Samstag, 6. Mai 2017

Mirellas Leseprojekte

In meiner mittlerweile fünfjährigen Bloggerkarriere habe ich ein paar Leseprojekte veranstaltet, habe mir aber nie ein Label dazu angelegt. Dies noch nachträglich aufzuholen, wäre sehr zeitaufwendig, da sich mittlerweile sehr viele Bücher angehäuft haben. Deshalb habe ich überlegt, mir nun eine Liste zu erstellen, auf der alle meine Leseprojekte festgehalten sind, damit sie nicht versanden. Anfangs hatte ich noch keine Blogerfahrung, ich konnte noch nicht wissen, welche Schwerpunkte sich mir beim Lesen ergeben würden. Viele AutorInnen kannte ich zwar schon, aber viele kannte ich auch nicht. Wenn ich von gewissen AutorInnen sehr angetan war, hatte ich beschlossen, mir so viele Bücher wie nur möglich von diesen anzuschaffen und sie auch zu lesen. 

Porträt: https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Proust#/media/File:Marcel_Proust_1900.jpg

Nun habe ich diese Liste doch gestückelt. Hier auf dieser Seite geht es um Marcel Proust. 

Marcel Proust


Gelesen habe ich:
  1. Unterwegs zu Swann (1)
  2. Im Schatten junger Mädchenblüten (2)
  3. Guermantes (3)
  4. Sodom und Gomorrha (4)
  5. Die Gefangene (5) 
  6. Die Flüchtige (6)
  7. Die wiedergefundene Zeit (7)
Mit diesem Leseprojekt habe ich nun auch den siebten Band ausgelesen.  Bisher konnte ich Proust am besten nur in Zeitlupe lesen, nur gaanz langsam. Und am besten, wenn ich Urlaub hatte. Dann schotte ich mich ab und tat fast nichts anderes, als Proust zu lesen. Aus mir wurde trotzdem keine Proustianerin, ordne mich also als Leserin auch nicht der Proust-Zunft an. Ich habe nämlich Proust gegenüber eine sehr kritische Haltung eingenommen, wie man sie aus meinen Buchbesprechungen entnehmen kann. Der fiktive Marcel in den Büchern ist mir schier unsympathisch. Zum Leidtragen der vielen Proust-LiebhaberInnen unter uns, aber auch unter manchen SchriftstellerInnen, wie z. B. Virginia Woolf, die sehr von ihm angetan war. Prousts Einstellung und der Umgang zu Frauen hat mir nicht behagt, außerdem war er für mich ein überbehütetes Muttersöhnchen, der mit seiner Arroganz und seiner Überheblichkeit auch seine Großmutter so manches Mal missmutig gestimmt hat. Marcel, Sozialkritiker in der aristokratischen Klasse, immer darauf aus, andere Menschen zu beobachten und zu kritisieren. Er saugt und verschlingt die Menschen regelrecht in sich ein, um dies mal mit einem Bild auszudrücken, wie ich ihn literarisch wahrgenommen habe ... Er lauert sogar manchen Menschen auf, spioniert und läuft ihnen nach (Stalking), stellte sich unter das Fenster bei einer seiner Hauptfiguren, um herauszufinden, ob diese homosexuellen Praktiken nachgingen, und auch aus Gründen der Eifersucht. Dieser Marcel hat aber viel zu wenig sich selbst in Frage gestellt. Mir kommt er stark neurotisch vor ...

Zu Marcel Proust hatte ich zudem neben seinen Werken auch jede Menge Sekundärliteratur gelesen, aber sympathischer ist er mir dadurch auch nicht geworden. Es gibt sogar ein Marcel-Proust-Lexikon :-).

Die Proust-AnhängerInnen müssen sich damit abfinden, dass es auch Proust-GegnerInnen gibt. Zu gerne hätte ich gewusst, welche Haltung eine Alice Schwarzer Proust gegenüber gehabt hätte. Es gibt eine skandalöse Szene Marcels mit einem kleinen Mädchen, fünf Jahre alt, die bei den Eltern, zu Recht, für Empörung gesorgt hat, und sie Marcels unsittliches Verhalten gegenüber dem Kind zur Anzeige gebracht haben.

Mit dem Übertitel Auf der Suche nach der verlorenen Zeit habe ich mich anfangs dermaßen inspiriert gefühlt, dass ich die Bücher einfach haben und sie lesen musste. Doch meine Anfangseuphorie ist mittlerweile stark abgeschwächt.

Alle sieben Bände sind dem Genre fiktive Autobiografien einzuordnen. Allerdings habe ich auch ein paar Biografien zu Prousts Leben gelesen und vieles fand ich in seinen Romanen wiedergespiegelt. Vor allem das Familiäre, die besondere Beziehung zu weiblichen Bezugspersonen, Mutter und Großmutter, und auch diverse Charaktereigenschaften jener Personen, sich miteingeschlossen, fand ich in seinen Romanen wieder.

Da ich mehr als vier Jahre gebraucht habe, diese mittlerweile sieben Bände zu lesen, befinden sich nicht alle Buchbesprechungen hier auf meinem Blog.

Auf meinen Blogseiten werden die Bände vier, fünf, sechs und sieben besprochen.


Wie geht es nun weiter mit meinem Marcel Proust-Lese-Projekt? 

Irgendwie lässt mich Marcel Proust nicht mehr los. Der siebte Band hat mich mit ihm ausgesöhnt. Am liebsten würde ich mit dem ersten Band wieder von vorne beginnen. Nun hat mich eine Bücherfreundin namens Renate auf die Hörbuchfassung aufmerksam gemacht. Ich habe diese auf dem Bloggerportal finden und probehören können. Sie klingt wirklich vielversprechend. Hier der Link, der zu den MP3-CDs führt.

Des Weiteren habe ich noch die beiden Bände mit Proust-Briefen im Regal stehen, die im letzten Herbst im Suhrkamp-Verlag herausgekommen sind. Und eine Biografie, die mit ihren mehr als tausend Seiten sehr umfangreich ist, habe ich mir auch noch angeschafft, sodass das Leseprojekt weitergeführt werden kann. 


Hier der Link, der zur Suhrkamp-Verlagsseite führt.

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                                                                              06.05.2017
Ich habe nun mit den Briefen begonnen, viel mehr habe ich aus dem ersten Band erst die Chronologie geschafft, die relativ umfangreich ist. Die Briefe daraus beginne ich nächste Woche mit meiner Lesepartnerin Anne-Marit zu lesen. Aus der Chronologie konnte ich viel Interessantes entnehmen, ein paar wenige Fakten möchte ich auch hier festhalten, Weiteres ist meiner separaten Buchbesprechung zu entnehmen.

Wie den meisten bekannt ist, ist Marcel Proust Asthmatiker gewesen. Dadurch hat er permanent den Tod vor Augen gehabt, musste jede Menge Anfälle über sich ergehen lassen. Solche Asthmaanfälle sind schon erschreckend, wenn man sich vorstellt, dass einem die Luft wegbleibt und man zu ersticken droht. Durch seine Atemwegserkrankung ist Proust tatsächlich nicht alt geworden. Er starb mit 51 Jahren (1871-1922).
Als er noch lebte, quälte ihn die Sorge, er würde vorzeitig sterben, ohne seine Recherche beendet zu haben. Außerdem hatte er Angst, seine vielen Briefe, die teilweise sehr persönlich sind, würden veröffentlicht werden, kaum dass er tot sei. Ich denke mir dabei, dass er selbst die Wahl hatte. Er hätte die Briefe vor seinem Tod verbrennen können. Aber er tat das nicht, also stand er einer Veröffentlichung ambivalent gegenüber.

Worunter er noch litt, war sein Ruf. Nicht wenige bezeichneten ihn als einen Snob. Darüber musste ich so schmunzeln, denn auch ich zähle mich zu den Leser*innen, die ihn für arg blasiert hielten, siehe im oberen Text. Interessant, dass ich mit dieser Charakterisierung nicht alleine dastehe.

Sorgen bereitete ihm auch, dass die Leser*innen zwischen dem fiktiven und dem realen Marcel nicht unterscheiden könnten. Diese Sorge ist berechtigt, denn ich selbst stellte mir wiederholt die Frage, weshalb Proust dem Protagonisten aus der Recherche den selben Vornamen verpasst hatte? Nicht nur die Leser*innen sind vor diese Herausforderung gestellt, die beiden Marcels auseinanderzuhalten. Auch er, Marcel Proust, der Vater des fiktiven Marcels, muss selbst vor dieser schweren Aufgaben gestanden haben, beide Marcels auseinanderzuhalten. Wie kann er einen fiktiven Marcel kreieren und gleichzeitig Abstand gewinnen zwischen den beiden gleichen Namensträgern?

In seinen siebenbändigen Büchern gibt es sehr wohl Parallelen zu seinem eigenen Leben. Dies zeigt mir, dass es ihm nicht gelungen ist, sich als realer Marcel von dem fiktiven Marcel zu distanzieren. Warum aber war es ihm so wichtig, seinem Protagonisten seinen Namen zu verpassen? Vielleicht gibt es in den Briefen eine Antwort dazu, denn er muss sich ja etwas dabei gedacht haben.