Juan MarÌa Brausen steckt in einer tiefen Krise. Mit vierzig Jahren scheint das Leben für ihn keine Überraschungen mehr parat zu haben: „Mittlerweile bin ich dieser kleine, schüchterne, unveränderliche Mann, verheiratet mit der einzigen Frau, die mich verführt hat, außerstande, (...) die Willenskraft zu haben, ein anderer zu sein.“ Brausen hat sein frustrierendes Leben satt. Er möchte ausbrechen. Nur wie? Beim Schreiben eines Drehbuchs erfindet er eine neue Existenz, einen Doppelgänger. Er beginnt, dessen Leben zu führen. Es ist das Gegenteil seiner bislang so bürgerlichen Existenz, ein Leben voller Prostituierten, Kriminalität und Drogen, aber auch voller Liebe und Begehren. Das kurze Leben (1950) ist Onettis wichtigster Roman. Die fiktive Stadt Santa MarÌa, die er darin erstehen lässt, wird zum Hintergrund mehrerer späterer Romane. Der Text gilt als Wegbereiter und Vorläufer des modernen lateinamerikanischen Romans, wie man ihn später etwa bei Gabriel Garcìa Marquez oder Mario Vargas Llosa findet. Er erzählt mit viel Raffinesse die Geschichte eines Mannes, der aus seinem Leben ausbricht und sich neu erfindet.
Autorenporträt
Juan Carlos Onetti (geb. 1909 in Montevideo, Uruguay) ist vielfach und zu Recht als einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller bezeichnet worden. 1932 erschien im Rahmen eines Literaturwettbewerbs eine Erzählung von ihm in der argentinischen Tageszeitung La Prensa. Sein erster Roman, El Pozo (dt. Der Schacht, 1989), folgte 1939 in einer Auflage von 500 Exemplaren. Er veröffentlichte insgesamt elf Romane und zahlreiche Erzählungen sowie zwei Sammlungen von Artikeln, von denen die Mehrzahl ins Deutsche übersetzt wurde.Ich habe ein paar Seiten schon gelesen, und ich muss sagen, das Buch fordert mich ganz schön heraus. Ich bin gespannt, wie weit ich kommen werde. Der Schreibstil ist arg gewöhnungsbedürftig.
Bis 1975 lebte er abwechselnd in Buenos Aires und Montevideo, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuter, war lange Jahre als Direktor der städtischen Bibliotheken in Montevideo tätig und publizierte regelmäßig in verschiedenen uruguayischen Zeitschriften. Erst mit dem Roman La vida breve (1950, dt. Das kurze Leben, 1978) erlangte er einen gewissen Bekanntheitsgrad, blieb aber noch viele Jahre lang eine Art "Geheimtipp" und erst in relativ hohem Alter wurden ihm Ruhm und Achtung zuteil. In La vida breve erschuf er den fiktiven Kosmos um die Stadt Santa María, der in vielen weiteren Romanen und Erzählungen auftauchen sollte.
Während der Diktatur, die seit 1973 in Uruguay herrschte, wurde Onetti einige Monate lang in Haft gehalten. 1975 ging er mit seiner vierten Frau, der Geigerin Dorothea Muhr, ins Exil nach Madrid, wo er bis zu seinem Tod blieb und die Romane Dejemos hablar al viento (dt. Lassen wir den Wind sprechen, 1986), Cuando entonces (dt. Magda, 1989) und Cuando ya no importe (dt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, 1996) veröffentlichte.
Der uruguayische Nationalpreis für Literatur wurde ihm gleich zweimal verliehen: 1962 und nach der Rückkehr der Demokratie noch einmal 1985. Außerdem erhielt er 1980 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis.
1994 erschien die erste Ausgabe der Cuentos completos (dt. Willkommen, Bob. Gesammelte Erzählungen, 1999) in Buenos Aires. Am 30. Mai desselben Jahres starb Juan Carlos Onetti 84jährig in Madrid.
Fast alle großen Autoren Lateinamerikas erkennen Onettis Einfluß auf ihr eigenes Werk an, und von vielen wird er für den größten lateinamerikanischen Schriftsteller gehalten.
Im Frühjahr 2005 erschien bei Suhrkamp der erste Band der Onetti-Werkausgabe mit Leichensammler und Die Werft in einer revidierten Übersetzung.Im Frühjahr 2007 folgte der zweite Band der Werkausgabe mit Das kurze Leben, Abschiede und Für ein Grab ohne Namen.
Aber ich habe mir fest vorgenommen, bis zur letzten Seite durchzuhalten.
Mal schauen ...