Eine Buchbesprechung
zur o. g. Lektüre
Das Buch hat mich sehr
nachdenklich gestimmt. Was für ein trauriges Frauenschicksal. Welchen Mut hat
Rana Ahmad aufbringen müssen, um sich durch die Flucht aus ihrer Heimat gegen
den Frauenrassismus zu stellen. Zwei Mal wurde sie durch die Männer
aus der eigenen Verwandtschaft fast zu Tode geprügelt, ohne dass sie sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Ihre Freude am Leben wurde
ihr zum Verhängnis.
Ich fand diese
Geschichte dermaßen grausam, dass ich viele Fakten wieder verdrängt habe …
Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten
Leseeindrücken und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Rana Ahmad wurde 1985 geboren und lebte mit ihrer Familie in Riad, in Saudi-Arabien. Ursprünglich kam die Familie aus Syrien. Rana ist
das zweite Kind von vier Geschwistern. Eigentlich schien es, als habe sie eine
unbeschwerte Kindheit gehabt. Der Vater liebt seine Tochter über alles, die
Mutter, eine einfach gestrickte Frau, die strenggläubig ist, hat immer ein Auge
auf Rana, denn Rana ist anders als ihre Geschwister, da sie sich nicht so
leicht in die strengen patriarchalischen Gesetze einfügen kann, obwohl sie alles
gibt, um sich dem vorgegebenen gesellschaftlichen und dem religiösem Verhaltenskodex anzupassen. Einmal wurde sie
zwangsverheiratet, da war sie eine ganz junge Frau. Zwist mit der
Schwiegermutter und mit anderen familiären Komplikationen brachte sie fast um ihr
Leben, wenn ihr Vater nicht gewesen wäre, der sie aus der Ehe wieder
herausholte. Der Vater forderte daraufhin die Scheidung ein. Rana zog wieder zurück zu ihren
Eltern. Sie hatte die Haare blond gefärbt, das stempelte sie in der
hineingeheirateten Familie zu einer Hure
ab, und wurde seitdem gemobbt.
Mit zehn Jahren wurde sie schon gezwungen, ein Kopftuch zu tragen. Mit
dem Kopftuch hörte die unbeschwerte Kindheit auf. Mit Argusaugen beobachtet die
Mutter weiterhin Ranas Tun.
In der Öffentlichkeit gibt es eine Religionspolizei, die darüber wacht,
wie Frauen unterwegs sind. Sie dürfen kein Fahrradfahren, kein Auto, überallhin
müssen sie vollverschleiert von einer männlichen Person begleitet werden. Wenn Rana zur Arbeit
musste, dann hatte entweder der Vater oder der Bruder sie hingefahren und sie
später wieder abgeholt.
Da das Leben selbst in ihrer eigenen Familie immer unerträglicher wird,
beschließt Rana zu fliehen. Selbst ihr jüngerer Bruder, den sie einst so sehr
geliebt hat, belauscht sie, setzt in den Möbeln ihres Zimmers heimlich Wanzen … Die
Mutter stürzt sich immer wieder, ohne anzuklopfen, in Ranas Zimmer, wegen des
Verdachtes auf sittenwidriges Verhalten in der Familie, um sie auf frischer Tat
zu ertappen. Lediglich der Vater hält zu ihr, er schafft es aber nicht, sie
gegen die gesamte Sippschaft zu schützen.
Ranas Familie zelebriert ein streng religiöses Leben, während sie sich
selbst heimlich immer mehr vom islamischen Glauben distanziert und sie sich innerlich zu einer Existenz
als Atheistin entscheidet. Hilfe erhält sie aus dem Internet, als sie sich
anonym einen Twitter Account zulegt. Hier findet sie Gleichgesinnte. Glücklicherweise hat die Regierung nicht
alle Internetseiten zensiert, da das Land in der Welt wettbewerbsfähig bleiben möchte.
Eine familiäre Reise nach Mekka führte Rana dazu, aus ihrem Land zu
flüchten. Hier war sie 29 Jahre alt. Ein Alter, in dem man sich als Frau nach
einem autonomen Leben sehnt.
Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.
Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Es waren jede Menge Szenen. Szenen aus der Kindheit und später aus Ranas
jungem, erwachsenem Alter, als sie wegen Nichtigkeiten vom Onkel und vom Bruder
fast zu Tode geprügelt wurde.
Eine Szene aus der Kindheit möchte ich festhalten. Ranas Vater kauft ihr
ein Kinderfahrrad, als sie zehn Jahre alt war. Die Kleine war so überglücklich
über das Fahrrad, dass sie es kaum abwarten konnte, darauf zu fahren. Da
in Saudi-Arabien das Fahrradfahren für Mädchen verboten ist, musste Rana sich
auf die Sommerferien gedulden, da die Familie erst dann wieder nach Syrien reist, wo
ursprünglich die Eltern herkommen. In Syrien, Damaskus, ist es den Mädchen
erlaubt, in der Öffentlichkeit Fahrrad zu fahren. Die Familie lebte in den Sommerferien
bei den Großeltern väterlicherseits ...
Rana war so überglücklich, als die Großmutter ihr erlaubte, Einkäufe mit
dem Fahrrad zu tätigen. Rana liebte ihr Fahrrad, bis schließlich der Großvater
ihr das Rad weggenommen hatte, um es ihrem Onkel zu schenken, der ein paar
Jahre älter als Rana war. Der Großvater verbot der Enkelin das Fahrrad. Das war
der erste Schock, den das Kind erleiden musste.
Warum? Fragte ich mich. Dieser Großvater hat gesehen, wie glücklich seine
Enkelin mit ihrem Rad war, und er schien diese Freude an einem Mädchen
nicht ertragen zu haben, wo doch Fahrradfahren in Syrien nicht verboten ist.
Ich fand diese Szene sehr grausam.
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Dass der Vater zu Rana gehalten hat, dass er sie bedingungslos geliebt
hat, auch wenn er selbst nicht die Kraft hatte, sein Kind dauerhaft zu
schützen, weil der Familienverband zu mächtig war, aber innerlich hat er immer
zu Rana gehalten, wobei er zwei Mal verhindern konnte, dass seine geliebte Tochter nicht totgeschlagen wurde.
Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Rana, Ranas Vater, und die Englischlehrerin.
Welche Figur war mir antipathisch?
Die gesamte Sippschaft, davon den Vater ausgenommen.
Meine Identifikationsfigur
Auch wenn ich das Mädchen- und Frauenschicksal mit Rana nicht teilen
kann, habe ich mich trotzdem in Rana wiedergefunden. Auch ich habe sehr früh
gesellschaftliche Konventionen und meinen christlichen Glauben schon im Alter
von zwölf Jahren hinterfragt und wurde dadurch den Erwachsenen unbequem. Meine
letzte Glaubenssuche durchlief ich mit 32 Jahren.
Cover und Buchtitel
Rana Ahmad hat ihr Buch unter einem Pseudonym herausgerbacht. Immer wieder die Angst ausstehen zu müssen, ihr Bruder würde sie verfolgen und sie töten ... Cover und Buchtitel haben mich angesprochen. Aber richtig viel kann ich jetzt zu dem
Cover nicht sagen. Ich sehe darauf eine Wüste und viel Gedrucktes, auch im
inneren Buchumschlag gibt es jede Menge Zitate aus dem Buch zu lesen.
Zum Schreibkonzept
Die Autorin schreibt recht flüssig und authentisch über ihr Schicksal. Auf der ersten
Seite ist ein kleiner Vers abgedruckt, der sich an ihren geliebten Vater wendet.
Anschließend beginnt das Buch mit einem Prolog und endet auch mit einem Epilog.
Zum Schluss richtet sich das Buch mit Dank an all die Menschen, die Rana in
dieser schwierigen Zeit unterstützt hatten. Darunter befinden sich auch Menschen aus Griechenland und viele aus Deutschland, was mich sehr gefreut hat. Es macht mir Hoffnung, dass nicht alle Deutschen sich ablehnend Menschen anderer Länder verhalten. Trotzdem schockierte es Rana, als sie mitbekam, dass selbst in Deutschland Männer sich an Frauen körperlich und/oder sexuell vergreifen. Nur kommt dies wesentlich seltener vor als in ihrem Land, da in der europäischen Union sexuelle Triebtäter gesetzlich geahndet und bestraft werden.
Meine Meinung
Wenn ich solche Bücher wie dieses lese, dann freue ich mich, in einem
freien Land geboren worden zu sein. Aber was habe ich selbst dafür getan? Die
Geburt eines Menschen ist wie ein Lotteriespiel, gepaart mit Glück und Zufall,
deshalb sehe ich keinen Grund, mich als eine westliche Frau als etwas Besseres
zu betrachten. Und deshalb habe ich das Bedürfnis, mich mit allen Frauen dieser
Erde zu verbünden ... Wie würde ich mich verhalten, wenn ich in einem anderen
Land mit einem anderen Bewusstsein geboren wäre, wo man strikte Verhaltensregeln aufoktroyiert bekommt? Wäre
ich eine Rana? Oder eine Mutter wie Rana sie hatte, die ihr Kind nur lieben
konnte, wenn sie die vielen gesellschaftlichen und religiösen Erwartungen
erfüllte?
Deshalb weiß ich mein selbstbestimmtes Leben als Frau hier in Europa zu
schätzen. Ich bin dankbar für die Freiheit, die ich genießen darf. Wem habe ich
diese Freiheit zu verdanken? Allen meinen feministischen Vorreiterinnen. Dadurch
habe ich es leicht gehabt. Mit Anfang zwanzig bin ich aus dem Elternhaus
ausgezogen, ich war alt genug, und meine Eltern haben mich ziehen lassen. Rana war deutlich älter,
als sie von zu Hause wegging. Ihr Weggang ist allerdings ein viel größerer als
meiner, denn sie hat Elternhaus, Land und Heimat verlassen müssen, um in Europa
so wie ich ein autonomes und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Trotzdem dürfen wir westliche Frauen uns nicht auf die Errungenschaften ausruhen. Die Entwicklung muss weitergehen, auch weil viele Errungenschaften wieder verloren gehen können, je nach dem, welcher Partei man politisch nachgeht.
Und deshalb möchte ich nicht alle Menschen verurteilen, die aus einer
islamisch geprägten Gesellschaft kommen. Frauen und Männer gleichermaßen lernen ihre Rollen, die man ihnen aufdrückt, schon recht früh in der Kindheit, je nachdem, wo sie geboren werden. Außerdem gibt es auch andere islamische Gläubige, die
mit viel Weisheit, mit viel Wissen und ohne Repressalien ihren Glauben vertreten.
Nicht alle Moslems und Muslime sind gleich
Weil ich nicht denke, dass alle Menschen aus dem Islam ihren Glauben fundamentalistisch ausleben, möchte ich meinen Blogbeitrag mit einem anderen Blog verlinken, der aufzeigt, dass Moslems und Muslime ihrer Religion in Freiheit und Menschenliebe nachgehen, und sie sich hier in Deutschland gegen Rassismus einsetzen und sie sich damit an die AfD wenden. Das ist mir ganz wichtig, um in unserem Land durch dieses Buch nicht noch mehr Hass und Vorurteile schüren zu müssen.
Hier geht es zum Blog gegen den religiösen Rassismus innerhalb des Islams und gegen den deutschen Rassismus gegenüber Menschen anderer Herkunft.
Mein Fazit
Mein Mitgefühl gilt allen Frauen dieser Welt, die in ihrer Freiheit
eingeschränkt werden. Frauen, die in ihrem Familienkreis oder vom Regime ihres Landes brutalste
Gewalt erfahren, Frauen, die von der Familie im eigenen Heim eingesperrt werden,
und andere, die wegen Nichtigkeiten ins Zuchthaus eingebuchtet werden ...
Ich hoffe, dass Ranas Buch und die Bücher anderer Autorinnen dieser
Thematik die Welt ein wenig besser machen können.
Meine Bewertung
2 Punkte:
Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte:
Differenzierte Charaktere
2 Punkte:
Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches,
gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von
Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel
und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
|
12 von 12 Punkten
Vielen herzlichen Dank
an den btb-Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.
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Liebe für alle,
Hass für keinen.
(https://ahmadiyya.de/home/)
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