Eine
Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Das
war schon ein sehr interessantes Buch. Ich hatte nur in einer Sache meine Bedenken.
Ich fand, dass die Gewalt in der romanhaften Geschichte sehr potenziert
dargestellt wurde. Alle Figuren waren auf ihre Weise recht aggressiv und gewaltträchtig,
wenn sie nicht bekamen, was sie wollten. Viele Menschen waren von Kindheit an
größtenteils gewalterfahren, und viele Szenen waren mir zu sehr auf Sensation ausgelegt.
Ein sehr heftiges Buch, in dem man die Gewaltanwendungen aushalten muss, wenn
man den Ausgang der Handlungen erfahren möchte.
Selbst
die Profis wenden brutalste Gewalt an, siehe unten.
1. Mutter erschießt sich und ihre Kinder.2. Sozialarbeiter schlägt ein Kind, weil es schwer zugänglich ist.3. Ein Vater erzieht seinen Sohn, Menschen zu erschießen.4. Kinder, die im Gefängnis sitzen, werden von Anwärtern verprügelt und misshandelt.5. Cop schlägt Sozialarbeiter k.o., weil dieser ihn verbal attackiert hat.6. Bewährungshelfer zündet Haus des Sozialarbeiters nieder, um sich zu rächen.7. Kind erschießt den Bewährungshelfer, um den Sozialarbeiter, der von dem Bewährungshelfer existentiell bedrängt wurde, zu retten.
Der
Autor ist selbst Sozialarbeiter von Beruf, lebt in Montana. Montana ist ein
Bundesstaat im Nordwesten Amerikas und er scheint tatsächlich auch eine Gegend
in Amerika zu sein, in der die Menschen gehäuft in sozialen Brennpunkten zu
finden sind. Ich möchte diese Welt nicht anzweifeln, aber ich fand das alles im
Buch sehr, sehr aufgebauscht. Man wird mit vielen Dramen konfrontiert. Man
hätte das Buch auch deutlich abkürzen können; weniger Problemfälle, weniger
Dramatik, weniger Gewalt, ohne an Sinnhaftigkeit und Bedeutung einzubüßen. Das würde die Schreibkunst ausmachen. Mit
weniger dasselbe bewirken.
Die
Handlung spielt in den 1970er Jahren. Die Hauptfigur ist der Sozialarbeiter
namens Pete Snow, der beim Jugendamt in der Familienhilfe tätig ist. Er holt
Kinder, die aus schwachen, sozialen und stark problembehafteten Verhältnissen kommen, heraus, um sie in Pflegefamilien oder
in anderen Einrichtungen unterzubringen.
Ich
weiß, wie der Sozialdienst in Deutschland aufgebaut und aktiv ist, doch in
Amerika scheint es ein wenig anders zuzugehen. Keine Fallbesprechungen, keine
Supervisionen für Professionelle, kein Team, und mir scheint der amerikanische
Sozialarbeiter ein Einzelkämpfer zu sein. Man muss dort breite Schultern haben.
Die
vielen problembehafteten Familien, um die sich Pete kümmert, sind es nicht
alleine. Man bekommt noch die eigene Geschichte von Pete zu lesen. Pete selbst
wohnt in einem einfachen Holzhaus mitten im Wald …
Seine Familie unterscheidet sich nicht
sonderlich von den Familien, die er tagtäglich betreut. Doch seine Familie, er
hat eine Tochter, 14 Jahre alt, ist ebenso hilflos wie seine Klientel. Pete lebt von seiner
Frau getrennt, und seine Tochter Rachel lebt bei
der Mutter namens Beth. Eines Tages zieht Beth mit Rachel nach Texas, sodass
Pete den Kontakt zu seiner Tochter verliert. Beth führt ein recht ominöses Leben, ist drogen- und alkoholabhängig.
Auch bekommt sie abends von vielen fragwürdigen Männern Besuch, die der Tochter
Rachel Angst machen. Rachel wendet sich telefonisch an ihren Vater und bittet
ihn, sie bei sich aufzunehmen und dort wohnen zu lassen. Der Vater lehnt
erstmal ab, macht ihr aber den Vorschlag, es in Texas nochmals auszuprobieren,
und wenn der Versuch scheitern sollte, dürfe sie nach Montana zurückkehren und
bei ihm leben.
Rachel
hält es bei der Mutter und den betrunkenen Männern nicht mehr aus, haut ab und
gerät auf Abwege, und landet in der Kinderprostitution … Das Vertrauen zu beiden Elternteilen ist zerstört …
Pete
hat einen Bruder, der selbst in Haft ist, aber ausbüchst und der
Bewährungshelfer Pete Druck macht, da er nicht verrät, wo sich sein Bruder
aufhält. Aus Rache zündet er Petes Bleibe an und brennt das ganze Waldhaus
nieder.
Des
Weiteren ist da noch Jeremiah Pearl und seine Großfamilie. Doch in Szene gesetzt
ist hauptsächlich Jeremiah mit seinem Sohn Benjamin, etwa zehn Jahre alt. Eine
sehr strenggläubige Familie, die sektenhafte Züge aufweist, ohne in einer Sekte
involviert zu sei.
Jeremiah
und Benjamin, abgekürzt Ben, leben auch in den Wäldern versteckt, da sie von
der Polizei gesucht werden. Jeremiah wird verdächtigt, seine Frau und seine anderen Kinder ermordet
zu haben …
Jeremiah
ist ein merkwürdiger Vater, der Ben gegenüber ambivalente Gefühle
entgegenbringt. Mal gewalttätig und mal liebevoll. Oft ertappte ich mich in
Gedanken beim dem Wunsch, möge doch ein Schicksalsschlag einschlagen, der Ben von seinem Vater befreit. Ben hat nur einmal eine Schule von innen gesehen ... Pete schafft es, das
Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Außerdem ist Jeremiah stark paranoid und
steht der Welt sehr destruktiv gegenüber …
Die
Justiz in Amerika hat mir auch zu denken gegeben. Kinder, bei denen nur der
Verdacht besteht, sie könnten der Gesellschaft gefährlich werden, kommen ins
Gefängnis. Wenn sie in U-Haft sind, teilen sie sich die Zellen mit erwachsenen Häftlingen. Kinder, die noch nicht mal 16 Jahre alt sind,
kommen auch ins Jugendgefängnis. Das fand ich sehr merkwürdig. Hat mich sehr
betroffen gestimmt, wenn so junge Kinder
hinter Gitter gehalten werden …
Mehr
möchte ich nun nicht verraten.
Mein Fazit zu dem Buch?
Wenn
ich die Sozialarbeit mit Deutschland vergleiche, dann sehe ich gewaltige
Unterschiede. Ich habe ja oben schon ein paar Sätze dazu geschrieben. Und wenn hier jemand seine Klientel schlägt, dann ist das ein Entlassungsgrund und kann zur Anzeige gebracht werden ...
Wie Pete
Snow seine Arbeit verrichtet, bleibt ganz allein ihm überlassen. Auch was seine
Arbeitshaltung betrifft, als er sich während seiner Arbeitszeit auf den Weg
macht, seine Tochter in Texas zu suchen. Private und berufliche Aktionen werden
nicht getrennt, es ist eine Vermischung von beidem. Wie man damit gute Arbeit
am Dienst des Menschen leisten kann, das wird am Beispiel Snow deutlich, wie
schwer das ist.
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
(Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
Neun
von zehn Punkten.
Gelesene
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Weitere Informationen zu
dem Buch:
Ich
möchte mich recht herzlich beim Luchterhand-Bücherverlag für dieses zur Verfügung
gestellte Leseexemplar bedanken.
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Verlag Luchterhand
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Gebundenes Buch mit
Schutzumschlag
603 Seiten
603 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Erschienen: 25.04.2016