Montag, 19. Mai 2014

Meine LieblingsautorInnen

Autorinnen


  1. Allende, Isabel
  2. Lindgren, Astrid
  3. McCullers, Carson
  4. Shreve, Anita                
  5. Walls, Jeanette
  6. Woolf, Virginia
  7. Zweig, Stefanie



Autoren
  1. Dickens, Charles
  2. Fallada, Hans
  3. Hardy, Thomas
  4. Hart, ´t Maarten
  5. Hesse, Hermann
  6. Ibsen, Henrik
  7. Kästner, Erich
  8. Maupassant, de Guye
  9. McEwan, Ian
  10. Mercier, Pascal
  11. Murakami, Haruki
  12. Süskind, Patrick
  13. Wells, Benedict
  14. Yallom, Irvin D.
  15. Zsusak, Markus
  16. Zweig, Stefan








Sonntag, 18. Mai 2014

Maarten 't Hart / Das Wüten der ganzen Welt

Klappentext
Maarten ’t Hart gehört zu den beliebtesten Autoren der Niederlande. In seinem Roman schildert er die kleine Welt eines südholländischen Städtchens. Dort, in der President Steynstraat, ist der Komponist Alexander Goudveyl als Sohn eines Lumpenhändlers aufgewachsen, großgezogen mit Gebeten und den alten Geschichten vom Krieg. 30 Jahre später erinnert er sich an diese Zeit, vor allem an den 22. Dezember 1956, einen regennassen Samstagnachmittag, an dem der Polizist Vroombout ermordet wurde.


Autorenporträt
Maarten ’t Hart, geboren 1944 in Maassluis bei Rotterdam als Sohn eines Totengräbers, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich 1987 als freier Schriftsteller in Warmond bei Leiden niederließ. Nach seinen Jugenderinnerungen »Ein Schwarm Regenbrachvögel« erschien 1997 auf Deutsch sein Roman »Das Wüten der ganzen Welt«, der zu einem überragenden Erfolg wurde und viele Auszeichnungen erhielt. Seine zahlreichen Romane und Erzählungen machen ihn zu einem der meistgelesenen europäischen Gegenwartsautoren. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch »Unter dem Deich«.
Von dem Autor habe ich bisher nur ein Buch gelesen. Unter dem Deich, das mir sehr gut gefallen hat. Das vorliegende Buch ist nicht weniger interessant. Ich habe nun die ersten einhundert Seiten durch und meine Neugier ist noch immer aktiv, was ein gutes Zeichen ist. Ich habe von dem Autor noch ein paar Bände ungelesen im Regal stehen, werde mir aber noch die Autobiografie Das Paradies liegt hinter mir zulegen. Es ist immer gut, die Autobiografie vorangestellt zu lesen. Wusste nur noch nicht, dass ich mich mit Maarten t´Hart noch weiter auseinandersetzen möchte. Das möchte ich, nachdem ich mich nun auch von diesem Band inspiriert fühle.










Samstag, 17. Mai 2014

Henri Alain - Fournier / Der große Meaulnes (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch ist gut geschrieben. Die Sprache hat mir gut gefallen. Sie ist recht fantasievoll.
Dennoch hat mich die Lektüre nicht wirklich gefordert. Ich war oft mit meinen Gedanken woanders und kann nicht mal sagen, woran das gelegen haben könnte. Eigentlich hätte ich das Buch wieder abbrechen müssen, habe aber doch noch durchgehalten, da es nur 317 Seiten umfasste und die wollte ich eben durchhalten. Das Buch schien mir zu langweilig gewesen zu sein. Irgendwie hatten die Literaturfiguren nach meinem Geschmack wenig Tiefe … Vielleicht hat es daran gelegen.

Ich werde also wenig zu dem Buch schreiben.

Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Das beschauliche Leben des fünfzehnjährigen François Seurel ändert sich für immer, als ein neuer Schüler in die Provinzschule seines Vaters kommt. Augustin Meaulnes, von den Mitschülern nur "der große Meaulnes" genannt, ist ein schweigsamer, stolzer Junge und wird sein bester Freund. Eines Tages verschwindet Meaulnes für drei Tage und kehrt verwirrt, übermüdet und doch wie verzaubert zurück. Er habe sich in einem Wald verirrt, sagt er, sei in ein seltsames Maskenfest auf einem verwunschenen Schloß geraten. Von der Begegnung mit einem wunderschönen Mädchen ist die Rede und von einer Kahnfahrt auf einem winterlichen See ... François weiß zunächst nicht, ob er den Worten seines Freundes glauben soll. Doch unter seiner Jacke trägt Meaulnes eine prunkvolle Seidenweste, und bald schon richtet sich das ganze Streben der beiden Freunde - "Schwärmer, Schlafwandler zwischen Traum und Wachen, enthusiastisch gebannt von den Reizen einer inneren Welt voller Schönheit und Liebe" (Ludwig Harig) - darauf, das "verlorene Land", wiederzufinden, das auf keiner Karte verzeichnet ist ...
Eigentlich steht schon alles im Klappentext geschrieben. Ich wüsste nicht, was noch zu ergänzen wäre.

Interessant fand ich, dass Francois` Vater auch sein Lehrer ist, und um sämtliche Irritationen an der Schule zwischen Vater und Sohn vor den anderen Schülern vorzubeugen, musste Francois seinen Vater an der Schule mit Monsieur Seurel anreden.

Traurig fand ich die Liebesgeschichte zwischen Meaulnes und seiner Angebeteten  ... Was allerdings nicht heißen muss, dass ich immer ein happy End brauche.
Ich lese sowieso keine Liebesgeschichten gerne, und schon gar keine Schnulzen. Nein, eine Schnulze ist die Liebesgeschichte in diesem Buch wahrhaftig nicht. 
______
Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).

Gelesene Bücher 2014: 34
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 13. Mai 2014

Henri Alain - Fournier / Der große Meaulnes

Klappentext
Das beschauliche Leben des fünfzehnjährigen François Seurel ändert sich für immer, als ein neuer Schüler in die Provinzschule seines Vaters kommt. Augustin Meaulnes, von den Mitschülern nur "der große Meaulnes" genannt, ist ein schweigsamer, stolzer Junge und wird sein bester Freund. Eines Tages verschwindet Meaulnes für drei Tage und kehrt verwirrt, übermüdet und doch wie verzaubert zurück. Er habe sich in einem Wald verirrt, sagt er, sei in ein seltsames Maskenfest auf einem verwunschenen Schloß geraten. Von der Begegnung mit einem wunderschönen Mädchen ist die Rede und von einer Kahnfahrt auf einem winterlichen See ... François weiß zunächst nicht, ob er den Worten seines Freundes glauben soll. Doch unter seiner Jacke trägt Meaulnes eine prunkvolle Seidenweste, und bald schon richtet sich das ganze Streben der beiden Freunde - "Schwärmer, Schlafwandler zwischen Traum und Wachen, enthusiastisch gebannt von den Reizen einer inneren Welt voller Schönheit und Liebe" (Ludwig Harig) - darauf, das "verlorene Land", wiederzufinden, das auf keiner Karte verzeichnet ist ...

Autorenporträt
Alain-Fournier (eigentlich Henri-Alban Fournier; * 3. Oktober 1886 in La Chapelle-d’Angillon, Centre; † 22. September 1914 in Les Éparges bei Verdun) war ein französischer Schriftsteller.Das obige Buch erschien 1913 und wurde für den Prix Concourt vorgeschlagen und zählt heute zu dem wohl romantischsten Werk der französischen Literatur. Geheimnisvoll wie sein Roman ist auch der frühe Tod des Schriftstellers, der in den Wirren des ersten Weltkrieges verschwand und dessen Leiche erst Jahre später anhand einer Dienstmarke in einem Massengrab identifiziert werden konnte.
Mir gefällt das Buch bis jetzt ganz gut. Mal schauen, ob es sich hält.






Montag, 12. Mai 2014

Carson McCullers / Die Autobiographie (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Die Autobiografie hat mir sehr gut gefallen.
Carsons Herz war oft einsam, und es war ein unermüdlicher Jäger auf der Suche nach Menschen, denen sie es anbieten konnte; aber es war ein Herz, das mit einem Licht gesegnet war, das seine Schatten überstrahlte.
Ein so schönes Bild schon gleich auf der ersten Seite der Einleitung, geschrieben von Tennessee Williams, ein amerikanischer Autor und Freund von Carson McCullers, hat es mir angetan.

Diese Metapher passt zu allen Romanfiguren, die McCullers in ihren Büchern, die ich bisher von ihr gelesen habe, auftreten, doch hauptsächlich passend ist sie zu den Figuren aus Das Herz ist ein einsamer Jäger.

Obwohl die Autorin jede Menge FreundInnen hatte, fällt es mir ein wenig schwer zu glauben, dass sie innerlich einsam war. Viele KünstlerInnen und bekannte AutorInnen zählten zu ihrem Kontakten- und Freundeskreis. Auch kommt sie aus einer Familie, in der sie gut aufgehoben war und in der sie geliebt wurde.

Aus der Einleitung geht allerdings hervor, dass C. McC. zu früh literarischen Erfolg hatte, für den sie psychisch noch nicht reif genug gewesen sei, und die innere Einsamkeit dadurch erklärbar machen könnte. Mit 23 Jahren bringt sie ihr erstes Buch mit dem Titel Das Herz ist ein einsamer Jäger heraus, und sorgt damit für Furore und große Anerkennung. Des Weiteren brachte sie für junge Talente einen Buchband heraus mit vielen Ratschlägen, wie man den frühen Erfolg bestmöglich verarbeiten kann.

Die Mutter der Autorin wusste schon, dass ihr Töchterchen es einmal zu etwas ganz Großem bringen würde. Ein Genie in der Familie und das war C. McC. tatsächlich. Eigentlich hätte sie Pianistin werden sollen. Mit neun Jahren bekommt sie ein Piano geschenkt, auf dem sie ihre ersten Stücke selbst komponierte, ohne vorher Unterricht erhalten zu haben. Aber das Schicksal hatte etwas ganz Anderes mit ihr vor. Dadurch, dass Carson als Kind viel krank war, musste sie ihr Ziel als Pianistin wieder aufgeben und begab sich in die Welt der Dichter und Schriftsteller ... C. McC. war eine so tolle Persönlichkeit, die leider nicht alt werden durfte. Mit Anfang fünfzig ist sie an ihrem vierten Schlaganfall gestorben. Den ersten Schlaganfall erlitt sie in ihrer Kindheit völlig unbemerkt. Ihr wurde von den Symptomen her das chronische rheumatische Fieber diagnostiziert, das sich später, nach vielen Jahren, als falsch erwies. Der erste Schlaganfall wurde erst viele Jahre später, als sie schon erwachsen war, erkannt.

C. McC. war ein durch und durch gütiger und lebensbejahender Mensch. Trotz ihrer körperlichen Einschränkungen hatte sie dennoch ein bewegtes Leben. Und keinesfalls ist sie an der Schwere ihrer Erkrankung in Depressionen verfallen. Ein Bein musste amputiert werden, und sie hatte trotzdem nicht den Lebensmut verloren. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Sie wäre mir ein Vorbild.

Nach dem vierten Schlaganfall lag sie für mehrere Wochen im Koma, als sie dann schließlich starb.

Die Einleitung fand ich nicht sehr gut, denn viele Infos tauchten doppelt und dreifach auf.  C. McC. hat über ihr Leben so klar und deutlich geschrieben, dass ich auch ohne die Einleitung ausgekommen wäre. 
Die Klappentexte sind ja oftmals schon zu ausführlich. Ein bisschen sollte man den LeserInnen schon auch zumuten dürfen.

Wie hat die Autorin ihren Erfolg als Schriftstellerin gefeiert bzw. aufgenommen? Interessant fand ich, dass sie keine Rezensionen zu ihren Büchern gelesen hat.
Ich lese meine Rezensionen nie. Wenn sie gut sind, können sie mir zu Kopf steigen, und wenn sie schlecht sind, würden sie mich nur deprimieren. Also lasse ich es. Aber natürlich sickern durch Freunde Informationen zu mir durch, die mir eine ziemlich genaue Vorstellung davon geben, wie die Sache steht. (90f)
Eine Episode zwischen der Sekretärin und ihr brachte mich zum Schmunzeln. C. McC. war durch ihre Krankheiten auf eine Sekretärin angewiesen. Sie hatte durch ihren Schlaganfall ein recht schlechtes Sehvermögen. Sie diktierte der Sekretärin ihre Skripte. Über manche Szenen musste die Autorin selber auch lachen und wunderte sich, dass ihre Schreibhilfe so gar keinen Sinn für Humor besaß:
Mein guter Freund William Meyer fand eine Psychiatrieschwester, die mir mit dem Manuskript half, und als ich nach Hause durfte, besorgte ich mir eine Sekretärin, die das Skript tippen sollte. Das machte großen Spaß - das einzige Problem war, dass die Sekretärin keinen Sinn für Humor hatte, und wenn ich lachen musste, musste ich allein lachen, was ein bisschen gespenstisch ist, wie ich sagen muss.>>Finden Sie das nicht lustig?<< fragte ich sie gelegentlich.>>Nein<<, antwortete sie. Ich lachte also allein weiter. (101f)
Die Autorin war nicht nur Schriftstellerin, sie war auch mehr oder weniger politisch aktiv.
Wie man schon aus ihren Werken weiß, setzte sie sich schon früh gegen den Rassismus ein. Auch ihr  kleinerer Bruder Lamar Smith litt fürchterlich unter der Diskriminierung schwarzer Menschen. Die Kinder beobachteten eine Begebenheit zwischen ihrem sehr jungen farbigen Kindermädchen und einem Taxifahrer. Lucille hatte sich ein Taxi bestellt …
Mein Bruder und ich beobachteten, wie sie aus dem Haus kam und der Taxifahrer sich weigerte, sie zu fahren.
>>> Ich fahre keine verdammten Neger<<, schnaubte er. Lamar, der Lucilles Verlegenheit sah und die Hässlichkeit dieser ganzen Ungerechtigkeiten fühlte, rannte unter das Haus. (Ich muss dazu erklären, dass der Raum unter dem Haus fast wie ein eigenes Zimmer ist.) Mein Bruder weinte unter dem Haus, aber ich war außer mir vor Wut und schrie den Taxifahrer an: >>Sie böser, böser Mann.<< Dann kroch ich zu meinem Bruder, und wir hielten uns an den Händen, um uns zu trösten, weil es nichts, nichts anderes gab, was wir tun konnten. Lucille musste eine gute Meile zu Fuß nach Hause gehen. (122)
Mich wundert das immer wieder, dass es Menschen gibt, die über eine so große Sensibilität verfügen, mit der sie die Ungerechtigkeiten benachteiligter Menschengruppen wahrzunehmen in der Lage sind, während die meisten Menschen die Diskriminierungen als gegeben hinnehmen und sich dem ungefragt und unreflektiert anpassen, statt sich zu widersetzen. Wobei die Eltern hierbei als Vorbild fungieren. 

Und nun ein wenig etwas zur Literatur, die die Autorin bevorzugte.
Die meisten Bücher, die in der Autobiografie vorgestellt wurden, waren mir selbst bekannt. Sie hat Marcel Proust gelesen, F. Dostojewski, Leo Tolstoi und natürlich als Amerikanerin jede Menge amerikanische AutorInnen, wie z. B. Henry James, F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, etc. so wie auch die Engländerin Virginia Woolf. Mit Virginia Woolf konnte C. McC. allerdings nicht wirklich warm werden.
Ich selbst bin völlig blind in Bezug auf Virginia Woolf. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich einfach nicht wirklich für sie interessieren. Das ist insofern merkwürdig, als nicht nur viele meiner Freunde Virginia Woolf schlichtweg vergöttern, sondern ich viele Mitglieder des >>Bloomsbury Set<< persönlich kenne.
Man kann ja nicht jeden berühmten Schriftsteller mögen. Mir ging es mit Marcel Proust ähnlich. Ich  war auch um ihn so sehr bemüht und habe bisher nicht mehr als vier Bände von ihm zu lesen geschafft. Virginia Woolf dagegen ist mir von ihrem inneren Naturell eher vertraut.

Allerdings ist Vrginia Woolf im Gegensatz zu mir, wie ich aus ihrer Autobiografie entnehmen konnte, von Marcel Proust mehr als angetan gewesen. 

Interessant fand ich, wie C. McC. den Buchband von Dostojewski Der Idiot bewertete:
Das Buch hat eine wundervolle Groschen Roman-Qualität. Man wird einfach von einer unglaublichen Szene zur nächsten unglaublichen Szene weiter gerissen.(128)
Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, den Band von Dostojewski als Groschenroman abzutun. Ehrlich gesagt ist mir Dostojewski ein wenig zu anstrengend und sehr langatmig. Mein Fall ist Dostojewski nicht.

Beeindruckend fand ich die Beziehung zu ihrem Gatten James Reeves McCullers jun. Ihr erster intimer Freund. Sie bekam recht früh einen Heiratsantrag gemacht und Carson wollte, um Reeves besser kennenzulernen, noch vor der Ehe Sex haben. Sie fragte ihre Mutter, was Sex sei. Die Mutter war sehr verlegen, zog sie sanft zu sich heran und sprach;
Schatz, Sex ist, wenn man sich auf etwas draufsetzt. (Kaputt lach)
C. McC. war genauso schlau wie vorher auch und suchte Bibliotheken auf,  um sich über Bücher aufzuklären. Doch die damalige Literatur eignete sich zur sexuellen Aufklärung genauso wenig ...
Sie verständigte ihre Eltern, dass sie mit Reeves schlafen werde. Die Eltern hatten das akzeptiert. Sie unterstützen ihr Kind in allen Lebenslagen, was es sich vornahm. Die Liebe zwischen den Eltern und der ältesten Tochter war ganz deutlich zu spüren.

Obwohl so viel Liebe zwischen Reeves und C. McC. bestand, musste die Ehe scheitern. Die vielen Depeschen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, dem ist ein eigenes langes Kapitel im Buch >>Kriegsbriefe<< gewidmet, bezeugten diese Kriegsbriefe die Liebe füreinander. Reeves war in Europa als Soldat stationiert. Er überlebte zwar den Krieg, aber nicht seine psychischen Leiden. Leider war Reeves schwer depressiv, der sich zusammen mit Carson das Leben nehmen wollte. Er versuchte, seine Frau zu erwürgen. Carson war entsetzt und zog sich von ihm zurück und ließ sich sogar scheiden. Schade. Beide genossen einen regen literarischen Austausch. Sie las ihm ihre Werke vor, von denen Reeves hellauf begeistert war und sich dadurch inspiriert gefühlt hatte, selbst auch mit dem kreativen Schreiben zu beginnen.

Carson fragte ihn, ob er das Werk Das Herz ist ein einsamer Jäger gut finden würde, so antwortete er:

Ob ich das gut finde? Nein, ich finde das nicht gut, ich finde das großartig.

Ich beende nun hier meine Aufzeichnungen.

Mein Fazit

Carson McCullers kommt mir ein wenig seelenverwandt vor. Ihre Bücher könnte ich sinnbildlich betrachtet mit geschlossenen Augen lesen. Ich könnte sie trotzdem noch gut verstehen. Deshalb bin ich motiviert, die restlichen anderen Bände von ihr auch noch zu lesen. Carson McCullers zählt zu meinen absoluten Favoriten.
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).

Gelesene Bücher 2014: 33
Gelesene Bücher 2013: 81
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Samstag, 10. Mai 2014

Carson McCullers / Die Autobiographie

Klappentext
»Ich wurde über Nacht zu einer etablierten literarischen Persönlichkeit, und ich war viel zu jung, um zu verstehen, was da mit mir geschah oder welche Verantwortung damit verbunden war. Ich muss unerträglich gewesen sein.« In ihren Memoiren, die sie nicht mehr vollenden konnte, schaut Carson McCullers zurück auf ihr liebevolles Elternhaus in Georgia, ihre ersten Schreibversuche, ihre turbulente Ehe, ihre Freundschaften mit Tennessee Williams, Karen Blixen, Elizabeth Bowen, Edith Sitwell und Marilyn Monroe – und nicht zuletzt auf ihre Krankheiten, die ihr Leben beeinträchtigten und weit vor der Zeit beendeten. Der Band enthält außerdem das Exposé zu ihrem Romandebüt und den Briefwechsel mit ihrem Mann Reeves McCullers aus den Jahren 1944 und 1945.


Autorenporträt

Carson McCullers, geboren 1917 in Columbus (Georgia), gestorben 1967 in Nyack (New York), dort begraben. McCullers wollte eigentlich Pianistin werden. Mit 500 Dollar fuhr sie 18-jährig alleine nach New York, um an der renommierten Juilliard-Musikschule zu studieren. Das Geld verschwand auf mysteriöse Weise, doch sie blieb in New York, arbeitete als Sekretärin, Kellnerin, Barpianistin und beschloss, Schriftstellerin zu werden. Der Erfolg ihres Erstlings, ›Das Herz ist ein einsamer Jäger‹, machte die 23-Jährige zum literarischen ›Wunderkind‹. Mit 23 erlitt sie den ersten von drei Schlaganfällen, ihr Leben wurde bestimmt durch die Krankheit, der sie ihr Werk abrang, und durch Einsamkeit, besonders nach dem Selbstmord ihres Mannes 1953.

Carson McCullers zählt zu meinen LieblingsautorInnen. Ich habe vor, nach und nach alle ihre Werke zu lesen.

Das Herz ist ein einsamer Jäger und Die Uhr ohne Zeiger habe ich gelesen und beide Bände haben mir sehr gut gefallen.

Freue mich nun auf die Autobiografie, aus der hervorgeht, dass die Autorin in ihrem Leben zwischen der Realität und Fiktion wandelte.
Carsons Herz war oft einsam, und es war ein unermüdlicher Jäger auf der Suche nach Menschen, denen sie es anbieten konnte; aber es war ein Herz, das mit einem Licht gesegnet war, das seine Schatten überstrahlte. 
Ein total schönes Bild, ein Zitat schon gleich auf der ersten Seite, das ich mir unbedingt herausschreiben musste.






Freitag, 9. Mai 2014

Steinunn Jóhannesdóttir / Das sechste Siegel (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Ich war erstaunt zu lesen, dass man im 16. / 17. Jhrd. Menschen aus dem hohen Norden auch zu Sklaven gemacht hat. Bekannt ist der Sklavenhandel zwischen  den Amerikanern und den Schwarzafrikanern.

Im hiesigen Buch wurde hauptsächlich mit den Isländern Menschenhandel betrieben. Man hatte die Insel dieser Menschen ausgeplündert. Die Menschen wurden von den Arabern nach Algier verschleppt. Kontinental nach unten betrachtet befindet sich dieser Menschenhandel fast am Ende des Globus. Die Isländer waren demnach extrem hohen Temperaturen ausgesetzt und erlitten einen Kulturschock. Ganz zu schweigen von dem Verlust ihrer Menschenwürde in jeder Hinsicht.

Die Menschen waren vier Wochen mit dem Schiff unterwegs. Algier  war eine recht reiche Stadt, umgeben von vielen Palästen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, woher der Reichtum kam. Hauptsächlich durch den Menschenhandel und durch die Haltung von Sklaven auch im privaten Sektor. Die Sklaven mussten durch die Hölle gehen. Wenn mich einer fragen würde, ob ich nach dem Tod an die Hölle glaube, dann würde ich antworten, die Hölle ist nicht im Himmel, sie ist hier auf Erden. Macht euch die Erde Untertan. So waren oder sind noch immer die Starken die Götter auf Erden.

Man vermutete, dass die Isländer aus dem Grunde ausgeplündert wurden, weil sie in ihrer Existenz nicht gefestigt waren. Ihr Lebensstandard war geprägt von einfachsten Mitteln. Teilweise lebten viele noch in "Höhlen". Die Araber bezeichneten die Isländer als ein primitives Volk.
Jón Jónsson sagte, er kenne die Gründe für den Raubzug nach Island nicht genau, aber er könne sich am ehesten noch vorstellen, dass sie davon gehört hätten, wie schutzlos und wenig gefestigt das Land sei. (142)
Die Isländer waren sehr gläubige Leute. Sie richteten ihr Leben nach Luther aus. Ihr "sündiges Verhalten" bezeichneten viele Isländer als Strafe Gottes. 
„Und abgesehen davon, (…) haben die Isländer mit ihrem sündigen Lebenswandel und ihrer weitverbreiteten Sittenlosigkeit wohl selbst den Zorn Gottes auf sich herabbeschworen." Die Sklaverei wäre wahrscheinlich nichts anderes als eine verdiente Strafe für ihre Sünden. Die Geißel Gottes! (142)
Der Buchtitel, Das sechste Siegel, ist auch religiös zu deuten ...

Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Island 1627: Auf den grünen Westmänner-Inseln leben gottesfürchtige Menschen, einfache Fischer und Bauern. Als eines Nachts algerische Freibeuter einfallen, mordend, plündernd und brandschatzend über die Insel ziehen und 252 Menschen verschleppen - Männer, Frauen und Kinder - glauben die Leute zunächst an ein apokalyptisches Strafgericht. Starr vor Entsetzen müssen sie erleben, wie sie nach einer qualvollen Reise über den Atlantik auf dem Sklavenmarkt von Algier verkauft werden. Die junge, hübsche Gudríd muss im Hause des Dey von Algier härteste Sklavenarbeit leisten, wird geschlagen und missbraucht. Doch sie kämpft entschlossen darum, ihren Sohn bei sich zu behalten und vor den fremden Einflüssen zu bewahren. Nach neun endlosen Jahren gibt es wieder Hoffnung: Ein holländischer Kaufmann ist in Algier aufgetaucht. Es heißt, er kaufe im Auftrag des dänischen Königs Sklaven frei. Gudríd schöpft neuen Mut ...
Ein Mensch ist ja nicht nur schlecht, er trägt auch Gutes in sich. Auch wenn man es nicht glauben möchte. Die Erfahrung hat zumindest die Protagonistin Gudrid gemacht.
Der Mann, der sie misshandelt und ihr solche Schande angetan hatte, der sie von ihrem Jungen getrennt hatte, brachte ihn ihr jetzt zurück! Wie konnte ein so schlechter Mensch noch so gut sein? (46)
Gudrid war eine sehr gläubige Persönlichkeit. Ihre Nöte als Sklavin überstand sie größtenteils mithilfe ihrer Religion. Es gab eine andere Landsmännin, Anna, die es geschafft hat, aus ihrer Sklaverei auszubrechen, indem sie ihren Herren geheiratet hat und dessen arabischen Lebenswandel anzunehmen wusste. Anna wurde eine reiche Frau und hielt ebenso Sklaven. Sie war mit Gudrid bekannt, und Gudrid haderte mit sich und kämpfte gegen destruktive Gefühle an, auf Anna nicht neidisch zu sein. Sie tröstete sich mit folgendem Gedanken:
Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt? (233)
Ich finde dieses Zitat sehr schön.

Mein Fazit:

Aus dem Anhang war zu entnehmen, dass sich die Ereignisse tatsächlich so abgespielt hatten, wie sie im Buch geschildert wurden. Ebenso existierten die Personen. Die Autorin hatte lediglich die Namen geändert und ein wenig an den Charakteren gefeilt.

Das Buch ist sehr authentisch geschrieben und ich finde es richtig schade, dass es auf dem Büchermarkt nur noch antiquarisch zu erwerben ist.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Allerdings gibt es in dem Buch ein paar gravierende Druckfehler. Die stören mich aber nicht sonderlich.
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).

Gelesene Bücher 2014: 32
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Montag, 5. Mai 2014

Steinunn Jóhannesdóttir / Das sechste Siegel

Klappentext

Island 1627: Auf den grünen Westmänner-Inseln leben gottesfürchtige Menschen, einfache Fischer und Bauern. Als eines Nachts algerische Freibeuter einfallen, mordend, plündernd und brandschatzend über die Insel ziehen und 252 Menschen verschleppen - Männer, Frauen und Kinder - glauben die Leute zunächst an ein apokalyptisches Strafgericht. Starr vor Entsetzen müssen sie erleben, wie sie nach einer qualvollen Reise über den Atlantik auf dem Sklavenmarkt von Algier verkauft werden. Die junge, hübsche Gudríd muss im Hause des Dey von Algier härteste Sklavenarbeit leisten, wird geschlagen und missbraucht. Doch sie kämpft entschlossen darum, ihren Sohn bei sich zu behalten und vor den fremden Einflüssen zu bewahren. Nach neun endlosen Jahren gibt es wieder Hoffnung: Ein holländischer Kaufmann ist in Algier aufgetaucht. Es heißt, er kaufe im Auftrag des dänischen Königs Sklaven frei. Gudríd schöpft neuen Mut ...


Autorenporträt

Steinunn Jóhannesdóttir
geboren 1948 in Akranes, Island, arbeitet als Regisseurin, Journalistin und Autorin in Reykjavík. Sie veröffenlichte neben mehreren Theaterstücke auch Kinderbücher, Biografien und Kurzgeschichte und legte nach sechsjähriger Recherchearbeit den auf historischen Geschehnissen basierenden Roman „Das sechste Siegel“ vor.
Das Buch habe ich antiquarisch im Bücher Oxfam erworben. Es ist eine ältere Ausgabe und wurde nicht wieder neu aufgelegt. Man kann es also im Buchhandel neu nicht mehr käuflich erwerben.

Ich habe die ersten einhundert Seiten probegelesen und es gefällt mir sehr gut.

Bin neugierig, wie es weitergeht und wie das Buch enden wird.





Sonntag, 4. Mai 2014

Adalet Agaouglu / Sich hinlegen und sterben (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Titel des Buches, Sich hinlegen und sterben, kam mir ein wenig naiv und absurd vor. Ich glaube, ich hätte sicher ein anderes Symbol gewählt, wenn ich die Trägheit des gesellschaftlichen und des politischen Lebens ausdrücken wollte.
Das hat mir nicht wirklich gefallen.

Die Romanheldin in dem Buch ist Aysel, und sie schildert in der Retrospektive recht einleuchtend die gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit. Hauptsächlich die Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg und bis zur Gegenwart.

Ich hatte Probleme mir vorzustellen, wie eine gesunde Frau ein Hotelzimmer mietet, um sich nackt ins Bett zu legen und auf den Tod wartet. Da kann man ja lange auf ihn warten.
Während dieser Zeit, wie oben schon gesagt, macht die Erzählerin eine mentale Zeitreise in die Vergangenheit und man erfährt dabei viele politische und gesellschaftliche Ereignisse ihres Landes.

Das Buch hat mich andererseits sehr bereichert, denn so konnte ich besser verstehen, weshalb das Land noch heute in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung zwischen Orient und Okzident gespalten ist.

Ich gebe zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
Die Dozentin Aysel steckt in einer privaten Lebenskrise und zieht sich, zum Sterben entschlossen, in ein Hotelzimmer zurück. Denn der Konflikt zwischen gesellschaftlichen Pflichten und ihren eigenen Bedürfnissen spitzt sich zu und zwingt sie zu dieser Entscheidung. Ihren Tod vor Augen lässt sie noch einmal ihr Leben Revue passieren, erinnert sich an ihre Schulzeit in der anatolischen Provinz und die Universitätsjahre in Ankara. Sie selbst gehörte zu der kleinen Schar von Jungen und Mädchen, den Kindern der Republik, die der Lehrer Dündar nach seinen kemalistischen Idealen zu einer pflichtbewussten »Armee des Wissens« erziehen wollte. Ihm hat sie, die Krämerstochter, es zu verdanken, dass sie studieren durfte. Heute aber will sie nur noch aus ihren eintönigen Verhältnissen ausbrechen und beginnt eine Beziehung zu einem ihrer Studenten. Einen Abend nur hatte sie ungezwungen und pflichtvergessen mit ihm verbracht, nun spürt sie neues Leben in sich keimen. Soll sie die Herausforderung annehmen?
Aus dem Anhang geht hervor, dass der Roman autobiografisch gefärbt ist.

Interessant fand ich die politischen und gesellschaftlichen Ideen des ehemaligen Staatschefs Mustafa Kemal Atatürk, der Begründer der Modernen Republik in der Türkei. Er war bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg der Vater der Nation. Er trennte Staat und Kirche strikt voneinander. Er starb Ende 1938. Atatürk zählt noch heute für viele TürkInnen als der Lehrer und gilt noch heute für viele als das Vorbild.
Viele andere BürgerInnen dagegen himmeln eher Politiker an, die sich gegen Atatürk stellen und für das Festhalten an Traditionen stehen. Ein gespaltenes Land, so wie der türkische Gegenwartsautor Orhan Pamuk es in seinen Büchern schon beschrieben hat. Pamuk ist eine Generation jünger als die Autorin. Demnach gehe ich davon aus, dass die geschilderten Probleme vielleicht in abgeschwächter Form in der Türkei noch immer vorhanden sind.

Mithilfe der Autorin konnte ich Pamuk nun noch besser verstehen.

Man kann also nicht sagen, dass die Türkei in ihren Traditionen feststeckt und dadurch rückständig ist. Und man kann auch nicht sagen, dass alle türkischen Frauen in ihrem Land Kopftücher tragen. Es gibt sowohl Kopftuchträgerinnen, als auch die, ohne Kopftuch. Es gibt TürkInnen, die leben westlich orientiert. Andere eben nicht. Viele Facetten in einem Land.
Erstaunlich fand ich, dass viele Kinder während ihrer Schulzeit erzogen werden, für das Vaterland zu stehen, und sie werden darauf vorbereitet, im schlimmsten Fall ihr Leben für die Nation zu opfern. (24). Ob das heute noch so ist, konnte ich aus dem Kontext nicht herauslesen. In den anderen arabischen Ländern könnte, mit Ausnahme von Persien / Iran, ich mir das vorstellen. Aber die Türkei ist kein reines arabisches Land, schon allein auch geografisch gesehen.
Wir setzen unsere Mützen auf, wenn wir zur Schule gehen. Ohnehin hat unser unsterblicher Atatürk gewünscht, dass wir aufgeklärt und zivilisiert sein sollen. Was würde einer meiner hiesigen Lehrer wohl gesagt haben, wenn er mich dort im Sommer mit Kopftuch hätte herumlaufen sehen? (94)
Aysels Eltern schickten zwar ihr Mädchen zur Schule, aber sie waren in ihrer Erziehung nicht eindeutig frei. Mal befürworteten sie das Moderne, dann wieder das Traditionelle. Aysel musste immer Gefahr laufen, dass sie von den Eltern von der höheren Schule vorzeitig abgemeldet werden würde, um auf das Leben als Ehefrau und Mutter vorbereitet zu werden.

Selbst die Schüler waren in sich zerrissen. Mal kritisierten sie die Mädchen, wenn sie sich nicht ausreichend modern zeigten, und zogen sie mit ihren Blicken herab, wenn Mädchen nach der Schule von Haus aus wieder ein Kopftuch tragen mussten oder wenn ihre Haare zu lang sind. Auch diese Vorstellung, eine moderne Frau trägt kurze Haare, das war auch im Deutschland des Zweiten Weltkrieges noch nicht mal der Fall, erschien mir ein wenig absurd.
Vor meiner Lehrerin, die Geschichte unterrichtet, habe ich große Angst. Sie ist sehr streng und sagt, ich sei sehr hässlich gekleidet. Sie will, dass ich mir meine Haare wie ein Mädchen aus dem Westen schneiden und mir einen Bubikopf machen lassen. Doch so etwas will mein Vater nicht einmal hören. (132)
Was sind neben der Demokratie die Maßstäbe einer modernen Gesellschaft? Hier wird die westliche Welt m. E. total unkritisch idealisiert. 
Ich finde, dass auch viele LehrerInnen keine Ahnung hatten von der modernen Lebensweise und wussten nicht, wie man diese Werte an jungen Menschen heranreicht. Sie versuchten Atatürk zwar nachzuahmen, aber ohne wirklich verstanden zu haben, was er unter der Moderne verstand. Man bestimmt das moderne Verhalten nicht, man hat das nicht dem Kind aufzudrängen, sondern man lebt es ihnen vor. Das ist meine pädagogische Sichtweise. Eine gesellschaftliche Entwicklung vollzieht sich größtenteils im Stillen eines Menschen. Das Kind ahmt den Erwachsenen nach …

Zeigte sich ein Mädchen dagegen modern, dann wurde es von dem Jungen, der sie gestern noch als traditionell herabgesetzt hatte, erneut kritisiert, da die moderne Lebensweise sich nicht für ein türkisches Mädchen ziemen würde.
Ganz schön anstrengend für Menschen, die in so einer Zerrissenheit groß werden müssen. Sowohl für die Jungen als auch für die Mädchen ... 
Kann sich die Hälfte einer Nation zum Himmel aufschwingen, wenn die andere Hälfte am Boden angekettet bleibt? Die Erfolglosigkeit unserer Nation geht auf dem schuldhaften Verhalten gegen unsere Frauen hervor. (130)
Eine schöne Metapher ...

Laut Atatürk:
Unsere Frauen müssen gebildeter, wissender und wacher sein als unsere Männer. Sie sind dazu verpflichtet, wenn sie wahrhaftig die Mütter dieser Nation sein wollen. Nur wenn eine Frau wirklich frei ist, kann auch der Mann frei sein. (128)
Aysel hat in der Schule heimlich den französischen Reformpädagogen Jean Jacques Rousseau gelesen. Sie wurde von ihrer Lehrerin dabei erwischt. Die Lehrerin nahm ihr das Buch ab, und gab es ihr nicht wieder zurück, obwohl das Buch Eigentum der öffentlichen Bibliothek war. Die Lehrerin zeigte sich beleidigt, dass Aysel sie nicht um Rat gefragt hatte, welche Bücher sie lesen könne? Aysel suchte aus dem Grund nicht den Rat der Lehrerin auf, weil sie sicher war, dass die Lehrerin ihr nur Literatur empfehlen würde, die allein für die Frau bestimmt ist. Stricken, Nähen, Kochen, etc.

Aysel kämpft sich durch ihre Kindheit und ihre Schulzeit hindurch. Sie entschied sich für einen Lebensweg, der für ein Mädchen ihres damaligen Alters nicht sehr leicht war. Selbst als Frau und Dozentin war sie keine gewöhnliche Frau und man bekommt sehr leicht diese Überdrüssigkeit des gesellschaftlichen Lebens mit, unter der sie so sehr litt.

Wer mehr wissen möchte, so empfehle ich das Buch, selbst zu lesen.

Mein Fazit

Ich bekomme hierzulande immer wieder mit, wenn Frauen aus anderen Kulturkreisen mit schweren Urteilen konfrontiert werden. Oder wenn deutsche Politiker mit einem moralischen Zeigefinger diese Länder politisch bereisen. Denke gerade an die jüngste Vergangenheit zwischen unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck mit dem türkischen Premier Erdogan. Erdogan verachtet wegen der modernen Lebensansichten sogar seinen Landsmann Atatürk, wie kann Gauck als Ausländer denn erwarten, er könne Erdogan von seinen Ideen moralisch überzeugen? 
Mit einer VON-OBEN-HERAB-MENTALITÄT á la ICH WEIß WAS RICHTIG IST wird man im Ausland schwer etwas bewegen können.
Vorurteile gegenüber anderen Menschen ist für mich die größte Sünde überhaupt. Zum Beispiel wenn wir eine Muslimin mit einem Kopftuch sehen, dann wissen wir nichts von dieser Frau, außer, dass sie ein Kopftuch trägt. Sie als rückständig abzukanzeln wäre für mich ein hartes Urteil. Ich fühle mich durch das Buch in meiner Denkweise bestätigt.

Selbst muslimische Frauen, die an ihren Traditionen festhalten, haben Respekt verdient, da sie ihre Gründe für ihr Verhalten haben, es sei denn, sie schaden einem anderen Menschen mit ihren Vorstellungen. Es ist gar nicht so einfach, aus einem System, das sich Familie nennt, auszubrechen, da die Familie an einem anderen System, Gesellschaft und Politik, gekoppelt ist. Die Angst vor Ausgrenzung ist bei jedem sehr groß und nicht jeder hat diese Kraft, dagegen anzugehen.

Auch wir, Angehörige der westlichen Welt, tun größtenteils nichts anderes, als uns den gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungen anzupassen. So stellt sich mir die Frage, ob wir wirklich so frei sind, wie manche außereuropäische Länder von uns glauben möchten?
Auch bei uns ist fraglich, wie z.B. Demokratie gelebt wird.
Dadurch, dass bei uns der Staat strikt von der Kirche getrennt ist (Laizismus), sind wir mit Problemen, wie sie oben geschildert werden, nicht in den Maßen konfrontiert, wobei viele Christen hierzulande christlich wählen gehen und meinen damit die CDU.
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Was heißt Sterben? Sterben erfordert zu wissen, dass man gelebt hat.
(A. Agaoglu)

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Montag, 28. April 2014

Adalet Agaoglu / Sich hinlegen und sterben

 Klappentext
Die Dozentin Aysel steckt in einer privaten Lebenskrise und zieht sich, zum Sterben entschlossen, in ein Hotelzimmer zurück. Denn der Konflikt zwischen gesellschaftlichen Pflichten und ihren eigenen Bedürfnissen spitzt sich zu und zwingt sie zu dieser Entscheidung. Ihren Tod vor Augen lässt sie noch einmal ihr Leben Revue passieren, erinnert sich an ihre Schulzeit in der anatolischen Provinz und die Universitätsjahre in Ankara. Sie selbst gehörte zu der kleinen Schar von Jungen und Mädchen, den Kindern der Republik, die der Lehrer Dündar nach seinen kemalistischen Idealen zu einer pflichtbewussten »Armee des Wissens« erziehen wollte. Ihm hat sie, die Krämerstochter, es zu verdanken, dass sie studieren durfte. Heute aber will sie nur noch aus ihren eintönigen Verhältnissen ausbrechen und beginnt eine Beziehung zu einem ihrer Studenten. Einen Abend nur hatte sie ungezwungen und pflichtvergessen mit ihm verbracht, nun spürt sie neues Leben in sich keimen. Soll sie die Herausforderung annehmen?
Dieser facettenreiche Bilderbogen umspannt dreißig Jahre republikanische Geschichte auf höchstem literarischem Niveau, geschrieben von einer der bedeutendsten Autorinnen der Türkei.

Autorenporträt
Adalet Agaoglu, geboren 1929 in Nallihan in der Provinz Ankara, studierte französische Sprache und Literatur in Ankara. Schon seit 1948 veröffentlicht sie Gedichte, Theaterstücke und Hörspiele, zudem war sie als Übersetzerin sowie als Damaturgin tätig. Adalet Agaoglu zählt zu den bedeutendsten Erzählerinnen der zeitgenössischen türkischen Literatur, die zentralen Themen in ihren Werken sind die Entfremdung der Menschen und der Wandel traditioneller Werte.
Das Buch habe ich bei Jokers entdeckt. Da ich mich schon auch für ausländische Literatur interessiere, konnte ich den Laden nicht mehr verlassen, ohne das Buch gekauft zu haben. Die ersten einhundert Seiten habe ich schon durch. Die hundert Seiten habe ich benötigt, um in das Geschehen reinzukommen.

Mehr dazu, wenn ich das Buch durch habe ...





Sonntag, 27. April 2014

Elizabeth Strout / Mit Blick aufs Meer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
In Crosby, einer kleinen Stadt an der Küste von Maine, ist nicht viel los. Doch sieht man genauer hin, ist jeder Mensch eine Geschichte und Crosby die ganze Welt. Und Olive Kitteridge, eine pensionierte Mathelehrerin, sieht sehr genau hin. Sie kann stur und boshaft sein, dann wieder witzig, manchmal sogar eine Seele von Mensch. Auf jeden Fall kommt in Crosby keiner an ihr vorbei … Mit liebevoller Ironie und feinem Gespür für Zwischenmenschliches fügt die amerikanische Bestsellerautorin die Geschichten um Olive und Crosby zu einem unvergesslichen Roman.
Olive Kitteridge ist die Heldin dieses Romans. Sie ist Mathematiklehrerin an einer Highschool gewesen, und mittlerweile pensioniert und lässt kein gutes Haar an den Charakteren ihrer Mitmenschen. Ist sehr eigen und recht kritisch im Urteil zu anderen Leuten. Selbst ihr eigener Ehemann Henry, Apotheker von Beruf, und der recht diplomatisch auf ihre Launen zu sprechen war, konfrontierte sie einmal mit ihren Schwächen und fragte sie, ob sie sich erinnern könne, jemals einem Menschen um Verzeihung gebeten zu haben … Ja, Olive ist ein wenig eigen, hin und wieder ein wenig destruktiv im Urteil, dennoch war sie eine interessante Persönlichkeit.

Henry und Olive haben einen Sohn, Christopher, der recht schüchtern war, hauptsächlich geprägt durch seine dominante Mutter. Es vergingen Jahre, nachdem Chris erwachsen wurde, bis er schließlich eine Frau fand, die er auch heiratete. Olive und Henry hatten dem Sohn einst ein Haus gebaut, nah am Meer, und sich beide die Zukunft mit ihm, mit der angehenden Schwiegertochter und den Enkelkindern ausgemalt, doch der Sohn zog von der Ortschaft seiner Eltern fort. Christophers Ehe ging in die Brüche, doch er heiratete neu und in diesen Szenen erfährt man mehr über die marode Beziehung zwischen Chris und seiner Mutter und den Grund seines Fernbleibens seiner Heimatstadt. Da ich nicht zu viel vorwegnehmen möchte, halte ich mich hierin bedeckt.

Henry war verglichen mit seiner Frau Olive eine recht umgängliche und gutmütige Persönlichkeit und besaß eine wesentlich höhere Toleranzgrenze andersartigen Menschen gegenüber. Einem Bekannten, dessen Tochter homosexuell ist und er schwer daran zu knabbern hat, riet er, dass man die Kinder so nehmen müsse, wie sie sind. Doch als sein Sohn Christopher von der ersten Ehe geschieden wurde, erleidet Henry kurze Zeit darauf einen Schlaganfall, dem er kurze Zeit später erlag. Olive vermutete, dass er Christophers Scheidung nicht verkraftet habe.

In dem Buch treten nicht nur Familie Kitteridge auf, nein, jede Menge andere Persönlichkeiten nach jedem neuen Kapitel, die ebenfalls ihre Geschichten mitbringen und erzählen. Manchmal war mir das zu viel, die Gesichter von Kapitel zu Kapitel wieder fallen zu lassen, weil wieder neue hinzukamen, und alte nicht wieder aufgetreten sind. Die Zeitsprünge waren mir manchmal zu schnell. Hätte mich gerne noch ein wenig mit bestimmten Figuren befasst …

Olive durchlebt nach dem Tod ihres Mannes und der Ferne ihres Sohnes eine große Einsamkeit. Sie lernt einen Mann ihres Alters kennen, der ebenfalls Witwer ist:

Ein Zitat möchte ich dazu anbringen, ein Zitat, das mir am besten gefallen hat, Gedanken, die Olive zur Weisheit führten:
Was doch die Jungen alles nicht wussten, dachte Olive, als sie sich neben diesen Mann legte und er sie an der Schulter berührte, am Arm, oh, was die Jungen alles nicht wussten. Sie wussten nicht, dass unförmige, alte, Körper so hungrig waren wie ihre eigenen festen Leiber; dass Liebe nicht leichtsinnig abgewiesen werden durfte, als wäre sie ein Törtchen mit einem Teller voller Süßigkeiten, der immer wieder herumgereicht wird. Nein, wenn Liebe zu haben war, dann griff man entweder zu, oder man griff nicht zu. Und ihr Teller war randvoll gewesen von der Güte Henrys, aber sie hatte darüber die Nase gerümpft, hatte immer wieder entnervt ganze Brocken weggeworfen, alles nur, weil sie nicht begriff, was eigentlich jeder Mensch begreifen sollte: dass so Tag um Tag unter den Fingern zerrann.(…) Sie ließ die Augen zu, und durch ihr müdes Hirn rollten Wellen der Dankbarkeit - und der Trauer. Hinter ihren Lidern sah sie das sonnige Zimmer, die sonnenübergossene Mauer draußen, den Lorbeer. Ein Rätsel, diese Welt. Noch war sie nicht fertig mit ihr. (475f) 
Hier beende ich nun meine Aufzeichnung und das Buch erhält von mir neun von zehn Punkten. Manche Szenen waren mir nicht einleuchtend genug, speziell der Überfall im Krankenhaus.
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).

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Mittwoch, 23. April 2014

Elizabeth Strout / Mit Blick aufs Meer

Klappentext
In Crosby, einer kleinen Stadt an der Küste von Maine, ist nicht viel los. Doch sieht man genauer hin, ist jeder Mensch eine Geschichte und Crosby die ganze Welt. Und Olive Kitteridge, eine pensionierte Mathelehrerin, sieht sehr genau hin. Sie kann stur und boshaft sein, dann wieder witzig, manchmal sogar eine Seele von Mensch. Auf jeden Fall kommt in Crosby keiner an ihr vorbei … Mit liebevoller Ironie und feinem Gespür für Zwischenmenschliches fügt die amerikanische Bestsellerautorin die Geschichten um Olive und Crosby zu einem unvergesslichen Roman.

Autorenporträt
Elizabeth Strout wurde 1956 in Portland, Maine, geboren. Nach dem Jurastudium begann sie zu schreiben. Ihr erster Roman »Amy & Isabelle« wurde für die Shortlist des Orange Prize und den PEN/Faulkner Award nominiert und wurde ein Bestseller. Für »Mit Blick aufs Meer« bekam sie 2009 den Pulitzerpreis. Elizabeth Strout lebt heute in New York.
Nach meiner letzten Lektüre, die sich mir literarisch als enttäuschend erwies, habe ich wieder ein Buch vor mir, das anspruchsvoll ist.
Der Klappentext liest sich vielversprechend und die Seiten, die ich gekostet habe, bestätigen meine Erwartung. Möchte aber nicht zu früh jubeln.

Später dazu mehr.


Montag, 21. April 2014

Peter Henning / Die Ängstlichen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Autor gebraucht zwar jede Menge Fremdwörter, das zeichnet das Werk nach meinem Geschmack aber noch lange nicht als literarisch bedeutsam aus. Literarisch hat es meiner Meinung nach recht wenig Anspruch.

Selten erlebte ich ein Buch, in dem mir komplett alle Literaturfiguren unsympathisch waren. Auch ihre Handlungen waren oftmals wenig authentisch und leicht zu durchschauen. 

Zur Erinnerung gebe ich nochmals den Klappentext rein:
Ein letztes Mal wollen die Jansens zusammen feiern, doch ihr Fest endet fatal. Hennings Chronik einer musterhaften Familie ist eine aberwitzige, rabenschwarze menschliche Komödie, ein Mosaik aus Hoffnung, Glück, kleinen und großen Schrecken – ein Buch des Lebens.Über Taunus und Rhön gehen sintflutartige Regenfälle nieder. Sie sind Vorboten eines Orkans, der die Familie Jansen mit aller Zerstörungskraft trifft: Weil Johanna Jansen, die 80-jährige Patriarchin, in ein Wohnstift ziehen will, möchte sie ihre Kinder noch einmal um sich versammeln. Doch der Lebensabend wird für sie zur Sonnenfinsternis: Plötzlich verschwindet ihr Lebensgefährte, und ihr ältester Sohn sieht sich von einer tödlichen Krankheit bedroht, während sein jüngerer Bruder aus der Psychiatrie flieht. Auch Johannas Tochter begibt sich auf eine Reise, die für sie und ihren untreuen Mann zur Tortur gerät, derweil ihr Enkel um die Liebe seines Lebens kämpft. Als die Jansens ein letztes Mal zusammenfinden, ziehen erneut dunkle Wolken auf. Es sind die Schatten des Kleinmuts und der Angst, der Geltungssucht und Lieblosigkeit – die Schatten einer deutschen Familie.  
Besonders klug kamen mir die Leute nicht vor. Zum Beispiel wurde ein Suizid vonseiten einer Person künstlich initiiert, und die Frau dieser Person kam nicht mal dahinter, dass an dem sog. Suizid etwas faul sein könnte, während mir das schnell klar wurde und ich auch die Abläufe des sogenannten Suizidenten durchschaut hatte. Besonders seine Frau erwies sich mir diesbezüglich als besonders dümmlich.

Des Weiteren war recht auffallend, dass die Personen sehr oft in ihren trivialen sexuellen Handlungen beschrieben wurden. Ich weiß nicht, weshalb ich wissen muss, dass jemand auf die Toilette muss, um seinen Darm zu entleeren? Warum muss man geistig dabei sein, wenn der Darm entleert wird und welches Klopapier dieser Jemand benutzt?

Eine andere verspürt gerade einen Harndrang, und um den Weg abzukürzen, rennt sie schnell auf die Gästetoilette und sieht, dass darin noch der Kot ihres Mannes lag, der vergessen hatte, die Spüle zu tätigen. Auch er hatte es eilig.
Sie rennt nun schnell nach oben auf die Toilette, zog ihren Schlüpfer herunter … Man könnte daraus eine Komik machen, aber dafür war es nicht komisch genug.

Bei einem anderen bestand der Verdacht auf Blasenkrebs, permanente Blutspuren im Urin.

Eine andere kämpfte mit Bakterien im Unterleib.

Der Beispiele gibt es noch genügend und verweise auf das Buch ...

Und der Ton in dieser Familie, den ich konstant als aufbrausend, unfreundlich und hinterhältig empfand.

In jeder Handlung denkt ein Gesprächspartner destruktiv über den anderen. Selbst gegenüber von Freunden.

Sollten diese Figuren das Abbild der neuen deutschen Gesellschaft sein?

Also, mich hat es nicht überzeugt.

Die Themen erwiesen sich mir alle als recht gewöhnlich und alltäglich. Das Leben ist gewöhnlich und alltäglich, das ist wohl wahr, aber es kommt darauf an, wie man die Themen verpackt, dass sie trotzdem interessant und spannend wirken, und man Lust bekommt, das Buch zu lesen.

Das Buch liest sich recht locker, also, sich nicht wegen der vielen Fremdwörter abschrecken lassen. 

Tja, die Frankfurter Rundschau hat das Buch im Klappentext so hochgelobt und da sieht man, dass man auf Werbeslogans nicht viel geben sollte.


Fazit:

Mich hat das Buch einfach nur enttäuscht. Menschlich haben die Figuren alle durchweg versagt. 
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).


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Freitag, 18. April 2014

Peter Henning / Die Ängstlichen

Klappentext
Ein letztes Mal wollen die Jansens zusammen feiern, doch ihr Fest endet fatal. Hennings Chronik einer musterhaften Familie ist eine aberwitzige, rabenschwarze menschliche Komödie, ein Mosaik aus Hoffnung, Glück, kleinen und großen Schrecken – ein Buch des Lebens.Über Taunus und Rhön gehen sintflutartige Regenfälle nieder. Sie sind Vorboten eines Orkans, der die Familie Jansen mit aller Zerstörungskraft trifft: Weil Johanna Jansen, die 80-jährige Patriarchin, in ein Wohnstift ziehen will, möchte sie ihre Kinder noch einmal um sich versammeln. Doch der Lebensabend wird für sie zur Sonnenfinsternis: Plötzlich verschwindet ihr Lebensgefährte, und ihr ältester Sohn sieht sich von einer tödlichen Krankheit bedroht, während sein jüngerer Bruder aus der Psychiatrie flieht. Auch Johannas Tochter begibt sich auf eine Reise, die für sie und ihren untreuen Mann zur Tortur gerät, derweil ihr Enkel um die Liebe seines Lebens kämpft. Als die Jansens ein letztes Mal zusammenfinden, ziehen erneut dunkle Wolken auf. Es sind die Schatten des Kleinmuts und der Angst, der Geltungssucht und Lieblosigkeit – die Schatten einer deutschen Familie. 

Autorenporträt
Peter Henning, geb. 1959 in Hanau, arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist. Er hat Romane und Erzählungen publiziert, die sowohl ausgezeichnet worden sind als auch von der Kritik viel Lob ernteten. 2009 erschien »Die Ängstlichen« (atb 2681-9), »Der Roman zur Zeit«, so Der Spiegel. Jetzt als Taschenbuch: »Tod eines Eisvogels« (atb 2741-0). www.peter-henning.com»Da, wo wir schwach werden, sind wir authentisch, bei dem angekommen, was wir wirklich sind.«

Ich hatte Glück, dass ich noch eine gebundene Ausgabe für wenig Geld bekommen habe. Im Restsellerladen Jokers. Im Preis eines Taschenbuches.

Ich habe nun die ersten fünfzig Seiten durch und es gefällt mir recht gut. Nun bin ich auf Weiteres gespannt.










Donnerstag, 17. April 2014

Herta Müller / Atemschaukel (2)

Zweite von zwei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

Ich gebe zur Erinnerung erneut den Klappentext rein:
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. "Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15º C." So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.
Der Hunger durchläuft personifiziert zentral durch alle Gänge des Romans hindurch und wird als der Hungerengel bezeichnet, der ständige Begleiter der Menschen aus dem Arbeitslager. Eine starke Metapher, die so gewaltvoll auf mich eingewirkt hat, dass es mich manchmal lähmte. Wer solch ein Erlebnis hinter sich hat, wird für den Rest seines Lebens gezeichnet sein …
Immer ist der Hunger da.Weil er da ist, kommt er, wann er will und wie er will. Das kausale Prinzip ist das Machwerk des Hungerengels. Wenn er kommt, dann kommt er stark. Die Klarheit ist:1 Schaufelhub = 1 g Brot. Ich bräuchte die Herzschaufeln nicht. Aber mein Hunger ist auf sie angewiesen. Ich wünschte, die Herzschaufel wäre mein Werkzeug. Aber es ist mein Herr. Das Werkzeug bin ich. Sie herrscht, und ich unterwerfe mich. (…) Der Hunger ist meine Richtung, wenn es nicht seine ist. Der Engel lässt mich vor. Er wird nicht schüchtern, er will nur nicht gesehen werden mit mir. Dann wollte ich den Rücken, wenn es nicht seiner ist. Meine Gier ist hoch, meine Hände sind wild. Es sind meine Hände, Abfall fasst der Engel nicht an. Ich schiebe die Kartoffelschalen in den Mund und ließ beide Augen, so spüre ich sie besser, süß und Klassik, die gefrorenen Kartoffelschalen. (…) Er greift sich den Puls wie eine Meute Klaxons. Ich bin kurz vor dem Zusammenbruch, im süßen Gaumen schwillt mir das Zäpfchen. Und der Hungerengel hängt sich ganz in meinen Mund hinein, an meinen Gaumensegel. Es ist seine Wangen. Er setzt meine Augen auf, und die Herzschaufel wird schwindlig, die Kohle verschwindet. Der Hungerengel stellt meine Wagen Wangen auf sein Kinn. Er lässt meinen Atem schaukeln. Die Atemschaukel ist ein Delirium und was für eins. Der Hummerengel sucht Spuren, die nicht zu löschen sind, und löscht Spuren, die nicht zu halten sind. (…) Und es kommt der Abend und alle kommen von der Arbeit heim. Und alle steigen in den Hunger. Er ist ein Bettgestell, wenn ein Hungriger den anderen Hungrigen zuschaut. Aber das täuscht, ich spüre an mir, der Hunger steigt in uns hinein. Wir sind das Gestell für den Hunger. Wir alle essen mit geschlossenen Augen. Wir füttern den Hunger die ganze Nacht. Wir mästen ihn hoch auf die Schaufel. Ich esse einen kurzen Schlaf, dann wache ich auf und esse den nächsten kurzen Schlaf. Ein Traum wie der andere, es wird gegessen. (86ff)
Damit man eine Vorstellung von dem Hungerengel hat, war es mir wichtig, diese Episode aufzuzeichnen.

Leo ging nach der Arbeit ins Russendorf, um zu betteln auf vornehme Art. Er trifft eine alte Frau, die Leo zu sich ins Haus zieht, da sie die Nachbarn fürchtet. Lieber redet sie mit Hühnern, als mit den Nachbarn.
Die alte Frau redete eine Weile. Ich verstand nur hie und da ein Wort, spürte aber, worum es ging. Dass sie Angst vor den Nachbarn hat, dass sie schon lange mit zwei Hühnern allein ist, aber lieber mit den Hühnern redet, als mit den Nachbarn. Dass sie einen Sohn in meinem Alter hat, dass er Boris heißt und von zu Hause so weit weg ist wie ich, in der anderen Richtung, in einem Lager in Sibirien, in einem Strafbataillon, weil ein Nachbar ihn denunziert hat. Vielleicht habt ihr Glück, du und mein Sohn Boris, sagte sie, und dürft bald nach Hause. Sie zeigte auf den Stuhl, und ich setzte mich an die Tischdecke. Sie nahm mir die Mütze vom Kopf und legte sie auf den Tisch. Sie legte einen Holzlöffel neben die Mütze. (76f)
Und Leo hat mit der Frau Glück, Glück, dass er sie an ihren Boris erinnert. Er bekommt von ihr an dem Tisch reichlich zu essen, zum Abschied noch ein weißes Taschentuch geschenkt:
Was da geschah, ging weit über das Geschäftliche des Hausierens und mich und sie und ein Taschentuch hinaus. Es betraf ihren Sohn. Und mir tat es gut und auch wieder nicht, sie oder ich oder wir beide waren ein Stück zu weit gegangen. Sie musste etwas tun für ihren Sohn, weil ich da war und er von zu Hause so weit weg wie ich. Mir war es peinlich, dass ich da war, dass ich nicht er war. Und dass sie das auch spürte und sich darüber hinwegsetzen musste, weil sie die Sorgen um ihn nicht mehr aushielt. Auch ich hielt es nicht mehr aus, zwei Menschen zu sein, zwei Verschleppte, das war mir zu viel, das war nicht so einfach wie auf dem Hocker zwei Hühner nebeneinander. Ich war mir doch selber schon um eine Last zu viel. (77f)
Das hat mir sehr gut gefallen, wie die Autorin diese Nöte beschrieb und sie ausdrückte.

Leopold nahm vier Bücher von Zuhause mit. Nietzsches Zarathustra, Goethes Faust, ein Buch von Weinheber und ein Gedichtband. Wie kamen diese Bücher im Lager zum Einsatz?
Meine mitgebrachten Bücher habe ich im Lager nie gelesen. Papier ist streng verboten, den ersten halben Sommer habe ich meine Bücher hinter der Baracke unter Ziegelsteinen versteckt. Und dann verschachert. Für 50 Seiten Zarathustra-Zigarettenpapier habe ich 1 Maß Salz bekommen, für 70 Seiten sogar 1 Maß Zucker. Für den ganzen Faust in Leinen hat Peter Schiel mir einen eigenen Läusekamm aus Blech gemacht. Die Sammlungslyrik aus acht Jahrhunderten habe ich in Form von Maismehl und Schweineschmalz gegessen und den schmalen Weinheber in Hirse verwandelt. Davon wird man nicht delikat, nur diskret. (116f)
Ich bin immer interessiert zu wissen, welche Bücher von den Romanfiguren präferiert werden, und welche ich davon selbst kenne. Romane wollte Leo keine mitnehmen, da sie in der Regel nur ein Mal gelesen werden würden.

Wenn Leo sich einsam fühlte, an sein Zuhause denkt, fällt ihm immer wieder seine Großmutter ein, die ihm, als er von der Patrouille abgeholt wurde, mit auf dem Weg gab; ich weiß, du kommst wieder.

Immer wieder zelebrierte Leo diesen Satz seiner Großmutter, bis er eines Tages ein Foto, auf dem sein neugeborener Bruder abgebildet war, zugeschickt bekam:
Meine Eltern haben sich ein Kind gemacht, weil sie mit mir nicht mehr rechnen. So wie die Mutter geboren mit GEB. abgekürzt, würde sie auch gestorben mit Gest. abkürzen. Sie hatte es schon getan. Schämt sich Mutter nicht mit ihrer akkuraten Steppnaht aus weißem Zwirn, dass sich unter der Zeile lesen muss:
>>Meinetwegen kannst du sterben, wo du bist, zu Hause würde es Platz sparen.<< (213)
Mich hat diese Szene sehr betroffen gestimmt. Kann mir schwer eine Mutter vorstellen, die so schnell ihr Kind aufgibt. Aber die Angst vor dem Verlust muss hier größer gewesen sein als die Hoffnung. Leos Platz ist nun an ein anderes Kind vergeben. Trotzdem kommt er nach fünf Jahren heim. Er fühlt sich nicht wirklich willkommen, kaum einer fragt, was er erlebt hat. Er wird wie ein Fremder aufgenommen:
Seit ich wieder daheim war, hatte alles Augen. Alles sah, dass mein herrenloses Heimweh nicht wegging. Vor dem größten Fenster stand die Nähmaschine mit dem verfluchten Schiffchen und dem weißen Zwirn unter ihrem Holzdeckel. Das Grammofon war wieder in mein abgenutztes Köfferchen eingebaut und stand auf dem Ecktisch wie immer. Dieselben grünen und blauen Gardinen ließen sich hängen, dieselben Blumenmuster schlängelten sich in den Teppichen, die verfilzten Fransen säumten sie immer noch ein, die Schränke und Türen quietschten beim Öffnen und Schließen wie eh und je, die Fußböden knarrten an derselben Stelle, der Handlauf der Verandatreppen war noch an derselben Stelle rissig, jede Treppenstufe ausgetreten, am Geländer baumelte derselbe Blumentopf in seinem Drahtkorb. Nichts ging mich was an. Ich war eingesperrt in mich und aus mir heraus geworfen, ich gehörte nicht ihnen und fehlte mir. (272)
Eine sehr traurige Szene, besonders der letzte Satz.
Wie hat Leopold das schwere Schicksal nur ertragen können? Die schwersten Szenen stehen im Buch, habe sie nicht übernommen, einfach zu schwer, sie geistig, emotional zu ertragen. Ich weiß, das ist nicht fair gegenüber diesen Menschen, die real dem Geschehen ausgesetzt waren, und vor der Realität nicht fliehen konnten, wie ich es als Leserin getan habe.

Viele Menschen glauben, dass Leute, die schnell weinen, emotionslos sind. Auch Leo fragte sich, zu welcher Sorte Mensch er gehörte, um sein Schicksal zu ertragen:
Ich rede mir ja immer ein, dass ich wenig Gefühle habe. Wenn ich mir etwas zu Herzen nehme, ergreift es mich nur mäßig. Ich weine fast nie. Ich bin nicht stärker als die mit den nassen Augen, sondern schwächer. Sie trauen sich. Wenn man nur Haut und Knochen ist, sind Gefühle tapfer. Ich bin lieber feig. Der Unterschied ist minimal, ich nutze meine Kraft, um nicht zu weinen. Wenn ich mir mal ein Gefühl leiste, drehe ich den wunden Punkt um eine Geschichte, die trocken auf der Heimwehlosigkeit verharrt. (…) Ich habe meinem Heimweg schon lange trockene Augen beigebracht. Und jetzt möchte ich noch, dass mein Heimweh auch herrenlos wird. Dann sieht es nicht mehr meinen Zustand hier und fragt nicht mehr nach denen von Zuhause. Dann sind auch in meinem Kopf keine Personen mehr daheim, nur noch Gegenstände. Dann schiebe ich sie auf dem wunden Punkt hin und her, wie man die Füße schiebt bei der Paloma. Gegenstände sind klein oder groß, manche vielleicht zu schwer, aber sie haben ein Maß.Wenn mir das auch noch gelingt, ist mein Heimweh nicht mehr empfänglich für Sehnsucht. Dann ist mein Heimweh nur noch der Hunger nach dem Ort, wo ich früher einmal satt war. (190)
Auch die Gefühle werden hier personifiziert, ebenso die Sehnsucht. Ich finde nun in dem Zitat eine Antwort darauf, weshalb so viele Dinge wie Menschen beschrieben werden und so kann ich es jetzt mit Hilfe dieses Zitates besser nachvollziehen. Es drückt aus meiner Sicht ein gewisses Maß an menschlicher Einsamkeit aus. 
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Das Buch hat sehr viel Tiefgang. Literarisch und sprachlich ist es zudem recht anspruchsvoll. Es erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Mein Appell an andere LeserInnen:

Habt Mut, das Buch selbst zu lesen, in der Hoffnung, dass diese Form der Geschichte sich nicht noch einmal wiederholt.
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).


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