir<, denn nur Sie allein finden das.<< (ebd)
Langsam wirft Albertine Marcel böse Verleumdungen vor, wo sie sonst recht geduldig mit Marcels Vorwürfen umgegangen ist.
>>Darf man vielleicht wissen, wer Ihnen solche schönen Dinge erzählt? Könnte ich vielleicht einmal selbst mit diesen Leuten reden? Und vielleicht auch erfahren, worauf sie sich stützen bei ihren Verleumdungen<< –
Daraufhin Marcels Reaktion: 
>>Meine liebe Albertine, ich weiß es nicht, es handelt sich um anonyme Briefe, aber von Leuten, die Sie vielleicht ziemlich leicht auffinden würden (…), denn offenbar kennen sie Sie gut. Der letzte, muss ich gestehen, (ich zitiere gerade ihn, weil es sich da nur um eine Kleinigkeit handelt und weiter nichts  Arges darinsteht) hat mir gleichwohl den Rest gegeben. Es hieß dort, Sie hätten damals, als wir Balbec verließen, zuerst bleiben und hinterher doch abreisen wollen, weil sie inzwischen einen Brief von Andrée bekommen hätten des Inhalts, sie komme nicht.<< (569)
Es zeigt sich, dass  Marcel derjenige ist, der lügt. Dies wird ihm selbst auch mal bewusst,
>>indem ich log, verlieh ich meinen Worten vielleicht mehr Wahrheit, als ich dachte<<. (508)
Wobei Marcel seine Lügen eher philosophisch aufwertet.

Ich mache nun hier Schluss, da man ja nicht allzu viel verraten darf. Aber im Buch gibt es noch jede Menge interessante Textstellen zu finden. So viele Zettelchen kleben mir noch zwischen den Seiten, die ich leider nicht alle bearbeiten kann.

Der Schluss hat mir sehr gut gefallen, denn hier erhält Marcel von Albertine genau das, was er eigentlich verdient hat. Aber auch, was er sich insgeheim erhofft hat.


Mein Fazit?

Dieser frauenverachtende und besitzergreifende Umgang  hat mich angewidert, der sich in allen Bänden wie ein roter Faden durch die Seiten zieht. Doch mittlerweile sehe ich es etwas gelassener, ebenso  Marcels Überheblichkeit betrachte ich zusammen als nichts Anderes mehr als menschliche Schwächen, von denen wir alle nicht frei sind.

Trotzdem habe ich mich immer wieder gefragt, wie eine um Emanzipation bemühte Frau wie Virginia Woolf Proust so sehr lieben konnte? Diese Frauen- und Beziehungsproblematik sind keine Nebensächlichkeiten. Sie ziehen sich durch das ganze Buch hindurch. Man kann sogar sagen, dass der fünfte Band ein reiner Liebesroman gehobener Art ist, da die Liebesthematik hier den meisten Raum einnimmt, weshalb ich unbedingt darüberschreiben wollte.
Man gibt sein Vermögen, sein Leben für ein Wesen hin, und dennoch weiß man genau, dass man zehn Jahre früher oder später ihm dieses Vermögen verweigern und sein Leben lieber für sich behalten würde. Dann nämlich wäre das Wesen von uns gelöst, allein, das heißt gegenstandslos. (133)
Vielleicht hat Virginia Woolf ähnlich gedacht, auch ein Marcel Proust ist nur ein Mensch, der jede Menge Ideen und gute Gedanken hat. Manchmal leider zu wenig selbstkritisch, vielleicht war er dafür noch zu jung. Das wird sich im siebten Band hoffentlich zeigen. Und hoffentlich hat er seinen inneren Frieden noch finden können. Sein Ausgang, die innere Zerrissenheit, nicht nur den Frauen und allen Homosexuellen gegenüber, auch sich selbst gegenüber, erhoffe ich im siebten und letzten Band mit allen seinen Themen eine Befriedung. 

Wobei sich heute noch viele Menschen schwertun, Menschen, die anders geartet sind, zu akzeptieren und zu tolerieren. Und dies nicht nur auf sexueller Ebene.


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
1 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Neun von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch:

Taschenbuch: 695 Seiten, 18,00 €
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (29. November 2004)
ISBN-10: 3518456458
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Man träume den Traum des Lebens immer noch am besten in einer Bibliothek.
 (Marcel Proust)


Gelesene Bücher 2016: 63
Gelesene Bücher 2015: 72
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Gelesene Bücher 2012: 94
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Sonntag, 13. November 2016

Marcel Proust / Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

BD 5 Die Gefangene

Eine Romanbiografie 



Klappentext
Aus dem Französischen von Eva Rechel-Mertens in der Neubearbeitung von Luzius Keller und Sibylla Laemmel. In "Die Gefangene" nimmt Marcel, der am Ende von Sodom und Gomorrha beschlossen hat, Albertine zu heiraten, sie zu sich nach Hause und hält sie dort versteckt. Mit dieser Gefangennahme weicht seine Liebe jedoch einer Eifersucht, die aus ihm den eigentlichen Gefangenen macht. Immer wiederkehrende Themen des fünften Bandes sind der Schlaf und das Erwachen. Die berühmte Szene, in der Marcel die schlafende Albertine beobachtet, ist bereits Vorzeichen ihres Todes... Die von Luzius Keller herausgegebene "FrankfurterAusgabe" umfasst alle von Proust veröffentlichten und nachgelassenen Werke in teils neuer, teils überarbeiteter Übersetzung. 

Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist zu einem Mythos der Moderne geworden. Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen – Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. In Swanns Welt, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, Im Schatten junger Mädchenblüte, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der Suche nach der verlorenen Zeit wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.

Ein zweiter Versuch. Beim ersten Mal musste ich das Buch abbrechen. Es war mir zu langatmig, weiß nicht genau, woran es gelegen haben könnte. Schließlich habe ich im BD 6 rumgeblättert, als ich dann diesen Band dem fünften Band vorziehen musste. Mit BD 6 kam ich besser zurecht.


Meine ersten Leseeindrücke?

Ich fühle mich in meinem Proust-Bild wieder mal bestätigt, was die Frauenfragen betreffen. Aus meiner Sicht ist Proust ein Frauenfeind ... Außerdem neigt er zu Stereotypen, indem er alle Frauen als Lügnerinnen darstellt. 

Dies geht auf der Seite 133 hervor, und auf den folgenden Seiten trägt er nochmals dick auf.  Damit mir jemand glaubt, was für ein verwöhnter Schnösel Proust ist, verweise ich auf diese Seiten. Von klein auf wurde er von den Frauen aus seiner Familie umgarnt, siehe vor allem BD 1. Das hat man nun davon, man sieht, was daraus geworden ist. Er ist aus dieser Kinderliebe einfach nicht herausgewachsen ...

Nun bin ich gespannt … 


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich habe das Buch auf der Suhrkamp-Seite leider nicht finden können. Daher die Informationen aus Amazon.

Taschenbuch: 695 Seiten, 18,00 €
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (29. November 2004)
ISBN-10: 3518456458


Freitag, 11. November 2016

Hans von Dohnanyi / Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben (1)

Verschwörer gegen Hitler

Briefe aus Militärgefängnis und Gestappohaft von 1943-1945


Eine Buchbesprecbung zur o. g. Lektüre

Diese vielen Briefe von Hans v. Dohnanyi stimmen recht betroffen. Sie sind sehr emotional an die Familie, aber ganz besonders an seine Frau Christine Bonhoeffer gerichtet. Vieles wiederholte sich immerzu, aber das war dem Schreiber selbst bewusst …
Und ich schreibe, schreibe immer dasselbe in  tausend Variationen, wie ich es in tausend Variationen immer wiederhole, wenn ich ruhelos auf- und ab wandere. (2016, 62)
Ich zitiere diese Textstelle, damit man von den vielen Wiederholungen im Buch nicht überrascht wird. Oftmals war es recht schwer, diese als Leserin auszuhalten. Manches Mal stand ich kurz vorm Abbrechen, obwohl mir schon bewusst ist, unter welchem enormen seelischen Druck sich dieser Mensch befand. Ohne die Liebe seiner Familie hätte Dohnanyi diese zwei Jahre Haft nicht überlebt, aber was brachte ihm das, wo er sowieso hingerichtet wurde. Dohnanyi hatte bis zum Schluss gehofft ... Zumindest hatte er in dieser Zeit seinen Verstand nicht verloren, und ihm wurde die Zeit durch diese vielen Briefe erträglich gemacht, trotz multipler, schwerer, körperlicher Erkrankungen, mit denen er zusätzlich zu kämpfen hatte.


Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der Jurist Dohnanyi schloss sich bereits Ende der dreißiger Jahre Widerstandskreisen an. 1942 verhalf er einer Reihe von Juden, die als Agenten getarnt wurden, zur Flucht in die Schweiz, im März 1943 war er an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligt, der jedoch fehlschlug. Im April 1943 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen im Zusammenhang mit der Fluchthilfe inhaftiert. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 flog seine Mitarbeit an den früheren Putschplänen auf. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Sachsenhausen gehängt.
Die Sprache ist zudem oftmals verniedlicht und jede Menge Liebessülzen …
Die Briefe wurden alle zensiert, bevor Dohnanyis Familie sie zu lesen bekam. Politische Botschaften wurden von Hans und seiner Frau verschlüsselt kommuniziert.
Vor allem Hans von Dohnanyi übermittelte von nun an umfangreiche Botschaften, indem er in Büchern, die ihm seine Frau bringen durfte, auf jeder Seite jeweils einen Buchstaben oder eine kleine Buchstabengruppe durch einen darunter angebrachten feinen Bleistiftpunkt markierte. Die markierten Buchstaben ergaben, wenn zuerst die auf den geraden, dann die auf den ungeraden Seiten von hinten gelesen wurden, den Text der Nachricht. In diesen Nachrichten erwies sich Dohnanyi als der heimliche Regisseur des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens; denn er informierte nicht nur über den Inhalt seiner Vernehmung und ermöglichte damit den  Mitbeschuldigten die Abstimmung ihrer Aussagen, sondern gab auch präzise Anweisungen, welche Aussagen von welchen Zeugen nützlich seien und wie auf den Verlauf des Verfahren Einfluss genommen werden sollte. (124)
Dohnanyi war ein gläubiger Mensch, der durch die lebensbedrohlichen Umstände in der Gefängniszelle immer wieder zu hadern begann, allerdings ohne seinen Glauben tatsächlich verloren zu haben. Das geht aus einem Brief an seine Tochter Barbara hervor, als er von seinen Kindern einen schönen, bunten Frühlingsblumenstrauß geschickt bekommt. In einem Brief bekundet Dohnanyi seine Freude, wie sehr sich die Familie auf diese Jahreszeit immer wieder gefreut hat:
So haben wir uns auf diese Zeit gefreut! Du hast ganz recht. Aber siehst du, so wenig hat der Mensch sein Los in Händen! Und wir dürfen deswegen nicht anfangen, mit dem Schicksal zu hadern, wir müssen hinnehmen, wie es kommt. So schwer es uns auch fällt. (90)
Selbst seinen Humor hat Dohnanyi nicht verloren. Ich musste so schmunzeln, als er sich bei seiner Familie für das tolle Osterpaket bedankte. Denn schließlich könne man selbst in einem Pappkarton nach Ostereiern suchen ...

Obwohl Dohnanyi Grund gehabt hätte, an seiner prekären Lebenssituation zu verzweifeln, wirkten seine Briefe immer recht hoffnungsvoll, aber auch, weil er seine Frau, die selbst gesundheitlich angeschlagen war, zu schonen versuchte.

Auch die Briefe, die an seine drei Kinder gerichtet wurden, waren erfüllt mit vielen weisen Ratschlägen. Im Folgenden ein kleiner Briefausschnitt, der an Klaus Dohnanyi gerichtet ist:
Dass du Deinen Pflichten und Aufgaben in den Dir zumutbaren Rahmen gerecht wirst, bin ich sicher. Du liebst dein Vaterland ohne Frage und ohne viel davon reden zu machen, hast ein unverbundenes Ehrgefühl, stehst für das ein, was du für richtig erkannt hast, bist hilfsbereit und ein guter, zuverlässiger Kamerad. Bleibe dabei, auch wenn das Leben Dir deswegen Enttäuschung bringen sollte; es ist besser, sich den Glauben an das Gute im Menschen um den Preis solcher Enttäuschungen zu bewahren, als ein Menschenfeind zu werden. (142)
Dohnanyi war ein Vielleser. Kraft schöpfte er z. B. oft auch aus den Charles-Dickens-Büchern.
Ich habe einen schlechten Tag heute: Selbst Bleakhouse macht mich nicht besser. Dieser Dickens ist schon ein wunderbarer Seelenarzt. Warum haben wir ihn eigentlich nicht zusammen gelesen? (89)
Dohnanyi war Jurist von Beruf, ich gehe mal davon aus, dass er keine belletristischen Bücher gelesen hat.
Aus der seelischen Not heraus hat Dohnanyi gelernt, mehr auf seine innere Stimme zu hören und weniger auf seine Vernunft. Er rät seiner Schwester:
(…) vertraue nicht so sehr auf das Wissen, den Verstand und die Erfahrungen Deines Mannes (ich habe jetzt viel Zeit zum Nachdenken, kann dir sagen: Im entscheidenden Augenblick sind sie nichts wert) als auf Deine innere Stimme. (95)
Ein paar Zeilen sind diesbezüglich auch an den Gatten gerichtet:
Und Du lieber Freund, schlage in solchen Augenblicken der Gewissheit, wie Du handeln musst, nicht nur an deine Stirn mit Fragen um Rat - denn was könnte bei uns Männern dabei herauskommen als bestenfalls etwas „Vernünftiges“, sondern hole Dir deinen Rat bei der inneren Stimme Deiner Frau, die hoffentlich Deinen Verstand, Dein Wissen und Deine Erfahrungen nicht allzu hoch einschätzen wird   (glaube mir, wenn es darauf ankommt, sind sie wenig wert!) (ebd,)

Mein Fazit zu dem Buch?

Wie viel Glück wir doch haben, nicht in einer Zeit wie dem Nationalsozialismus geboren worden zu sein. Sich Fragen zu beantworten, wie hätte ich mich verhalten?, wäre recht müßig. Auf welche Seite würde man sich selbst stellen? In Anbetracht unserer momentanen politischen Lage durch den europaweiten Zuwachs von Rechtspopulismus kommen mir schon Zweifel auf, inwiefern der Mensch tatsächlich in der Lage ist, aus der Geschichte zu lernen. Muss man selbst durch eine Zeit wie diese gehen, um Recht und Unrecht am eigenen Leib erfahrbar zu machen?
Hans v. Dohnanyi hat eigentlich Deutschland geliebt, hat es als sein Vaterland betrachtet. Dazu die Sichtweise seines Sohnes Klaus:
Der Polizeiarzt Dr. Tietze, dem mein Vater in den letzten Tagen seines Lebens so vertrauensvolle Offenheit schenken konnte, hatte den Eindruck, dass es für Dohnanyi nur zwei Dinge gab: Seine Familie und das Vaterland. Das Vaterland hatte ihn eingesperrt und gelähmt; die Familie gab es nur noch über das Wort; aber das, was diesen bislang so aktiven Täter immer noch bewegte, über das durfte weder geschrieben noch gesprochen werden. (307)
Er wurde ohne gerichtliche Anhörung hingerichtet, und die Familie wurde nicht mal über seinen Tod benachrichtigt. Dohnanyis Frau Christine startete eine Suchaktion, bis sie ihn schließlich nach dem Ende des Krieges für tot erklärte.

Von einer Buchbewertung sehe ich aus Respekt gegenüber dem Autor und dessen Familie ab, da ich der Meinung bin, dass man solche Bücher mit diesem Hintergrund nicht bewerten sollte, ganz gleich, wie gut oder wie weniger gut sie geschrieben sind …


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar beim DVA-Verlag bedanken.

Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von DVA, Randomhouse München.

DVA-Verlag
€ 24,99 [D] inkl. MwSt.
€ 25,70 [A] | CHF 33,90* 

(* empf. VK-Preis) 
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-421-04711-3
Erschienen: 14.09.2015, 350 Seiten


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 Erinnerungen sind keine Abschnitte in Handbüchern …
(Bodo Kirchhoff)

Gelesene Bücher 2016: 62
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