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Das Buch hat mir sehr
gut gefallen. Der Autor schreibt aus eigener Betroffenheit, das heißt, er kennt
sich aus mit seinem Stoff, in dem es um multiple Identitäten gibt, aber
hauptsächlich um die der Japaner*innen und die der Amerikaner*innen in vielfältiger Art. Für
mich immer eine spannende und brisante Thematik, da ich mich auch schon ähnlich
wie die Protagonist*innen dieses Buches in meiner Kindheit angefangen habe, damit zu beschäftigen,
und ich niemals ausgehört habe, mir weiter Gedanken zu machen, auch aus
meiner eigenen Betroffenheit heraus. Erst an der Universität konnte ich in
meinen Fächern vieles an eigener Theorie verglichen mit den wissenschaftlichen
Studien bestätigt bekommen. Ich habe die Bücher damals geradezu verschlungen. Ein Wissen, das mir bis heute erhalten geblieben
ist, und das ich auch heute noch erweitere ... Viele Menschen bekommen ihre
Identität in die Wiege gelegt, viele andere dagegen müssen sie sich erarbeiten,
da ihr heterogenes Leben, aus dem sie kommen, viel zu differenziert und viel zu
facettenreich ist, und sie sich dadurch nicht so schnell auf eine Identität festlegen
können. Doch was wir Menschen alle gemeinsam haben, ist, dass die
Identitätsentwicklung bei keinem Menschen wirklich abgeschlossen ist. Bis zu
dem Tod kann sie wandelbar sein. Nur, wissen das nicht sehr viele Menschen, vor
allem die, die glauben, ihre Identität sei durch die Geburt in Stein gemeißelt
und hinterfragen sie sie nur in den seltensten Fällen. Der Autor dieses Buches
hat diese Thematik wunderbar in Worte fassen können.
Wir sind alles
Individuen. Den Körper erben wir von unseren Eltern, der bei allen Menschen
unterschiedlich ist. Alle Menschen sehen anders aus. Das haben wir schon damals in der Schulzeit in der Biologie gelernt. Nicht einmal Zwillinge sind hundertprozentig identisch. Aber alle sind wir Menschen.
Doch was den Menschen ausmacht, um als Mensch in einer Gesellschaft auch leben zu
können, ist die Aneignung von Kulturgütern durch eigene Anstrengung. Diesen
Lernprozess nehmen uns die Gene nicht ab ...
Wie viel Farbe man daher in einem Menschenleben einbringen möchte, kann nur jeder selber für sich bestimmen und zulassen.
Wie viel Farbe man daher in einem Menschenleben einbringen möchte, kann nur jeder selber für sich bestimmen und zulassen.
Warum also darf ein
Kind mit japanischen Eltern, das in einem anderen Land aufwächst als das der
Eltern, nicht die Identität eines Landes aufnehmen, in dem es geprägt und sozialisiert wird? Man
kann diesen Gedanken beliebig mit Kindern anderer Ethnien weiterspinnen. Auch
bei uns in Deutschland kann man beobachten, dass Kinder, die sich für die
Identität ihrer Eltern entschieden haben, weil sie sich hier nicht anerkannt
fühlen, und so wirft man ihnen mangelnde Bereitschaft an Integration vor. Andere dagegen, die die Identität eines Deutschen entwickelt haben, werden trotzdem
nicht als Deutsche anerkannt, da sie eine dunkle Hautfarbe haben, einen ausländischen
Namen tragen oder aus einer anderen Religion kommen. Diese sind in der Gesellschaft hineingewachsen, haben ihren Weg gemacht, gehören als Deutsche trotzdem nicht dazu. Nun kann man hier nicht mehr die
Schuld bei den angeblich bösen lernunwilligen Migrant*innen suchen. Was es
mit einem Menschen macht, der von der Gesellschaft verstoßen wird, zeigt der
Autor John Okada sehr gekonnt in seinem Roman.
Hier geht es zum
Klappentext, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Eigentlich ist die Handlung recht schnell erzählt.
Die Hauptfigur namens Ishiro Yamada
ist 25 Jahre alt. Zusammen mit seinem jüngeren
Bruder ist er Amerikaner, da sie beide hier geboren wurden. Seine Eltern sind vor 35
Jahren von Japan nach Amerika ausgewandert, um in Amerika Geld zu machen, um
später, als reiche stolze Japaner*nnen wieder zurück in die Heimat zu kehren. Die vierköpfige Familie lebt in Seattle. Ishiros Mutter führt zu Hause einen
kleinen Lebensmittelladen, mit dem sie gerade so über die Runden kommt. Die
häusliche Umgebung ist sehr einfach und ärmlich. In Ishiros Familie schwelen
Konflikte. Hier hat die Mutter die Hosen an, während der verweichlichte Vater sich ihr fügt,
da er die Probleme nicht verträgt, und so spült er sie mit Alkohol hinunter. Ishiros
jüngerer Bruder Taro ist 16 Jahre alt und besucht die Highschool.
Während in Europa der Zweite Weltkrieg tobte, befand
sich Amerika mit Japan im Pazifikkrieg. Ishiro, der für Amerika in den Krieg einziehen
sollte, verweigerte, da er unter einem Loyalitätskonflikt geriet, und er dadurch
nicht gegen die Landsleute seiner Eltern kämpfen wollte. Wie so viele andere Japanese Americans wurde er dadurch in
ein Internierungslager gesteckt und verbüßte zwei Jahre seines Lebens in Haft. Sein
Bruder Taro will es anders machen als er. Er will nach der Schule unbedingt in
den Krieg und für Amerika kämpfen. Ishiro entwickelt starke
Identitätskonflikte. Fühlt sich zwar Amerika näher, aber da ist seine Mutter,
die vehement an Japan festhält. Als Japan den Krieg gegen Amerika verliert,
verleugnet die Mutter die Realität und redet sich ein, dass ihr Land den Krieg
gewonnen habe. Identitätskonflikte hat Ishiro aber nicht nur wegen seiner
japanischen Mutter, sondern auch durch die Amerikaner*innen, die ihm sein
asiatisches Aussehen übel nehmen, und sie ihn niemals als einen Amerikaner
akzeptieren können. Und so sind diese Menschen vor den Weißen, wie sich die Amerikaner*innen selber bezeichnen, massiven
rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt.
Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Ich fand die Szenen sehr traurig, als Amerikaner*innen
mit japanischem Hintergrund gut genug waren, um in den Wehrdienst und
anschließend in den Krieg entsendet zu werden, aber als Bürger erster Klasse
mit Amerikaner*innen ohne Migrationshintergrund sind sie noch weit entfernt
gewesen. Rassistische Probleme gab es aber auch nicht in jedem aber in manch
anderem japanischen Elternhaus. Während Ishiro seinen Kriegsdienst verweigert
hat, weil er auf der Seite der Amerikaner keinen Japaner töten wollte, ist ihn
sein Freund Kenji angetreten, um als Amerikaner für Amerika zu dienen und kam nach
dem Krieg wieder als Kriegsinvalide zurück. In den Augen von Ishiros Mutter
galt Kenji als Verräter und als Versager. Sie erwidert, als Ishiro ihr von ihm
spricht:
>>Ah<<, sagte sie mit schriller Abscheu, >>der, der ein Bein verloren hat. Wie kannst du mit so jemand befreundet sein? Der taugt nichts.<< (…)>>Warum?<<, krächzte er. Sein Unbehagen schien ihr merkwürdigerweise Freude zu machen. Sie reckte das Kinn hoch und sagte: >>Er ist kein Japaner. Er hat gegen uns gekämpft. Er hat Schande gegen seinen Vater gebracht und Leid über sich selbst. Es wäre besser, er wäre getötet worden.<<>>Was ist am Japanischsein so gut?<< Sie schien ihn nicht zu hören. Ganz ruhig fuhr sie in mütterlichem Ton fort: >>Sei ein guter Junge, ein guter Sohn. Um meinet- und auch deinetwillen – triff dich nicht mehr mit ihm. Es ist besser so.<< (2018, 123f)
Diese Szene hat mich sehr betroffen gestimmt. Welche
Vorstellung Menschen von anderen Menschen nur haben. Das ist nicht typisch
Japanisch. In allen Ländern findet man Leute, die in ihrem Land an solchen
kruden Vorstellungen zu anderen Ethnien oder zu anderen Lebensformen festhalten.
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Ishiro hat seinen Freund Kenji verloren und die Art,
wie er um seinen Freund getrauert hat, hat mir imponiert.
Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Das war für mich hauptsächlich Kenji, der es
geschafft hat, für seine amerikanische Identität gerade zu stehen. Aber er
hatte auch anders als Ishiro Eltern, die gelernt haben, Amerika als ihre neue
Heimat zu begreifen. Obwohl Ishiro als Kriegsinvalide zurückgekehrt ist, trug
er sein Schicksal gekonnt und meisterhaft, obwohl er durch seine Beinamputation
eine tödliche Erkrankung mit sich trug.
Welche Figur war mir antipathisch?
Mir war keine Figur wirklich antipathisch. Ishiros
Mutter war so gefangen in ihrer Welt, die total veraltet war, und sie Probleme
hatte, die Realität anzuerkennen, hat mir eigentlich leidgetan. Vielleicht
konnte sie nicht anders. Psychisch ist sie selbst an ihrem verlogenen Weltbild desillusionierend zerbrochen.
Meine Identifikationsfiguren
Ishiro und Kenji.
Cover und Buchtitel
Erst wusste ich das Cover und den Buchtitel überhaupt
nicht einzuordnen. Aber mit dem Lesen des Romanstoffes erschloss sich mir der
Sinn immer mehr. Die japanische Flagge und die amerikanische Kultfigur von Walt
Disney sind zwei Kulturträger, die zu diesen Helden wie Ishiro, Kenji und viele
andere ihrer Lage gehören. Der Buchtitel ist mir nach dem Lesen auch deutlich geworden.
Ishiro war ein No - No Boy, da er den Kriegsdienst verweigert hatte, um nicht gegen das Land seiner Eltern zu kämpfen, und dadurch
im Gefängnis gesessen hat. Er ist dadurch eigentlich ein Niemand. Weder ein Japaner, noch ein Amerikaner.
Zum Schreibkonzept
Auf den 292 Seiten ist das Buch in elf Kapiteln
gegliedert. Es beginnt mit einem Vorwort und endet mit einem Anhang, der ein
paar Seiten zur Entstehung der japanisch-amerikanischen Literatur beschreibt. Auch
historisch gibt es hier ein paar Fakten zu entnehmen, dass z. B. der amerikanische
Präsident Reagen sich bei den zu Unrecht internierten Japanese Americans entschuldigt hatte. Leider kam diese
Entschuldigung für viele zu spät. Ab 1990 wurde eine Wiedergutmachungsgebühr an
jeden Überlebenden entrichtet.
Das Buch ist flüssig geschrieben. Den Schluss hätte
ich gerne noch etwas in die Länge gezogen.
Meine Meinung
Das Buch hat mich nachdenklich
gestimmt, da es mir zeigt, dass diese Probleme in jedem Land existieren.
Überall auf der Welt gibt es Kinder, die mit mehreren Kulturen aufwachsen, und
diese aber häufig auf die Herkunftskultur der Eltern herabgesetzt werden. Obwohl
es eine Bereicherung ist, Expert*innen von Kulturgütern mehrerer Länder zu werden,
dringt diese Bereicherung nicht wirklich in das Bewusstsein jener Menschen, die
nur auf ihre und nur auf eine einzige Kultur beharren. Aber die Vielfalt bringt weltliche Vorzüge und man sollte diese
stärker hervorheben, statt immer nur die Nachteile zu bestimmen, damit
betroffene Kinder schon früh lernen, dass sie große Vorteile gegenüber ihren
Kameraden haben, die aus einer Monokultur kommen. Wenn ihnen diese
Wertschätzung nicht von der Gesellschaft entgegengebracht werden kann, müssen sie es selber
lernen, sich diese zu geben. Aber im beruflichen Zweig sind Menschen,
die z. B. mit mehreren Sprachen aufgewachsen sind, in der Wirtschaft erwünscht, da sie mit vielen
Ländern kooperieren und verhandeln können.
Mein Fazit
Mein Fazit möchte ich gerne an einem Zitat von Okada festhalten, weil es mir so gut gefallen hat und es auch Hoffnung macht, Bücher wie dieses zu lesen, in der Absicht, damit doch im geschriebenen Wort etwas bewegen zu können, um der Problematik entgegen wirken zu können, denn ...
... Okada (hielt) selbst einmal fest, dass >einzig in der Literatur die Hoffnungen und Ängste, die Freuden und das Leid der Menschen angemessen Ausdruck finden.< (292)
Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Im Mai letzten Jahres habe ich mich mit meinen
beiden Lesepartnerinnen Tina und Sabine in Heidelberg getroffen und sind
zufälligerweise an einem Buchladen der Büchergilde geraten, den wir auch
betreten hatten. Mir fiel John Okadas Buch sofort auf. Ohne, dass ich von dem
Inhalt etwas wusste, griff ich danach. Wahrscheinlich war es die Comicfigur,
die mich inspirierte, da sie meine Kindheit mitgeprägt hatte.
Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
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Zwölf von zwölf Punkten.
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Ich spreche zwei Sprachen.
In die eine flüchte ich,
wenn die andere unmenschlich wird.
(Autor unbekannt)
Gelesene Bücher 2020: 05
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86
Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)
Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil
sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen
tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden
und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.
Es lebe die Vielfalt.
(M. P.)