Ein Frauenleben
Lesen mit Tina
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Lesen mit Tina
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Eine starke Frau, diese Oriana
Fallaci, die zusammen mit ihrer Herkunftsfamilie sämtliche Klischees sprengt. Äußerlich
wie auch innerlich …
Was sie alles als Frau in einer
männerdominierten Welt geleistet hat, ist wirklich enorm.
Oriana, deren Namen aus Marcel Prousts
Figuren stammt. Wer die sieben Proust-Bände gelesen hat, ist eine Madame Oriane de Guermantes mehr als vertraut ... Wie
kamen die beiden Eheleute Edoardo und Tosca Fallaci zu Proust? Zuerst etwas zur
Herkunft. Oriana kam im Juni 1929 zu Welt. Geboren wurde sie in Florenz und sie
war das erste Kind von drei weiteren Kindern. Die Eltern waren sehr arme Leute.
Aber sie besaßen recht viele Bücher. Die Wohnung besaß wenige materielle Güter,
aber sie war reich an Büchern. Obwohl die Fallacis sehr wenig Geld zur
Verfügung hatten, kauften sie sich die Bücher, wenn auch nur auf Raten. Sie waren sehr belesen. Ganz untypisch für eine arme
Familie. Die Bücher hatten für sie einen hohen ideellen Wert. Dies allein hatte
mir schon sehr imponiert, dass Bücher einer armen Familie so bedeutend sein können.
Die Fallacis betrachteten die Bücher als
das Tor zur Welt, und so wuchs Oriana auch mit dieser Bücherliebe auf. Das Tor zur Welt passt exakt zu Orianas
Leben, die im erwachsenen Alter überall auf der Welt journalistisch tätig
wurde. Ihre journalistische Ausbildung absolvierte sie in ihrem geliebten Land
Amerika, das Land, das ihre zweite Heimat wurde.
Orianas Kindheit und Jugend ist
nicht ganz einfach verlaufen. Sie musste als die Erstgeborene den Jungen in der
Familie ersetzen. Der politisch aktive Vater Edoardo nahm seine Tochter überall
mit, denn …
… auch als Mädchen kann man dienen. (…) Um zu vermeiden, dass seine Frau sich allzu sehr ängstigt, teilt Edoardo seiner Frau Tosca nicht mit, wann er seine Tochter auf Einsatz schickt. (2016, 19).
Oriana wuchs in einer sehr kalten
Welt auf. Sie war gerade mal zehn Jahre alt, als der Faschismus in Italien
ausgebrochen ist. Der Vater mischte sich als Antifaschist unter die Partisanen
und kämpfte im Untergrund für Freiheit und Gerechtigkeit. Oriana bekam vom
Vater den Auftrag, antifaschistische Flugblätter zu verteilen, d. h. sie war
schon recht früh politisch aktiv … Früh trat sie in die Fußstapfen ihres
Vaters.
Oriana hat viel Elend gesehen und
hat dadurch auch den Glauben an Gott recht früh verloren. Sie bezeichnete sich
selbst als eine Atheistin, als ihr eine Ungerechtigkeit mit den Nonnen
widerfahren ist:
Die Nonnen im Kloster sagen zu ihr, sie solle alles als Geschenk für den Heiland am Altar zurücklassen. >>Kurz darauf bin ich heimlich noch einmal in die Kirche zurück, um nachzusehen, ob das Jesuskind alles aufgegessen hatte, und das Essen war weg. Doch nicht einmal die Bananenschale lag mehr da, und auch das Silberpapier der Schokolade war verschwunden. Mir kam der Verdacht. Ich verließ die Kirche, ging einen Flur entlang, und da saß auf einem Mäuerchen die Nonne, die meine Banane aß. (39f)
Oriana geht nach der Schule auf die
Universität und versucht es mit einem Medizinstudium, das sie aber wegen der
Armut selbst finanzieren muss. Das wurde ihr mit der Zeit zu anstrengend, und sie
brach das Studium wieder ab und engagierte sich hauptsächlich journalistisch …
Oriana hatte eigentlich den Wunsch,
Schriftstellerin zu werden, da sie aber nicht wusste, wie sie sich diesen
Wunsch erfüllen konnte, blieb sie weiterhin journalistisch tätig. Ihre Art zu
schreiben ist nach deutscher Art sehr
ungewöhnlich. Sie pflegte einen polemischen Ton, aber immer mit Herz und
Verstand bei der Sache. Vorurteile konnte sie schnell ablegen, sobald sie sich
als falsch erwiesen haben. Oriana wurde als Kriegsberichterstatterin viel in
Krisengebieten eingesetzt, wie z. B. im Iran, Indien, Türkei, Südamerika etc. Mit
der Zeit genoss sie international große Beliebtheit … Sie hatte Erfolg, sie
verschaffte sich auch bei den Patriarchen hohen Respekt. Für mich erwies sich
Oriana Fallaci nicht wirklich als Italienerin, für mich war sie ein Weltmensch
…
Und dennoch, durch Orianas genossene
Erziehung zahlte sie auch einen hohen Preis. Sie lebte nicht wirklich ihre
Rolle als Frau, und war auch nicht beziehungsfähig, und erlebte mehrere
Zusammenbrüche was die Partnerwahl betraf. Dadurch blieb auch ihr Kinderwunsch
unerfüllt. Selbst durch den Beruf, umgeben von vielen Menschen, war sie bis zu
ihrem Tod eine sehr einsame Frau.
Weiteres ist dem Buch zu entnehmen …
Mein Fazit zu dem Buch?
Meine Lesepartnerin Tina und ich
hatten dieselben Empfindungen. Wir sind beide der Ansicht, dass Oriana Fallaci
eine sehr bedeutende Persönlichkeit war, die viel Achtung verdient hat, und
trotzdem war sie uns auch zu anstrengend, dass wir uns eine Freundschaft mit
ihr schwer vorstellen konnten.
Und wir haben uns die Frage
gestellt, was aus ihr geworden wäre, wenn vor ihr ein Junge geboren wäre? Sicher,
sie bekäme eine klassische Mädchenerziehung. Aber Oriana hatte noch drei
Schwestern, die alle eine gute Schulausbildung erhielten, und sich
wahrscheinlich die ältere Schwester zum Vorbild nahmen, da auch sie politisch
aktiv und journalistisch tätig wurden. Den Eltern war es also schon wichtig,
auch den anderen Mädchen trotz der Armut eine hohe schulische Ausbildung zukommen
zu lassen.
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
|
Zwölf von zwölf
Punkten.
Ich möchte mich recht herzlich beim Bloggerportal, btb-Verlag, für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.
· Taschenbuch: 352 Seiten, 12,00 €
· Verlag: btb Verlag (12. September 2016)
· Sprache: Deutsch
________
Es ist ganz gleich, ob man reich oder arm ist,
alle hungern nach etwas.
(Per J. Andersson)
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