Mittwoch, 17. Dezember 2014

Tilman Jens / Vatermord (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Ein sehr intellektuelles Buch, das sich wie eine Denkschrift an die Öffentlichkeit geschrieben, liest. 

Was unter dem Vatermord zu verstehen ist, ist eine Folge aus Tilmans Buch Demenz, ein Zitat aus der Tageszeitung Die Welt, denn besser als die Zeitung kann ich es nicht schreiben:
In seinem Buch "Demenz: Abschied von meinem Vater" rechnet Tilman Jens mit seinem kranken Vater ab, indem er die ehemalige intellektuelle Leitfigur der Bundesrepublik vorführt. Das Werk gibt intime, besser verborgen gebliebene Geheimnisse aus dem Leben von Walter Jens preis. (Die Welt 2009)
Tilman gibt 2008 im Feuilleton der FAZ die Krankheit seines Vaters bekannt und tritt damit voll in die Nesseln. 

Sohn Tilman wird vorgeworfen, dadurch, dass er Persönliches und Intimes zu seinem Vater an die Öffentlichkeit brachte, habe er seinen Vater lebendig begraben. 

Der Vater von Tilman namens Walter Jens, von Beruf war er Altphilologe, Literaturhistoriker, Schriftsteller und Übersetzer. Demnach eine Koryphäe in der Literaturszene. Walter Jens erkrankte 2004 an der Demenz. Er starb 2013. 

Tilman versuchte die demenzielle Erkrankung mit Hilfe seines Buches Demenz zu verarbeiten, auch um auf diese Weise mit seinem Vater ins Reine zu kommen.

Zu Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
 An den Pranger gestellt
- Die Debatte geht weiter: Tilman Jens’ Antwort auf die heftige Kritik in den deutschen Feuilletons- Statt einer Unterlassungsklage: ein Plädoyer nicht nur in eigener Sache- Eine Spurensuche in der Antike, auf der Bühne und im wirklichen Leben für sein erfolgreiches Buch »Demenz« hat Tilman Jens heftig Prügel, Häme und wirre Anschuldigungen in den deutschen Feuilletons einstecken müssen. Er habe seinen Vater, Walter Jens, »vorgeführt«, »einen Wehrlosen vom Sockel gestürzt« und »literarischen Vatermord« begangen – so der Vorwurf an den »feigen Filius«, den »missratenen Spross«. Ebenso groß waren aber auch der Zuspruch und das Lob für sein »bewegendes«, »bestechendes«, »gelungenes« Buch.Vatermord ist ein besonders perfides Verbrechen, die wahrheitswidrige Bezichtigung eigentlich ein Straftatbestand. Auf eine Klage vor Gericht hat Tilman Jens dennoch verzichtet – und antwortet stattdessen mit einem Buch. Aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert er das freudianisch bis heute brisante Delikt, das er niemals begangen hat.
Der Klappentext ist recht ausführlich. Ich müsste jetzt nicht noch mehr dazu schreiben. Aber ich habe ein paar Zitate, und ich schaue mal, wie ich sie unterbringen kann.

Ich wusste erst gar nicht, was ich unter Vatermord zu verstehen habe, aber auch, weil ich den prominenten Vater Walter und den Sohn Tilman bis dato nicht mal kannte. Die beiden schienen bisher wie ein Kelch an mir vorbeigegangen zu sein. 

Bis das Buch ausgelesen war, war ich dann schlauer. Vatermord bedeutet einen Mord auf literarischer Ebene. Tilman hatte das Buch Demenz geschrieben, um die Erkrankung und den Umgang mit dem kranken Vater besser verarbeiten zu können. Viel zu persönlich, viel zu intim, meinen viele andere LiteraturwissenschaftlerInnen. Hat Tilman ein Tabu gebrochen? Ja, er hat. Es wäre weniger schlimm, ein Erlebnisroman zu schreiben, ginge es nicht um die Prominenz. Es geht um den Vater und den Sohn. Der Sohn wird hier nicht als Mensch beschrieben, sondern wie ein Titel, der Sohn als Berufung, immer dem mächtigen Vater untergestellt, und dessen Autorität niemals in Frage stellen zu dürfen und aus ihr niemals hinauswachsen zu können. Tilman greift weitere exemplarische Beispiele auf, viele andere bekannte Autoren und Väter, wie z. B. die Mann-Familie und deren Söhne.  

Ich empfehle dieses Buch allen Söhnen, die Schwierigkeiten mit der Autorität ihrer Väter hatten. Viele Söhne wurden von ihren Vätern gezüchtigt, und wer sich nicht gegen den eigenen Vater wehren konnte, weil der Vater zu übermächtig ist, der muss die Aggressionen gegen sich selbst richten. Viele wurden als erwachsene Männer mit ihrem Leben nicht fertig und wählten den Freitod. 

Tilman zeigt uns auch mithilfe der Psychoanalyse, dass es gesund ist, sich gegen den Vater zu widersetzen. 
Wer mit seinem Vater ins Reine kommen will, sollte ihn besser umbringen. Der wird sonst den ersehnten Weg in die Freiheit für immer blockieren. Du brauchst keinen Christus am Kreuz. Töte, was dich getötet hat. Mach kaputt was, was Euch kaputt macht. 
Den Vater zu töten verstehe ich hier als eine Metapher. Den Vater so erlegen, dass er keine Macht mehr über den Sohn hat.
Wer sich dem Kodex der Familienehre widersetzt, der ist vogelfrei. 
Man wirft Tilman ödipale Komplexe vor.

Aber nicht nur Söhne sind betroffen, auch Töchter mit ihren Vätern. Ein Beispiel zu Max Frischs Tochter:
Ursula Priss zum Beispiel, Max Frisch war ihr Vater. Und über den hat sie 2009 ein über weite Strecken wunderbares, leise dezentes Erinnerungsbuch veröffentlicht: Sturz durch alle Spiegel. Sie verschweigt freilich auch nicht ihre Blessuren, die sie davontrug, als der Schriftsteller die Mutter und ihre drei Kinder für eine andere Frau verließ. Und verheimlicht nicht die Enttäuschung, dass der Vater ihre Geschichte in Montauk ungefragt zum Teil seines Werkes gemacht hat. Das aber war's dann auch schon an Kritik. Das Buch der Tochter wurde dennoch, gerade in der Schweiz, als Akt des Umgangs gebrandmarkt. Als Manöver ungehöriger Rache. Als Vatermord eben, wenn auch als kleiner. Frauen, heißt es, töten viel dezenter.
Auch wenn die Psychoanalyse ein wenig dazu beiträgt, den sog. Vatermord in seiner Struktur verständlich aufzuzeigen, fragt sich Tilman dennoch, wo das Problem liege, wenn er über die Demenz des körperlich sterbenden Vaters schreibt. Auch Marcel Reich-Ranicki, ein gute Freund von Walter Jens, verteilte Tilman verbale Hiebe:
Warum so viel Angst? So viel Abwehr? So viel Verleugnung des Todes? Wird die Erinnerung an die Zeit, da mein Vater gesund und in vielem ein anderer war, durch ein Buch beschädigt, das seine letzten Stationen nachzeichnet? Ist die Veröffentlichung einer in vieler Hinsicht exemplarischen Krankenakte tatsächlich Vatermord -und wäre, anders herum, das Verstecken seiner schweren Demenz ein Beweis der Vaterliebe? Worin, bittschön, liegt das Verbrechen?
Ich komme langsam zum Schluss. Es geht hier nicht darum, ein Selbsterfahrungsbuch nicht schreiben zu dürfen. Nein, hier geht es allein um prominente Leute, die, so mächtig ihre gesellschaftliche Stellung auch ist, über sie nicht geschrieben werden darf. Doch auch diese Leute sind verletzbar und in ihrer Existenz angreifbar. Auch sie werden von Krankheiten heimgesucht, das Schicksal schließt diese hohen Herren nicht aus. Auf mich macht es den Eindruck, als dürfen die Mächtigen nicht verletzlich sein, und weil sie es aber doch sind, dann soll wenigstens nicht darüber gesprochen werden.

Am Ende des Lebens kehrt der sog. Mensch, der sich politisch und gesellschaftlich über seine beruflichen Titel definiert, zum Menschen zurück, denn hier zählen diese Titel nicht mehr. Der Krankheit und dem Tod sind diese Titel gleichgültig, und nehmen keine Rücksicht darauf. Wenn es auf Erden wenig Gerechtigkeit gibt, dann wenigstens hier auf der Ebene von Krankheitsausbrüchen und Tod. 

Zum Abschluss ein letztes Zitat:
Söhne von Dichtern und Denkern enden gern tragisch, die Hanswürste der kulturellen Klatschgesellschaft, die reichlich Stoff liefern für Dramen und schaurige Possen. Dem prominentesten Vertreter dieser Sorte Mensch wurde gar ein Marmor-Monument gesetzt (…). 
_________
Das Einzige, was man besitzt, ist die Liebe, die man gibt.
(Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2014: 85
Gelesene Bücher 2013: 81
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Dienstag, 16. Dezember 2014

Tilman Jens / Vatermord


Klappentext

 An den Pranger gestellt
- Die Debatte geht weiter: Tilman Jens’ Antwort auf die heftige Kritik in den deutschen Feuilletons- Statt einer Unterlassungsklage: ein Plädoyer nicht nur in eigener Sache- Eine Spurensuche in der Antike, auf der Bühne und im wirklichen LebenFür sein erfolgreiches Buch »Demenz« hat Tilman Jens heftig Prügel, Häme und wirre Anschuldigungen in den deutschen Feuilletons einstecken müssen. Er habe seinen Vater, Walter Jens, »vorgeführt«, »einen Wehrlosen vom Sockel gestürzt« und »literarischen Vatermord« begangen – so der Vorwurf an den »feigen Filius«, den »missratenen Spross«. Ebenso groß waren aber auch der Zuspruch und das Lob für sein »bewegendes«, »bestechendes«, »gelungenes« Buch.Vatermord ist ein besonders perfides Verbrechen, die wahrheitswidrige Bezichtigung eigentlich ein Straftatbestand. Auf eine Klage vor Gericht hat Tilman Jens dennoch verzichtet – und antwortet stattdessen mit einem Buch. Aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert er das freudianisch bis heute brisante Delikt, das er niemals begangen hat.

Autorenporträt
Tilman Jens, geboren 1954, lebt als Journalist in Frankfurt am Main. Buchveröffentlichungen über Uwe Johnson und Mark Twain. Autor u.a. von Goethe und seine Opfer, Demenz, Freiwild und Axel Cäsar Springer. Ein deutsches Feindbild. Zahlreiche Fernsehdokumentationen zu Themen von Kultur, Theologie und Wissenschaft für die ARD und arte. Regelmäßige Mitarbeit bei den Kulturmagazinen der ARD, bei 3sat/Kulturzeit und im arte-Wissenschaftsmagazin X:enius.
Von dem Autor habe ich Demenz gelesen und bin nun auf den vorliegenden Band gespannt.



Montag, 15. Dezember 2014

Isabel Allende / Paula (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe recht lange für das Buch gebraucht. Just eine Woche habe ich daran gelesen. Obwohl Allende recht flüssig schreibt, konnte ich das Werk, das mit autobiografischem Material und Lebensbericht/Selbsterfahrung ausgefüllt ist, nur im Schneckentempo lesen. Viele schwer verdauliche und gehaltvolle Themen erwarten den LeserInnen in diesem Buch wie z. B. die unheilbare und lebensbedrohliche Erkrankung der Tochter Paula. Allende schreibt auch viel über die Politik Chiles aus der Zeit Pinochet und Salvador Allende, der Großvater von ihr. Dazu erfährt man auch vieles zu ihrem ganz persönlichen Leben, s. unten. Das Buch ist sehr lesenswert. Allende hatte wohl, mittlerweile 72 Jahre alt, ein sehr, sehr bewegtes Leben.

Wer sich näher mit ihren Büchern befassen möchte, dem empfehle ich, mit den autobiografischen Bänden, s. unten, zu beginnen:

  1. Mein Leben, meine Geister
  2. Paula
  3. Das Siegel der Tage  
Folgende Romane würde ich im Anschluss zu diesen oberen Büchern lesen, empfohlen von Isabel Allende selbst:

  1. Das Geisterhaus
  2. Liebe und Schatten
  3. Eva Luna
Ich habe erst von den oberen Büchern erfahren, dass diese drei Romane zusammen passen. Da ich das Wissen noch nicht hatte, so habe ich querbeet gelesen.
Die drei Romane beziehen sich viel auf das Leben der Autorin. Es gibt nichts, worüber die Autorin schreibt, was sie nicht selbst auch erlebt hat.

Weiter zu dem Buch Paula. Doch zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
»Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen, damit du, wenn du erwachst, nicht gar so verloren bist.« Das Unfassbare geschah im Dezember 1991, als lsabel Allendes Tochter Paula plötzlich schwer erkrankte und kurz darauf ins Koma fiel. Eine heimtückische Stoffwechselkrankheit hatte die lebensfrohe junge Frau jäh niedergeworfen, im Herbst 1992 starb sie. Das Schicksal ihrer Tochter wurde für lsabel Allende zur schwersten Prüfung ihres Lebens. Um die Hoffnung nicht zu verlieren, schrieb sie, der Tochter zur Erinnerung und sich selbst zur Tröstung, »das Buch ihres Lebens – in doppelter Hinsicht« (Bayerischer Rundfunk), ihr persönlichstes und intimstes Buch, »eine Hymne auf das Leben« (Stern). 
Es ist tatsächlich ein sehr persönliches und intimes Buch, in dem sie viel über ihre Liebesbeziehungen und ihr Sexualleben schreibt. Diese Themen gehören wie selbstverständlich dazu und werden von ihr nicht ausgeklammert. Ganz schön mutig, der Welt so viel von sich preiszugeben. Aber warum nicht? Die Themen, die Allende hierin behandelt, könnten auf jeden Menschen zutreffen. Es sind sehr menschliche Themen, über die man sich nicht zu genieren braucht.

Allende hat nur durch das Schreiben ihr schweres, schicksalhaftes Leben überwinden können. Eine Tochter zu verlieren, dies erfordert schon sehr viel Lebenskraft:
Dieses Buch rettete mir das Leben. Das Schreiben ist eine tiefgehende Innenschau, es ist eine Reise bis in die größten Winkel des Bewusstseins, es ist eine gemächliche Meditation. Ich schreibe auf Geratewohl in der Stille, und unterwegs entdecke ich Teilchen der Wahrheit, kleine Kristalle, die in die Mulde einer Hand passen und meinen Weg durch diese Welt rechtfertigen. 
Tochter Paula leidet an einer Stoffwechselerkrankung, die in der Medizin als Porphyrie bezeichnet wird. Paula erwacht nicht mehr, liegt seit dem Zusammenbruch im Koma und wird künstlich ernährt. Eine schwere Prüfung für die ganze Familie. Paula, 28 Jahre alt, war mit Ernesto verheiratet und sie lebten beide in Spanien, wo die Krankheit über viele Monate erstmals behandelt wird, bis die Mutter schließlich, auch gegen den Willen der Ärzte, Paula mit dem Flugzeug in die Heimat verfrachtet. 

Die Mutter sitzt am Krankenbett und erzählt ihrer Tochter von ihrem Leben, ein Gemisch aus allen Lebensphasen. Sie erzählt ihr aus ihrer Kindheit, dass sie keinen Vater hatte und der Onkel Pablo in die Familie Allende hineingeheiratet hat. Onkel Pablo verhielt sich den Kindern gegenüber wie ein richtiger Vater. Durch ihn begannen für Isabel die ersten Erlebnisse mit den Büchern:
Im Schlafzimmer meines Onkels standen Regale voller Bücher vom Boden bis zur Decke und in der Mitte eine Einsiedlerlagerstatt, auf der er den größten Teil der Nacht lesend verbrachte. Er hatte mich überzeugt, dass im Dunkeln die Gestalten aus den Büchern die Seiten verlassen und durch das Haus wandern; ich versteckte den Kopf unter dem Bettzeug aus Angst vor dem Teufel in den Spiegeln und vor dieser Menge Gestalten, die durch die Zimmer wandelten und ihre Abenteuer und Leidenschaften neu belebten: Piraten, Kurtisanen, Banditen, Hexen und Jungfrauen. Um halb neun musste ich das Licht löschen und einschlafen, aber Onkel Pablo schenkte mir eine Taschenlampe, um unter der Bettdecke zu lesen; seitdem habe ich eine abartige Neigung zu heimlicher Lektüre.
Isabel ist auch heute im Alter von über siebzig Jahren noch reichlich mit Fantasie ausgestattet. Das ist auch der Grund, weshalb mich ihre Bücher so sehr anziehen.
So wie ich die schönsten Bücher meiner Kinderzeit, versteckt im Keller von Großvaters Haus, verschlungen hatte, so las ich heimlich Tausendundeine Nacht mitten in der Pubertät, als Körper und Geist zu den Geheimnissen des Geschlechts erwachten. Dort im Schrank verlor ich mich in zauberhaften Märchen von Prinzen, die sich auf fliegenden Teppichen fortbewegten, von Geistern, die in Öllampen eingeschlossen waren, von sympathischen Räubern, die sich als alte Frauen verkleidet in den Harem des Sultans einschließen, um unermüdlich mit den Frauen ihre Spiele zu treiben, den verbotenen Frauen mit den Haaren schwarz wie die Nacht, den ausladenden Hüften und den Brüsten wie Äpfel, nach Moschus duftend und sanft und immer zur Lust bereit. Auf diese Seiten hatten die Liebe, das Leben und der Tod spielerischen Charakter; die Beschreibungen von Mahlzeiten, Landschaften, Palästen, Märkten, Gerüchten, Geschmäckern und Stoffen waren von solchem Reichtum, dass für mich die Welt niemals wieder dieselbe wurde. 
Isabel war als junge Frau journalistisch tätig und war bei einer Zeitung angestellt, obwohl sie über kein politikwissenschaftliches Studium verfügte. Sie hatte Glück, aus ihrer Sicht würde sie heute ohne Studium so eine Stelle niemals bekommen. Isabel zeigte Probleme, Berichte objektiv zu schreiben, vor allem in den Anfangsjahren. Sie hielt Interviews, doch nicht jeder stellte sich ihr, es kam auch vor, dass es Leute gab, die Angst vor ihren Interviews hatten. Erste Erfahrungen mit einem Dichter:

Der Dichter:
>>Mit mir ein Interview? Niemals würde ich zulassen, dass man mich einer solchen Folter unterwirft!<< sagte er lachend. >>Sie müssen die schlechteste Journalistin dieses Landes sein. Sie sind außerstande, objektiv zu sein, stellen sich bei allem in den Mittelpunkt, und ich vermute, Sie lügen ziemlich viel, und wenn Sie keine Neuigkeit haben, erfinden Sie eine. Warum setzen Sie sich nicht lieber hin und schreiben Romane? In der Literatur sind diese Mängel echte Tugenden.<<. 
Wie wahr, wie wahr, wobei ich diese Theorie eher relativieren würde. Auch Romane sind nicht immer nur rein fiktiv. Und jede Fiktion trägt außerdem psychoanalytisch gesehen den Wahrheitsgehalt im Bereich des Unbewussten … Doch Schriftstellerin wurde Isabel erst viele Jahre später. Ihr Debütroman Das Geisterhaus brachte sie mit Anfang vierzig heraus. Relativ spät für eine Schriftstellerin. Entdeckt wurde sie in Europa durch eine spanische Literaturagentin, während die Verlage in ihrem Lande das Manuskript gar nicht mal angesehen hätten, so ihren Vermutungen zufolge.

Ihre Erfahrungen mit dem Schreiben ihrer Bücher, bezogen auf die Techniken, nahmen auch nicht gerade übliche Formen an, eher recht außergewöhnliche und stark mit ihrer Seele und meditativ arbeitend verbunden:
Durch eine geheime Zeremonie mache ich Geist und Seele bereit, den ersten Satz in Trance zu empfangen, dadurch öffnet sich eine Tür einen Spaltbreit, und ich kann hindurchspähen und die verschwommenen Umrisse der Geschichte erblicken, die auf mich wartet. In den folgenden Monaten werde ich die Schwelle überschreiten, um diese Räume zu erkunden, und nach und nach werden, wenn ich Glück habe, die Gestalten Leben gewinnen, werden immer deutlicher und wirklicher werden, und die Geschichte wird sich mir offenbaren. Ich weiß nicht, wie ich schreibe und weshalb ich schreibe, meine Bücher werden nicht im Kopf geboren, sie werden im Bauch ausgetragen, es sind launische Geschöpfe, die ihr Eigenleben haben und immer bereit sind, mich zu verraten. Nicht ich entscheide über das Thema, das Thema wählt mich aus, meine Arbeit besteht lediglich darin, ihm genügend Zeit, Einsamkeit und Disziplin zu widmen, damit es sich von allein schreibt. 
Isabel brachte nicht nur zwei Kinder zur Welt, nein, auch ihre Bücher trug sie wie echte Geburten aus, natürlich nur symbolisch gesehen.

Nun habe ich viel über ihr Scheibtalent geschrieben und Paula ausgelassen.

Natürlich habe ich auch Gedanken zu Isabel im Umgang zu ihrer sterbenden Tochter. Da ich nicht zu viel vorwegnehmen möchte, hierin nur ein paar Sätze.

Isabel und ihr Schwiegersohn Ernesto litten enorm unter der tödlichen Erkrankung Paulas. Paula lag über viele, viele Monate im Koma. Sie konnte nicht sterben, weil die Angehörigen sie nicht loslassen konnten. Mit viel Liebe und Pflege konnte der Körper am Leben erhalten bleiben, während das Gehirn nicht mehr reagierte ... Mir fallen dabei die von Elisabeth Kübler-Ross` entworfenen fünf Trauerphasen ein, angelehnt an die fünf Sterbephasen, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, um den Rahmen nicht zu sprengen. Die Trauerphasen helfen, die Angehörigen besser zu verstehen. Wer sich dafür interessiert, so verweise ich auf die Bücher von Kübler-Ross oder auf das Internet …
In der Auseinandersetzung mit dem Leben und Tod Paulas fanden hierbei auch viele transzendente Formen im Bereich der Spiritualität statt, in denen die Seelen miteinander kommuniziert und zu Lösungen gefunden haben. Das war ein schwerer Lernprozess für die Angehörigen, die viel Achtung verdienen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
______
Das Einzige, was man besitzt, ist die Liebe, die man gibt.
(Isabel Allende)

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Montag, 8. Dezember 2014

Isabel Allende / Paula

Klappentext
»Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen, damit du, wenn du erwachst, nicht gar so verloren bist.« Das Unfaßbare geschah im Dezember 1991, als lsabel Allendes Tochter Paula plötzlich schwer erkrankte und kurz darauf ins Koma fiel. Eine heimtückische Stoffwechselkrankheit hatte die lebensfrohe junge Frau jäh niedergeworfen, im Herbst 1992 starb sie. Das Schicksal ihrer Tochter wurde für lsabel Allende zur schwersten Prüfung ihres Lebens. Um die Hoffnung nicht zu verlieren, schrieb sie, der Tochter zur Erinnerung und sich selbst zur Tröstung, »das Buch ihres Lebens – in doppelter Hinsicht« (Bayerischer Rundfunk), ihr persönlichstes und intimstes Buch, »eine Hymne auf das Leben« (stern).

Autorenporträt
Isabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima/Peru geboren. Nach Pinochets Militärputsch am 11. September 1973 ging sie ins Exil. 1982 erschien ihr erster Roman La casa de los espíritus (dt. Das Geisterhaus, 1984), der zu einem Welterfolg wurde. Der dänische Regisseur Bille August verfilmte den Roman 1993. Allende arbeitete unter anderem als Fernseh-Moderatorin und war Herausgeberin verschiedener Zeitschriften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. Ihr Werk erscheint auf deutsch im Suhrkamp Verlag.

Weiter geht es mit dem Isabel Allende Leseprojekt. Ich habe vor, alle Bücher von ihr zu lesen. Bisher habe ich von ihr gelesen:
  1. Amandas Suche 
  2. Das Geisterhaus
  3. Das Portrait aus Sepia
  4. Das Siegel der Tage
  5. Die Insel unter dem Meer
  6. Die Stadt der wilden Götter
  7. Eva Luna
  8. Fortunas Tochter
  9. Inés meines Herzens
  10. Mayas Tagebuch
Folgende drei müssen noch gelesen werden ... (Das Obere habe ich nicht mehr mitgezählt)
  1. Aphrodite
  2. Mein erfundenes Land
  3. Von Liebe und Schatten
Es müssen, so viel ich noch in Erinnerung habe, noch mindestens drei angeschafft werden, dann müsste meine Sammlung vollständig sein. 




Freitag, 5. Dezember 2014

Marcel Proust / Die Gefangene (BD 5)

Klappentext
Marcel, der am Ende von Sodom und Gomorrha beschlossen hat, Albertine zu heiraten, nimmt sie nun zu sich nach Hause und hält sie vor den Augen der Welt versteckt. Sehr bald stellt er jedoch fest, daß mit dieser Gefangennahme die Liebe einer Eifersucht weicht, die ihn zum eigentlichen Gefangenen macht. Anders als Swann erkennt Marcel zwar die Mechanismen dieser Eifersucht, kann sich aber nicht von ihr befreien. Statt dessen werden Sehnsüchte nach anderen Frauen wach, nach neuen Reisen.


Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist zu einem Mythos der Moderne geworden.Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen - Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. „In Swanns Welt“, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, „Im Schatten junger Mädchenblüte“, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der „Suche nach der verlorenen Zeit“ wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.
Folgende Bände von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit habe ich gelesen:
Unterwegs zu Swann (1)
Im Schatten junger Mädchenblüte (2)
Guermantes (3)
Sodom und Gomorrha (4)
Die Flüchtige (6)
BD 6 musste ich vorziehen, da ich sonst Proust aufgeben hätte müssen. Tat mir mit BD 5 schwer, bin einfach nicht in das Geschehen reingekommen. Mit dem sechsten Band hatte ich keine solche Probleme. Da ich vor längerer Zeit beschlossen habe, Proust nur noch zu lesen, wenn ich Urlaub habe und mir mehr Zeit und Konzentration zur Verfügung stehen. Nun ist es wieder so weit. Ich habe Urlaub ... Es ist Proust-time ...

Mal schauen, wie weit ich dieses Mal kommen werde ...


Nachtrag, Sonntag, den 07.12.2014

Ich habe gar keine Zeit mich mit Proust zu befassen. Ich habe tatsächlich einen falschen Augenblick gewählt. Ich habe so viel anderes vor, wie z.B. Literaturfilme mir anschauen, mich erholen und mich mit FreundInnen treffen. Wenn ich mich mit Proust beschäftige, dann muss ich ganz für ihn da sein. Ich kann ihn nicht mit anderen teilen, weder mit Menschen noch mit anderen Hobbys. Er fordert meine ganze Aufmerksamkeit, meine ganze Zeit. Proust zu lesen ist nicht wie Urlaub, Proust zu lesen ist wie Arbeit.

Ich vertage ihn und beginne mit einem anderen Buch, das leichter zu genießen ist. 

Zwei Jahre später, BD 5.

Hier geht es zur Buchbesprechung, Die Gefangene, 20.11.2016. 
        

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Agatha Christi / Das Haus an der Düne (1)

Lesen mit Anne ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe das Buch nun durch. Mir hat es ganz gut gefallen, aber es gibt nicht so viel, was ich zu dem Buch sagen könnte.  Was hat mir denn nun gefallen? Ich finde, Agatha ist es gut gelungen, die Szenen ein wenig zu verwirren, damit man nicht so leicht hinter das Kriminalistische kommt. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, das Opfer namens Nick Buckley ... zu verwechseln. Ich darf ja nicht so viel verraten. Es ist aber auch der Klappentext, der die Leserin ein wenig in eine Richtung weist... 

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Während ihres Urlaubs in dem Küstenstädtchen St. Loo lernen Hercule Poirot und Captain Hastings die junge Nick Buckley kennen, Erbin eines großen alten Hauses mit Seeblick. Auf das Leben des jungen Mädchen werden immer wieder Anschläge ausgeführt, denen sie nur knapp entkommt. Ihre Kusine wird bei einem solchen Mordversuch getötet. Hercule Poirot steht vor einem Rätsel.
Verglichen mit Anne bin ich kein Fan von Agatha Christi, weshalb mir wahrscheinlich nicht so viel zum Schreiben einfällt. Ich lese sie nur, um eine Vorstellung von den Büchern der Autorin zu bekommen.

Auffallend fand ich, dass der Icherzähler Hastin so von Hercule Porot richtig von oben herab behandelt wird, auch wenn er tatsächlich keine bösen Absichten damit hegte, dennoch hatte es Hasting hin und wieder doch wegen seiner Direktheit die Sprache verschlagen ... Da wirkte dieser Hercule Poirot doch ein wenig überheblich ... Natürlich kann er sich auf sein detektivisches Können etwas einbilden, hihihi, aber trotzdem. Mal runter kommen von seinem hohen Ross, :). 

Anne gefallen Buchverfilmungen besser als die Bücher. Nein, die Zeit würde ich mir nicht nehmen, mir noch die Agatha Krimis anzuschauen. Krimis zählen nicht zu meinen favorisierten Genres.

 So, morgen Abend beginne ich mit Marcel Proust. Mir fehlen noch zwei Bände von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, dann habe ich alle sieben Bände geschafft.
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Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben …
Das Böse findet immer seine Strafe. Nur bleibt sie uns manchmal verborgen..
(Agatha Christi)

Gelesene Bücher 2014: 83
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 1. Dezember 2014

Agatha Christi / Das Haus an der Düne

Lesen mit Anne ...

Nun ist es wieder soweit. Just zum ersten eines Monats lesen Anne und ich gemeinsam ein Buch. Für den Monat Dezember ist Anne wieder mit dem Aussuchen dran und so entschied sie sich für einen Krimi-Klassiker. Anne ist verglichen zu mir eine echte Krimileserin, wobei sie auch nur die liest, die nicht so blutrünstig sind. Da sind wir ja mit Agatha Christi gut versorgt ...


Klappentext
Während ihres Urlaubs in dem Küstenstädtchen St. Loo lernen Hercule Poirot und Captain Hastings die junge Nick Buckley kennen, Erbin eines großen alten Hauses mit Seeblick. Auf das Leben des jungen Mädchen werden immer wieder Anschläge ausgeführt, denen sie nur knapp entkommt. Ihre Kusine wird bei einem solchen Mordversuch getötet. Hercule Poirot steht vor einem Rätsel.


Autorenporträt
Agatha Christie schuf den modernen britischen Kriminalroman. Sie schrieb 68 Krimis, zahlreiche Kurzgeschichten, zwanzig Theaterstücke, eine Autobiographie, einen Gedichtband und – unter ihrem Pseudonym Mary Westmacott – sechs Romanzen. Sie gilt als die meistgelesene Schriftstellerin überhaupt. Die »Queen of Crime« verband ihre Lebenserfahrungen mit Phantasie, psychologischem Feinsinn, skurrilem Humor und Ironie. 1971 in den Adelsstand erhoben, starb sie im Alter von 85 Jahren am 12. Januar 1976.

Gelesen habe ich von der Autorin:

Der Wachsblumenstrauß
Die Kleptomanin 
Mord im Orientexpress  

Man kann es sich zur Lebensaufgabe machen, die Krimis von Agatha zu lesen. Es sind jede Menge. Ich hatte mal auf einer Literaturseite entnommen, dass sie etwa 160 Kurzgeschichten, 82 Erzählungen und 24 Bände im Hardcover verlegt hat. Ich glaube nicht, dass ich mir ihre Werke zur Lebensaufgabe machen werde. Mal schauen, wie weit ich kommen werde ...

Sonntag, 30. November 2014

Michel Bussi / Das Mädchen mit den blauen Augen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich soeben beendet und es steckt von der ersten bis zur letzten Seite voller Überraschungen.

Erst war ich ein wenig verunsichert, denn auf den folgenden hundert Seiten entpuppte sich der Text immer mehr zu einem Krimi. Oder Thriller?, womit ich gar nicht gerechnet habe. Das hat sich aus dem Klappentext überhaupt nicht rausgelesen. Krimi oder Thriller, das ist egal; mit beidem hatte ich partout nicht gerechnet. Da ich keine Krimileserin bin, hätte ich das Buch nicht gekauft, wäre das Genre explizit  deklariert worden. Manchmal ist es gut, wenn man im Vorfeld nicht zu viel weiß, denn dieser Krimi hat mir recht gut gefallen und im Nachhinein wäre es schade gewesen, ihn nicht gelesen zu haben ...

Sehr viel werde ich also über das Buch nicht schreiben wollen, denn ich gönne jeder Leserin dieselben überraschenden Effekte.

Zum Schluss hatte ich mich gefragt, ob es an meiner Naivität gelegen hat, weshalb ich die Abläufe so ungefragt übernommen habe? Nein, das war es nicht, denn gleich zu Beginn merkte ich kurz an, dass es für mich unglaubwürdig erscheint, dass ein Säugling einen Flugzeugabsturz auf einen Berg überlebt hat.

Mehr verrate ich nicht. Ich gebe zur Erinnerung erneut den Klappentext rein, obwohl ich von dem Klappentext abraten möchte. Man wird zu sehr in eine Richtung gedrängt.
Ein Flugzeugabsturz – nur ein namenloses Baby überlebt 1980. In der Vorweihnachtsnacht kommt es im verschneiten Jura zu einem tragischen Unfall: Ein Flugzeugabsturz, den allein ein kleines Baby überlebt. Doch auf der Passagierliste sind zwei Säuglinge vermerkt, beide Mädchen, beide drei Monate alt. Welches der Babys wurde gerettet? In einer Zeit, in der es noch keine DNA-Tests gibt, ist dies kaum mit Sicherheit nachzuweisen. In einem aufwühlenden Sorgerechtsprozess, den die Großeltern beider Familien führen, fällt trotz letzter Zweifel schließlich ein Urteil: Emilie Vitral hat überlebt, nicht Lyse-Rose de Carville. Achtzehn Jahre später entdeckt ein Privatdetektiv den Schlüssel zur Wahrheit, kurz darauf wird er tot aufgefunden. Zuvor aber hat er Emilie seine Aufzeichnungen zukommen lassen, die das Leben der jungen Frau von Grund auf verändern.
Des Weiteren habe ich mal die Rezensionen auf Amazon verglichen. Eine Leserin kritisierte die vielen Klischees in dem Buch, die mir gar nicht aufgefallen sind. Doch irgendwie, im Nachhinein, hatte sie auch gar nicht so Unrecht. Aber lest selbst.

Von meiner Sicht aus hat das Buch seine zehn von zehn Punkten verdient. Das Buch liest sich nicht wie ein typischer Krimi mit typischem Fallmuster. Der Krimi wirkt auf mich auch viel authentischer als die meisten anderen Krimis, deren Spannung künstlich hochgeschaukelt wird. Nein, dieser wirkt echt und sehr differenziert ausgehend von den vielen kreativen Ideen des Autors …  
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Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2014: 82
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Freitag, 28. November 2014

Michel Bussi / Das Mädchen mit den blauen Augen


Klappentext
Ein Flugzeugabsturz – nur ein namenloses Baby überlebt
1980. In der Vorweihnachtsnacht kommt es im verschneiten Jura zu einem tragischen Unfall: Ein Flugzeugabsturz, den allein ein kleines Baby überlebt. Doch auf der Passagierliste sind zwei Säuglinge vermerkt, beide Mädchen, beide drei Monate alt. Welches der Babys wurde gerettet? In einer Zeit, in der es noch keine DNA-Tests gibt, ist dies kaum mit Sicherheit nachzuweisen. In einem aufwühlenden Sorgerechtsprozess, den die Großeltern beider Familien führen, fällt trotz letzter Zweifel schließlich ein Urteil: Emilie Vitral hat überlebt, nicht Lyse-Rose de Carville. Achtzehn Jahre später entdeckt ein Privatdetektiv den Schlüssel zur Wahrheit, kurz darauf wird er tot aufgefunden. Zuvor aber hat er Emilie seine Aufzeichnungen zukommen lassen, die das Leben der jungen Frau von Grund auf verändern.
Ausgezeichnet mit dem Prix Maison de la Presse

Autorenporträt
Michel Bussi, geb. 1965, Politologe und Geograph, lehrt an der Universität in Rouen. Seine Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und haben sich als internationale Bestseller durchgesetzt. Bussi ist der meistprämierte französische Autor des Jahres 2011 gewesen.
Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht, was ich von dem Buch erwarten kann. Dass ein Säugling einen Flugzeugabsturz überlebt scheint mir unwahrscheinlich, während alle die anderen Passagiere umgekommen sind.


Mittwoch, 26. November 2014

Andrea De Carlo / Die Laune eines Augenblicks (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich fühlte mich von dem Buch ein wenig abgenervt. Nach zwei gelesenen Büchern von dem Autor habe ich es nun raus, welchen Stoff er darin hauptsächlich bearbeitet.
Ich erinnere mich, dass mir beim Inhalt aus dem ersten Band Als Durante kam, ähnliche Gefühle und Gedanken kamen wie in diesem vorliegenden Band. Es geht immer wieder um Beziehungsdramen. Der Autor sucht Antworten auf seine Fragen, was eine Frau und ein Mann brauchen, um eine glückliche und perfekte Beziehung zu leben? Die Art und Weise wie der Autor seine Antworten durch die Figuren sucht, fand ich immer wieder schwach und ein wenig naiv. Mir hat es zeitweise auch an Geduld gefehlt, weil ich nicht glauben konnte, dass ein erwachsener Mann so mitten im Leben stehend Probleme mit dem Erwachsenwerden hat. Bevor ich mich nun auf diese Buchbesprechung stürze, gebe ich erneut den Klappentext rein:
Ein dramatischer Unfall, die Begegnung mit einer ungewöhnlichen Frau - von einem Moment zum anderen weiß Luca: Er muss sein Leben ändern. Andrea De Carlos Buch, in Italien ein großer Bestseller, ist Identitäts- und Liebesroman in einem.
Erst das Ende des Buches konnte mich mit dem Protagonisten und Icherzähler Luca aussöhnen. Was ich auf den ersten bis zu den letzten Seiten kritisch in mich hinein gedacht und angemerkt hatte, vollzog Luca seine Erkenntnisse erst zum Ende seiner Handlungen hin.

Luca ist ein geschiedener Mann, Mitte 30, lebt mit seiner neuen Partnerin, Anna, und beide leiten eine Reitschule in der Nähe von Rom. Aus seiner ersten Ehe geht ein Kind hervor, elf Jahre alt. Das Kind verbringt alle vierzehn Tage das Wochenende beim Vater.

Seine Freundin Anna, mit der er eigentlich nicht wirklich glücklich ist, in der Tat wirkt sie sehr kühl und unfreundlich Luca gegenüber, lässt er wegen einer anderen Frau still und heimlich im Regen stehen.

Als Luca einen Unfall mit seinem Pferd widerfährt, wird er von einer Autofahrerin namens Alberta aufgelesen und natürlich entwickelt sich hier, wenn auch nur kurz, ein wenig Intimität. Solche Szenen lassen sich sehr schnell durchschauen und noch bevor der erste intime Kuss vollzogen wurde, war der bei mir im Kopf schon längst getätigt, so leicht sind die Szenen im Buch zu durchschauen gewesen.

Man darf sich hier allerdings nicht den italienischen Macho vorstellen, nein, das ist Luca nicht. Man hat es hier eher mit einem Typ Mann zu tun, ein sensibler Mensch, der Suchender ist, und der fest davon überzeugt ist, dass Männer und Frauen nicht sonderlich verschieden sind. Männer und Frauen seien nicht wirklich zwei unterschiedliche Rassen … Trotzdem, wie er seine Beziehungsprobleme angeht, finde ich verantwortungslos und minderwertig. Spare mir die Einzelheiten und verweise auf das Buch.

Statt dass Luca seine Probleme mit Anna löst, stürzt er sich in die nächste Beziehung. Ehrlich gesagt reagierte ich auf Luca mit einer gewissen Ungeduld, denn er scheint ein Problem mit der Verantwortung zu haben. Wenn Menschen in der Partnerschaft unglücklich sind, dann warten viele erst bis sie sich neu verlieben und stürzen sich von einer Partnerschaft gleich in die nächste, und das nur, um nicht alleine zu sein, sollte eine Partnerchaft an ihr zerbrechen … Luca hatte sich schließlich in Alberta verliebt, lernt dann allerdings Albertas Schwester Maria Chriara kennen, verliebt sich dann in diese, Alberta liegt nämlich durch einen Suizidversuch im Krankenhaus … Luca verliebt sich und verliebt sich … Das klingt für mich ganz nach einem Pubertierenden und nicht nach einem reifen Mann, der vom Alter her nicht mehr ganz so jung ist, dazu noch Vater ist. Nicht einmal der elfjährige Sohn schafft es, seinen Vater wirklich zu respektieren, wo doch Söhne gerne auf ihre Väter aufschauen.

Und hier kommt die mentale Wende:
Und mir kam der Gedanke, dass ich die Gründe für mein Unglücklichsein überallhin mit mir schleppen würde. Ich dachte, dass ich doch immer wieder das Interesse an jeder Frau und jeder Arbeit und jeder Beziehung verlieren würde, sobald der Zauber des Anfangs zu verfliegen begann; ich war unfähig, wie ein Erwachsener Verantwortung zu übernehmen und die hoch entwickelten Verhaltensweisen unserer Spezies positiv auszulegen. Vielleicht, dachte ich, ist das, was ich Leichtigkeit nannte, eine Form egoistischer Oberflächlichkeit und das, was ich als Last betrachtete, der wahre Gehalt der Dinge. (…) Ich dachte, dass es vielleicht an der Zeit war, nicht länger dem Neuen und Überraschenden nachzujagen, sondern innezuhalten und hinzunehmen und aufzubauen, aus der flüchtigen und unzuverlässigen Vorläufigkeit des Jetzt hinauszutreten und mit festen Schritten auf das Morgen zuzugehen. (262f)
Und somit bekommt dann auch der Titel des Buches Die Laune eines Augenblicks einen Sinn.

Ich denke, dass ich nun von Andrea de Carlos Büchern mehr als gesättigt bin. Mich reizt es nicht, noch weitere Bände von ihm zu lesen.

Das Buch erhält von mir sechs von zehn Punkten.
______
Kinder brauchen keine Analysen,
Kinder brauchen Liebe.
(Adam Davies)

Gelesene Bücher 2014: 81
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 24. November 2014

Andrea De Carlo / Die Laune eines Augenblicks

Klappentext
Aus dem Italienischen übersetzt von Renate Heimbucher. Ein dramatischer Unfall, die Begegnung mit einer ungewöhnlichen Frau - von einem Moment zum anderen weiß Luca: Er muss sein Leben ändern. Andrea De Carlos Buch, in Italien ein großer Bestseller, ist Identitäts- und Liebesroman in einem.

Autorenporträt
Andrea De Carlo, 1952 in Mailand geboren, arbeitete als Fotograf und Rockmusiker, später als Assistent von Federico Fellini, bevor er Schriftsteller wurde. Er hat zehn Romane geschrieben, die sich millionenfach verkauft haben und in einundzwanzig Sprachen übersetzt wurden. Zuletzt erschien auf deutsch "Die Laune eines Augenblicks". Heute lebt er in Rom, Mailand und auf dem Land in der Nähe von Urbino.
Dies ist das zweite Buch, das ich von dem Autor lesen. Das erste Buch Als Durante kam hatte mir nicht sonderlich gut gefallen. Mal schauen, ob mich dieses Werk erfreuen wird.


Sonntag, 23. November 2014

Siri Hustvedt / Der Sommer ohne Männer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch habe ich soeben beendet und es ging gar nicht an mich. Es ist ein relativ dünnes Buch von 350 Seiten, weshalb ich es zu Ende lesen konnte, ansonsten hätte ich es abbrechen müssen. Ich habe mich ein wenig bis zur letzten Seite gequält.

Nicht, dass es an den Themen lag, nein, die Themen fand ich o. k. Mir war der ganze Stoff einfach nur zu trocken und mit keine der Figuren konnte ich wirklich warm werden.

Nichtsdestotrotz gab es die eine oder andere Textstelle, die ich mir gerne herausschreiben möchte.

Bei Der Sommer ohne Männer lässt schon der Titel erahnen, was sich dahinter verbirgt.

Frauenthemen wie z. B. Emanzipation, weibliche Sexualität, Belletristik, die den Stempel Frauenliteratur aufgedrückt bekommt, und natürlich steht die Ehekrise als das Hauptthema im Vordergrund, obwohl sich die anderen Themen immer wieder dem Hauptthema aufdrängen. 

Ich gebe zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
Eine Ehekrise hat die New Yorker Dichterin Mia Fredricksen aus der Bahn geworfen. Am Ende eines langen Sommers in Minnesota hat sie ihr Gefühlschaos geordnet und sich und das Leben neu entdeckt. Ein wunderbar inspirierter Roman über das Glück und das Unglück der Frauen. Der Sommer ohne Männer (jetzt neu als Taschenbuch) zeigt Siri Hustvedt von einer ungewohnten Seite – verspielt und äußerst komisch.
Mia Fredricksen unterrichtet sieben junge halbwüchsige Mädchen in Dichtung und Literatur. 

Des Weiteren gibt es einen Lesezirkel, der auch nur von Frauen besucht wird …

Interessant finde ich ihre Gedanken zur Belletristik:
Tatsächlich wird das Lesen von Belletristik heutzutage oft als Frauenkram angesehen. Viele Frauen lesen Romane. Die meisten Männer nicht. Frauen lesen Romane von Frauen und Männern. Die meisten Männer nicht. Schlägt ein Mann einen Roman auf, hat er gern einen männlichen Namen auf dem Cover, das ist irgendwie beruhigend. Man weiß ja nie, was mit diesem äußeren Genital passieren könnte, wenn man in eine imaginäre Welt eintaucht, die von jemandem ausgeheckt wurde, bei dem sich die beweglichen Sachen innen befinden. Zudem geben Männer gern mit ihrer Nichtbeachtung von Romanen an: >>Ich lese keine Romane, aber meine Frau.<< Die zeitgenössische literarische Vorstellungswelt verströmt anscheinend ein eindeutig weibliches Parfüm. 
Eine schöne Metapher mit dem Parfüm.

Ihr Ehemann Boris stellt sie vor vollendete Tatsachen, trennt sich von ihr, um eine Ehepause einzulegen … Mia erlebt einen psychischen Zusammenbruch und wird in eine Psychiatrie eingewiesen.

Eine Wortspielerei mit dem Begriff Pause, Mia analysiert diesen Begriff philosophisch und linguistisch ...

Sie erholt sich von dem Zusammenbruch und versucht, wieder ihrem geregelten Tagesablauf nachzugehen …

Mia ist Mitte fünfzig und ist die Jüngste ihrer Frauenrunde und wird von den älteren Damen wegen des großen Altersunterschieds als Kind bezeichnet. Die anderen sind weit über siebzig. Wie gehen Frauen ihres Alters mit dem Leben um? Wie gehen sie überhaupt mit dem Alter um, mit dem Altsein an sich? Mia stellt alte und junge Menschen gegenüber, um zu begreifen, was Zeit ist, was Altsein bedeutet. Für die jungen Leute zählt nur die Zukunft, während die Alten die Zukunft schon verlebt haben und stehen dem Tod am nähesten.

Mia hat es gut drauf, junge Leute in der Dichtkunst zu inspirieren und sie zu fördern. Sie bewundert das Alter, mit dem sie Literatur entdecken: 
Die Schülerin Alice, hübsch, große Zähne mit Brackets, las, als ich reinkam, und las still weiter, bis die Stunde anfing. Als sie das Buch zuklappte, sah ich, dass es Jane Eyre war, und verspürte einen Moment lang Neid, den Neid auf das erste Entdecken. 
Diesen Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen.

Ihre Schülerin Alice brachte folgende Zeilen zustande, die auch mir gefallen haben: 
Schweigen ist ein guter Nachbar und ich sah mein missmutiges Ich fortgehen. 
Mia notiert sich sehr viele Gedanken. Über Begriffe, über Bedeutungen, über Metaphern … Und auch über Sex. Sex in einer Bibliothek:
Es begann in der Bibliothek mit Kant. Bibliotheken sind sexuelle Traumfabriken. Das kommt von der Schläfrigkeit. Der Körper muss Haltung annehmen - ein Bein über das andere geschlagen, das Kinn auf eine Hand gestützt, gestreckter Rücken; aber der Körper tut nichts. Es kommt vom Lesen und Aufblicken; der Geist verlässt das Buch und schlängelt sich zu einem Oberschenkel oder Ellbogen - real oder vorgestellt. Es kommt vom Dunkel der Bücherstapel mit seiner Andeutung von etwas Verborgenem. Es kommt vom trockenen Duft des Papiers und der Einbände und höchstwahrscheinlich vom Geruch vom alten Leim. Es war der nicht schwierige Kant: Die Kritik der praktischen Vernunft, viel leichter als die Reine Vernunft aber ich war zwanzig, und die praktische war schon schwierig genug, und er beugte sich über mich, um zu sehen, welches Buch es war. Sein warmer Atem, sein Bart, ganz nah. Professor B. in seinem weißen Hemd, seine Schulter nur wenige Zentimeter von meiner. Mein ganzer Körper versteifte sich, und ich sagte nichts. Dann las er leise, aber das einzige Wort, woran ich mich erinnere, ist Vormundschaft. Er sagte es langsam, sprach jede Silbe deutlich aus, und ich war sein. Es endete schlecht, wie man so sagt, wer immer >>man<< ist, aber seine Augen, die mich beim Ausziehen beobachteten - nein, erst deine Bluse. Jetzt den Rock. Langsam -, seine langen Finger, die in meine Schamhaare krochen, sich zurückzogen, mich scharfmachten, mich zur Verzweiflung brachten - diese frevelhaften Lüste in der Bibliothek, nachdem sie geschlossen hatte, bewahre ich sicher in meiner Erinnerung. 
Was ich so ja gar nicht wusste, ist, dass Mark Twain weiblichen intellektuellen Autorinnen so gar keinen Respekt entgegenbringen konnte, wobei ich mir das eigentlich auch hätte denken müssen, was ich bisher so von ihm habe in Erfahrung bringen können:
>>Jede Bibliothek, die kein Buch von Jane Austen hat, ist eine gute Bibliothek<<, sagte Amerikas literarischer Liebling Mark Twain, >>auch wenn sie kein anderes Buch enthält.<< Carlyle nannte ihre Bücher>>kläglichen Schund<<. Doch auch heute noch wird sie der >>Beschränktheit<< und >>Klaustrophobie<< bezichtigt und als Schriftstellerin für Frauen abgetan. Das Leben in der Provinz, nicht lesenswert? Die Mehrzahl von Frauen, unwichtig? Es geht natürlich in Ordnung, wenn es Flaubert ist. Mitleid mit den Dummköpfen. 
Ich hatte Flaubert damals im Deutsch-Leistungskurs gelesen und seine Themen, hauptsächlich die in Madame Bovary, haben sich von Jane Austen nicht sonderlich unterschieden. Beide schreiben sehr gesellschaftskritisch, besonders was der Status einer Frau in der Gesellschaft des 18. und 19. Jahrds. betrifft. Madame Bovary war eine Figur, die die Ehe monoton erlebt hatte und um aus dieser auszureißen, begann sie einen Seitensprung mit bösen Folgen. Der Ehegatte, Landarzt von Beruf, langweilte sie, da ihm der gesellschaftliche Status und ein geregelter Lebensablauf das Wichtigste für ihn waren.

Damit ich nicht zu viel verrate, mache ich hier nun Schluss. Es sind tatsächlich sehr viele Themen, mit denen sich die Autorin in diesem Buch befasst.

Das Ende bezieht sich wieder auf das Ehepaar Mia und Boris.

Auch wenn mir diese Lektüre nicht gut gefallen hat, ich möchte fair sein, ist es doch ein literarisch sehr anspruchsvolles Buch.
Viele schöne Gedanken sind fantasievoll ausgedrückt. Dazu sind ihre Gedanken recht differenziert dargestellt.

Deshalb erhält das Buch von mir zehn von zehn Punkten.
______
Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2014: 80
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Donnerstag, 20. November 2014

Siri Hustvedt / Der Sommer ohne Männer

Klappentext
Eine Ehekrise hat die New Yorker Dichterin Mia Fredricksen aus der Bahn geworfen. Am Ende eines langen Sommers in Minnesota hat sie ihr Gefühlschaos geordnet und sich und das Leben neu entdeckt. Ein wunderbar inspirierter Roman über das Glück und das Unglück der Frauen. Der Sommer ohne Männer (jetzt neu als Taschenbuch) zeigt Siri Hustvedt von einer ungewohnten Seite – verspielt und äußerst komisch.

Autorenporträt
Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn. Bislang hat sie sechs Romane publiziert, mit "Was ich liebte" hatte sie ihren internationalen Durchbruch. Zuletzt erschienen "Die Leiden eines Amerikaners" und "Der Sommer ohne Männer". Zugleich ist sie eine profilierte Essayistin. Bei Rowohlt liegen von ihr die Essaybände "Leben, Denken, Schauen", "Nicht hier, nicht dort" und "Being a Man" vor.
Von der Autorin habe ich noch ein Buch im Regal stehen, das darauf wartet, gelesen zu werden. Sie ist mir neu und bin recht neugierig ...




Mittwoch, 19. November 2014

Kate O´Riordan / Der Junge im Mond (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch hat mir eigentlich recht gut gefallen. Dennoch sind mir ein paar Lücken aufgefallen, vor allem was die Sprünge zwischen den Zeiten betreffen. Diese waren nicht immer klar abgetrennt. 

Schön fand ich, mit meinem Kopf nach Irland zu reisen. Die schöne Landschaft und das Meer waren recht authentisch beschrieben. Wären da nicht diese Tragödien, das harte Leben von Bauern ...
Eigentlich findet man die typischen irischen Themen vor wie z. B. Armut, Katholizismus, Kinderreichtum, Hass zwischen den Engländern und den Iren …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Die Engländerin Julia und der Ire Brian sind seit zehn Jahren verheiratet. Ihr Sonnenschein ist der siebenjährige Sohn Sam. Als Sam durch eine Unachtsamkeit seines Vaters ums Leben kommt, empfindet Julia nur noch Hass für den Ehemann und zieht sich in das Cottage von dessen Vater zurück. Dort entdeckt sie ein altes Notizbuch von Brians längst verstorbenen Mutter und sie erhält Einblick in die angeblich so sorglose, idyllische Kindheit ihres Mannes. Allmählich kommt sie Brian innerlich wieder näher, doch er verliert zusehends den Boden unter den Füßen.
Aber es ist auch ein Buch, das ich gerne gelesen habe, ohne nochmals viele Worte darin zu verlieren. Halte mich demnach mit meiner Buchbesprechung recht kurz. Im Klappentext steht alles Wesentliche drin. Und mehr als das habe ich nicht zu erzählen. Ich fand auch nicht viele Zitate, die ich unbedingt festhalten möchte.

Ein wenig schockiert hat mich Brians Vater, der hartherzig war, eine Seele aus Eis, als habe sich sein Charakter dem rauen Klima angepasst. Ein Mann und Vater, der seine Kinder richtig gezüchtigt hat. Er war ein gewalttätiger Vater, der in der Erziehung die schwarze Pädagogik praktizierte. Auch seine Frau, die Mutter der Kinder, hat er hart arbeiten lassen, trotz der vielen Kinder. Diese ist an der vielen Arbeit zerbrochen und schied vorzeitig aus dem Leben.

Damit ihr eine kleine Vorstellung davon bekommt, wie sich diese Gewalt ausgewirkt hat, folgt nun gleich ein kleines Zitat. Es geht um Brians Zwillingsbruder Noel, der unter Höhenangst litt, und der Vater mit folgender Methode es ihm auszutreiben versuchte:
Noel schrie sich die Seele aus dem Leib, schrie in solch panischer Angst, dass Brian aus dem Hof und die Felder hinunterraste, um zu sehen was los war. Jeremiah hatte Noel an einem Knöchel gepackt und ließ ihn mit dem Kopf nach unten über den Rand der Klippe baumeln.
Noels Höhenangst verstärkte sich dadurch noch mehr.

Nun komme ich zu der Hauptsache. Es geht weiter mit Noel, den ein schreckliches Schicksal ereilte. Die damals kleinen Brüder Noel und Brian trugen ihre Streitereien körperlich aus. Statt dass der Vater die beiden Jungen auseinanderbrachte, spornte er den Kampf noch zusätzlich an und schrie Brian zu, er solle Noel das Bein stellen. Da Brian, mittlerweile von dem Kampf erschöpft, dazu nicht in der Lage war, stellte der Vater Noel das Bein. Noel stürzte die Klippen hinunter. Brian war geschockt und rannte davon. Zwei lange Tage hielt er sich von zu Hause fern, als man ihn mit hohem Fieber in seinem Versteck fand. Brian glaubte felsenfest, dass er Noel getötet hat. Mit dieser Schuld wurde Brian erwachsen, obwohl ihm der Vater gesagt hatte, dass es ein Unfall war …

Nun wiederholte sich das Schicksal ana seinem eigenen Jungen und sämtliche Schuldgefühle zu seinem Zwillingsbruder kamen wieder hoch. Er durchläuft nun eine dreifache Trauer. Verlust um Sam, Verlust um seine Frau und um den Verlust seines Zwillingsbruders Noel. Erst durch seine Frau Julia gibt es Klarheit, denn sie erfährt durch ihre Recherche im Haus seines Vaters, wie Noel tatsächlich ums Leben kam. Die Mutter hatte zu Lebzeiten Tagebuch geführt und darin diesen Vorfall festgehalten.

Da ich nicht zu viel verraten möchte, mache ich nun hier Schluss.

Das Buch erhält von mir wegen des anfangs beschriebenen Dementi sieben von zehn Punkten.
______
Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2014: 79
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 18. November 2014

Kate O´Riordan / Der Junge im Mond

Klappentext
Die Engländerin Julia und der Ire Brian sind seit zehn Jahren verheiratet. Ihr Sonnenschein ist der siebenjährige Sohn Sam. Als Sam durch eine Unachtsamkeit seines Vaters ums Leben kommt, empfindet Julia nur noch Haß für den Ehemann und zieht sich in das Cottage von dessen Vater zurück. Dort entdeckt sie ein altes Notizbuch von Brians längstverstorbener Mutter und sie erhält Einblick in die angeblich so sorglose, idyllische Kindheit ihres Mannes. Allmählich kommt sie Brian innerlich wieder näher, doch er verliert zusehends den Boden unter den Füßen..

Autorenporträt
Kate O'Riordan wurde 1961 in West Cork, Irland, geboren und lebt seit den achtziger Jahren mit ihrem Mann und den beiden Kindern in London.
Das Buch habe ich antiquarisch beim Bücher-Oxfam erworben. Das Buch wurde nicht neu aufgelegt.

Mich hat der Klappentext angesprochen ...






Montag, 17. November 2014

Bernd Schroeder / Mutter & Sohn (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Dies war eine wunderschöne Erzählung. Von ihr werde ich noch lange zehren. Sehr authentisch, zwischendrin mal ernst, mal wieder humorvoll, fantasievoll und liebevoll geschrieben. Freue mich, mit Bernd Schroeder einen neuen Autor entdeckt zu haben. Werde ihn in meine Liste aufnehmen, und mir noch weitere Bücher von ihm anschaffen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Johannes hat zwei Frauen und zwei Probleme: Lisa verlässt ihn, und seine Mutter kann er nicht verlassen. Als er es fast geschafft hat, greift sie zum letzten Mittel. Bernd Schroeder erzählt die endlose Liebesgeschichte eines Mannes zu seiner ersten Frau: witzig, manchmal bösartig und trotz allem liebevoll. 
Johannes ist 57 Jahre alt und ledig. Im Laufe seines Lebens hatte er vierzehn Frauen, doch mit keiner wollte es so recht klappen. Mit Lisa hatte er ausgemacht, gemeinsam alt zu werden, doch auch diese Frau beendete vorzeitig die Bindung. Johannes trauert, wünscht sich seine Lisa zurück ...

Dann gibt es noch Johannes Mutter Martha, die ihren Sohn für einen Langweiler hält, für einen Durchschnittsmenschen, der es im Leben nicht weit gebracht habe. Dabei hat Johannes Architektur studiert und ist seit vielen Jahren bei Willi Krause angestellt, und vierzehn Frauen sind auch kein Pappenstiel. Beziehungskonflikte zu lösen, da geht wahnsinnig viel Lebenszeit drauf ...

Wobei die Firma versucht, Johannes loszuwerden und macht ihm den Antrag, ihn nach Brasilien in die Tochterfirma zu versetzen …

Johannes hatte noch eine ältere Schwester namens Franziska, die mit 24 Jahren durch Drogen ums Leben kam. Franzi wollte Medizin studieren, wurde aber Schlagersängerin. Martha war von ihrer Tochter sehr angetan, begleitete und unterstützte sie auf dem Weg einer Künstlerin. Johannes und der Vater kamen dadurch zu kurz. Und auch heute noch lebt die Mutter in einer Scheinwelt zur Tochter. X Fotos sind an den Wänden, auf allen ist Franziska abgebildet. Mittlerweile sind nach ihrem Tod mehr als zwanzig Jahre vergangen. Die Mutter lebt allein, auch ihr Mann ist vor längerer Zeit verstorben.
Während Martha Franziska idealisiert, wertet sie Johannes ab. Ziemliche Extreme zwischen Aufwertung und Abwertung.
Johannes mag die vielen Bilder an den Wänden nicht. Er fühlt sich von ihnen regelrecht bedroht. Sie symbolisieren für die Mutter all das an Perfektion, was der Sohn nie imstande war einzulösen. Franziska musste nichts einlösen. Sie liegt in dieser Wohnung, mumifizierte, für immer schön, jung, erfolgreich, in der Unfehlbarkeit der tragisch Umgekommenen. Da gibt es keine Unzulänglichkeit, kein Versagen, keinen Misserfolg. In Mutters Kopf ist diese Tochter perfekt. 
Dadurch, dass Johannes zu wenig von der Mutterliebe erfahren hat, bekomme ich als Leserin den Eindruck, er hat sich von ihr nicht wirklich gelöst. Vielleicht, psychoanalytisch gedacht, ist das auch der Grund, weshalb es mit den Beziehungen zu den Frauen nicht so recht klappen wollte.

Johannes geht seine Mutter besuchen, und ist verblüfft, als er sie in einem Rollstuhl vorfindet. Er versucht, von ihrem Krankheitsbild etwas in Erfahrung zu bringen. Die Infos sind allerdings nicht plausibel genug, aber was bleibt Johannes übrig, als diese erstmal so hinzunehmen?

Der Besuch bei der Mutter wurde zunehmend anstrengend. Ständig sprach Mutter Martha von Franzis und deren Erfolgserlebnissen und immer wieder stellt sie Johannes, indem sie ihre beiden Kinder vergleicht, als Versager hin.

Als Schüler habe er einmal die Klasse wiederholen müssen. Als Schüler hatte er keine FreundInnen und im Beruf würde er auch nichts anderes auf die Beine bringen, als immer nur Hallen zu konstruieren ...
Da muss man schon gute Nerven haben, dies alles an den Kopf geknallt zu bekommen. Die hat Johannes aber nicht und so verfällt er in dasselbe Muster seiner Mutter, indem er permanent versucht, die Mutter von ihren Meinungen abzubringen.
Johannes kann das nun gar nicht gebrauchen, die vielen Vorwürfe, wo er doch gerade um seine Lisa trauert. Sein Selbstwert scheint arg angekrazt zu sein ...

Auch Lisa muss sich um ihre alten Eltern kümmern, besonders um die verwirrte Mutter, doch sie pflegt eine völlig andere Vorgehensweise. Ich muss nun einen längeren Textauszug einbringen, weil der einfach zu schön ist. Lisa spricht ihre Mutter mit dem Vornamen Ruth und den Vater mit Paul an:
Einmal kam ein Anruf mitten in der Nacht. Lisa stand auf. Das ist rot, das spüre ich. Hallo!Lisa! Lisa! Es ist etwas ganz Schreckliches passiert!Hallo Ruth, erzähl, was ist denn los?Paul! Paul!Was ist mit Paul?Ich will gerade ins Bett gehen. Bin von einer weiten Reise zurückgekommen, will ins Bett gehen, da - liegt Paul im Bett! Paul liegt in meinem Bett!Ja und?Paul liegt in meinem Bett.Schläft er?Jaja. Er schläft. In meinem Bett.Schnarcht er?Nein. Er liegt nur so da.Lässt der dir keinen Platz?Doch.Na, dann leg dich doch zu ihm. Du hast Paul doch lieb, oder?Ja ja.Na also, wo ist das Problem?Ja, wenn du meinst, lege ich mich zu ihm. Gute Nacht, Lisa.Gute Nacht, Ruth, schlaft schön, ihr beiden. 
Nach dem Telefongespräch fragte sich Ruth lachend, auf welcher Reise die Mutter sich wohl befand?

Mir hat diese Szene so gut gefallen, dass ich sie aufschreiben musste. Sie zeigt auf, dass Lisa im Gegensatz zu Johannes die Mutter so sein lassen konnte, wie sie ist, und sie sie nicht von der gegenwärtigen Realität zu überzeugen versucht. Das gelingt Johannes noch nicht …

Johannes kämpft mit sich, kämpft mit der Mutter, kämpft mit den unterschiedlichen Realitäten, bis er sich denkt:
Du darfst die Kriege mit Mutter nicht führen, die sie anzettelt. Sei Pazifist. Wenn sie dich auf die Wange schlägt, halte ihr die andere hin. Nur so geht es. Hör einfach zu, egal, was sie redet, wen sie beleidigt, was sie für Vorurteile in die Welt setzt. Hör einfach nur zu. Sei Therapeut. Denke, du wirst fürs Zuhören bezahlt. Und so ist es ja. Wenn sich jemand anderes kümmert, musst du ihn bezahlen. So sparst du das Geld. Und jede Wette: Sie hält das für Liebe und ist dankbar. 
Pazifist sein, lol, im Krieg mit der Mutter. In diesem Zusammenhang wäre ich nie auf die Idee gekommen, den Begriff Pazifist zu gebrauchen, sondern nur im politischen Sinne.

Johannes bringt der Mutter ein Mobiltelefon mit. Erst lehnt die Mutter das Telefon ab, wieder mit x verschiedenen Verschmähungen, schließlich schafft er es doch, sie von Vorzügen dieses Telefons zu überzeugen.

Und auch hier immer wieder Abweisungen und ins Gewissen reden und dies mit folgender Absicht:
Mein Sohn hält mich für verrückt - wegen all dieser Bilder hier. Und überhaupt. Er kommt mit den normalen Menschen schon nicht zurecht, da macht ihm eine verrückte alte Mutter Angst. Und eine Hilflose im Rollstuhl erst recht. Aber da verrechnet er sich. So einfach rennt man von mir nicht davon. Das ist schon eurem Vater nicht gelungen. Es wird ihm auch nicht gelingen. Denn mit einem schlechten Gewissen kann er nicht leben. Nein, meine Liebe, der verlässt uns nicht. Die Arme einer Mutter reichen weit. Ich werde ihn festhalten, ohne dass er es merkt, drahtlos. Jawohl. 
Johannes holt für ihn und für die Mutter eine Pizza beim Italiener. Etwas später erhält er einen Anruf von der Mutter, mit der Bitte, eine dritte Pizza mitzubringen, da sie unerwarteten Besuch bekommen habe. Als schließlich Johannes mit den drei Pizzen zurückkommt, ist er sichtlich irritiert, weil für drei Personen zwar gedeckt wurde aber keine weitere Person zu sehen war. Die Mutter hatte für Franziska mitgedeckt. Plötzlich macht es in Johannes klick, ändert seine Strategie, die mich an eine Paradoxintervention erinnern lässt. Johannes prostet Franziska zu, er prostet der Mutter zu:
Die Mutter ist verwirrt, versteht diesen Umschwung nicht, schaut ihm irritiert zu. Plötzlich kann oder will sie diese Rolle nicht mehr weiterspielen. Franziska ist nicht mehr da, hat sich in Nichts aufgelöst. Die Mutter versucht, der neuen Situation etwas Positives für sich abzugewinnen. Da sitzt der Sohn, friedlich, gut gelaunt. Was war denn vorher? Haben sie gestritten? War Besuch da? Man ist Pizza. Wo kommt die her? Warum ist der da? 
An dieser Stelle mache ich nun Schluss. Wie es mit der Mutter für Johannes weitergehen wird und ob er es schaft, die Trauer um seine Lisa zu überwinden, das lest selbst. 

Das Buch erhält von mir wegen der anfangs beschrieben Gedanken zehn von zehn Punkten.
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Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2014: 78
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Sonntag, 16. November 2014

Bernd Schroeder / Mutter & Sohn

Klappentext
Johannes hat zwei Frauen und zwei Probleme: Lisa verlässt ihn, und seine Mutter kann er nicht verlassen. Als er es fast geschafft hat, greift sie zum letzten Mittel. Bernd Schroeder erzählt die endlose Liebesgeschichte eines Mannes zu seiner ersten Frau: witzig, manchmal bösartig und trotz allem liebevoll.


Autorenporträt
Bernd Schroeder, geboren 1944 im heute tschechischen Aussig, wuchs im oberbayerischen Fürholzen auf. Er lebt in Köln. Als Autor und Regisseur zahlreicher Hör- und Fernsehspiele erhielt er 1985 den Adolf-Grimme-Preis, 1992 den Deutschen Filmpreis. Zuletzt erschienen bei Hanser: Hau (Roman, 2006), Alte Liebe (Roman, 2009, mit Elke Heidenreich) und Auf Amerika (Roman, 2012).  
Es ist nicht das Cover, das mich angesprochen hatte, es war vielmehr der Klappentext. Trotzdem hatte ich Zweifel und war mir nicht sicher, ob der Klappentext hält was er verspricht. Dann kaufte ich es schließlich doch, vertraute dem Hanser Verlag, der ja in der Regel recht gute Bücher herausbringt. Nun habe ich das Buch fast durch, es ist eine Erzählung auf 150 Seiten und habe die Wahl, doch noch zu dem Buch gegriffen zu haben, nicht bereut.

Es ist eine sehr schöne Erzählung.



Samstag, 15. November 2014

Laurie Halse Anderson / Wintermädchen (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch habe ich nun durch. Dies ist ein Buch, über dessen Inhalt ich nicht diskutieren möchte. Man sollte damit lieber in sich gehen, deshalb schreibe ich in diesem Fall nur über allgemeine Eindrücke.

Erst dachte ich, dass die Autorin von sich schreibt, von ihrer Essstörung, von ihrem seelischen Leid. Denn der Stoff, den sie darin bearbeitet hat, ist so authentisch geschrieben, dass ich glauben musste, sie schreibt aus der Selbsterfahrung heraus. Aber das ist nicht so, wie sich dies am Ende in der Danksagung herauslesen lässt. Nein, es ist ein Thema, über das sie recherchiert hat und das ist ihr nach meinem Geschmack zu hundert Prozent gelungen.

Wie aus dem Klappentext hervorgeht, behandelt die Autorin das Schicksal zweier junger bulemischer Mädchen im Alter zwischen 18 und 19 Jahren. Diese geht mit Selbstverletzung und Selbstzerstörung einher.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
 In der Silvesternacht leisten die beiden Freundinnen Lia und Cassie einen heiligen Schwur: Sie wollen alles dafür tun, die dünnsten Mädchen der Schule zu sein. Nun ist Cassie tot und für Lia bricht eine Welt zusammen. Doch die Stimmen in ihrem Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihr zu hungern und Lia gehorcht - in ihrem einsamen Kampf gegen sich selbst, ihre Eltern und ihre tote Freundin, die in der Welt der Wintermädchen auf sie wartet.
Ein Kampf, den die Mädchen gegen ihre seelische Erkrankung, gegen sich selbst und gegen die Welt der Erwachsenen führen. Zwischen den Zeilen wird immer wieder deutlich, wie bei allen Betroffenen und Angehörigen die Schuldfrage gestellt wird, und diese wie ein Ping-Pong Ball anderen Familienangehörigen zugeworfen wird. Und dabei ist es gerade diese Suche nach dem Schuldigen, weshalb die Mädchen immer kränker wurden, die noch mehr Druck in einem selbst und im anderen auslöst. Man muss lernen zu begreifen, dass es keinen Schuldigen in dem Sinne gibt, denn jeder Mensch macht in seiner Kindheit auch ungute Erfahrungen, meistens kann man sie nicht einmal fassen, vor allem, wenn sie ganz subtil und im Stillen vollzogen werden. Und so stellt sich mir immer wieder die Frage, weshalb erkranken die Einen und die Anderen nicht?

Als Leserin war ich auch ein wenig abgenervt über das Verhalten der Eltern und Stiefeltern, die vor einer großen Herausforderung stehen. Nichtsdestotrotz kann man auch die Eltern nicht für schuldig erklären. Neben ihren kranken Kindern müssen auch sie erstmal lernen, mit der schweren Situation, die den Alltag total durcheinanderbringt,  zurechtzukommen. Der Krankheitsausbruch ist auch für die Eltern ein Schock und löst in ihnen ungeahnte Ängste aus, die widerum zu einem Fehlverhalten führen können. Hätte ich ein Kind mit einer Essstörung, ich würde sicher auch kläglich versagen. Versagen? Weiß gerade nicht, ob das die  richtige Bezeichnung dafür ist, möchte eben nur ausdrücken, dass ich es sicher auch nicht besser machen würde.

Ein schwerer Lernprozess für alle Beteiligten. Die einen überwinden ihn, andere scheitern, indem sie sich in den Tod hungern. Scheitern? Auch eine Fehlbesetzung dieses Begriffes. Es ist dieses Leben, das die betreffende aus dem Leben scheidende Person für sich zu führen entschieden hat, auch wenn es für Außenstehende nicht begreifbar ist, weil es einen in das Absolute stößt, in das Nichtwiederrevidierbare wie im Fall Cassie. Es gibt Menschen, die ihr Leben nicht aushalten, die Welt nicht aushalten und sich selbst nicht aushalten können …

Das Ende hat mir sehr gut gefallen und es hat mir gezeigt, dass das, was siegt, die Liebe und die Vergebung ist. Dabei meine ich nicht die Vergebung alleine an das Kind, nein, die Vergebung an allen Beteiligten. Mehr Mitgefühl füreinander und für die menschlichen Schwächen aufbringen.

Nicht nur wegen der Authentizität des Themas, sondern auch wegen der fantasievollen Sprache erhält das Buch von mir zehn von zehn Punkten.

Mir hat das Bild sehr gut gefallen, wie zum Beispiel: Der Mond tropft vom Fenster aus in mein Zimmer.
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Jedes Böse hat auch sein Gutes.
(Isabel Allende)

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