Sonntag, 18. Oktober 2015

Mein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse / 17.10.2015, Gastland Indonesien

Der Morgen verlief nicht wirklich nach Plan. Ich hatte mich am Abend zuvor recht ausführlich auf die Buchmesse vorbereitet, indem ich mir eine Skizze erstellte. Welche von mir favorisierten AutorInnen würden vertreten sein, und in welchen Foren bzw. an welchem Stand kann man an deren Lesungen teilnehmen?

Mein Zug sollte um 9:25 Uhr vom Darmstadt Hauptbahnhof abfahren, doch er kam mit zehnminütiger Verspätung. Als er dann schließlich anrollte, und eine Masse an Fahrgästen in den Zugabteilen sich hineinzwängten, fuhr der Zug dann so allmählich ab. Aber im Schneckentempo. Um 10:30 Uhr wollte ich an der Lesung von Paul Maar teilnehmen. Eigentlich benötigt man mit der Regionalbahn nur zwanzig Minuten bis nach Frankfurt. Das war heute nicht so. Leider kam ich verspätet an der Lesung an.


Auf dem Darmstädter Hauptbahnhof fand ich wie in den anderen Jahren zuvor erneut schicke Literaturfiguren. Eine hat mir besonders gut gefallen und so durfte ich mit ihrer Erlaubnis ein Foto schießen und in meinen Blog platzieren.


Für mich war sie Madame Bovary, geschrieben und literarisch porträtiert von Gustave Flaubert. 






Gut, dass ich für die Buchmesse vorbereitet war, so musste ich nicht erst suchen, wo ich Paul Maar finden konnte. Überall standen, auch an den Infoständen, lange Schlangen. Trotzdem war ich von der Fülle an Menschen arg überwältigt. Es ging größtenteils nur mit Trippelschritten voran. Das ist nicht jedes Jahr so gewesen. Am liebsten wollte ich mich wieder verkriechen, s. Foto unten. Ich hoffte anfangs, ich würde durch die AutorInnen schon noch entschädigt werden und bat mich selbst um Geduld. 




Ich komme nun zu Paul Maar, der wieder über seine Bücher gesprochen hat. Wie sei es dem Autor möglich, Kinderbücher zu schreiben, wo doch seine Kindheit schon so lange zurückliegen würde? Und die Kinder heute wachsen in einer digitalen Welt auf, ganz anders also als die Kinder vor zwanzig Jahren.

Paul Maar erwiderte, dass er tiefe Wurzeln in der Vergangenheit haben würde. Er bestätigte, dass sich die Kindheit heute gewandelt habe, aber es würden auch Themen existieren, die zeitlos seien, wie z. B. die Hierarchie unter den Geschwistern, oder die Trennung der Eltern, ect.

Was PC-Spiele betrifft, so kann auch Paul Maar ein Lied davon singen. Er musste alle seine Spiele vom PC löschen, sosehr ergriffen wurde auch er davon.


Die nächste Frage lautete, woher er seine Figuren und Ideen nehmen würde? „Meine Figuren wissen ganz genau, wann sie zu kommen haben. Wenn ich mich an den Schreibtisch setze, dann kommen sie auch.“

Paul Maar würde sehr viel Fanpost von seinen jungen LeserInnen erhalten, und er würde auch jeden Brief beantworten.
Was sind die blauen Punkte auf Sams Nase? 
Das sind Wunschpunkte.
Ein Beispiel eines kleinen Mädchens, das von ihrem dicken Kater schrieb, der an Krebs erkrankt sei. Sie fragte, ob Sams auch Krebs habe, weil auch er so dick sei. Nein, erwiderte Paul Maar, Sams habe keinen Krebs, er sei einfach  nur verfressen. Die junge Leserin fragte, ob sie auch einen Wunschpunkt haben könnte, um sich den Kater gesund zu wünschen. 


Weiter geht´s zu Mario Adorf. Ich habe noch ein wenig Zeit und kann in Ruhe den Stand aufsuchen, während ich zwischendrin mir noch Bücher anschaute.

Mario Adorf habe nicht nur schauspielerisches Talent, nein, er sei auch mit einer großen Portion Schreibtalent ausgestattet.
Seine erste Rolle erhielt er schon als Kind. Eine Zwergenrolle, er spielte den kleinsten Zwerg.

Mario Adorf war zu seiner Schulzeit der Klassenclown. Auch ahmte er gekonnt seine Lehrer nach, bei denen


er sich unbeliebt machte. Kann ich mir sehr gut vorstellen, hihihi.

Mario Adorf, Jahrgang 1930, war auch Mitglied in der Hitlerjugend. Doch die Ernsthaftigkeit hatte er aufgrund seines jungen Alters damals noch nicht erfassen können. Für ihn war die HJ nur ein Spiel. Mit dreizehn Jahren meldete er sich zum freiwilligen Kriegsdienst, zu dem es aber schlussendlich nicht gekommen sei.

Adorf über seine Schreib- und Erzählkunst. Schreiben sei eine viel strengere Disziplin als das Erzählen. Adorf habe während des Schreibens immer das Publikum vor Augen. Er schreibe auch nur für das Publikum, nie für sich selbst. Sein Ziel sei immer, Helligkeit und Heiterkeit in das Dunkle zu bringen. 

Und nun weiter zu Ilja Trojanow. Ein sehr ruhiger und recht sympathischer Schriftsteller. 

Trojanow liest aus seinem neuesten Roman: Macht und Widerstand. In dem Buch geht es um einen totalitären Staat Bulgariens, der schwer zu überwinden sei. Die Menschen seien so schwer traumatisiert, dass sie es nicht wagen würden, über ihre Erfahrungen, bzw. über ihren Schmerz zu erzählen. Dominanz würde in der Stille, im Schweigen liegen. Wenn geredet werden würde, dann nur über das Unwesentliche, um vom Wesentliche abzulenken. Wie könne es sich eine Gesellschaft leisten, über die eingeprügelte Gewalt zu schweigen? 

Trojanow bezeichnet das Volk in Bulgarien zwar als machtlos, aber es sei nicht ohnmächtig. 
Die Kostümierung von Macht und Herrschaft würden abfallen, wenn man genug Humor aufbringen könne. Die Herrscher würden alles andere als Humor mögen ... 

Ich habe beschlossen, mir auch dieses Buch von dem Autor zu beschaffen.

Nach der Lesung hatte ich bis zur nächsten Lesung ein klein bisschen Zeit und schaute mir die Bücher aus den verschiedensten Verlagen an. Habe zu unserer derzeitigen politischen Lage etwas Schönes gefunden, das ich meinen jungen Neffen zu Weihnachten schenken werde.







Versehentlich bin ich im Anschluss an Trojanow in ein falsches Forum geraten. Ich erwartete Rafik Schami, der nicht kam. Ich wusste allerdings, dass er auch vom Hessischen Rundfunk, ARD, eingeladen wurde. Also begab ich mich erneut auf die Tour und suchte das F0 - Forum auf.



Rafik Schami kann man schlecht sehen auf dem Foto aber zumindest konnte ich ihn live erleben und das Interview hat dazu geführt, dass ich sein neuestes Buch in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung käuflich erwerben konnte.


Ich hätte das Foto zuschneiden können, aber das wollte ich in diesem Fall nicht. Ich möchte die Wirklichkeit in der Buchmesse so festhalten, wie sie war. 

Man hatte aber auch die Möglichkeit, das Interview in dem Forum während der Live-Übertragung über TV zu verfolgen.

Rafik Schami äußerte sich recht ausführlich über die europaweite Flüchtlingswelle und dass Deutschland den Namen Mutter Theresa verdient habe, während andere Länder Stacheldraht oder Mauern hochziehen würden, die damit den Flüchtlingsstrom aber nicht abreißen würden können. 

Ganz so einseitig sehe ich diese sog. Willkommenskultur nicht, denn ich kenne genug andere Leute, die auf hohem Niveau jammern, dass man so viel für die Fremden tun würde und zu wenig für das eigene Volk. Es gibt relativ viele treue Merkel-WählerInnen, die die Absicht haben, sie bei der nächsten Bundestagswahl abzuwählen. Es herrschen ja diesbezüglich Unruhen auch in anderen Teilen Europas. Rafik Schami gab ein paar hilfreiche Statements von sich, wie man diesen Flüchtlingen innerhalb ihres eigenen Landes und Kontinents helfen-, so dass ein Abwandern verhindert werden könnte.
Schami appellierte an die Menschen mit dem muslemischen Glauben um mehr Toleranz den Menschen der westlichen Welt gegenüber und plädierte für eine Selbstkritik des Islams.

Zwei AutorInnen, Peter Härtling und Verena Luecken sind doch nicht am Wochenende zur Buchmesse erschienen, was ich sehr schade fand, da sie erst angekündigt waren. Aber ganz so traurig bin ich nicht. Es wäre mir vielleicht zu viel geworden. Ich musste schon das Autorenforum platzen lassen.


Nun geht es weiter in das Forum F1, in dem Indonesien gastierte.

Es war recht dunkel in dem Saal, aber angenehm, denn er wurde von vielen schönen Buchseiten, Lampen, beleuchtet. Indonesien bringt viel Licht in das Dunkle. Und teilweise ohne viel Worte und ohne jegliche Buchstaben.





Jede Menge Stände mit landesüblichen Gewürzen. Ich fotografierte aber nur einen Gewürzstand.




Musikinstrumente, die ich zuvor noch nie gesehen habe. 





Jede Menge Comics gab es zu sehen. Wegen der Reizüberflutung habe ich nur einen Band fotografiert. 





Eine Lesung in der Muttersprache. Man begegnete hier recht viele Indonesier mit ihren Familien. Fand ich höchst interessant.




Und hier der deutsche Inselkenner Lothar Reichel und sein neuestes Werk Insel der Dämonen. Mir ist der Autor eigentlich unbekannt. Habe aus dem Klappentext entnehmen können, dass Reichel ein Weltenbummler sei und sich sehr gut in Asien auskennen würde. Er hat zudem jede Menge Krimis verfasst. Das vorliegende Buch scheint wohl auch ein Krimi zu sein, aber es findet alles auf der Insel Bali statt. 


Und zum Abschluss ein Nationalgericht auf einem Bambusteller. Und auch noch alles vegan.

Nach dem Essen begab ich mich auf dem Weg nach Hause. Ich muss schon sagen, ich leide schon ein wenig unter dieser Reizüberflutung, der man auf der Buchmesse ausgesetzt sein kann. Zu Hause musste ich alles von mir abfallen lassen; Taschen, Jacken, Gedanken wie eine zweite Haut von mir abwerfen, und den Kopf wieder frei machen. Habe meinen Fernseher eingeschaltet und mir eine DVD gegönnt, um ein wenig die Buchmesse zu vergessen, die ich, wie anfangs schon berichtet, als sehr anstrengend empfunden habe. Und trotzdem bereue ich es nicht, mich dieser Strapaze ausgesetzt zu haben.

Würde ich jedes Jahr wieder tun. Ich habe mich durch die AutorInnen entschädigt gefühlt.








  

Freitag, 16. Oktober 2015

Francesca Marciano / Stimmen aus Glas

Klappentext
Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: die zurückhaltende, in einer Lebenskrise befangene Maria Galante aus Rom und die extrovertierte Imogen Glass aus London. Ein gefährlicher Auftrag führt die beiden zusammen nach Afghanistan: Sie sollen zwangsverheiratete Frauen in den abgelegenen Dörfern porträtieren. Der Weg dorthin führt durch ein zerrissenes Land, das den Militärs, Söldnern und Waffenhändlern wehrlos ausgeliefert scheint.


Autorenporträt
Francesca Marciano wurde 1955 in Rom geboren. Sie arbeitete zunächst als Schauspielerin, Regisseurin und dann als Korrespondentin des italienischen Fernsehens in New York. Für ihre Filmdrehbücher (z.B. "Ich habe keine Angst", 2003) erhielt sie u. a. den "David-di-Donatello-Preis" sowie eine Oscar-Nominierung. Sie lebte viele Jahre in Kenia, wo sie ihren ersten Roman "Himmel über Afrika" (Blessing, 1998) schrieb. Auch ihr zweiter Roman "Casa Rossa" (2002) wurde ein internationaler Erfolg. Francesca Marciano lebt heute in Rom.

Die Autorin ist mir unbekannt und bin so auf ihr Thema gespannt.


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Christa Hein / Der Blick durch den Spiegel (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Meiner Meinung nach ist das Buch recht gut geschrieben. Allerdings hat es mich nicht wirklich gefesselt und ich kann einfach nicht sagen, woran es gelegen haben könnte. Vielleicht das falsche Buch zur falschen Zeit?
Die Autorin schreibt recht authentisch, fantasievoll und sehr reflektiert. Zumindest die Protagonistin dieses Buches bezeichne ich als eine recht reflektierte Persönlichkeit, die   häufig ihr Leben hinterfragt, und vor allem das Leben ihrer Mutter, um nicht in ihre Fußstapfen zu treten. Sie reflektiert ihre Männerbeziehungen und geht recht metaphorisch damit um. 

Dieses Werk hat mich aber stark an Tolstois Buch Anna Karenina erinnert und tatsächlich, hundert Seiten weiter  lerne ich die Dänin Johanna Andersson kennen, die Anna Karenina in den Händen hält und darin liest. Durch die dazukommende Gesellschaft, sie befinden sich alle auf dem Schiff in Richtung Asien, wird sie von der Lektüre unterbrochen. Hatte ich einen guten Riecher? Sicher. Das war nicht das erste Mal, dass mich der Inhalt eines Buches an ein anderes Buch erinnern lässt. Anna Karenina hatte ich vor zig Jahren auch gelesen und dieses Buch hatte mich mehr als gefesselt.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Wir befinden uns in Riga zu Beginn unseres Jahrhunderts: Es ist die Zeit großer Umbrüche. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, Sophie Berkholz, Ende Zwanzig, Lieblingstochter ihres Vaters, eines angesehenen Legationsrates. Die selbstbewusste Sophie, groß und schlank, gehörte zu den ersten Frauen, denen es gestattet wurde, ein Mathematikstudium zu absolvieren. Doch trotz hervorragender Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin für Mathematik am Rigaer Polytechnikum ist Sophie nicht glücklich: Sie bleibt den vorgegebenen Mustern ihrer Gesellschaftsschicht verhaftet. Auch die Ehe, die sie schließlich mit Albert eingeht, nimmt nach dem euphorischen Beginn schnell bedrückende Züge an: Nach der Geburt der Tochter Lina erkennt Sophie schließlich, dass sie dabei ist, das verhasste Leben ihrer Mutter zu wiederholen. Im Jahre 1903 beginnt Japan mit seiner fieberhaften Aufrüstung gegen das russische Reich. Albert, ein für seine innovativen Ideen gefragter Konstrukteur, wird im militärischen Auftrag des Zaren an die östlichste Spitze des Landes nach Port Arthur ans Gelbe Meer beordert. Sophie entschließt sich gegen den Widerstand der Eltern, ihm zu folgen. In ihrem Gepäck führt sie geheime Unterlagen ihres Mannes mit sich. Eine lange und abenteuerliche Reise mit der gerade fertiggestellten Transsibirischen Eisenbahn beginnt, eine Fahrt voller Ereignisse und folgenreicher Begegnungen, bei der es zu Verwicklungen, Verschwörung, ja sogar zu Mord kommt: bleibende Eindrücke, die Sophies Blick auf die Welt verändern.
Das Buch beinhaltet viele Reiseszenen, man befindet sich auf einer Weltreise, in die man sich gut reinversetzen kann. Sowohl mit dem Zug als auch mit dem Schiff.

Es ist ein historischer Roman und beinhaltet den Krieg zwischen Russland und Japan zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts …

Auch ist es ein gesellschaftskritischer Roman, in dem die Protagonistin Sophie Berkholz als Frau eine besondere gesellschaftliche Stellung innehat. Nicht nur beruflich, sondern auch im Bereich der Ehe und Familie. Sophies Wunsch war, als Frau unabhängig zu bleiben, doch die gesellschaftlichen Konventionen holen schließlich auch sie ein. Schon die Eltern stellen an ihre Tochter hohe Anforderungen, endlich eine Ehe einzugehen, Kinder zu bekommen und eine gute Ehefrau und Mutter abzugeben. Dass sie ein Mathematiktalent ist, das ehrt sie keineswegs. Sophie verliert ihre Dozentenstelle an dem Polytechnikum, und etwas später bringt sie in Erfahrung, dass die Eltern etwas mit dieser Kündigung zu tun hatten ...

Die Eltern versuchten Sophie mit einem Engländer namens Ashton zu verkuppeln ...

Doch das Schicksal wollte es anders, hatte ein anderes Leben für Sophie vorgesehen. Sie lernt den dänischen Brückenbauer Albert kennen, der beruflich wegen der vielen Aufträge um die Welt reist … Zwischen Albert und Sophie kommt es ziemlich schnell zu einer Vermählung und ziemlich schnell wird ein Kind geboren. Ein Mädchen namens Lisa. Doch Sophie hatte keine Lust, sich in die Rolle einer Mutter und Ehefrau pressen zu lassen und reist Albert nach Japan nach, obwohl Sophies Eltern davon abgeraten hatten. Das Kind blieb bei den Angehörigen und der Kinderfrau zurück.

Lisa sei schließlich nicht nur ihr Kind, sondern auch das des Mannes.

Auf der langen Reise lernt Sophie den amerikanischen Journalisten Stanton kennen und verliebt sich neu …

Als aus dieser Liebe mehr geworden ist als eine reine Gelegenheitsbeziehung, bekennt Sophie das ihren Eltern, nach dem auch ihr Mann Albert dahintergekommen ist. Sophies Eltern sind entsetzt, Ashton allerdings macht sich neue Hoffnungen und besonders Sophies Mutter fühlt sich von der Tochter angewidert.
Sophie hatte nicht auf ihr Verständnis gehofft. Sie wusste: Die Mutterliebe dieser Frau war eine Pflichtauffassung.
Doch auch bei Stanton war sie nicht bereit, sich ihm anzuschließen, ihm nach Amerika nachzureisen, "um die eigenen Pläne passend zu machen für die Pläne eines Mannes".  

Sophie war eine patente Frau, die ihren eigenen Weg geht, auch mit dem Risiko, auf gesellschaftliche Hürden zu stoßen. Sie hat sich beruflich auch einen völlig anderen Weg aufgebaut und wird Fotojournalistin. Ihren ersten Fotoapparat bekam sie von Albert geschenkt, der in ihr die Fähigkeit, gute Fotos zu schießen, weckte.

Das Buch endet keinesfalls so tragisch wie das von Leo Tolstoi.

Es erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 56
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 6. Oktober 2015

Christa Hein / Der Blick durch den Spiegel

Klappentext
Wir befinden uns in Riga zu Beginn unseres Jahrhunderts: Es ist die Zeit großer Umbrüche. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, Sophie Berkholz, Ende Zwanzig, Lieblingstochter ihres Vaters, eines angesehenen Legationsrates. Die selbstbewußte Sophie, groß und schlank, gehörte zu den ersten Frauen, denen es gestattet wurde, ein Mathematikstudium zu absolvieren. Doch trotz hervorragender Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin für Mathematik am Rigaer Polytechnikum ist Sophie nicht glücklich: Sie bleibt den vorgegebenen Mustern ihrer Gesellschaftsschicht verhaftet. Auch die Ehe, die sie schließlich mit Albert eingeht, nimmt nach dem euphorischen Beginn schnell bedrückende Züge an: Nach der Geburt der Tochter Lina erkennt Sophie schließlich, daß sie dabei ist, das verhaßte Leben ihrer Mutter zu wiederholen.
Im Jahre 1903 beginnt Japan mit seiner fieberhaften Aufrüstung gegen das russische Reich. Albert, ein für seine innovativen Ideen gefragter Konstrukteur, wird im militärischen Auftrag des Zaren an die östlichste Spitze des Landes nach Port Arthur ans Gelbe Meer beordert. Sophie entschließt sich gegen den Widerstand der Eltern, ihm zu folgen. In ihrem Gepäck führt sie geheime Unterlagen ihres Mannes mit sich. Eine lange und abenteuerliche Reise mit der gerade fertiggestellten Transsibirischen Eisenbahn beginnt, eine Fahrt voller Ereignisse und folgenreicher Begegnungen, bei der es zu Verwicklungen, Verschwörung, ja sogar zu Mord kommt: bleibende Eindrücke, die Sophies Blick auf die Welt verändern.


Autorenporträt
Christa Hein, geboren 1955 in Cuxhaven, veröffentlichte in deutscher und englischer Sprache. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin und Dozentin in Berlin.
Ihr erfolgreiches Debüt Der Blick durch den Spiegel erschien 1998 in der Frankfurter Verlagsanstalt, es folgten die Romane Scirocco (FVA 2000) und Vom Rand der Welt (FVA 2003). Im Herbst 2015 erscheint ihr neuer Roman Der Glasgarten.
Erworben habe ich das Buch über Bücher-Oxfam. Die ersten Seiten finde ich schonmal recht interessant. Bin neugierig auf Weiteres.


Montag, 5. Oktober 2015

J. R. Moehringer / Knapp am Herz vorbei (1)

Lesen mit Anne ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun bin ich mit dem Buch durch, das sich als eine Biografie zu einem versierten Bankräuber namens Willie Sutton erwiesen hat, der tatsächlich existiert hat. Geboren ist Sutton im Jahre 1901 in Boston, Bundesstaat New-York. Eine sehr interessante Persönlichkeit, die ein wenig den Geist des Robin Hoods besitzt.

Diese Lektüre hat mich nicht mehr losgelassen. Habe jede Seite mit vollem Interesse verfolgt. Der Autor hat mich mit diesem Buch schlichtweg geschwängert an Gedanken, lol. Das sind so viele, die ich hier nicht alle festhalten kann. Ein tolles Buch zu Amerika und seiner Gesellschaft. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten … Von wegen. So einfach ist das dann doch nicht. Das Land, das es nur mit den Wohlhabenden gut meint. Das angeblich freie Amerika produziert sowohl Gewinner als auch Verlierer, wobei die Gewinner die Wohlhabenden sind, die ihren Wohlstand  zu vermehren wissen. In der Zeit der Depression, dem Bankencrash, der Weltwirtschaftskrise. Amerika, das parallel dazu mehr als 14 Mio. Arbeitslose bis zum Ende der 1930er Jahre zählte.

Das Buch erinnert mich deutlich an den deutschen Autor Hans Fallada. Die Nöte der Menschen, die aus den unteren Gesellschaftsschichten stammen, haben es schwer, zu überleben.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
New York, Weihnachten 1969. Willie Sutton packt seine Bücher ein und räumt die Zelle. Endlich Freiheit. Nach siebzehn Jahren. Doch die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Mit einem Fotografen und einem Reporter fährt er durch das verschneite New York auf den Spuren seiner legendären Vergangenheit: Die Kindheit im irischen Viertel, der erste Raub, dann 200 Banküberfälle, ohne je einen einzigen Schuss abzufeuern - und immer wieder Bess, die ihm das Herz brach. Wie ein Puzzle setzt sich Seite für Seite Suttons Leben zusammen. Was dabei Wirklichkeit und was Erfindung war, werden wir nie erfahren. Aber was macht das schon. 
In der Welt gibt es keinen Platz für mittellose Menschen. Willie gehört dazu. Nachdem er die Schule beendet hatte, er ging nicht auf eine weiterführende Schule, obwohl er Klassenbester war, da sich die Familie diese nicht leisten konnte, versuchte er auf dem freien Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden.
Immer mal wieder kurze Arbeitsstellen, mit immer neuen Entlassungen, obwohl Willie fleißig war, doch die miese wirtschaftliche Lage konnten neuen Angestellten nur befristete Verträge anbieten.

Willie wälzt sämtliche Stellenangebote durch, doch alle verlangen beste Referenzen und Berufserfahrung. Selbst zum Tellerwäscher werden Kompetenzen und Referenzen eingefordert … Wie soll ein Schulabgänger      Berufserfahrung nachweisen können? Wie, wenn ein Berufsanfänger diese Chance nicht mal bekommt?

Für mich zählt Willie zu den Verlierern der Gesellschaft. Schon seine Kindheit verlief schräg. Seine erste Liebe mit Bess erweist sich auch als recht kompliziert, die genauso wenig Beständigkeit zeigt … Willie fühlt sich zu einer Prostituierten namens Wingy hingezogen, der eher in ihr eine Freundschaft sucht und kein Liebesleben ...

Den ersten Raubüberfall verursachte Willie durch Bess, die ihn dazu brachte, den Tresor ihres Vaters zu knacken …

Willie entwickelte sich zu einem Serientäter. Dadurch, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, erwarb er viel Sympathie unter dem Volk. Während seiner Einbrüche gab es keine Toten und auch keine Verletzten. Und mit dem erworbenen geraubten Geld bereicherte er auch andere bedürftige Menschen. Er lebte nach dem Motto, wenn die Reichen mir keine Arbeit geben können, dann muss ich mir holen, was andere zu viel haben.

Die Einbrüche machte Willie zu seiner Berufung … Er war damit nicht allein. Er hatte Komplizen. Doch Willie erwies sich als der Sanfteste von allen …

Er wusste, dass seine Einbrüche nicht rechtens waren, sie waren falsch, jawohl, das wusste er, aber es sei auch falsch, dass er Hunger hatte, und kein Geld, um sich Nahrung zu beschaffen.

Willie war nicht nur ein Räuber, nein, er war auch eine echte Leseratte. Er konnte ganze Stunden in Bibliotheken zubringen. Er war auch ein Fan von Marcel Proust. Er las alle seine Bände im Knast. Die Journalisten berichteten darüber in den Zeitungen, und so wurden die Buchläden von Lesern bestürmt, die, beeinflusst durch Willie, nun auch alle Proust lesen wollten ...
Als die Bücher im Knast knapp wurden, lernte er ganze Bücher auswendig, um sie für immer im Kopf zu behalten. Eine starke Leistung …

Mein Fazit?
Das Buch liest sich wie ein Krimi, nur ist es besser als ein Krimi. Viel authentischer, während Krimis oftmals szenisch zu künstlich dargestellt werden, weil die Aktionen eher erfunden sind. Moehringer ist durch seine journalistische Tätigkeit näher an kriminalistiche Fälle. Man merkt dem Autor seine Professionalität und seine Erfahrung an. Und er ist nicht irgendein Journalist. Nein, er ist aus meiner Sicht ein ganz besonderer, schreibbegabter und ein empathischer, menschlicher noch dazu, der den Menschen, die es schwer in der amerikanischen Gesellschaft haben, seine Stimme leiht.

Anne ist ebenso von dem Buch angetan. Wir werden uns am kommenden Freitag telefonisch austauschen ...

Annes Buchbesprechung

Geeignet ist das Buch nicht, so seid gewarnt, für VeganerInnen ...  Tieren gegenüber findet man recht heftige Szenarien, die mich schon regelrecht geschüttelt haben, aber Realität pur. Weltweit werden Tiere brutalst geschändet und jedes Land auf eine besondere Art und Weise. Auch die tierhafte Nahrung hat mich geschüttelt. 

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten …

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 55
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Freitag, 2. Oktober 2015

J. R. Moehringer / Knapp am Herz vorbei

Lesen mit Anne ...

Es ist wieder Monatsbeginn, Anne und ich lesen gemeinsam ein Buch. Das o. g. Buch habe ich diesmal ausgesucht.


Klappentext
New York, Weihnachten 1969. Willie Sutton packt seine Bücher ein und räumt die Zelle. Endlich Freiheit. Nach siebzehn Jahren. Doch die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Mit einem Fotografen und einem Reporter fährt er durch das verschneite New York auf den Spuren seiner legendären Vergangenheit: Die Kindheit im irischen Viertel, der erste Raub, dann 200 Banküberfälle, ohne je einen einzigen Schuss abzufeuern - und immer wieder Bess, die ihm das Herz brach. Wie ein Puzzle setzt sich Seite für Seite Suttons Leben zusammen. Was dabei Wirklichkeit und was Erfindung war, werden wir nie erfahren. Aber was macht das schon.


Autorenporträt
J.R. Moehringer führte mit seinem ersten Buch ›Tender Bar‹ weltweit monatelang die Bestsellerlisten an. Er wurde 1964 in New York geboren, er studierte in Yale und war Reporter bei der Los Angeles Times. 2000 gewann er den Pulitzer-Preis.
Gemeinsam haben wir von dem Autor auch sein Debüt-Roman Tender Bar gelesen. Und weil es uns so gut gefallen hat, haben wir uns nun auch das hiesige Buch angeschafft. Und leider gibt es keine weiteren Bücher von ihm. Der Autor ist Jahrgang 1964, also noch jung genug, um weitere Bücher zu schreiben. Zumindest hoffen wir das.

Die ersten hundert Seiten haben wir nun durch, und wir sind beide wieder von dem Inhalt des Buches recht angetan.


Hier geht es zu unserer gemeinsamen SuB-Liste


Montag, 28. September 2015

Impressum


(gültig ab 20. Mai 2012)


Angaben gemäß § 5 TMG:


Mirella Pagnozzi

Landskronstr. 46
64285 Darmstadt


KONTAKT:

Telefon mobil: 0162-6938877

E-Mail: mirella-pagnozzi@t-online.de
_____________________________________________________________________________
Haftungsausschluss (Disclaimer)

Angaben gemäß § 5 TMG

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Henning Mankell / Der Chronist der Winde (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich heute Vormittag beendet. Mir hat es recht gut gefallen. Wieder mal viele, viele Zettelchen zwischen den Seiten. Doch ich habe nun beschlossen, meine Buchbesprechung auf zwei Szenen zu fokussieren ...

Das Buch ist stellenweise grauenvoll. Das ist allerdings die Realität von Straßenkindern in Schwarzafrika. Straßenkinder, die zu Waisen gemacht wurden, weil ihnen die Eltern auf kriminalistische Art und Weise genommen wurden in einem Land, in dem Verbrechen nicht geahndet werden und in dem es keine Demokratie gibt. Die Geschichte im Buch ist recht authentisch geschrieben und dadurch sehr lesenswert. Endlich mal ein Autor aus der westlichen Welt, Mankell ist Schwede, der respekt- und achtungsvoll über die Probleme eines anderen Landes zu schreiben weiß. Mankell schreibt über Afrika, als wäre er ein Teil davon. Als wäre er dort aufgewachsen ... Mankell ist für mich ein Mensch, der über jede Menge Empathie verfügt. Mankell ist ein versierter Afrikakenner.

Sich in die Nöte anderer Menschen hineinzuzuversetzen, unabhängig der Hautfarbe, das schaffen nur ganze wenige Menschen. Auch Autoren sind recht rar, die dazu in der Lage sind, wenn es darum geht, die politischen und die kulturellen Verhältnisse in ihren Büchern aufzuzeichnen. Die meisten schreiben über andere Länder mit den Maßstäben und Wertesystemen, die sie gewöhnt sind und sie diese in ihren Köpfen mit in das Land tragen, über das sie schreiben möchten. Meist werden immer die Werte der eigenen Kultur aufgewertet und die andere Kultur abgewertet. Mankell ist ganz anders. Man könnte echt meinen, er sei ein afrikanisches Kind gewesen.

Dafür alleine hat Mankell schon seine zehn Punkte verdient.

Im Folgenden, wie oben schon gesagt, gibt es zwei Szenen, die ich hier festhalten möchte. Doch zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
»Man kann fliegen, ohne sichtbare Flügel zu haben.«Nelio, ein zehnjähriges Straßenkind, erzählt um sein Leben. Er liegt mit einer Schusswunde auf dem Dach eines afrikanischen Hauses und weiß, dass er sterben wird, sobald seine Geschichte zu Ende ist. Er erzählt, wie die Banditen sein Dorf überfielen und seine Schwester massakrierten. Wie er floh, den Weg in die große Stadt fand und Anführer einer Bande von Straßenkindern wurde. Vor allem aber erzählt er vom Leben dieser schwarzen Kinder. Und vom Paradies, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist und das man doch finden kann.
Es gibt Kinder, die keine Kindheit haben. Kaum sind sie auf der Welt, werden sie schon recht früh mit Problemen konfrontiert, für die sie eigentlich noch zu jung sind. Probleme, mit denen Erwachsene schon überfordert sind. Probleme, die Erwachsene aber auch machen, und sie die Kinder mit hineinziehen. Stellenweise sind recht grausame Szenen zu lesen. Menschen, die sich so bestialisch verhalten, dass man sich fragen muss, was diese Bestien zu Menschen macht? Haben sie überhaupt den Titel MENSCH verdient? Oder was macht Menschen zu Bestien? Diese Frage stellte ich mir nicht allein, auch der kleine, zehnjährige Nelio stellte sie sich. Nelio, der Zeuge wurde, als Banditen sein Dorf in Brand setzten und sie die wenigen Habseligkeiten, die diese Menschen besaßen, raubten. Sie raubten auch Menschen. Sie raubten Kinder, um sie zu ihren Soldaten zu machen. Sie raubten aber auch Kinder, und nur, um sie zu töten. Nelio sah, als seine eigene Mutter geprügelt wurde, als sie ihr das Mädchen, Nelios Schwester, von ihrem Rücken gerissen hatten, den Säugling in die große Tonne legten, und der Mutter befahlen, sie solle das Kind in der Tonne mörsern, wie sie Mais gemörsert hatte. Die Mutter war dazu nicht in der Lage, so nahm der Bandit selbst den Stock in die Hand, und mörserte damit auf das kleine Mädchen ein, das erst vor Angst brüllte und die Schreie mit dem Mörsern und Töten schnell zum Ersticken gebracht wurden …

Das können Erlebnisse von Kindern sein, die in einem Land geboren werden, in dem es nur die Armut, Gewalt und Unterdrückung gibt. Man nimmt armen Menschen das bisschen, das sie haben. Sogar die Würde …

Nelio wurde auch gekidnappt. Gemeinsam mit seinem Bruder und vielen anderen Kindern. Er erhielt, nach dem die Reise beendet war, ein Gewehr in die Hand mit dem Befehl, den Jungen, der ihm gegenüberstand, zu erschießen, damit er schnell lernen könne, andere zu töten. Dieser Junge war sein Bruder, der entsetzlich weinte vor Angst. Nelio brachte es nicht fertig. Stattdessen drehte er sich zu dem Befehlshaber und schoss ihm mitten in die Stirn. Nelio ließ daraufhin das Gewehr fallen, rannte und rannte und rannte …

Mein Fazit?
Wo menschliche Nöte sind, findet man oftmals Weisheit ... 
Der zehnjährige Nelio dachte so weise wie ein alter Mann ... 

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Gelesene Bücher 2015: 54
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Freitag, 25. September 2015

Henning Mankell / Der Chronist der Winde

Klappentext
»Man kann fliegen, ohne sichtbare Flügel zu haben.«Nelio, ein zehnjähriges Straßenkind, erzählt um sein Leben. Er liegt mit einer Schusswunde auf dem Dach eines afrikanischen Hauses und weiß, dass er sterben wird, sobald seine Geschichte zu Ende ist. Er erzählt, wie die Banditen sein Dorf überfielen und seine Schwester massakrierten. Wie er floh, den Weg in die große Stadt fand und Anführer einer Bande von Straßenkindern wurde. Vor allem aber erzählt er vom Leben dieser schwarzen Kinder. Und vom Paradies, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist und das man doch finden kann.


Autorenporträt
Henning Mankell geboren 1948 in Härjedalen, ist einer der angesehensten und meistgelesenen schwedischen Schriftsteller, vor allem bekannt durch seine Wallander-Krimis. Er lebt als Theaterregisseur und Autor abwechselnd in Schweden und in Maputo/Mosambik. Seine Taschenbücher erscheinen bei dtv.





Donnerstag, 24. September 2015

Maarten `t Hart / Die Sonnenuhr (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Dieser Krimi, der alles andere als blutrünstig ist, hat mir recht gut gefallen. Ich wusste gar nicht, dass Maarten ´t Hart Krimis schreibt. Es hat mich nun neugierig gestimmt, welches Genre er in seinen anderen Bänden behandelt.

Da dies ein Krimi ist, darf man keine Zeile zu viel erzählen, weshalb ich mich hier recht kurz halten werde.
Interessant fand ich die Persönlichkeit der Protagonistin namens Leonie Kuyper, die, als ihre beste Freundin Roos stirbt, in deren Identität schlüpft. Leonie bezeichnet es selbst als das große Verlangen, in Roos´ Haut zu kriechen.

In die andere Haut zu kriechen fand ich bildlich gesehen total schön ausgedrückt.

 Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Leonie Kuyper führt ein bescheidenes Leben als Übersetzerin – bis ihre beste Freundin Roos, die Laborantin mit den knallroten, superlangen Fingernägeln, an einem Sonnenstich stirbt. Roos hat sie zur Alleinerbin bestimmt, allerdings unter einer Bedingung: dass sie für die drei geliebten Katzen sorgt und in ihr Apartment zieht! Als Leonie sich auf diesen Deal einlässt, entdeckt sie nach und nach verwirrende Geheimnisse im Leben ihrer Freundin. Maarten ’t Hart, der große Erzähler und Meister witziger Dialoge, hat einen komischen und höchst spannenden Roman geschrieben. 
Roos war eine recht exzentrische Natur, die ziemlich lange und farbige Fingernägel trug, und später erwiesen sich diese für mich als Leserin als ihre potentielle Waffen. Roos spürte, dass sie nicht mehr lange leben würde und rechnete mit einem Feind, der sie zu töten beabsichtigt. Roos lebt trotz ihrer Attraktivität partnerlos. Sie besitzt drei Katzen, die sie im schlimmsten Fall versorgt wissen möchte. Roos trifft, wie schon aus dem Klappentext zu entnehmen ist, alle notwendigen Vorkehrungen.

Ihr Umfeld fand ihre Fingernägel so ziemlich ordinär. Aber diese Form von Fingernägeln galten so für mich als das Markenzeichen Roos´ schlechthin. Immer wieder wird Roos mit der Frage konfrontiert:
>>Warum denn nur diese Nägel?<<
>>Weil ich es schön finde.<<
>>Schön? Ist es nicht einen kleinen Tick ordinär?<< (…)
>>Was ordinär oder vulgär ist, musst du nicht meiden, auch das hat einen Platz im Leben.<< 
In dem Stück lassen sich noch mehr Weisheiten finden, wie z. B. was man unter Glück verstehen kann. Aus Leonies und Roos´Sicht:
Wo Gunst ungleich verteilt ist, scheint Missgunst unabwendbar. Jemand wie ich ist nicht für das Glück geboren. Warum, weiß ich nicht. Früher habe ich mehr darunter gelitten als heute. Alles Glück verkehrt sich so schnell in Kummer. Fehlt dir Glück, dann ersparst du dir Leid. Bei Gewinn droht Verlust. Gewinnst du nicht, kannst du nichts verlieren. 
Alles andere lest selbst.

Mein Fazit     
                               
Dieses Buch ist eher nicht für KrimileserInnen geeignet, die sehr viel Spannung und Action gewohnt sind.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten …
  
_____
Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 53
Gelesene Bücher 2014: 88
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Sonntag, 20. September 2015

Maarten ' t Hart / Die Sonnenuhr

Nach dem ich nun drei Bücher in Folge abgebrochen habe, habe ich mich für ein Buch meines Lieblingsautors von Maarten´ t Hart entschieden.

Wenn mir in der jüngsten Vergangenheit ein Buch nicht gefallen hat und das mich zum Abbrechen zwang, habe ich mir als Entschädigung ein Buch eines Autors rausgepickt, der zu meinen Favoriten zählte.

Demnach hatte ich mit Carson McCullers Bücher begonnen. Als ich alle ihre Bücher durch hatte, setzte ich mit den Büchern von Isabel Allende fort und die nächsten waren die Bücher von Haruki Murakami. Ich hatte soviele Bücher desjenigen Autors gelesen, bis ich gesättigt war ...

Und nun ist Maarten´ t Hart dran. Viele Bücher von dem Autor besitze ich schon, aber viele müsste ich mir noch anschaffen. Wenn ich die Bücher, die ich besitze, durchbekomme und ich noch Lust habe, weitere von dem Autor zu lesen, dann folgt die Neuanschaffung. Aber bis dahin dauert es noch ein Weile.

Und nun zur aktuellen Lektüre:

Klappentext
Leonie Kuyper führt ein bescheidenes Leben als Übersetzerin – bis ihre beste Freundin Roos, die Laborantin mit den knallroten, superlangen Fingernägeln, an einem Sonnenstich stirbt. Roos hat sie zur Alleinerbin bestimmt, allerdings unter einer Bedingung: dass sie für die drei geliebten Katzen sorgt und in ihr Apartment zieht! Als Leonie sich auf diesen Deal einlässt, entdeckt sie nach und nach verwirrende Geheimnisse im Leben ihrer Freundin. Maarten ’t Hart, der große Erzähler und Meister witziger Dialoge, hat einen komischen und höchst spannenden Roman geschrieben.

Autorenporträt
Maarten ’t Hart, geboren 1944 in Maassluis bei Rotterdam als Sohn eines Totengräbers, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich 1987 als freier Schriftsteller in Warmond bei Leiden niederließ. Nach seinen Jugenderinnerungen »Ein Schwarm Regenbrachvögel« erschien 1997 auf Deutsch sein Roman »Das Wüten der ganzen Welt«, der zu einem überragenden Erfolg wurde und viele Auszeichnungen erhielt. Seine zahlreichen Romane und Erzählungen machen ihn zu einem der meistgelesenen europäischen Gegenwartsautoren.
Die ersten fünfzig Seiten habe ich schon durch und ich muss sagen, ich befinde mich nun wieder in meinem Element. Das Buch liest sich flüssig. Es ist humoristisch, man findet viel Weisheit und man hat es mit schrägen Vögeln zu tun, über deren Lebensweise man gerne liest.

Ich freue mich auf mehr.

Von dem Autor habe ich bisher gelesen:
Das Paradies liegt hinter mir
Das Wüten der ganzen Welt
Unter dem Deich
Mir haben sie alle recht gut gefallen und bin so neugierig auf die weiteren Bände.





Samstag, 19. September 2015

Lutz Seiler / Kruso (Abbruch)

Abgebrochen ...

Wieder ein Buch, das ich soeben zu Grabe getragen habe.

Ich hätte auf meine innere Stimme hören sollen. Mich hat das Cover partout nicht angesprochen und habe mich von der Buchwerbung locken lassen.

Ich bin mit allen Romanfiguren nicht wirklich warm geworden. Die ganze Story hat mich gelangweilt. Ständig schweifte ich mit meinen Gedanken ab. Ich mag mich nicht weiter quälen, und breche ab. Ich habe mir nun erneut vorgenommen, nach jedem abgebrochenen Buch suche ich mir einen Band von einer meiner LieblingsautorInnen aus.

Nach Carson McCullers, Isabel Allende, Haruki Murakami setze ich nun die Reihe mit Maarten t´Hart fort. Weiteres im nächsten Posting. 

Schade trotzdem.





Lutz Seiler / Kruso

Klappentext
Als das Unglück geschieht, flieht Edgar Bendler aus seinem Leben. Er wird Abwäscher auf Hiddensee, jener legendenumwogten Insel, die, wie es heißt, schon außerhalb der Zeit und »jenseits der Nachrichten« liegt. Im Abwasch des Klausners, einer Kneipe hoch über dem Meer, lernt Ed Alexander Krusowitsch kennen – Kruso. Eine schwierige, zärtliche Freundschaft beginnt. Von Kruso, dem Meister und Inselpaten, wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter auf Hiddensee und die Gesetze ihrer Nächte, in denen Ed seine sexuelle Initiation erlebt. Geheimer Motor dieser Gemeinschaft ist Krusos Utopie, die verspricht, jeden Schiffbrüchigen des Landes (und des Lebens) in drei Nächten zu den Wurzeln der Freiheit zu führen. Doch der Herbst 1989 erschüttert die Insel Hiddensee. Am Ende steht ein Kampf auf Leben und Tod – und ein Versprechen.


Autorenporträt
Lutz Seiler wurde 1963 in Gera/Thüringen geboren, heute lebt er in Wilhelmshorst bei Berlin und in Stockholm. Nach einer Lehre als Baufacharbeiter arbeitete er als Zimmermann und Maurer. 1990 schloß er ein Studium der Germanistik ab, seit 1997 leitet er das Literaturprogramm im Peter-Huchel-Haus. Er unternahm Reisen nach Zentralasien, Osteuropa und war Writer in Residence in der Villa Aurora in Los Angeles sowie Stipendiat der Villa Massimo in Rom.Für sein Werk erhielt er mehrere Preise, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Bremer Literaturpreis, den Fontane-Preis und den Uwe-Johnson-Preis.
Mein erstes Buch von dem Autor.



Donnerstag, 17. September 2015

Juan Carlos Onetti / Das kurze Leben (abgebrochen)


Abgebrochen ...

Das Buch konnte ich nach 115 Seiten nicht mehr weiter lesen. Es ist mir zu verrückt. Ich lese und lese und der Inhalt will einfach nicht in den Kopf ... Ich wollte durchhalten. Aber es geht einfach nicht weiter. Mein Inneres sperrt sich mittlerweile.
Die Rezensionen im Internet fallen alles andere als gut aus. Ich stehe mit meiner Leseerfahrung nicht alleine da. 

Es ist kein schlechtes Buch, ohne Frage, recht anspruchsvoll, trotzdem nicht für mich geeignet. 

Schade ... 

Von dem Autor werde ich mir kein Buch mehr kaufen. Er zählt für mich zu denjenigen, denen ich keine zweite Chance geben möchte.

Aber, ich muss sagen, ich bin mit jedem Buch, das ich abgbrochen habe, sehr, sehr traurig. 

Adieu, Onetti. 











Dienstag, 15. September 2015

Juan Carlos Onetti / Das kurze Leben

Klappentext
Juan MarÌa Brausen steckt in einer tiefen Krise. Mit vierzig Jahren scheint das Leben für ihn keine Überraschungen mehr parat zu haben: „Mittlerweile bin ich dieser kleine, schüchterne, unveränderliche Mann, verheiratet mit der einzigen Frau, die mich verführt hat, außerstande, (...) die Willenskraft zu haben, ein anderer zu sein.“ Brausen hat sein frustrierendes Leben satt. Er möchte ausbrechen. Nur wie? Beim Schreiben eines Drehbuchs erfindet er eine neue Existenz, einen Doppelgänger. Er beginnt, dessen Leben zu führen. Es ist das Gegenteil seiner bislang so bürgerlichen Existenz, ein Leben voller Prostituierten, Kriminalität und Drogen, aber auch voller Liebe und Begehren. Das kurze Leben (1950) ist Onettis wichtigster Roman. Die fiktive Stadt Santa MarÌa, die er darin erstehen lässt, wird zum Hintergrund mehrerer späterer Romane. Der Text gilt als Wegbereiter und Vorläufer des modernen lateinamerikanischen Romans, wie man ihn später etwa bei Gabriel Garcìa Marquez oder Mario Vargas Llosa findet. Er erzählt mit viel Raffinesse die Geschichte eines Mannes, der aus seinem Leben ausbricht und sich neu erfindet.


Autorenporträt
Juan Carlos Onetti (geb. 1909 in Montevideo, Uruguay) ist vielfach und zu Recht als einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller bezeichnet worden. 1932 erschien im Rahmen eines Literaturwettbewerbs eine Erzählung von ihm in der argentinischen Tageszeitung La Prensa. Sein erster Roman, El Pozo (dt. Der Schacht, 1989), folgte 1939 in einer Auflage von 500 Exemplaren. Er veröffentlichte insgesamt elf Romane und zahlreiche Erzählungen sowie zwei Sammlungen von Artikeln, von denen die Mehrzahl ins Deutsche übersetzt wurde. 
Bis 1975 lebte er abwechselnd in Buenos Aires und Montevideo, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuter, war lange Jahre als Direktor der städtischen Bibliotheken in Montevideo tätig und publizierte regelmäßig in verschiedenen uruguayischen Zeitschriften. Erst mit dem Roman La vida breve (1950, dt. Das kurze Leben, 1978) erlangte er einen gewissen Bekanntheitsgrad, blieb aber noch viele Jahre lang eine Art "Geheimtipp" und erst in relativ hohem Alter wurden ihm Ruhm und Achtung zuteil. In La vida breve erschuf er den fiktiven Kosmos um die Stadt Santa María, der in vielen weiteren Romanen und Erzählungen auftauchen sollte. 
Während der Diktatur, die seit 1973 in Uruguay herrschte, wurde Onetti einige Monate lang in Haft gehalten. 1975 ging er mit seiner vierten Frau, der Geigerin Dorothea Muhr, ins Exil nach Madrid, wo er bis zu seinem Tod blieb und die Romane Dejemos hablar al viento (dt. Lassen wir den Wind sprechen, 1986), Cuando entonces (dt. Magda, 1989) und Cuando ya no importe (dt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, 1996) veröffentlichte. 
Der uruguayische Nationalpreis für Literatur wurde ihm gleich zweimal verliehen: 1962 und nach der Rückkehr der Demokratie noch einmal 1985. Außerdem erhielt er 1980 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis. 
1994 erschien die erste Ausgabe der Cuentos completos (dt. Willkommen, Bob. Gesammelte Erzählungen, 1999) in Buenos Aires. Am 30. Mai desselben Jahres starb Juan Carlos Onetti 84jährig in Madrid. 
Fast alle großen Autoren Lateinamerikas erkennen Onettis Einfluß auf ihr eigenes Werk an, und von vielen wird er für den größten lateinamerikanischen Schriftsteller gehalten. 
Im Frühjahr 2005 erschien bei Suhrkamp der erste Band der Onetti-Werkausgabe mit Leichensammler und Die Werft in einer revidierten Übersetzung.Im Frühjahr 2007 folgte der zweite Band der Werkausgabe mit Das kurze Leben, Abschiede und Für ein Grab ohne Namen.
Ich habe ein paar Seiten schon gelesen, und ich muss sagen, das Buch fordert mich ganz schön heraus. Ich bin gespannt, wie weit ich kommen werde. Der Schreibstil ist arg gewöhnungsbedürftig.

Aber ich habe mir fest vorgenommen, bis zur letzten Seite durchzuhalten.

Mal schauen ...



Montag, 14. September 2015

Dörthe Binkert / Weit übers Meer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen.

Ein historischer Roman aus den Anfängen des Zwanzigsten Jahrhunderts, in dem es um die Stellung der Frau der damaligen Zeit geht. Doch das Datum, 23.07., ist ein ganz spezielles Datum in doppelter Hinsicht …


Das Buch ist recht authentisch geschrieben. Man konnte sich gut in die Figuren hineinversetzen. Auch bekam man sehr leicht das Gefühl, mit dem Blick aufs Meer sich selbst auf dem Schiff zu befinden und unter sich das tiefe Wasser zu spüren. Der Passagier Henry drückt genau das aus, was ich selbst auf dem Meer empfinde. Nebenbei eine kleine Kostprobe:

>>Mir ist das Meer unheimlich. Wenn ich keinen festen Boden unter mir habe, fühle ich mich unbehaglich. Die Tiefe unter mir, diese Unmenge von Wasser … ich glaube, es ist ziemlich kalt und ungemütlich da unten.<<  


Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein: 
Antwerpen, am Abend des 23. Juli 1904. Eine Frau von nicht einmal dreißig Jahren geht - nur mit einem langen weißen Abendkleid und ein paar Diamant-Ohrringen bekleidet - an Bord eines Überseedampfers. Sie hat kein Gepäck, keinen Pass, kein Geld und keine Papiere. Am nächsten Morgen meldet sie sich als blinde Passagierin beim Kapitän. Wer ist diese Frau? Welches Geheimnis verbirgt sie? Neun Tage ist das Schiff unterwegs nach New York, und in dieser Zeit entfaltet sich unter den Passagieren der Ersten Klasse ein subtiles Drama, vom dem am Ende keiner ganz unberührt bleibt ...
Die Protagonistin dieser Geschichte ist die achtundzwanzigjährige Valentina Meyer, die ihren zweijährigen Sohn durch einen schweren Schicksalsschlag verloren hat, und den sie, selbst nach zwei Jahren Todesfolge, nicht richtig verwunden hat. Mit ihrem Mann Victor, der sie permanent mit anderen Frauen betrügt, ist sie auch nicht besonders glücklich, obwohl Victor sie auf seine Weise liebt. Zwei Jahre   den Tod des Kindes zu betrauern sei nun endlich genug, so Victors Sichtweise. Valentina habe schließlich als seine Ehefrau Pflichten zu erfüllen. Ein heftiger Disput zwischen Victor und Valentina, als sie sich weigert, sich für eine gesellschaftliche Veranstaltung, die Victor sehr wichtig ist, zurechtzumachen. Seine Forderung, sich das weiße Kleid und die Diamant-Ohrringe anzuziehen, damit sie die schönste Frau dieser Abendgesellschaft abgeben werde. Als sie sich stumm weigert, packte er …

(…) Valentinas Hals mit beiden Händen und schüttelte sie.
Du willst dich mir widersetzen? (…) Hast du vergessen, dass du meine Frau bist? Nur eine Frau bist? Dass du zu gehen hast, wohin ich gehe, dass du zu tun hast, was ich sage?<<
Er ließ ihren Hals los und trat einen Schritt zurück, als ob er ihr Gelegenheit zur Antwort geben wollte. Aber Valentina schwieg.
>>Warum sagst du nichts?<<, schrie er. >>Bin ich keine Antwort wert? Du willst mich nicht im Bett, du willst mich nicht am Tisch, du trägst diese schrecklichen schwarzen Kleider wie einen Vorwurf an mich. Jeden Tag aufs Neue sagen sie mir, dass ich schuld an deinem Unglück bin.<< 

Was Valentina gewagt hat, ist wirklich sehr mutig, wie man am Schluss der Geschichte entnehmen kann. Sie sorgte für einen Skandal, und man kann sich denken, dass sie damit Victors Ansehen ruinierte. Ich empfand eine gewisse Genugtuung diesem Typ Ehemann gegenüber.

Mutig war aber auch, sich als blinde Passagierin in ein Schiff zu verfrachten, das von Antwerpen nach New York fährt. Während Valentina, die sich selbst dem Schiffskapitän als blinde Passagierin angezeigt hat, auch hier das Gesprächsthema Nummer eins wird. Viele stellen sich die Frage, was eine so vornehme Frau wie diese bewegt, ohne Fahrkarte, ohne Geld und ohne Papiere sich auf ein Schiff zu begeben?
Ich wollte einfach nur fort aus meinem Leben. 
… fort aus meinem Leben, fand ich so schön ausgedrückt, als könne man vor sich selber fliehend in ein anderes, besseres Leben ziehen.

Trotzdem stieß Valentina auf Unverständnis, da die wenigsten auf dem Schiff Bescheid wussten, was der Anlass für Valentinas' Flucht gewesen sein könnte. Im Folgenden die Sicht eines Schiffsingenieurs:
Ich weiß nicht, was im Kopf dieser Frau vor sich geht. Ich will es auch gar nicht wissen. Wahrscheinlich ist sie krank, eine Hysterikerin. Vielleicht hat sie sogar ihren Mann und ihre Kinder verlassen. Sie ist ja kein junges Mädchen mehr.Überhaupt. Diese neue Mode, dass Frauen allein verreisen. Es gibt sicher Fälle, wo sich das nicht vermeiden lässt, nicht alle Witwen haben Verwandte, eine Gesellschafterin oder Dienstboten, die sie begleiten können. Aber so etwas sollte doch die Ausnahme bleiben. (…) Es soll schon Frauen geben, die studieren. Der Fortschritt ist eine Sache. Ich wäre nicht Ingenieur geworden, wenn ich nicht an den Fortschritt glaubte. Die Technik bringt die Welt voran. Das heißt aber noch lange nicht, dass man grundlegende gesellschaftliche Ordnungen aus den Angeln heben kann. Wir Männer wollen ja auch nicht plötzlich Kinder bekommen.Alles hat seine Ordnung, und das ist auch gut so.  
Aber es gibt auch Leute auf dem Schiff, die Valentina für ihren Mut bewundern. Eine vornehme Dame, die sämtliche Konventionen einer Gesellschaft für ein freies Leben zu brechen droht. Welche Frau aus der damaligen Zeit wünschte sich das nicht?

Aus der Sicht eines Künstlers namens Henry:
>>Liebe Madame Meyer (…), für die Menschen hier auf dem Schiff haben Sie etwas Ungeheuerliches gewagt. Sie haben sich über alle Konventionen hinweggesetzt. Ich weiß nicht, ob ich das zustande brächte. (…) Verzeihen Sie, wenn ich mir erlaube, das zu sagen, aber haben Sie sich schon einmal überlegt, ob Sie eine einzige Frau kennen, die etwas Vergleichbares täte? Mag sein, dass Männer dazu erzogen werden, unter bestimmten Umständen radikale Entscheidungen zu treffen. Aber Sie sind eine Frau. Auf Ihnen lastet, wie auf allen Frauen, eine Welt der Konvention und Beschränkung, der Unfreiheit und Missachtung. Sich davon freizumachen …<<Sie unterbrach Henry mit einer raschen, ungeduldigen Handbewegung: >>Ich habe mich nie als Teil dieser konventionellen Welt empfunden. Ich habe nie dazugehört. Man gewöhnt sich daran, anders zu sein.<< 
Valentinas Herkunft ist schon durch ihre Eltern außerhalb der Bahnen geraten. Ihre Mutter, die sich permanent auf Reisen befand und dadurch selbst schon gegen gesellschaftliche Regeln verstoßen hat, gab Valentina schon als kleines Kind in die Obhut der Großmutter …
Der Vater verließ die junge Familie und kam nie wieder zurück.

Aber auf dem Schiff sind nicht alle Leute so unaufgeklärt. Und wieder ist es Henry, der versucht, Valentina ein wenig Mut zu machen:
>>Das klingt vielleicht etwas ungewohnt, und Sie haben vermutlich eine andere Erziehung genossen. Ich bin aber der Meinung, dass jeder Mensch, ob Mann oder Frau, die Aufgabe hat, darüber nachzudenken und herauszufinden, was seine ganz eigenen Talente und Begabungen sind, und dass wir Menschen verpflichtet sind, uns den Träumen zu stellen, die wir tief in uns finden. Wir erfüllen unser Leben nur, wenn wir das, was wir tun, mit Liebe tun. Nur, was wir mit Liebe tun, gelingt auf die Dauer. Und wir müssen herausfinden, was das ist, was wir lieben können.<< 
Ja, eine sehr, sehr schöne und moderne Sichtweise, die nur ein Künstler haben kann, lol J.


Mein Fazit?

Mein Verdacht hat sich bestätigt. Die Geschichte dieses Buches lässt stark an die Geschichte der Titanic erinnern …

Aus dem Anhang ist zu entnehmen, dass es diese vornehme Dame im weißen Abendkleid und mit den Diamant-Ohrringen tatsächlich gegeben haben soll, allerdings wiesen die Zeitungsartikel recht viele Rätsel über diese Frau aus, sodass die Autorin sich beflügelt sah, der mysteriösen Dame eine Geschichte zu geben. Auch die Namen aller Figuren seien frei erfunden.

Ach, und noch etwas; natürlich gibt es auch hier Liebesgeschichten en masse. Sie zu lesen reicht mir schon. Ich muss nicht noch zusätzlich darüber sprechen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

_____
Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

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