Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Die zweite Chance, die ich dem Buch gegeben habe, hat sich
gelohnt. Ich habe das Buch diesmal ausgelesen und das noch mit Spannung und
großem Interesse.
Anfangs dachte ich, es ist wieder eine typische Murakami-Mond-Liebesgeschichte
im Zweiergespann, aber diesmal war es eine Liebesgeschichte des Icherzählers,
der mit mehreren Frauen schicksalshaft und sexuell verbunden war. Und sollte es
nicht auch eine Mond-Liebesgeschichte werden? (s. u.)
Das Buch ist stark geprägt vom magischen Realismus, ähnlich
wie viele andere Murakami-Bücher auch, aber dieses hier fand ich diesbezüglich
noch schärfer, wenn auch manche Szenen ein wenig gewöhnungsbedürftig sind, wie
z. B. das Verschwinden mancher Figuren durch die Wand. Murakami bezeichnet
diese Abläufe als spirituell, der Übergang vom Diesseits ins Jenseits. Und die
Figuren, die hinter der Wand verschwinden, bezeichnet er als Geister. Ich mag
Bücher, in denen es mehrere Realitäten gibt und man nicht genau sagen kann,
welche nun die realere ist.
Der Schreibstil ist flüssig, poetisch und fantasievoll.
Das außergewöhnliche surreale Cover hat mich sehr
angesprochen ...
Man darf allerdings dieses Murakami-Buch nicht mit anderen
Murakami-Büchern vergleichen, sonst wird man dem nicht gerecht werden ...
Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Im Hotel Delphin gibt es eine dunkle, gruselige Zwischenwelt, in der manchmal der Lift stecken bleibt. Dann kann man dem Schafsmann begegnen. Er ist Schatten und Schutzengel des Erzählers. Und seine Botschaft lautet: "Tanzen. Immer weiter tanzen, solange die Musik spielt." Traum? Realität? Bei Murakami sind sie nicht so genau zu trennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit versteht es der japanische Bestsellerautor, erotische Sehnsüchte in seinen Romanen zum Leben zu erwecken. "Tanz mit dem Schafsmann" ist eine wunderbar fesselnde Liebesgeschichte, verführerisch leicht erzählt und mit einem überraschenden Ende.
Der 34-jährige Protagonist, ein japanischer Journalist,
dessen Namen die Leserin nicht erfährt, scheint unendlich viel Zeit zu haben
... Er macht die Bekanntschaft mit einer Frau namens Kiki. Kiki ist die Frau, die dem Journalisten den Tipp
gegeben hat, er solle sich eine Mondfrau suchen und mit ihr Mondkinder zeugen.
Hm. Wer war denn nun die Mondfrau? Es gab mehrere Frauen, die dafür in Frage
hätten kommen können, doch Mondkinder hatte er keine gezeugt. Davon war später
gar nicht mehr die Rede. Mich hat diese kurze Szene stark an die Bände IQ84
erinnert.
Am Anfang spielt sich alles
in diesem Hotel ab. Der Wechsel der verschiedenen Welten …, bis sie zum Ende
hin alle aufeinanderprallen, aber ohne Schaden zu nehmen.
Kiki verschwindet spurlos
und der Journalist begibt sich auf die Suche nach ihr, da er in sie verliebt
ist und sich stark zu ihr hingezogen fühlt. Erst in einem trivialen Liebesfilm
namens unerwiderte Liebe, in dem sein ehemaliger Schulfreund
Gotanda die Hauptrolle erhält, sieht er Kiki in einer Nebenrolle mitspielen ...
Erneut begibt er sich auf Spurensuche,
nimmt Kontakt zu Gotanda auf, den er viele, viele Jahre zuvor nicht mehr
gesehen hatte ...
Kiki, May und andere
Figuren existieren als Traumfiguren. Einige davon sind ermordet worden …
In manchen Szenen fand ich
dieselbe Düsternis vor, wie man sie von Kafka her kennt. Murakami beschreibt
verwesende Körper, die von Maden gefressen werden, dass man nicht mehr erkennen
könne, ob der Körper mal ein Mann oder eine
Frau gewesen sei. Sogar über den Verwesungsgestank, hüstl, hat er
geschrieben, sodass ich mich fragen musste, weshalb der Autor auf solche
perverse detaillierte Beschreibungen angewiesen war? Ist die eine Realität
vergänglicher als die andere? Der Körper vergeht, während die Seele aus ihm
herausgeschlüpft am Leben bleibt? Wir werden es nicht erfahren.
Der Schafsmann, der in dem
Hotel in einem Kabuff seine Bleibe hat, lebt in der anderen Art von
Wirklichkeit, und nur bestimmte Menschen können den Schafsmann sehen. Der
Schafsmann gab dem Journalisten ein paar Lebenshilfen, um sein düsteres Leben
besser bewältigen zu können. Tanzen, tanzen, tanzen galt als das Lebenselixier,
wobei ich mich damit wirklich schwer tat, diese permanente Tanzerei
vorzustellen. An einigen Textstellen geht hervor, dass der Journalist selbst
der Schafsmann ist. Zumindest ein Teil seines Ichs.
Die Charaktere jener Frauen
kamen mir ein wenig abstrus vor. Sie wirkten auf mich alle psychisch recht
instabil und kurios im Handlungsablauf. Auch die pädagogische Beziehung zu dem
dreizehnjährigen Mädchen, das von den geschiedenen Eltern total vernachlässigt
wird, und diese den Journalisten baten, sich gegen gute Bezahlung um die
Tochter zu kümmern, während beide Elternteile ihren egoistischen Lebensgelüsten
nachgingen. Der Vater des Mädchens organisierte ihm sogar eine Prostituierte,
damit sein Sexualleben nicht zu kurz kommt.
Ein wenig Weisheit fand ich auch in diesem Buch. Der Tod
wird hier mehrfach thematisiert. Viele Menschen neigen dazu, immerzu Schlechtes
in anderen Menschen zu sehen, doch wenn ein Mensch stirbt, wandelt sich die
Sicht zu dem Toten zum Guten, um das schlechte Gewissen zu beruhigen. Aus der
Sicht des Protagonisten:
Menschen sterben oft unerwartet. Das Leben ist zerbrechlicher, als man meint. Darum sollte man mit anderen so umgehen, dass man später nichts bereuen muss-fair und, wenn möglich, aufrichtig. Ich kann Leute nicht ausstehen, die sich darum nicht bemühen und dann, wenn es zu spät ist, Tränen der Reue vergießen. Sie machen es sich zu einfach.
Mein Fazit?
Ich fand das Buch zwar recht düster, aber nicht hoffnungslos.
Es zeigt zum Ende hin eine Wende, mit der ich gerechnet habe ...
Ich fand nun auch nicht, dass dieses Buch zu Murakamis
Stärken zählt, aber es hatte doch etwas Anziehendes. Und wenn man die Werke
nicht miteinander vergleicht, dann bleibt das Buch von der Idee her das, was es
ist, ein Buch mit dem Titel Tanz mit dem
Schafsmann. Allerdings würde ich jedem Murakami-Anfänger abraten, mit
diesem Buch zu beginnen, und sich doch eher mit den Bänden IQ84 zu befassen.
Und was mir ein wenig komisch erschien, ist, dass der Autor
immer wieder sexuelle Ideen in seinem Text hat einfließen lassen. Manche
Szenen wirkten arg pornografisch. Manche Szenen wirken dadurch übertrieben gekünstelt und unnatürlich. Nicht, dass mich das gestört hätte, nein, es
war nur zu viel von dieser Zutat. Ich stelle mir Murakami in seinem Schreibprozess vor. Immer seine unterschwellige
Sexualität vor Augen gehalten, ist nicht in der Lage, davon mal abzuschalten.
Wenn z. B. eine Frau mal nicht gut drauf ist, dann liegt das daran, weil sie
gerade wieder menstruiert. Oder das junge Mädchen, dreizehn Jahre alt, ernährt
sich sehr einseitig und er rät ihr, sie solle sich ausgewogener ernähren, sonst
habe sie später Probleme mit ihrer Periode ... Deshalb meine Frage, wie viel
Murakami eigentlich von Frauen versteht?
_____
Wer sich im
Vertrauten verirrt
oder in der
Fremde verloren geht,
braucht nur
eine fürsprechende Seele,
um sich
gerettet zu fühlen.
(Petra
Oelker)
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