Montag, 6. August 2012

Sarah Kuttner / Mängelexemplar



Klappentext

Karo lebt schnell und flexibel. Sie ist das Musterexemplar unserer Zeit: intelligent, selbstironisch, liebenswert. Als sie ihren Job verliert, ein paar falsche Freunde aussortiert und mutig ihre feige Beziehung beendet, verliert sie auf einmal den Boden unter den Füßen. Plötzlich ist die Angst da."

Autorenportrait im Klappentext

 Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen ›Sarah Kuttner – Die Show‹ (VIVA) und ›Kuttner.‹ (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD, zuletzt war sie dort mit ›Kuttners Kleinanzeigen‹ und ›Ausflug mit Kuttner‹ zu sehen. Aktuell moderiert sie auf ZDF.neo ihr neues Großstadtmagazin ›Bambule‹. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Sarah Kuttner lebt in Berlin.

Die Autorin ist mir unbekannt, mal sehen, was sie mir bringen wird... . Entdeckt habe ich das Buch in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung, die für mich die reinste Fundgrube ist. 


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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 57
Gelesene Bücher 2011: 86

Sonntag, 5. August 2012

Téa Obreht / Die Tigerfrau (1)

 



Eine kurze Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Die letzten Seiten spare ich mir zu lesen, da ich keinen wirklichen inneren Bezug zu dem Buch oder vielmehr zu den Literaturfiguren finden konnte, und ich mir sicher bin, dass das daran liegt, weil ich die Kultur aus dem ehemaligen Jugoslawien zu wenig kenne... . Zu viele Szenen von Aberglauberei, dem die junge Autorin sicher selbst kritisch gegenübersteht, weshalb sie solche magischen Themen in ihrem Buch thematisiert. Ausgegrabenen Toten werden die Beine amputiert, damit sie nicht mehr laufen können, um den Lebenden ihre Krankheiten zu überbringen :D. 

Die Erzählerin in dem Roman ist Natalia, die auch viel von ihrem verstorbenen Großvater berichtet, doch auch diese Beschreibung kommt mir irgendwie nicht authentisch genug rüber... . Die Tigerfrau tritt mir auch viel zu schwach auf, einfach auch nur, weil viel über die Protagonisten erzählt wird, als dass man selbst an bestimmten Handlungen dabei sein könnte... . Für mich alles Scheinwesen... .

Und den Mann, der nicht sterben kann, fand ich erst interessant, aber dann habe ich schon wieder den inneren Bezug zu ihm verloren... . Mir sind in dem Buch einfach zu viele Hauptpersonen... .

Der Balkan-Krieg wird meiner Meinung nach auch viel zu schwach dargestellt oder gar behandelt... .

Aber keine Sorge, bei http://www.perlentaucher.de hat das Buch eine recht gute Kritik erhalten... :D

Habe auf einer anderen Literaturseite gelesen, dass die Autorin mit Gabriel Garcia Marquez verglichen wurde. Nun, da auch er nicht zu meinen Favoriten zählt, wundert es mich nun gar nicht mehr, weshalb ich auch mit diesem Buch nicht klar kam. Bei Marquez waren mir die Figuren auch nicht greifbar genug... .  Von Marquez habe ich zwei Bücher gelesen, und das waren dann auch für mich die letzten beiden... .
 

Die Tigerfrau ist das zweite Buch in diesem Jahr, das ich nicht bis zur letzten Seite durchgehalten habe... . Das erste Buch war von Marcel Proust, BD 4 von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 57
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Freitag, 3. August 2012

Téa Obreht / Die Tigerfrau

 

Klappentext

Natalia arbeitet in einem Waisenhaus irgendwo in Südosteuropa, als sie vom rätselhaften Tod ihres geliebten Großvaters erfährt. Nach Erklärungen suchend, erinnert sich die junge Ärztin an jene Geschichten aus seinem Leben, die sich um zwei seltsame, fatale Gestalten drehen – die Tigerfrau, eine schöne Taubstumme in seinem Heimatdorf, die einen geflüchteten Tiger pflegte; und einen charmanten, obskuren Mann, der nicht sterben kann. Während Natalia auf den Spuren des Großvaters durch idyllische und kriegsverwüstete Landschaften reist, werden ihr diese Figuren immer gegenwärtiger. Bald entspinnt sich ein ganzer Kosmos an Mythen und Gestalten, und Natalia begreift, welche Wahrheit über die Lebensrätsel ihrer Familie und ihre versehrte Heimat in ihnen steckt …



Autorenportrait im Klappentext

Téa Obreht, geboren 1985 in Belgrad, lebt seit ihrem zwölften Lebensjahr in den USA. Dort veröffentlichte sie erste Erzählungen u.a. im "New Yorker", in "Harper‘s" und der "New York Times". Ihr Debütroman "Die Tigerfrau" (2011), der in den USA und England zu einem sensationellen Überraschungserfolg wurde, erscheint in mehr als dreißig Sprachen. Im Sommer 2011 erhielt Téa Obreht den Orange Prize for Fiction, im Herbst wurde "Die Tigerfrau" für den National Book Award nominiert.


Auf das Buch wurde ich durch ein Literaturforum aufmerksam. Habe gestern Abend schon ein paar Seiten gelesen, und ich denke, dass es mich ansprechen wird. Außerdem bin ich immer neugierig, neue AutorInnen kennenzulernen.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Donnerstag, 2. August 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe das Buch heute Morgen auf meinem Dienstweg im Bus zu Ende bekommen. Was es doch für Vorteile hat, kein Auto zu fahren... . 

Mir hat das Buch, eine Denkschrift, ein Plädoyer, sehr gut gefallen, und freue mich, dass ich Remarque richtig eingeschätzt habe. Remarque geht es einzig und allein um die Menschlichkeit, um die Würde des Menschen... . Beides verliert der Soldat im Krieg. Menschlichkeit und die Würde... . 

Kaum dass ein junger Mann erwachsen geworden ist, steht er an der Front und wird mit dem Gräuel eines Krieges konfrontiert:

Bildet euch nicht ein, dass Deutschlands Jugend aus Patriotismus, für "Kaiser und Reich", stirbt und leidet. Das fegt nur aus eurem Herzen heraus. :D Patriotismus haben nur Kriegsgewinnler und Reklamierte! Außerdem ist der Patriotismus, mit dem ihr die Zeitungen füllt, Anzeichen von Heldentum, und kein Zeichen freien Geistes. Ist das denn eine Tat, wenn ich für eine absurde Idee, für eine Dummheit von Staatsmännern, für einen Menschen, dem Geburt und Angewohnheit, die ich längst nicht gutheiße, eine Stellung gaben, mein Leben wage und gebe? Ist dieser Krieg nicht eine totale Verkehrung der Natur? Eine Minderheit diktiert, befiehlt der großen Mehrheit: Jetzt ist Krieg!
Remarque war erst achtzehn Jahre alt, als er im ersten Weltkrieg an den Händen und am Hals durch Granatsplitter schwer verwundet wurde, so schwer, dass Remarque, der eine Musikerkarriere anstrebte, seine beruflichen Ziele in dieser Richtung aufgeben musste. Der Krieg hatte ihn dermaßen geprägt, dass er zu einem Pazifisten geworden ist, und zwar zu einem militanten :D. Eine gewisse Ironie steckt in dieser Bezeichnung...

Gestern hatte ich eine lange Aussprache mit einem Kameraden, (…). Was mir bis dahin unbestimmt vorgeschwebt hatte, bekam festere Gestalt. Nämlich der Gedanke, die Jugend Deutschlands, diese prachtvolle, stahlharte Jugend aufzurufen nach dem Kriege zum Kampfe gegen das morsche und faule und oberflächliche in Kunst und Leben. (…) Sturm gegen veraltete Erziehungsmethoden, (…) Kampf für bessere Lebensbedingungen des Volkes, Bodenreform, vor allem Kampf gegen die drohende Militarisierung der Jugend, gegen den Militarismus in jeder Form seine Auswüchse. (…) Vor allen Dingen: Streben nach innerer Wahrheit und Ernst in allen Dingen, Kampf gegen Kleinigkeiten niederes unter allen Umständen.

Remarque spricht auch oft von einer Gewissensbildung, denn mit einem dumpfen Gewissen ist der Mensch nicht mehr sensibilisiert genug gegen Unrecht und Leid...  . Gewissensbildung auch noch nach dem Kriege. Sich mit diesen Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen, statt diese schnell zu vergessen... , nur so könne der Mensch aus der Geschichte lernen. Ich denke dabei auch an Alexander Mitscherlich, der das Buch geschrieben hat: "Die Unfähigkeit zu trauern". Auch er schrieb ähnliches: Wenn der Mensch unfähig ist zu trauern, besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt... . Aus Remarques Bücher geht deutlich hervor, dass die zurückgekehrten Soldaten unter dem Erwartungsdruck der Gesellschaft standen. Trauer war nicht erlaubt... . Der zurückgekehrte Soldat befand sich mit seiner Trauer und mit seinen zahlreichen Verlusten allein... .


Auch Familienmitglieder Remarques wurden von dem Krieg bedroht und tödlich getroffen. Im zweiten Weltkrieg wurde Remarques Schwester von den Nationalsozialisten wegen des Widerstandes mit einem Handbeil hingerichtet. Remarque selbst wurde von den Nazis ausgebürgert, er lebte in der Schweiz, wo er aufgrund seiner Popularität ohne Bedrohung leben konnte, während seine geschiedene Frau, die ebenfalls ausgebürgert und staatenlos war, aus der Schweiz ausgewiesen worden wäre, hätte Remarque sie nicht ein zweites Mal geheiratet, um sie vor der Ausweisung zu schützen. Er hatte hier eine richtig gute Tat begangen.

Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, dies dementiert Remarque in seiner Denkschrift vehement, nach dem die Konzentrationslager nach Kriegsende aufgelöst wurden:

"Das Volk der Dichter und Denker, dass es niemals war, - das Volk der Mörder und Henker"-

In der Nachkriegszeit, Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, warf Remarque den Kriegsländern vor, nichts von den Kriegskatastrophen gelernt zu haben, da weiterhin Waffen erfunden und  produziert werden würde ... 

Die Welt liegt weder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann.- Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan worden als in unserer Zeit.

 Remarque stellt sich oft die Frage, wie Menschen vom Krieg abgeschreckt werden könnten... . Er selbst hegt keinerlei Rachegefühle gegen die Feinde  des Landes, stattdessen aber ruft er: "Nie wieder."
Remarque hegt idealistische Ansichten, und wendet sich mit seinem Appell an die Jugend, und an die Institution Schule, um so viele junge Leute wie nur möglich ansprechen zu können:

Unterricht und Geschichte muss nicht auf die Nation begrenzt werden wie bisher, sondern auf internationale Geschichte erweitert werden, um die Abhängigkeit aller Länder voneinander und damit das Verbrechen des Krieges unter zivilisierten Nationen aufzuzeigen. Die Jugend braucht Helden, aber es gibt genug Helden in der Wissenschaft, der Medizin, Helden des persönlichen Opfers für menschlichen Fortschritt, der Erforschung der Welt, selbst im Sport, um die Generale zu ersetzen. Die schrecklichen Verluste in den Kriegen sollten betont werden - die Verluste an menschlichem Leben, andererseits, durch Zerstörung von Kunstwerken, an nationalem Einkommen etc. Es sollte gezeigt werden, dass, wenn das Geld, das für die Kriege ausgegeben wurde, stattdessen in Fortschritt, Zivilisation und vorrangig tätig investiert worden wäre, die Welt leicht zu etwas wie ein Paradies sein könnte.
Man sollte das mit Tabellen und Fakten untermauern. Man sollte beweisen, dass in einer Zeit, wo ein Flugzeug in wenigen Stunden alle europäische Grenzen überqueren kann, kein Konflikt zwischen europäischen Nation so unlösbar sein kann, dass sie einen Krieg mit seinen Schrecken rechtfertigt. Es sollte gezeigt werden, dass ein zukünftiger Krieg selbst diesen letzten zu einem Kinderspiel machen würde; dass ganze Länder und Völker zerstört werden würden und dass sich ein Krieg noch nie ausgezahlt hat - nicht einmal für den Sieger.

 Remarque selbst hatte mit einer Ausbildung zum Volksschullehrer begonnen, an der er allerdings scheiterte, weil er mit den Vorgaben und mit den veralteten Erziehungsmethoden alles andere als zurecht kam. Er sträubte sich gegen konservative Hierarchien und deren Lehrpläne.

Aus dem Buch geht auch hervor, dass Remarques Bücher keine Erfindungen seien, sondern alles Erlebnisse, die er in seinen Büchern verpackt hat. Er schrieb keine Kriegsbücher, stattdessen schrieb er für die Menschlichkeit. Obwohl aus seinen Büchern schwere Kriegserlebnisse hervorgehen, ist Remarque alles andere als ein Pessimist.

Der Mensch ist gut, trotz allem. Sonst wäre die Atombombe die einzige Lösung.

Mit diesem Zitat beende ich meine Buchbesprechung und freue mich auf weitere Bücher von Remarque, von denen ich mir vor ein paar Monaten einen Vorrat angelegt habe... . 

Anmerkung: Die in Fettdruck hervorgehobenen Textstellen sind durch mich entstanden.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Montag, 30. Juli 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist

Klappentext:

 Gedanken und Bekenntnisse eines unbequemen Autors, der sich zeitlebens gegen Krieg und Militarismus und für Menschlichkeit und Nächstenliebe engagierte. Die hier veröffentlichten Texte, Interviews, Anmerkungen zu eigenen Werken, Rezensionen und politische Aufsätze geben einen umfassenden Einblick in das Denken Remarques und sind zugleich Spiegel der Geschichte unseres Jahrhunderts.
"Ich dachte immer jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen." (E.M. Remarque)



Autorenportrait aus dem Klappentext

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher “Im Westen nichts Neues” und “Der Weg zurück” wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1941 lebte Remarque offiziell in den Usa und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.

Da ich ein Fan von Remarque bin und schon einige Werke von ihm gelesen habe, habe ich mir alle Buchbestände von ihm angelegt, und ich alle seine Werke nach und nach zu lesen beabsichtige... . 

Gelesen habe ich von ihm:

1. Arc de Triumph
2. Im Westen nichts Neues
3. Der schwarze Obelisk

Remarque schreibt recht einfühlsam und psychologisch fundiert mit einer ausgeprägten Beobachtungsgabe.. . 

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Elsa Osorio / Mein Name ist Luz (1)



Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Gestern Nacht habe ich das Buch durchbekommen und es hat mir ganz gut gefallen... .

 Das Buch beginnt mit einem Prolog, und endet logischerweise mit einem Epilog. Im Prolog erfährt man, dass die junge Frau Luz Iturbes zusammen mit ihrer Familie in Spanien auf einer gewissen Suche nach einer männlichen Person namens Carlos Squirru ist, den sie wohl auch mit Hilfe von Nachforschungen findet. Carlos ist Argentiner, lebt aber seit über sechs Jahren in Spanien und möchte mit Argentinien nicht mehr viel zu tun haben... . Die Militärdiktatur der 70er Jahre aus dem letzten Jahrhundert hatte ihm stark zugesetzt, da er zu den Revolutionären gehörte und für eine bessere Welt und für eine gerechtere Gesellschaft kämpfte... . Wer Carlos Squirro ist lässt sich schnell vermuten, ich verrate es aber nicht... . 

Die vielen unterschiedlichen Erzählperspektiven, immer aus der Sicht der Person, die gerade berichtet, finde ich ein wenig gewöhnungsbedürftig... . 

Auf den ersten Seiten nach dem Prolog erfährt man über das Schicksal der Agentinierin Miriam Lopez, die, um sich eine Ausbildung als Mannequin zu finanzieren, sich prostituiert und lernt dort ihren Lebensgefährten El Bestia (übersetzt Bestie, Monster) kennen. El Bestia ist Leutnant beim Militär. Wie aus dem Klappentext hevorgeht, s. u., werden Säuglinge während der Militärdiktatur von ihren inhaftierten Müttern nach der Geburt weggenommen, und in wohlhabenden Familien übergeben, die kinderlos geblieben sind... . Die Kinder wurden den Müttern quasi gestohlen... . Die Mütter selbst wurden nach der Geburt des Kindes ermordet... . Die Säuglinge wurden von dem Militär wie Gegenstände, wie Kriegsbeute behandelt. Miriam sehnte sich nach einem Kind, nachdem sie  selbst keine Kinder bekommen konnte und bekam von El Bestia versprochen, ihr ein Kind aus dem Gefangenenlager zu beschaffen... . Sie sollte das Kind von der Gefangenen Liliana bekommen, auf das sie sich sehr freute und für das Kind alle Vorbereitungen traf, wie z.B. das Herrichten eines Kinderzimmers... .

Nun kommt es zu einer völlig anderen Wende, da El Bestias Vorgesetzter, Oberstleutnant Alfonso selbst an dem Kind von Liliana interessiert ist, da seine eigene Tochter Mariana eine Totgeburt erlitt und durch die schwere Geburt für eine längere Zeit im Koma lag, so dass Mariana gar nichts von der Totgeburt mitbekam und so wurde ihr später das Kind von Liliana als ihr eigenes untergeschoben... . 

In der Zwischenzeit wurde Liliana zusammen mit ihrem Säugling zu Miriam verlegt, damit das Kind gut versorgt werden und später an die unechte Mutter übergeben werden konnte... . Das Kind wurde von Liliane gestillt aber immer im Beisein von Miriam, da die Mutter die Augenbinde umhatte, die nicht abgelegt werden durfte...  . Zwischen Miriam und Liliane entwickelt sich eine geheime Freundschaft und Miriam erkennt plötzlich ihre Schuld, die feste Absicht gehabt zu haben, das Kind einer Mutter wegnehmen zu wollen und fühlte sich elend... . Miriam wird zu Lilianes Verbündete, die Mutter und Kind zur Flucht verhilft... . Dieser Abschnitt verlief in einer längeren Szene, bis es zur Flucht kam, die gut kalkuliert werden musste, da vor der Haustüre immer ein Wachposten stand... . 

Interessant fand ich auch die Romanfigur Pablo, der aus einer höheren Gesellschaftsschicht stammt, und der freiwillig auf den Wohlstand seiner Familie verzichtete. Pablo zog mit  seiner Lebensgefährtin Mirta, die recht arm war, in ein Elendsviertel um sich zu proletarisieren... . Zu seiner Volljährigkeit bekam Pablo von den Eltern ein Autor geschenkt, das er ablehnte, weil es ihm peinlich war ein Auto zu besitzen, wo es so viel Elend und Armut auf der Welt gibt und machte sich bei seinen Angehörigen unbeliebt... . Auch Pablo und seine Freundin gehörten zu den Revolutionären. Seine Schwester Dolores kämpfte gegen die politische Überzeugung Pablos, als müsse sie ihn davor schützen:

"Warum bist du so extrem? Kannst du nicht mit der Arbeiterklasse reden, ohne dich als einer von ihnen verkleiden zu müssen?". 

Dolores warf ihrem Bruder vor, dass seine politische Beteiligung mit einem Selbstmord zu vergleichen ist, sie kannte wohl die Gefahren der Gegner und stellte ihm die Frage, ob er das Leben nicht lieben würde:

"Es ist nicht so, dass ich mir nichts aus dem Leben mache. Wir kämpfen für das Leben, aber für ein Leben, das anders ist als im bürgerlichen System. Wir kämpfen für das Leben in einem umfassenden, besseren Sinn. Für ein würdiges Leben der ganzen, sich kollektiv verwirklichenden Menschheit."

Eine Diktatur, unabhängig davon, wie sie sich nennt, hat immer etwas mit willkürlichem Handeln und Verbrechen an die Menschheit zu tun. Die Herrschenden, in diesem Buch das Militär, haben das System in der Hand und sie bestimmen, wie sich eine Gesellschaft nach ihren Prinzipien zu bewegen hat. Man konnte aus den banalsten Gründen schon eingesperrt werden. Eine Mutter einer Schülerin wurde ins Gefängnis gesteckt, die nichts anderes getan hat:
als gemeinsam mit ihren Kameraden zu fordern, dass die Fahrpreise für die Schulbusse gesenkt werden sollten. Und dafür hat man ihr das Leben genommen.

Auch wenn der Roman eine Fiktion ist, zeigt er doch eine reale Abbildung davon, wie eine Diktatur funktionieren kann. Die Autorin ist Jahrgang 1952, ist Argentinierin, und hat wohl die  Militärdiktatur am eigenen Leib erlebt. Und genau diese Authentizität liest sich deutlich aus dem Buch heraus. Obwohl man immer wieder von einer Diktatur liest, ist es für mich trotzdem von neuem unfassbar, wie ein Menschenleben zerstört werden kann, in diesem Fall hier die protestierenden Mütter, wegen der Ermäßigung der Fahrpreise an Schulbussen.

Luz ist der Säugling von Liliana... . Der angebliche Vater Eduardo wehrte sich damals dagegen, doch er konnte sich nicht gegen seine Schwiegereltern durchsetzen, die sich in allen familiären Angelegenheiten einmischten und das Sagen hatten. Sein Schwiegervater Alfonso ist ein hohes Tier beim Militär und hat alle Fäden in der Hand, auch die seiner Familie. Eduardo wird dazu getrieben, sämtliche Dokumente des Kindes fälschen zu lassen… . Sein Gewissens war war dermaßen geplagt, dass er sieben Jahre später sich auf die Suche nach der wirklichen Mutter des Kindes begibt. Er hat selbst keine Ahnung, woher das Kind letztendlich stammte und befürchtet allmählich, dass es ein geraubtes Kind sei. Seine Recherchen werden von dem Schwiegervater strengstens unterbunden, doch diesmal widersetzt sich Eduardo ihm und begibt sich aber in Lebensgefahr, da die Reaktion des Schwiegervaters mafiose Strukturen annimmt... .  

Aber ich muss auch zugeben, dass dieses Szene, besser gesagt das Verhalten von Eldorado, ich als ein wenig naiv empfunden hatte. Erst empfand ich es als recht beeindruckend, dass er Mut aufbringen konnte, sich gegen sein Schwiegervater, was schon lange fällig war, sich ihm zu widersetzen aber die Art und die Taktik wie er dies  tat, hielt ich nicht für ausreichend klug... .

Luz ahnt später, dass ihre Herkunft Lücken und Rätsel aufweist und begibt sich auf die Ich-Suche. Später muss sie sich mit der Gewissensfrage plagen, ob auch sie nicht eine gewisse Schuld mitträgt, Eduardo, den sie als ihren Vater anerkennt, ihn weiterhin als ihren Vater zu bezeichnen, nachdem sie immer mehr von sich in Erfahrung bringen konnte???

Sie gerät in eine riesengroße Sinn und Identitätssuche und wird mit vielen Beteiligten aus der Zeit der Militärdiktatur konfrontiert, doch die meisten halten sich bedeckt. 

War Luz etwa schuld daran, dass sie für den Mann, der sie gestohlen hatte, Zuneigung empfand?

Mit dieser Gewissensfrage müssen sich alle Beteiligten aus der Zeit auseinandersetzten, auch die, die die Wahrheit gar nicht wissen möchten, wie zum Beispiel Mariana, die bis dato die vielen Verbrechen ihres Vaters Alfonso verleugnete, da sie ihren Vater stark idealisiert hatte. Sie negierte alle Verbrechen ihres Vaters, der in der Gesellschaft als "Hurensohn" betitelt wurde... .


Auch nach der Militärdiktatur werden die Verbrechen nicht gesühnt. 1987 wird ein neues Gesetz erlassen, das sich "Befehlsnotstand" nennt, und somit wurden alle Soldaten freigesprochen, die an den Grausamkeiten beteiligt waren, da sie nur  Befehle befolgten und sie nicht aus eigenem Antrieb handelten... . 

Als ich das Buch gelesen hatte, rechnete ich aus, wie alt ich in der Militärdiktatur Argentiniens selbst gewesen war. Ich war eine Jugendliche, und welches ungeheurere Glück ich doch gehabt haben muss, dass ich zwar zur selben Zeit aber an einem anderen Ort geboren wurde, wobei man eine Diktatur auch im Kleinen als Einzelschicksal im Privaten erleben kann, mit ähnlichen demütigenden und repressiven Formen. Z. B. lässt sich die Familie auch als ein Mikrostaat bezeichnen.. . (Und nicht nur Familie).

Und hier beende ich mein Gespräch zu dem Buch, da ich nicht zu viel verraten möchte, aber ich solidarisiere mich geistig mit allen Menschen, die auf dem selben Planeten leben wie ich, die aber tagtäglich um ihr Leben kämpfen müssen, um zu existieren.

Wie es mit Luz, Mirjam, Liliana, Pablo und wie sie alle heißen ausgeht, so verweise ich auf das Buch. Das Buch hat so viele Facetten, so viele unterschiedliche Reaktionen der Romanfiguren, dass meine Beschreibung hier im Block nur ein kleiner Teil des Ganzen ist.

Ich gebe dem Buch neun von zehn Punkten. Neun und nicht weniger: 1. Weil es sehr authentisch geschrieben ist und  2. Weil es bis zum Schluss die Spannung gehalten hat... . Neun und nicht zehn, weil mir die vielen unterschiedlichen Erzählperspektiven ein wenig unübersichtlich waren... .

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Donnerstag, 26. Juli 2012

Elsa Osorio / Mein Name ist Luz



Klappentext

Systematisch wurden in den Jahren der argentinischen Diktatur (1976-1983) die Babys inhaftierter Regimegegnerinnen geraubt und von Militärs adoptiert. Viele Jahre später versucht eine junge Frau – Opfer dieser Praxis –, Licht in das Dunkel ihrer Herkunft zu bringen. Alle ihre inneren Kräfte muß Luz dabei aufbieten, um von den Schatten der Vergangenheit nicht erdrückt zu werden.
Einfühlsam und differenziert erzählt Elsa Osorio in ihrem Weltbestseller von dem aufrüttelnden Geschehen. Für Mein Name ist Luz, in sechzehn Sprachen übersetzt, wurde Elsa Osorio mit dem Literaturpreis von Amnesty International ausgezeichnet. Ihr Roman Im Himmel Tango ist 2007 im Insel Verlag erschienen.





Autorenportrait im Klappentext

Elsa Osorio wurde 1952 in Buenos Aires geboren und lebt seit 1994 vorwiegend in Madrid, wo sie als Journalistin, Dozentin und Drehbuchautorin für Film und Fernsehen arbeitet. Neben zahlreichen anderen Preisen wurde sie 1982 mit dem argentinischen "Premio Nacional de Literatura" für ihr Buch Ritos privados aus dem selben Jahr ausgezeichnet. Für Reina Mugra (1990) erhielt sie den "Premio Sociedad Argentina de Escritores" und 1992 für ihre Komödie Ya no hay hombres den Preis für das beste Drehbuch.
A veinte años, Luz (1998, dt. Mein Name ist Luz, 2000) ist ihr sechster Roman. Mit dem Thema der Kinder von "Verschwundenen" hat sie darin ein besonders düsteres Kapitel der südamerikanischen Militärdiktaturen aufgegriffen. Das Buch war Anstoß für viele weitere Nachforschungen, nicht nur in Argentinien.

Aufmerksam wurde ich auf das Buch durch ein Literaturforum... .

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Mittwoch, 25. Juli 2012

Carlos Maria Domingues / Das Papierhaus (1)



Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Ich konnte mich sogar mit den Figuren indentifizieren; alles Bibliophile wie ich eine bin... .Es wird hier eher ein Erlebnisbericht erfolgen.

Auch die Figuren in der Erzählung können von dem reichlichen Bücherkauf nicht ablassen. Fühle mich gut zu lesen, dass es anderen auch so ergeht. Bei mir gehen oft ganze Monatsgehälter drauf :D. 

Ich kenne Leute, die jede Lektüre sorgfältig verbuchen, mit Tag, Monat und Jahr, sozusagen ein Kalender ihrer geistigen Erwerbungen führen.

Ich  habe auch gelernt, meine Bücher mit Daten zu versehen, allerdings erst, wenn ich sie gelesen habe... . Erst dann bekommt das Buch für mich den eigentlichen Wert. Und führe auch einen Archiv meiner gelesenen Bücher seit Aug. 2010. Die anderen Bücher vor dieser Zeit bleiben ungezählt... . 

 Andere schreiben ihren Namen auf die erste Seite und verleihen ein Buch erst, wenn sie den Empfänger mit Datum in ein Notizbuch eingetragen haben. Ich habe Bücher mit Stempeln wie in öffentlichen Bibliotheken gesehen und solche, in denen ein Kärtchen des Besitzers steckte. Niemand hat es gern, wenn ihm ein Buch abhanden kommt. Lieber verlegen wir einen Ring, eine Uhr oder unseren Schirm als ein Buch, das wir vielleicht nicht mehr lesen werden, das aber mit dem vertrauten Klang seines Titels ein altes, vielleicht verloren gegangenes Gefühl in uns wach ruft.

Ich fand den letzten Satz absolut treffend. Es beschreibt recht gut das innere Erleben, das uns die Bücher bescheren... .

Viele sind durch und durch Leser und stellen im Laufe ihres Lebens beachtlich Bibliotheken zusammen. Sie sind passioniert und imstande, einen Haufen Geld für ein bestimmtes Buch auszugeben, um für Stunden darin zu versinken und nichts anderes zu tun, als es zu studieren und zu verstehen. (...)
Wer sich eine Bibliothek aufbaut, der baut sich ein ganzes Leben auf. Sie ist nämlich nie die Summe ihrer einzelnen Exemplare.

Eine Erzählfigur nennt sich Delgado, der es bedauert, nicht so viel Zeit zum lesen zu haben, er aber trotzdem seine freie Zeit nicht ungenutzt lässt:

 Ich arbeite nämlich von acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags in einer verantwortungsvollen Stellung und kann es kaum abwarten, anschließend hierher zukommen, in meine Höhle (…), um bis zehn Uhr selige Zeit zu verbringen.

So ähnlich sieht bei mir der Alltag auch aus. Auch ich freue mich auf den Abend, um mich in aller Stille zurückzuziehen, um mich literarisch zu vertiefen... . Schön dies auch von anderen zu lesen... . 

Die Hauptfigur in der Erzählung ist für mich Carlos Brauer. Ein absoluter Büchernarr, der es mit seinem Papierhaus ziemlich weit treibt. Darauf komme ich später zu sprechen. Bevor er sich ein Papierhaus gebaut hatte, lebte er in einer Wohnung, wo selbst das Badezimmer mit Büchern bestückt war und er sich angewöhnt hatte, kalt zu duschen, um keinen Wasserdampf zu provozieren... . Er gewöhnte sich an die kalten Duschen, zu allen Jahreszeiten, nicht nur im Sommer. Und er verschenkte sogar sein Auto, um die Garage auch noch als Bibliothek umzufunktionieren.

Er war ein heißhungriger Leser und verbrachte nicht bloß vier Uhr, sondern den größten Teil des Tages und die ganze Nacht mit seinen Büchern. Seine Exemplare waren immer hoffnungsvoll geschrieben.

Bei mir sind es die Wochenenden, die ich bis tief in die Nacht hineinlese. Lästig finde ich die kleinen Alltagspflichten :D. Ohne sie könnte ich mich ganz der Lektüre hinbegeben... .  Ich markiere viele Textstellen, schreibe aber hinterher in mein Lesetagebuch meine Gedanken und Leseerfahrungen auf. 

Doch der arme Brauer hatte eine fürchterliche Plage. Silberfischchen, die ihn fast zum Wahnsinn trieben:

Er hatte Hunderte, vielleicht Tausende davon in seiner Bibliothek. Eine Zeitlang hat der Schadensbegrenzung betrieben indem er alle sechs Monate (…) einen Kammerjäger zum Ausräuchern in seine Wohnung schickte. Sie fingen nämlich an, ihm bedeutende Werke zu zerstören.

Wenn man die ganze Wohnung mit Büchern voll hat, dass die Wände keine Luft mehr zum Atmen haben, dann kann ich mir schon gut vorstellen, dass die Bibliothek als hervorragende Brutstätte  dienen für die unerbetenen Gäste.

Nun komme ich zu dem Papierhaus Brauers. Er zieht um, fährt mit seiner ganzen Bibliothek ans Ufer, um sich mit seinen Büchern ein neues Haus zu bauen. Er engagiert auch einen Maurer... .

Carlos hat den Maurer gebeten, die Pfosten für die Fenster und zwei Türen im Sand zu verankern und ihm aus Stein ein Kamin zu bauen. Als der Kamin auf der einen Seite stand, und Fenster und Türen abgestürzt waren, ließ er ihn Zement anmischen. Und dann-(…) seine Bücher als Ziegelsteine mit dem Zement zu verbauen.
Während der Mauer den Zement anrührte, machte Brauer sich, unter den teils mitleidigen, teils gleichgültigen Blicken des Mannes daran, aus dem Haufen der vom Pferdekarren in den sauberen weißen Sand gekippten Bücher diejenigen auszuwählen, die ihn vor Wind und Wetter schützen sollten.
Ich habe mir das häufig ausgemalt. Wie er hin und her gelaufen sein muss, während die Mauer immer höher wurde, dem Mann einen Borges für die Füllung unter dem Fenster reichte, einen Valejo für die Wand neben der Tür, einen Kafka für oben, einen Kant für die Seite und daneben ein gebundenes Exemplar von Hemingways in einem anderen Land; hierhin einen Cortazar und dorthin den stets voluminösen Vargas Llosa; einen Valle Inclan auf Aristoteles, einen Camus auf Morosoli, und Shakespeare im Mörtel brachte schicksalhaft mit Marlow verbunden; allesamt dazu erkoren, sich als Mauer zu erheben und Schatten zu spenden. (…) Wenigstens konnte er sagen: Sie bleiben meine Freunde. Sie bieten mir ein Dach über dem Kopf im Sommer Schatten. Sie schützen mich vor dem Wind. Die Bücher sind mein Haus. Das konnte ihm niemand nehmen, auch wenn seine Lebensumstände das rudimentäre Niveau erreicht hatten und er auf einem abgelegenen, einsamen Strand gelandet war, weil er die erhabensten Dimension des Buches kennenlernen durfte.

Wie das Buch ausgeht, verrate ich nicht. Für mich nimmt es ein trauriges Ende... .

Ich bin jetzt wenig auf die einzelnen Handlungen und Hintergründer der anderen Figuren eingegangen, da das Buch recht dünn ist und aus dem Klappentext schon reichlich hervorgeht... . Mir waren die Zitate sehr wichtig und meine Erlebnisse zu diesen...

Anmerkung: Textstellen mit Fettdruck wurden durch mich hervorgehoben!

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 54
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Dienstag, 24. Juli 2012

Carlos Maria Dominguez / Das Papierhaus

  Klappentext

Eine Literaturdozentin, die so in die Gedichte von Emily Dickinson vertieft ist, dass sie tödlich verunglückt, ihr argentinischer Kollege, der um die halbe Welt reist, um das Geheimnis eines rätselhaften Buches zu lösen, und ein Mann, der bereit ist, seine Liebe für Bücher in Stein zu fassen: drei Menschen, die ohne Bücher nicht sein können und deren Leben auf höchst seltsame Weise miteinander verknüpft werden.



"Eine kleine Geschichte über die Leidenschaft für Bücher."
Elke Heidenreich 



Autorenportrait

Carlos María Domínguez wurde 1955 in Buenos Aires geboren und lebt heute in Montevideo, wo er als Journalist, Literaturkritiker und Schriftsteller arbeitet. „Das Papierhaus“, Domínguez' Deutschlanddebüt, wurde 2001 in Uruguay mit dem „Premio Lolita Rubial“ ausgezeichnet.

Das Buch habe ich von meiner Literturfreundin Anne geschenkt bekommen.
Ich selbst kenne den Autor nicht. Freue mich aber immer wieder,  neue AutorInnen kennenzulernen. 
Das Thema dieses Bandes spricht mich voll an, und gehe mit großer Neugier an das Buch heran. 
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 53
Gelesene Bücher 2011: 86




Montag, 23. Juli 2012

Orhan Pamuk / Istanbul (3)

Dritte von drei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

In der Autobiografie wechselt des öfteren die Erzählperspektive, zwischen der Kindheit Pamuks, was ich auch toll finde, weil man dadurch mehr über das Zwischenmenschliche erfahren kann, und der Stadtbeschreibung, dass man manchmal den Eindruck bekommt, einen Reisebericht zu lesen. Richtig lustige Szenen werden erzählt und auch der Vater, der über einen antiautoritären Erziehungsstil verfügt, ist mir recht sympathisch durch seine Art, die  ungewöhnlich und nicht alltäglich ist... . Er bezeichnete seine Kinder nicht als seine Söhne, sondern als seine kleinen Brüder :D. Weitere Beispiele wurden im letzten Posting genannt .

Für eine interessante Persönlichkeit aus der Familie halte ich auch Pamuks Großmutter, die es wagte, als junge Frau Lokale zu betreten und Alkohol zu bestellen. Selbst im Alter traf sie sich in einer wohlhabenden Damengesellschaft ein und spielten gemeinsam rauchend leidenschaftlich Poker und konsumierten Schnäpse... :D.

Lustig finde ich auch die Schulszene, wenn sie auch recht ernst ist, und störende Kinder bestraft werden und sich in die Ecke stellen müssen, und dazu noch auf einem Bein :D. Weil das die Aufmerksamkeit der anderen Kinder erregte, weil jeder neugierig wurde, wie lange der Sträfling es auf einem Bein aushalte, wurde diese Maßregel wieder abgeschafft.... .

Dann die sog. lustigen Benimmregeln, die mich recht amüsierten. "Laufen Sie nicht mit offenem Mund durch die Stadt." Diese wurden von Stadtbriefschreiber in der hundertvierzigjährigen Geschichte Istanbuls auf einer Kolumne inseriert.

Der berühmte französische Schriftsteller Victor Hugo soll des öfteren im Obergeschoss eines Pferdeomnibus durch ganz Paris gefahren sein, um seine Landsleute zu beobachten. Gestern haben wir es ihm gleichgetan und dabei feststellen müssen, dass viele Istanbuler auf der Straße dahinmarschieren, ohne auf die anderen die mindeste Rücksicht zu nehmen, dass sie ihre Fahrscheine, ihre Eistüten und ihre Maiskolben einfach auf den Boden werfen, dass die Fußgänger auf der Straße unterwegs sind und die Autos auf den Gehsteigen und dass die Leute nicht aus Armut, sondern aus Dummheit und Faulheit herzlich schlecht gekleidet sind." (1952)
" Wenn wir draußen auf der Straße nicht kreuz und quer herumlaufen würden, wie es uns gerade in den Sinn kommt, sondern uns so, wie es in Europa üblich ist, an die Verkehrsregeln hielten, dann hätten wir nicht ein so furchtbares Durcheinander. Aber da stellt sich schon mal die Frage, wer in dieser Stadt die Verkehrsregeln überhaupt kennt…" (1949) 

Auch hier wieder eine komplette Idealisierung der westlichen Welt, denn auch in Europa gibt es Länder, die keine Verkehrsregeln beachten.

Und nun noch ein ganz lustiges Zitat, klingt für mich ein wenig satirisch:
"Die Saison hat begonnen, und unsere Regenschirme sind auch glücklich aufgegangen, aber können wir damit auch so umgehen, dass sie uns nicht gegenseitig die Augen ausstechen, dass wir nicht wie im Autoscooter permanent aneineinander stoßen und wegen unseres beschränkten Gesichtsfelds den Gehsteig unsicher machen wie Treibminen?" (1953)

Nun habe ich noch etwas mehr zu Flaubert und seine Reise nach Istanbul in Erfahrung bringen können... . Flaubert, der der französischen Gesellschaft überdrüssig war, er verachtete die Spießbürgerlichkeit, den geregelten bürgerlichen Lebensablauf der Franzosen, kam nach Istanbul und hatte Syphilis. Obwohl er diese ansteckende Krankheit mit sich trug, suchte er ein Bordell auf. Da die Mädchen ihm dort nicht anziehend und sauber genug erschienen, bedrängte die Puffmutter ihre eigene Tochter, die sich erst weigerte, mit Flaubert sexuell zu verkehren, so verlangte sie schließlich von ihm, ihr seinen Penis zu zeigen. Um seine Wunde für sich zu behalten, tat er so, als sei er beleidigt, und zog ab. Und so hatte das Mädchen ein richtiges Gespür und ich frage mich, ist das der Flaubert, den ich literarische kenne :D, und der bewusst das Mädchen angesteckt hätte und sie gesundheitlich gefährdete, damit er sein Vergnügen gehabt hätte?... . Dies halte ich schon als äußerst kriminell. Heute kann man dafür belangt werden und ein hohes Schmerzensgeld einklagen... . 

 Flaubert bereiste zudem Kairo, ging in das dortige Krankenhaus, und ließ sich Syphiliskranke zeigen, die vor ihm die Hose runter ließen, weil er die Krankheit, von der er selber betroffen war, studieren wollte... . Ziemlich grotesk, finde ich :D.

 Flaubert war mit dem Ziel in den Orient aufgebrochen, nicht nur schöne Landschaften zu erblicken, sondern auch die Krankheiten und die Seltsamkeiten anderer Leute, doch die eigene Krankheit und Seltsamkeit, die er dabei abbekommen hatte, wollte er keineswegs zur Schau stellen. In dem glänzenden Werk "Orientalist", das man in Istanbul leider nur liest, um im Nationalgefühl zu baden und sich wieder einmal bestätigen zu lassen, wie schön doch der Orient ohne die Europäer wäre, geht Edward Saar liegt sehr einfühlsam auf (…) Flaubert ein und erwähnt die Krankenhausszene in Kairo, nicht aber die ergänzende Begebenheit in dem Bordell in Istanbul. Dabei wurde die Syphilis (die ihren Ursprung anscheinend in Amerika hatte) sowohl von den europäischen Reisenden als auch von den türkischen Nationalisten die" französische" Krankheit genannt, wie man ja Krankheiten überhaupt gerne anderen Zivilisationen anlastet.

Manche Thermen in dem Buch erinnern mich an westliche Autoren. Pamuk kritisierte die reichen Türken, die ohne ihr Zutun einfach reich waren und nicht arbeiten mussten und so ziemlich geistlos lebten. Ich dachte dabei an Marcel Proust, BD 3 "Die Guermantes". Viele Aristokraten, die ihre Zeit mit Gesellschaftgeben und sich über andere das Maul zerrissen und dadurch so viel Zeit verplemperten, und nur wenige zeigten Interesse an höherwertigen Themen, wie z.B. der Kunst. Pamuk sprach von einer inneren Leere jener wohlhabender Leute... . Viele Reiche gingen auch keinem Glauben nach, waren eher bemüht, westlich zu leben, und belustigten sich über die armen Leute, die aufgrund ihres harten Lebens wohl eher auf Gott angewiesen wären. Pamuk hat es so schön beschrieben, dass die Reichen auch die Wahl gehabt hätten, an Gott zu glauben, aber sie brauchten Gott nicht, um gut zu leben :D... . Es gab aber auch Reiche, die total traditionell islamisch lebten, die den Reichtum allerdings anders bewerteten, als die reichen nichtgläubigen Türken... . 

Pamuks Gottesbild ist das einer Frau. Einer älteren Frau im weißen Gewand, deren Gesicht aber nicht deutlich zu sehen ist... . 

Dass ich mein Bild von dem weiß gewandetem, ehrwürdigen Gott nicht weiter entwickelte und in meiner Beziehung zu ihm nicht über ein mit Vorsicht gepaartes Desinteresse hinaus kam, lag sicherlich auch daran, dass niemand zu Hause mir in dieser Hinsicht irgendein Unterweisung gab. Wahrscheinlich wussten sie mir schlicht nichts beizubringen, denn von den Familienmitgliedern sah ich nie jemanden beten oder fasten. Es lebten alle dahin wie die französische Bourgeois, die sich von der Religion zwar weit gehend gelöst haben, aber von einer endgültigen Abrechnung damit dennoch zurückschrecken.

Auch Pamuk machte sich über Gläubige lustig, versuchte als Junge die Haushälterin vom Beten abzuhalten, und als sie ihm drohte, dass seine Finger, mit denen er ihr mitten im Gebet am Kopftuch zog, zu Stein werden ließ, so wagte er es ein weiteres Mal und bekam die Bestätigung über die Nichtexistenz Gottes, da seine Finger so blieben wie sie waren :D.
Solange arme und geplagte Menschen mit ihrem hartnäckigen Bemühen Gott in Erinnerung bringen wollten, dass sie hilfsbedürftig waren, störte mich und meine Familie das nicht weiter, ja wir waren sogar froh, dass sie außer uns noch jemand anderes hatten, auf den sie bauen konnten. Es nagte lediglich die Befürchtung an uns, jener Gott hätte eines Tages von denen, die nicht so waren wie wir, als gegen uns gerichtete Kraft verwenden werden.
Interessant finde ich auch, dass nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches Istanbul zwischen zwei Stühlen steht, da das Land sich seit dem in einen "Verwestlichungsprozess" begab, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Zerrissen zwischen Moderne und Tradition, zwischen Europa und Orient, ist heute noch deutlich zu spüren, wie dies an dem Stadtbild Istanbuls zu sehen ist, wenn man auf deren Gassen flaniert. Gegensätze ohne Ende... . Aber das macht ja das Bild so interessant. Nach sechshundert Jahren islamischer Geschichte ist es nicht zu verwundern, wenn die Türkei in vielen Gebieten noch islamisch geprägt ist, ist ja bei uns ähnlich, da ja viele Christen nach dem rückständigen Mittelalter auch nicht aufgehört haben, sich als Christen zu bezeichnen :D.

Pamuk glaubte nicht an einen strafenden Gott, vor wem er sich mehr fürchtete, waren die strengen Gläubigen, die ihren Zorn auf Menschen wie ihn richteten. 

Ich frage mich auch oft, was ist das für ein Gott, der Menschen so stark maßregeln und bestrafen muss? Ist er, sollte es ihn geben, nicht eher jemand mit unendlicher Güte und Liebe zu charakterisieren? Es sind jene Menschen, die sich nach solch einen strafenden Gott sehnen, weil sie im Grunde Menschen verachten, die anders leben... . 

Politisch herrscht auch in der Türkei die Trennung von Staat und Kirche und so ist Religion Privatsache jedes einzelnen Menschen geworden.
 

Die arabische Schrift abzulegen und zur lateinischen überzuwechseln, finde ich schon ein reisen Sprung... . Um von der westlichen Welt anerkannt zu werden, hatte sogar Atatürk (seit 1922) eine westliche Kleiderordnung vorgeschrieben... . Viele europäische Schriftsteller, besonders Franzosen, würdigten die aus dem Islam geprägten Kleider total herab... .

Pamuk störte sich an den zu hohen Anpassungsdruck:
Wie kommt es, dass die Melancholie und der "hüzün" darüber, dass das Osmanische Reich zerfallen und Istanbul dabei war, seine Seele an den Westen zu verkaufen?
Interessant fand ich das düstere Stadtbild, völlig heruntergekommen und verarmt und trotzdem hat Istanbul ein Gesicht, eine eigene Seele, ein eigenes Leben, wie der Autor sich ausdrückt. Nur wenige Schriftsteller waren aber in der Lage, die Seele der Stadt zu erblicken bzw. diese zu ergründen. Die meisten waren nur außenorientiert, sahen außer der Fassade nichts anderes und desto abwertend fielen dann die Reiseberichte aus... . Mich ziehen ehrlich gesagt solche dunklen Städte und Dörfer total an, weil sie mehr zum Ausdruck bringen als Gegenden, die nur mit Villen bestückt sind und wie geleckt aussehen :D. 

Diese heute größtenteils verschwundene melancholische Baufälligkeit war zu meiner Kindheit schlichtweg die Seele Istanbuls. Dass es aber zu einer "Entdeckung" dieser Seele kam, dass man plötzlich fand, sie sei schön und ein "grundlegendes Merkmal", das vollzog sich auf recht verschlungen Wegen voller Zufälle und Gegenreaktionen.
Franzosen, die recht abfällig und als ein rückständiges Istanbul sich äußerten, obwohl die Stadt schon damals recht vielsprachig und mutlikulturell belebt war, sprachen außer ihrer eigenen Sprache keine andere und weist auf ihren eigenen Nationalismus und auf eine Verherrlichung ihrer eigenen Kultur hin :D . Es ist immer einfach mit den eigenen Maßstäben zu reisen, und den anderen Ländern mit einem gehobenen Zeigefinger zu begegnen. Solche Reisenden sollten besser zu Hause bleiben, da wo es sich doch sowieso besser lebt als anders wo.

Pamuk selbst identifizierte recht stark mit Istanbul, das durch seine Baufälligkeit und seine Düsternis etwas Melancholisches in sich verbarg und klagte über eine innere, seelische Zerrissenheit bei sich selbst und bei der Stadt, die er als nichts Ganzes und nichts Halbes beschreibt. Sie sei nicht mehr orientalisch aber auch nicht westlich. Eine unfertige Stadt, unter der er litt. 
Bei Leuten wie mir, die in Istanbul mit einem Bein in der einen Kultur und mit dem zweiten in einer ganz anderen leben, ist dieser "westliche Beobachter" nicht unbedingt eine echte Person, sondern vielleicht eine Fiktion, ein Traum, eine Selbsttäuschung.
Erst bewunderten die jungen Leute in Istanbul Amerika, aber gleichzeitig wurden sie auch desillusioniert, da die Amerikaner sich durch den Atomkrieg in Hiroshima 1945 und durch den Vietnamkrieg 1968 schuldig machten. Auch hier entsteht eine Zerrissenheit zwischen Idealisierung und Abwertung... .

Ich denke, dass diese Zerrissenheit, unter der Pamuk so sehr leidet, nach sechshundert Jahren Osmanischer Geschichte normal ist. Es benötigt einfach sehr viel Zeit, bis eine neue Verwandlung als Ganzes abgeschlossen ist... .

Aber was heißt schon Verwestlichung? Auch der Westen lebt Multukulti, auch der Westen ist geprägt von verschiedenen Religionen und Nichtgläubigen und so eine einseitige Welt existiert nur in der Vorstellung von Menschen, die Vielfältigkeiten und Differenzen nicht vertragen können... . 
Ich bin  sicher, dass auch der Islam seine Stärken hat. Und dass auch der Islam von einem gütigen Gott spricht... . Es kommt darauf an, welche Dogmen daraus gesponnen werden, und den Menschen starke Vorschriften machen. 

Als eine Tierschützerin muss ich auch dies einbringen:

Auf den Straßen Istanbuls grassierte auch eine Horde von Straßenhunden. Statt diese zu töten wurden sie auf die unbewohnte Insel Sivriada verfrachtet, doch die Hunde fanden immer wieder in die Stadt zurück :D.

Zum Schluss hin ging es nochmals darum, dass Pamuk gespalten war, was seine berufliche Laufbahn betraf. Als großer Melancholischer, wie schon gesagt bezeichnete er die Stadt selbst  auch als melancholisch, als "hüzün", fühlte er sich dadurch immer mehr der Malerei hingezogen. Zum einen wollte er Maler werden, zum anderen sollte er Architektur studieren. Er war zwar schon an der Technischen Universität in Istanbul eingeschrieben, aber er haderte immer wieder mit dem Studium und war oft nah dran abzubrechen. Die Mutter warnte ihren Sohn immer wieder, da in der Türkei Künstler nicht gut angesehen seien, anders in Europa, wo aber auch nur die Besten durchkämen... . Auch die Mutter idealisiert  stark Europa, was bei vielen Türken der Fall war, die bestrebt sind, sich westliche Standards anzueignen. In Europa wird die Kunst zwar geliebt, doch auch dort wollen Eltern, nicht anders wie in der Türkei, dass ihre Sprösslinge etwas Handfestes lernen. 

Aus der weiteren Recherche geht hervor, dass Pamuk das Architekturstudium abgebrochen hat, aber Politikwissenschaften studierte und zum Journalismus überwechselte... . 

So, hier mache ich mal Schluss. Ich möchte nur noch erwähnen, dass ich viele andere Punkte, die auch wichtig waren, aber des Umfanges wegen unerwähnt lassen musste.

Zu Erinnerung: Ich führe keine literaturwissenschaftliche Diskussion, sondern ein Lesetagebuch fragmentarischer Art... . Ich habe von meinen Eindrücken geschrieben, mehr nicht. Ich möchte andere LeserInnen ermutigen, das Buch selbst zu lesen!


Mit dem gelesenen Buch habe ich ein wichtiges Ziel erreicht, in dem es mir die Welt in Istanbul nahe gebracht hat und ich viel von dem Autor Orhan Pamuk lernen durfte. 

Ich freue mich auf ein weiteres Buch von ihm, das noch ungelesen im Regal steht. 
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“
(Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 53
Gelesene Bücher 2011: 86




Donnerstag, 19. Juli 2012

Orhan Pamuk / Istanbul (2)




  Zweite von drei Buchbesprechungen der o. g. Lektüre


So, habe weitere fünfzig Seiten geschafft, und das Thema fokussiert sich auf die Stadt Istanbul... , wie ja auch aus dem Buchtitel hervorgeht. Interessant finde ich, wie Pamuk die Stadt erlebt hat, und beschreibt sie mit einem Hauch von kafkerischem Ambiente. Er erlebte Istanbul wie in einer schwarz-weißen Facette, dunkel, düster, verfallene Konaks, ermattet, ärmlich und die Menschen hüllten sich größtenteils in dunkle Gewänder... .

Zum einen liegt das Schwarzweiß Gefühl natürlich an der Armut der Stadt und daran, dass ihre historischen Schönheiten nicht herausgeputzt und zur Geltung gebracht werden, sondern unbeachtet verwittern und verfallen. Ein anderer Aspekt ist aber, dass die osmanische Architektur selbst zu Zeiten höchster Prachtentfaltung erstaunlich schlicht war. Dass die Istanbuler mit ihrem Leiden an vergangener Herrlichkeit trotz der geographischen Nähe zu Europa zu einer Art ewiger Armut verdammt sind, als litten sie an einer unheilbaren Krankheit, trägt dazu bei, dass die Stadt so sehr in sich gekehrt ist.

 Interessant fand ich auch zu lesen, dass Gustav Flaubert, der zweihundert Jahre vor Pamuk gelebt hat, mal die Absicht hegte, nach Istanbul zu ziehen... . Istanbul ist schon eine Stadt gewesen mit vielen Sehenswürdigkeiten, aber es wurde nichts dafür getan, diese zu erhalten... . Sie drohte in der Düsternis zu ertrinken... .

Orhan Pamuk / Istanbul (1)




Eine von drei Buchbesprechungen der o. g. Lektüre


Habe jetzt schon ein paar Seiten in der Autobiografie gelesen und sie gefällt mir recht gut und hoffe, dass es auch so bleibt, da ich ja noch über sechshundert Seiten vor mir habe... .

Anfangs geht es um die frühe Kindheit des Autors, der in Istanbul geboren wurde, und er die Stadt als heruntergekommen beschreibt. Zu seiner frühen Kindheit gehörten streitende Eltern, später haben sich die Eltern sogar scheiden lassen, wie aus dem Klappentext hervorgeht, wobei Pamuks Vater ein richtiger Optimist war. Früh vermittelte er seinem jüngeren Sohn das Gefühl, dass "die Welt ein Ort (sei), in der die Menschen kommen, um glücklich zu sein".

Nun ja, wenn ich das Elend in der Welt mir anschaue, die letzte Lektüre hat mich erneut mit der Nase darauf gestoßen, dann kann man schlecht daran glauben, wenn mir auch diese Vorstellung trotzdem mehr als sympathisch ist. In die Welt kommen, um glücklich zu sein, ist aber wie eine Desillusion, wem dieses Glücklichsein nicht gelingt, weil dieser Mensch in einer Hölle geboren wurde.

Zu seiner frühen Kindheit auch die Großfamilie, wobei Pamuk selbst aus eine vierköpfigen wohlhabenden Kleinfamilie stammt, daraus geht auch ein um zwei Jahre älteren Bruder hervor... Die Großfamilie lebte zusammen in einem mehrstöckigen Haus. Auf jeder Etage wohnte eine Familie. Und überall wurden die Wohnzimmer als gleich beschrieben und mit einem Museum verglichen. Porzellan, Zuckerdosen ... füllten reichlich die Schränke, die Wände und auf den Schränken waren jede Menge Familienportraits positioniert und auf jeder Etage befand sich ein bis zwei Klaviere, auf die keiner spielte :D. Das ist ja für mich wie eine Wohnung voller Bücher, die niemand gelesen hat. Aus meiner Sicht ein Verrat an die Bücher, Verrat an die AutorInnen, ein Verrat an die Klaviere, Verrat an die Musik, die nie gespielt wurde... .

Und trotzdem gefällt mir die Art, wie Pamuk dies alles beschreibt. Er erlebte jede Wohnung anders, als betrete er eine völlig andere Welt, ein völlig anderes Land, obwohl sich die Wohnungen, wie schon gesagt, so sehr im Mobiliär und in der gesamten Ausstattung ähnelten. Auch diese Vorstellung, jede Wohnung sei ein anderes Land, finde ich recht sympathisch... .


Orhan Pamuk / Istanbul




  Klappentext

Ein fesselnder Liebesroman mit Istanbul in der Rolle der Geliebten.
Orhan Pamuk ergründet in »Istanbul« die Geheimnisse seiner eigenen Familie und die seiner Kindheit. Er führt uns an berühmte Monumente und die verlorenen Paradiese der sagenumwobenen Stadt, zeigt uns die verfallenden osmanischen Villen, die Wasserstraßen des Bosporus und des Goldenen Horns, die dunklen Gassen der Altstadt. Pamuk verbindet auf eindringliche Weise Schilderungen von Menschen und Orten und setzt allen ein unvergessliches Denkmal.

Autorenportrait

Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den Independent Foreign Fiction Award, 1991 den Prix de la découverte européenne, 2003 der International IMPAC Dublin Literary Award, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in demselben Jahr den Ricarda-Huch-Preis, 2006 den Nobelpreis für Literatur und 2007 die Ehrendoktorwürde der FU Berlin als »Ausnahmeerscheinung der Weltliteratur.«

Der Klappentext hat mich total angesprochen. Entdeckt habe ich das Buch in der genialen Bahnhofsbuchhandlung in Frankfurt Main. Die Buchhandlung dort ist recht gut sortiert, man findet Bücher, die man nicht erst bestellen muss... . Anders als hier in Darmstadt, wo wir doch zwei Riesenbuchhandlungen besitzen wie Hugendubel und Thalia. Trotzdem können sie mit Frankfurt einfach nicht mithalten... .

Das Buch ist eine Autobiografie und freue mich, etwas mehr über die Kultur vor Ort zu erfahren... .