Eine Buchbesprechung
zur o. g. Lektüre
Meine Meinung
Obwohl ich aus Mangel
an Lesezeit relativ lange für dieses Buch benötigt habe, hat es mir trotzdem
gefallen, wobei es im letzten Drittel ein wenig langatmig wurde. Zum Ende hin wurde es aber wieder spannend.
Ich werde mich kurzhalten
müssen, da dieses Buch, das sich in der JVA abspielt, wenig Handlung bietet.
Das Buch ist sehr monologisch aufgebaut, dadurch, dass der Protagonist aufgrund
seiner Sprachstörung, die sich klonisches Stottern nennt, Dialoge mit anderen
Menschen weitestgehend meidet.
Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu meinen ersten
Leseeindrücken und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Der Held dieser Geschichte
ist Johannes Hosea Stärkle. Dadurch, dass Stärkle aus einer
strenggläubigen katholischen Familie kommt, scheint es mir, als haben ihm die
Eltern biblische Namen erteilt. Bin dem aber nicht weiter nachgegangen … Stärkle
ist in Bachofens Gemeinde großgeworden. Bachofen ist der Kirchenchef, er leitet
die Gemeinde, und der immer zu glauben meint, wie Störungen bei Menschen auszutreiben sind
…
Stärkle leidet seit seiner Jugend an einer Sprachstörung, die er nicht in den Griff bekommt.
Sowohl sein Vater als auch Bachofen möchten ihm diese Störung über körperliche
Züchtigungen aus dem Leib prügeln … (S.14) Welche Rolle spielte dabei die
Mutter? Sie verhielt sich passiv, hielt sich raus, wenn der Knabe mit einem
Bambusstock, mit einem Gürtel, oder mit einem Tennisschläger verprügelt wurde.
Frauen durften Männern hier auch nicht widersprechen. Stärkles ältere Schwester Elisabeth, auch ein biblischer Name, musste später dieselbe unterwürfige Rolle als Hausfrau und Mutter spielen, wie sie diese von ihrer eigenen Mutter vorgelebt bekommen hat ...
Später geht hervor, wie es dazu kam, dass Stärkle plötzlich nicht mehr
fließend sprechen konnte. Stress durch mehrere Schulkameraden, die ihn zum
Opfer machten …
Im Laufe des Lebens entwickelte sich Stärkle zu einem Hochstapler,
weshalb er im Knast sitzt. Hier lernt er den katholischen Gefängnispfarrer
namens Arthur Waldemeier kennen. Die Gefängnisinsassen nennen ihn alle Padre
und dieser Padre sieht in Stärkle großes geistiges Potenzial und gibt ihm den
Rat, alle seine Gedanken schriftlich niederzuschreiben. Und somit schreibt Stärkle
regelmäßig Briefe an den Padre, meist reflektierende Gedanken über sein
bisheriges Leben und bestückt diese reichlich mit Bibelzitaten.
Stärkle ist bibelfest, kennt sämtliche Bibelzitate, über die er
sarkastische Äußerungen laut werden lässt, die einen an den Rand des Zynismus
treiben. Auch den Padre nimmt er mithilfe der Bibelzitate häufig auf die Schippe.
Stärkles Schreibtalent weitet sich immer mehr aus, sodass in ihm der Wunsch keimt, Schriftsteller zu werden.
Stärkles Schreibtalent weitet sich immer mehr aus, sodass in ihm der Wunsch keimt, Schriftsteller zu werden.
Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.
Welche Szenen haben mir gar nicht gefallen?
Das Verhalten seiner Eltern und das des Bachofens. Bachofen entpuppte
sich auch zu einem Scharlatan, der von sich überzeugt war, das sogenannte Sündige im Menschen methotisch mit Exorzismus austreiben zu können und es zu müssen.
Auch hier rächt sich Stärkle später gemeinsam mit einem Bekannten aus der
Jugendzeit.
Eine weitere Szene fand ich grausam. Der Suizid von seiner Schwester Elisabeth ...
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Stärkle rächt sich an seinen Mitschüler Nils, der ihn gemobbt hat. Er
musste viele Prügeleien einstecken. Die Art, wie er sich gerächt hat, fand ich
sehr originell. Er schrieb an Nils mehrere anonyme Liebesbriefe und köderte ihn
damit.
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß. Und natürlich: Gemeinheit um Gemeinheit. Nils hatte mich zum Stotterer gemacht, zum Watschemann, zur Witzfigur, hatte mich zum Opfer degradiert, lang bevor >>Opfer<< unter seinesgleichen ein gängiges Schimpfwort wurde. (2019, 52)
Ich halte nicht viel von Rache aber hier scheint ja eine andere Bewältigungstaktik unter Jungen nicht geholfen zu haben.
Stärkles Schreibtalent kam schon in seiner Schulzeit zum Einsatz, ohne dass ihm das wirklich bewusst war, denn diese erfundenen Liebesbriefe wirkten sehr authentisch. Auch später noch erfindet Stärkle Geschichten, mit deren Hilfe er sich bei verschiedenen unliebsamen Mitmenschen rächt, weshalb er sich und alle Schriftsteller als Lügner begreift.
Stärkles Schreibtalent kam schon in seiner Schulzeit zum Einsatz, ohne dass ihm das wirklich bewusst war, denn diese erfundenen Liebesbriefe wirkten sehr authentisch. Auch später noch erfindet Stärkle Geschichten, mit deren Hilfe er sich bei verschiedenen unliebsamen Mitmenschen rächt, weshalb er sich und alle Schriftsteller als Lügner begreift.
Interessant finde ich auch den Fragebogen, den Stärkle über sich selbst
entwickelt hat. Er bezeichnet diesen Fragebogen als Der Marcel Proust Fragebogen.
Eine Frage davon lautet: Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Die der
anderen. Weil man gut von ihnen leben kann.
Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Der Padre, der Stärkle gefördert hat, der es geschafft hat, sein
Potenzial ans Licht zu rücken. Auch setzte er beim Gefängnisdirektor durch,
Stärkle, der auch Bücher liebt, als Bibliothekar für die Gefängnisbibliothek zu beauftragen.
Welche Figur war mir antipathisch?
Ganz viele.
Meine Identifikationsfigur
Keine
Cover und Buchtitel
Beides fand ich passend. Betrachtet sich Stärkle im Spiegel? Hier finde ich die Perspektive interessant.
Zum Schreibkonzept
Man erfährt erst sehr viel später, was die Gründe sind, weshalb Stärkle
im Knast sitzt. Am Anfang ist im Buch eine Widmung an Thomas abgedruckt, der sich ein anderes Buch gewünscht hätte. Auf
der nächsten Seite befinden sich zwei Zitate; ein Zitat aus dem Johannesevangelium
und eins von Arthur Schopenhauer. Das ganze weitere Buch ist mit Bibelzitaten
und mit Zitaten von Schopenhauer verziert. Anschließend beginnt das Buch auf Seite 9, indem Stärkle an den Padre schreibt. Es gibt keine Dialoge. Alles, was
man über andere Menschen erfährt, erfährt man immer über die Briefe an den
Padre oder über Tagebucheintragungen. Eine Chronologie gibt es nicht. Die
Struktur scheint zufällig gewählt zu sein.
Da Stärkle sich als fabulierfreudig erweist, lernt man über die Briefe, die an den Padre gerichtet sind, viele Geschichten kennen ... Dieses Buch, das arm an Dialogen ist, lebt von den Geschichten, die Stärkle schriftlich erzählt. Besonders gehaltvoll finde
ich die Geschichten Der Enkeltrick;
Mutter Speckmann, denke in diesem Zusammenhang an die gutgemeinte aktive Sterbehilfe.
Die Geschichte mit Nils fand ich sehr spannend. Auch die Geschichte mit
Bachofen und dessen Pädophilie, ein Mix zwischen Realität und Fiktion … Ich möchte nicht zu viel verraten …
Meine Meinung
Mich hat die Intellektualität des Protagonisten fasziniert, wie er
versucht, auf schriftlichem Weg sein verkorkstes Leben und das seiner
Mitmenschen in der Ichperspektive zu verarbeiten. Schriftlich, um nicht mit
seiner Stimme reden zu müssen.
Ich liebe Worte. Ich liebe es zu lesen, und ich liebe es zu schreiben. Beim Schreiben stottere ich nicht. Win-Win. (10)
Dadurch fand ich den gesamten Schreibstil interessant. Ohne ihn hätte ich
das monotone Monologisieren nicht bis zum Schluss durchstehen können. Am Ende
erwartet den Leser*innen eine schöne Überraschung.
Mein Fazit
Das Durchhalten hat sich gelohnt, das Buch konnte mich in seiner Sprache und
vom Inhalt her gut packen. Man hätte den Stoff allerdings ein wenig straffen
können.
Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
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Zwölf von zwölf Punkten.
Weitere Information zu dem Buch
Vielen herzlichen Dank an den
Verlag von Diogenes für das Bereitstellen des Leseexemplars.
Vielen Dank auch an das
Team von Whatchareadin für diesen tollen Buchvorschlag.
Leider konnte ich aus
Zeitgründen nicht an der Leserunde teilnehmen, so wie ich es mir gewünscht hätte.
Hier geht es zum regen Buchaustausch.
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Gelesene Bücher 2019: 15
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
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Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
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