Montag, 2. September 2019

Politische Ansichten und neues Schreibprojekt

Weiter geht es mit den Proust - Briefen von Seite 260 bis 271. 

Auf den folgenden elf Seiten geht es um Freundschaft, um Politik, und um den  beruflichen Werdegang.

Die ersten Zeilen des ersten Briefes an die Mutter brachten mich zum Lachen ...

An Jeanne Proust
Oktober 1899
Ma chére petite Maman,von Mitternacht bis eine Viertelstunde nach Mitternacht habe ich vor Deiner Tür Wache gestanden und gehört, wie Papa, sich schnäuzte, nicht aber, dass er Zeitung las, sodass ich es nicht gewagt habe, einzutreten. (260)

Diese Szene erinnerte mich nämlich an den kleinen fiktiven Marcel aus der Recherche von BD 1 als er zu fortgeschrittener Abendstunde von der Mutter ohne einen Gutenachtkuss ins Bett geschickt wurde, da die Familie Proust Gäste hatte ... Der kleine Marcel konnte nicht einschlafen und hoffte insgeheim, seine Mutter würde doch noch in sein Zimmer kommen, um ihm den ersehnten Gutenachtkuss zu geben. Die Mutter kam aber nicht. Also stieg der Marcel aus seinem Bett und stellte sich an das Treppengeländer und lauschte, ob die Gäste nicht endlich gegangen waren. Aber sie waren noch da. Er ging wieder zurück ins Bett, er konnte aber nicht schlafen, obwohl es schon sehr spät war.
Der Abend war mittlerweile schon um und die Nacht längst eingebrochen, als die Gäste sich von ihren Gastgeber*innen verabschiedet hatten. Marcel lauschte in seinem Bett noch immer mit seinen großen Kinderohren, und er hörte, als die Eltern endlich die Treppen hochgelaufen kamen, um selbst auch ins Bett zu gehen. Marcel rief daraufhin seine Mutter, um schließlich doch noch zu seinem Gutenachtkuss zu kommen. Die Eltern sind überrascht, dass der kleine Kerl noch nicht eingeschlafen ist. Als die Mutter schließlich nach ihm schauen wollte, war es der Vater, der sie zurückhielt, um den Sohn nicht zu arg zu verweichlichen. Somit gingen die Eltern zu Bett, ohne Marcel einen Gutenachtkuss verpasst zu haben.

Dieses Lauschen finde ich so phänomenal, dass Proust vor verschlossener Türe sehr genau bestimmen konnte, was die Eltern im Bett so alles trieben. Doch er hätte auch anklopfen können …

Es gibt neue Berufspläne. Auf die Anregung seiner Mutter probiert sich Proust für die nächsten fünf Jahre als Übersetzer aus. Als Schriftsteller scheint er finanziell auf keinen grünen Zweig zu kommen, obwohl er nichts anderes tut als schreiben. Er ist gezwungen, seine Romanprojekte erst mal einzustellen. Übersetzen möchte er die Werke von John Ruskin. John Ruskin ist ein britischer Schriftsteller, der 1819 – 1900 in England gelebt hat. Zudem war er auch Kunsthistoriker und Sozialphilosoph. Übersetzen wollte Proust Die sieben Leuchtern; im Original, The seven Lamps of Architecture. Proust interessiert sich für die Studien, die Ruski über die französischen Kathedralen betrieben haben soll. In der Nationalbibliothek findet er Teile von Ruskins Buch in französischer Übersetzung vor.

Aus der Fußnote geht hervor:
Das Resultat dieser Arbeit allerdings ist, dass Proust das Romanprojekt endgültig fallen lässt und sich stattdessen, ermutigt und unterstützt von seiner Mutter, die nächsten fünf Jahre seinen beiden Ruskin-Übersetzungen widmen wird. (268)

In dem Brief an die Mutter bittet er sie um Übersetzungshilfen und gibt dazu gewisse Anweisungen vor.

Wie aus den nachfolgenden Briefen hervorgeht, wirkt Proust auf mich von seinem Gemüt her ein wenig gedrückt. Wiederholt macht er auf seine Erkrankungen aufmerksam, die ihn dermaßen schwächen würden, dass er keine Kraft findet, weiter zu schreiben. Andererseits zeigt er aber auch Probleme mit seinen Schriftstücken, weil er zwar viel ausprobiert hat, aber nichts fertigstellen konnte.

Der nächste Brief wird wieder politisch, die Dreyfusaffäre scheint trotz Begnadigung in der französischen Gesellschaft noch nicht ausgestanden zu sein.

An Pierre d`Orleans
November 1899
Mon cher ami,ich habe Ihnen nicht früher geantwortet, weil ich ziemlich schwer erkrankt war. Sie fragten mich, ob sich all das Schlechte und Gute, das ich im Regiment (1889/1890, Anm. d. Verf.) versprach, bewahrheitet habe. Zwei Dinge zumindest haben sich nicht geändert. Meine Gesundheit hat sich nach und nach bis ins Unerträgliche verschlechtert, und Tage, an denen ich nicht leide, sind eine große Seltenheit. (261)

Pierre d´Orleans muss ein alter Freund aus dem Militärdienst gewesen sein. Viele junge Männer, Rekruten, verachten das strenge Klima in der Wehrmacht, anders Proust, der vorgibt, sich dort wohlgefühlt zu haben. Weiter schreibt er:
Das Gefühl der Zuneigung, das ich jedem einzelnen meiner Vorgesetzten, die so gut zu mir waren, entgegenbringe, empfinde ich auf abstrakte Weise für die ganze Armee. Im Laufe meiner geistigen Entwicklung bin ich nach und nach dahin gekommen, sie als die Lebensform zu betrachten, für die ich die meisten Sympathien aufbringe. Ich bedauere, dass meine Gesundheit mir nicht gestattet hat, in der Armee zu bleiben. (262)

Mich wundert, wie vielen Leuten Proust schon seine stärkste Sympathie bekundet hatte. Meint er auch, was er so schreibt?
Und wenn ich höre, wie sie (die Armee, M. P.) auf dumme und hässliche Weise angegriffen wird, erfüllt mich das mit Zorn und Trauer. (Ebd.) 

Auch von diesem Freund wird Proust mit der Dreyfussaffäre konfrontiert, in welcher Beziehung er zu dieser stehen würde. Proust bekennt sich schließlich ehrlich zu Dreyfus, wo er sich anfangs eher mit seiner Meinung zurückhielt.
Nein, in der Affäre (ich spreche nicht von dem, was um die Affäre herum eine Rolle gespielt hat, vom Militarismus oder Antimilitarismus, Antiklerikalismus usw., denn noch einmal: mir [sic!] graut vor dem Antimilitarismus wie vor dem Antiklerikalismus), in der Justiz-Affäre, war und bin ich Dreyfusard, ich glaube an Dreyfus`Unschuld, ich bewundere die Selbstlosigkeit von Oberst Picquart.

Oberst Marie Georges Picquart, siehe strammstehender General auf dem Gemälde oben, war als französischer Offizier und Kriegsminister bekannt. Außerdem war er Dozent an der Kriegsakademie. Alfred Dreyfus war ein Schüler von ihm. In der Dreyfusaffäre war er Dreyfus-Gegner, später aber, als er Beweise zu dem wahren Täter findet, setzt er sich für die Unschuld Dreyfus´ein, was bei seinen Vorgesetzten nicht gern gesehen wird, und Picquart mit harten Konsequenzen rechnen musste.

Der Spiegel schreibt dazu:
Im März 1896 entdeckt der neue Geheimdienstchef, Oberstleutnant Georges Picquart, bei Überarbeitung des Dreyfus-Dossiers etwas Sensationelles: Die Fetzen eines nicht abgeschickten Telegramms, das als "petit bleu" in die Geschichte eingehen wird. Absender ist der deutsche Militärattaché Schwartzkoppen, Empfänger ein Major im französischen Generalstab namens Charles Ferdinand Walsin-Esterhàzy.Und Picquart entdeckt weiter: Die Handschrift Esterhàzys ist deckungsgleich mit der Handschrift auf dem "bordereau". Doch der Generalstabschef de Boisdeffre will davon nichts hören,Picquart wird als Regimentskommandeur nach Tunesien abgeschoben. Er hatte ursprünglich wie fast alle Militärs an die Schuld des Hauptmanns Dreyfus geglaubt, doch jetzt weiß er: Esterhàzy ist der Täter. Er gelobt: "Ich werde dieses Geheimnis nicht mit ins Grab nehmen." Und er duelliert sich mit Henry.Inzwischen ist ein Verfahren gegen Esterhàzy in Gang gekommen. Ein Militärgericht spricht ihn unter großem Applaus des Publikums frei, obwohl er einen üblen Ruf als Spieler, Börsenspekulant und Bordellbesitzer hat. Für die Rechtspresse ist er ein "Opfer der Juden".Jedoch, im selben Jahr 1898 werden einige der Fälschungen des Oberst Henry entdeckt, der gesteht und wird verhaftet. Im Gefängnis wird er mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Drumonts "Libre Parole" ruft zu Spenden für seine Witwe auf. 25 000 Franzosen zeichnen, unter ihnen 1000 Offiziere und 300 Priester. Die gewaltigste publizistische Bombe der Affäre explodiert am 13. Januar 1898: In der Tageszeitung "L'Aurore" schleudert der Schriftsteller Emile Zola seinen berühmten "Offenen Brief an den Präsidenten der Republik" in die Welt. Schlagzeile des sechsspaltig aufgemachten Artikels: "J'accuse" (Ich klage an). Es ist nach den Worten eines französischen Politikers "der größte revolutionäre Akt des Jahrhunderts". (Spiegel-Online, Juli 2006)

Proust sorgt sich, dass man ihn wegen seiner politischen Meinung ablehnen könnte und bittet seinen Freund um Loyalität und Toleranz.
Und wie kann ein mir unerklärliches Phänomen der Massenpsychologie, die uns doch dabei helfen soll, bislang geheimnisumwitterte Epochen zu verstehen, bewirken, dass man sehr wohl verschiedener Meinung in Dingen der Religion, der Moral, der Kunst, der Politik sein kann, ohne dabei die Freundschaft zu opfern, aber eine unterschiedliche Auffassung von der Schuld eines Menschen – die eine Frage der Tatsachen und keine prinzipielle Frage ist – zu einem unüberwindlichen Hindernis in den Herzen wird. Dies allein hat das Antlitz der ganzen Gesellschaft verändert, es ist das einzige Zeichen, die einzige Parole, mit der man sich zu erkennen gibt, die die Menschen vereint oder trennt. (263)

Wie recht er hat. Allerdings denke ich gerade über unsere aktuelle politische Lage nach, da bei uns immer mehr Wähler rechts wählen. Von Protestwählern kann keine Rede mehr sein. Ich könnte mit keinem rechten Wähler befreundet sein, der die demokratischen Grundwerte verstößt und Menschen ablehnt, die nicht in deren Menschenbild zu passen scheint. Da ist Proust doch zu wenig wählerisch, und hinterlässt bei mir den Eindruck, bei jeden beliebt und akzeptiert sein zu wollen. Wie kann ich mit einem Menschen befreundet sein wollen, der das Ziel hat, einem anderen Menschen schaden zu wollen? Die Mitglieder einer rechten Partei gaben in unserem Land vor ein paar Jahren öffentlich zu bekennen, sie würden sogar Flüchtlingskinder an der deutschen  Grenze abknallen ... Wie sehr die Dreyfusaffäre die Französische Gesellschaft spaltet, zeigt Proust an folgendem Gedanken:
Ist ein ruhmreicher General Dreyfusard, wird er von der Aristokratie verstoßen, ist ein Priester Dreyfusard, beschimpfen ihn die Katholiken. Ist hingegen ein Zivilist ein Dreyfus-Gegner, so gereicht ihm das schon zu einer Art von militärischer Ruhmestat; gibt sich ein Radikaler als Dreyfus-Gegner zu erkennen, wird er von allen Klerikalen gewählt, ist ein Jude Dreyfus-Gegner, genießt er den Schutz der Antisemiten (…). Das ist es, und es gibt nichts anderes mehr als das. >Ist man´s oder ist man´s nicht, das ist hier die Frage. < (263f)

An Marie Nordlinger
Dezember 1899

Marie Nordlinger ist uns aus den letzten Briefen bekannt. Sie ist eine deutsche Cousine von Reynold Hahn, und die Proust hilft, Ruskin zu übersetzen. Sie ist Jahrgang 1876, also fünf Jahre jünger als Proust, und lebte bis 1961. Sie pendelt häufig zwischen Frankreich und Deutschland.

Proust macht wieder großzügig Komplimente, beklagt, dass Marie Nordlinger aktuell nicht in Paris weilt, wenn er schreibt:
… und was für ein Jammer, dass wir uns nur so flüchtig kennengelernt haben, als sie hier waren, und ich nur so wenig von Ihnen gehabt habe. Denn Briefe wie derjenige, mit dem Sie mich letzthin beehrt haben, rufen etwas ganz anderes als Dankbarkeit hervor, nämlich wahre Sympathie. (266)

Wieder sehr glamourös und wohlwollend ausgedrückt. Wer würde hier nicht weich werden? Weitere Lobpreisungen, auf die ich wegen der Überlänge nicht eingehen möchte, sind dem Brief zu entnehmen.
Und die Sympathie verlangt nach dem Umgang mit den Menschen und begnügt sich nicht mit der reinen Vorstellung. Sie ist nicht so weise wie Sie, wenn Sie sagen: >Ich weiß nicht, ob ich Freunde unter den Lebenden habe.<

Proust moniert, dass M. N. nicht einmal die Bücher als Freunde betrachten könne. Dazu schreibt er: 
Mit Büchern als Freunden gibt sie sich nicht zufrieden. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen scheinbar widerspreche. Sie selbst geben mir diese anspruchsvollere und weniger leicht zu befriedigende Sympathie ein, die, hervorgerufen durch ihre schöne Sprache und Ihre ausgesuchte Zuvorkommenheit, es nicht bei sich selbst belässt, sondern sich auf ihre Person richtet. (Ebd.)

Später schreibt er weiter, dass er selbst aufgrund seiner Erkrankungen zu schwach sei fürs Schreiben, und dass sogar seine Fantasie darunter zu leiden habe. Hier wirkt Marcel depressiv, ein so junger Mensch, der sich ständig mit seinen Krankheiten durchzuschlagen hat, und er dadurch stark am Schreiben gehindert wird.
Ich arbeite schon seit Langem an einem Werk, das einen sehr langen Atem erfordert, habe aber nichts fertiggestellt. 

Aus der Fußnote geht hervor, dass mit dem noch unvollendeten Werk Jean Santeiul gemeint sein könnte. Dafür gebraucht Proust ein wunderschönes Bild, in dem er alle seine unvollendeten Schriften eher als Ruinen betrachtet. Entlehnt ist dieses Gleichnis einem Roman Middlemarch, geschrieben von Georg Eliots. (266)
Seit ungefähr zwei Wochen beschäftige ich mich mit einer kleinen Arbeit, die vollkommen anders ist als das, was ich normalerweise treibe, einer Arbeit über Ruskin und bestimmte Kathedralen. Wenn es mir, wie ich hoffe, gelingt, sie in einer Zeitschrift zu veröffentlichen, werde ich sie Ihnen gleich nach Erscheinen schicken. Hätte ich etwas anderes veröffentlicht, hätte ich es Ihnen geschickt, aber bislang habe ich nur meine Schubladen vollgestopft. (267)

An Marie Nordlinger
Kurz nach dem 21. Januar 1900

Und dennoch hat diese Übersetzungsarbeit auch einen Haken, so berichtet Proust darüber.
Hat Reynaldo Ihnen gesagt, dass dieser böse Ruskin verboten hat, seine Werke ins Französische zu übersetzen, sodass meine bescheidenen Übertragungen unveröffentlicht bleiben werden? Aber in den Studien, die ich über ihn schreibe, werde ich lange Auszüge daraus anführen. (269)

Abwarten, ich bin gespannt, wie sich diese Arbeit noch entwickeln wird, denn wie aus der Fußnote hervorgeht, stirbt Ruskin am 21 Januar 1900 im Alter von 81 Jahren an einer Influenza.

An Marie Nordlinger
Anfang Februar 1900

Wie ich in meinen Recherchen im Internet entnehmen konnte, wird es Marie Nordlinger sein, die ihm später bei den Übersetzungsarbeiten von Ruskins Studien weiterhin behilflich sein wird. Diese Hilfe wird auch schon im nächsten Brief vom Februar 1900 deutlich. Marie Nordlinger habe ihm diverse Zeitungsartikel und Skripte von Ruskin zukommen lassen. Weitere Details sind dem Brief im Buch zu entnehmen.


Meine Gedanken zu Proust

Diese Briefe haben mich innerlich so ziemlich aufgewühlt. Proust hat mein Mitgefühl, weil ich diese Art von Schreibstress sehr gut selbst kenne. Ehemals hatte auch ich viel ausprobiert, bis ich ganz aufgehört hatte, literarische Texte zu verfassen, weil mich dieser Druck innerlich so penetrant genervt hatte. Immerhin hat Proust mit seiner siebenbändigen Recherche ein Lebenswerk geschaffen, das ihm so schnell keiner nachmachen kann. Erfolglos war er nicht. Nur lebt es sich in einer Gesellschaft einfacher, wenn man für sein Einkommen selbstständig aufkommt, ohne von anderen abhängig zu sein. Zu viele Ideen im Kopf, zu viele Gefühle in der Seele, diese können einen richtig ausbremsen. Erst recht, wenn man wie Proust mit noch verschiedenen Erkrankungen fertig werden muss. Deshalb bin ich auf seine weitere Entwicklung gespannt. Und es ist schön, zu wissen, dass er eine verständige Mutter hat, die zu ihrem Sohn steht und ihn weitestgehend zu unterstützen bereit ist.

Ich erinnere mich an das letzte Telefonat mit Anne, als wir darüber gesprochen hatten, dass Proust in seinem Alter noch von den Mitteln der Eltern abhängig ist. Und in diesen Briefen an die Mutter und an die Freundin Marie Nordlinger finden wir die Antwort darauf. Proust ist einerseits wirklich zu krank, um in Ruhe arbeiten zu können, und andererseits ist er dermaßen produktiv, dass er von zu vielen Schreibideen sich selber zu blockieren scheint. Leistungsstress ist ein Killer, ein Krafträuber, der führt im schlimmsten Fall zu einem physischen und geistigem Burn-out. Ich hoffe, dass Proust mit seinem Supertalent noch auf seine Kosten kommen wird, in der Form, dass er vom Schreiben zu leben in der Lage ist.

Telefongespräch mit Anne
Anne hat mir von einem Erlebnis mit ihrer Freundin berichtet, die eine sehr komplizierte politische Meinung hätte, die häufig recht diskriminierend ausländischen Menschen gegenüber wäre. Sehr undifferenziert, sehr verallgemeinernd, sodass Anne irgendwann die Freundschaft lösen musste, weil die politische Haltung der Freundin immer extremer wurde. Als Anne diese Szene zwischen Proust und Pierre d`Orleans gelesen hatte, musste sie sich an diese Freundin zurückerinnern und hinterfragte ihr Verhalten. Nein, ich finde, dass Anne sich der Freundin gegenüber richtig verhalten hat, meine Meinung dazu habe ich oben schon geäußert. Proust ist, ich wiederhole, einfach zu wenig wählerisch. Politisch betrachtet konnte mir Anne zustimmen, auch sie fand einen Zusammenhang zwischen den politischen Problemen heute und denen aus Prousts Zeiten. Einen oder mehreren Menschen Schaden zu fügen, ist eine Gesinnung, die ich niemals unterstützen würde. 

Und was Prousts Schreiben betrifft, so wurde es auch für Anne durch diese Briefe deutlich, weshalb er vom davon einfach nicht leben konnte.

Und meine persönlichen Gedanken, die ich zu Proust geschrieben habe, fand Anne sehr interessant. 

Weiter geht es nächstes Wochenende von Seite 271 – 280.
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Unser aller Schicksale sind vermutlich geschaffen, 
um gelebt, nicht aber um verstanden zu werden.
(Marcel Proust)

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