Montag, 26. Dezember 2016

Eugen Ruge / Follower (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Lesen mit Tina 

Eine kurze Buchbesprechung

Nach 270 Seiten musste ich passen. Ich bin mit dem Buch nicht wirklich klar gekommen. Viel zu verkopft und recht handlungsarm habe ich das Buch erlebt. Als ich bei dem Kapitel Genesis angekommen bin, ging es bei mir nicht weiter, ich konnte nicht mehr folgen. Bei den dazugehörigen Kapiteln über die Generationen habe ich dann schließlich aufgehört weiter zu lesen. Ich konnte gar nichts damit anfangen. Einige andere Themen fand ich recht ansprechend. Dem Autor ist es recht gut gelungen, über diese virtuelle Welt zu sprechen, und welches Persönlichkeitsprofil die Follower abgeben. Das Meiste sei recht unsinnig, was andere über sich preisgeben, wie z.B. den verbrannten Kuchen einer Hausfrau zu posten. Auch dies konnte ich sehr gut nachspüren, wie belanglos viele Beiträge doch sind. Dabei stellt der Protagonist Schulz sich die Frage, weshalb man gewisse Kontakte nicht wieder entfreunden tut?

Desweiteren habe ich es schon als recht gruselig erlebt, dass jede Spur, die die UserInnen im Internet hinterlassen, erfasst wird. Es gibt kein privates Profil mehr. Und alle sind gläsern. Von jedem wird eine Persönlichkeitsanalyse erstellt, in der festgehalten wird, mit welchen Themen sich die Person beschäftigt hat. Diese Persönlichkeitsanalyse gibt alles preis. Mit der ID-Nummer fängt sie an und es wird ein Aktivitätsprotokoll erstellt. Wie politisch jemand ist, mit welchen Themen sich dieser Jemand passiv und aktiv beschäftigt hat. Und nicht nur das. Es wird eine Statistik erstellt, zu wie viel Prozent die oder der User kriminell gefährdet ist. Auch über die Gesundheit und über die Anfälligkeit gewisser Erkrankungen gibt es Daten ... Wie intelligent oder nicht intelligent jemand ist wird auch darüber Auskunft erteilt...  Das fand ich alles wirklich spannend, so dass ich mich selbst bei der Frage ertappt habe, welches Ergebnis mein PP aufwerfen würde? Es lief mir wirklich eiskalt den Rücken runter. 

Den Rest? Ich muss auch dazu sagen, dass ich mit Dystopien kaum Erfahrungen habe. Aber das ist nicht die Entschuldigung. Mir ist der Autor definitiv zu verkopft. Seine ganze assoziative Gedanken- und Ideenwelt waren mir mit obiger Ausnahme dermaßen fremd, dass ich tatsächlich nicht mehr folgen wollte. Ruge ist Mathematiker und dieses Naturwissenschaftliche spiegelt sich in seinem Buch potenziert wider. 

Nun ist etwas Zeit vergangen, und habe mir das letzte Kapitel vorgenommen, das mir recht gut gefallen hat. Nio Schulz versucht hier dem Überwachungsstaat zu entrinnen. Ob es ihm gelingt, lässt der Autor allerdings offen. Diese Szene möchte ich aber mit einem letzten Zitat belegen, weil mir diese Textstelle besonders gut gefällt:

... Schulz hört den Atem des Mannes und er riecht seinen Schweiß und der Schweiß riecht nach Schweiß und sein Atem klingt  wie echter Atem und der Sand ist kühl und die Luft ist voller Staub und der Hackklotz ist schwarz und das Schwert ist schwer und das Töten ist leicht denkt Schulz aber in Wirklichkeit ist es ein Spiel und jetzt ist sein Gehirn wieder da es ist alles Simulation es ist gut simuliert der Staub ist gut simuliert der Geruch ist gut simuliert und der Sand an seinen Füßen ist kühl aber auch seine Füße sind simuliert denkt Schukz und seine Hände sind simuliert jetzt ist er nur noch Gehirn aber wo ist sein Körper wo sind seine Hände wo ist der Ausgang er hört seinen Atem falls das sein Atem er seiht seine Hände falls das seine Hände falls das seine Augen sieht seine Hände legen das Schwert in den Sand dann läuft er die Füße laufen die Augen suchen den Ausgang die Hände tasten sich an Mauern entlang er stürzt Treppen hinauf er stolpert durch Tunnel stürzt Treppen hinauf rennt stolpert stürzt Treppen rennt durch Röhren stürzt und sieht endlich das Licht am Ende des Tunnels aber davor steht der Mannmit dem perfekten Gesichtund breitet die Arme ausund Schulz weiß, was er sagen wird, er sagt mit der Stimme des Basic-Input/Output-Systems:
Idenditiy please
und Schulz holt aus,seine mühsam trainierte Muskelgruppen kontrahieren, seine in langen Jahren an der Heavy-Grip-Fingerhantel ausgebildete Faust knallt in das Gesicht, (...) vier Wochen Widerufsrecht, kracht in die Silikonfresse,dann springt Schulz über die Schranke,greift den Elektro-Roller,und bevor er weiß, wie das Ding funktioniert,gibt er Gasund rollt ins Freie. 

Das sieht fast so aus, als habe Schulz seine Freiheit außerhalb dieser digitalen Welt zurückerobert. Nein, sicher ist das nicht, denn der Überwachungsstaat macht sich nun auf die Suche nach diesem Schulz ... 


Telefongespräch mit Tina

Tina hat sich gut durchgeschlagen. Aber auch sie fand den Romaninhalt sehr verkopft und die Kapitel zu den Generationen habe sie quergelesen. Auch ihr war nicht immer alles klar aber sie konnte mehr mit dem Buch anfangen als ich. Tina hat mir Mut gemacht, wenigstens das Schlusskapitel zu lesen. Mal schauen.

Es ist nicht so, dass ich das Buch nicht weiterempfehlen kann. Das Buch kann ich sehr wohl weiter empfehlen an Leserinnen und Leser, die solche Art von verkopfter Literatur mögen. Auch sind mir Menschen eingefallen, denen ich zu diesem Buch unbedingt raten möchte, denn auch auf deren Leseerfahrung wäre ich besonders neugierig. 

Tina und ich haben uns die Frage gestellt, für wen Ruge schreibt? Schreibt er nur für eine kleine Minderheit? Das wäre abzuwarten, um die Leseerfahrungen anderer LeserInnen zu beobachten und zu vergleichen. Das Buch ist noch ziemlich neu, und es braucht etwas Zeit, bis es sich herumgesprochen hat. 

Deshalb verweise ich hier ganz besonders auf Tinas Buchbesprechung.

Weitere Informationen zu dem Buch

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Verlag: Rowohlt; Auflage: 1 (26. August 2016)
  • 22,95 €
  • ISBN-10: 3498058053

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Rowohlt

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3 Kommentare:

Querleserin hat gesagt…

Liebe Mira, dafür dass du keine Rezension schreiben wolltest, hast du viele Gedanken geäußert, die ich auch hatte. Das Gespräch mit dir war wieder sehr aufschlussreich und dadurch habe ich auch klarer gesehen.
Liebe Grüße, Tina

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Danke, liebe Tina. Nach unserem Telefonat war ich schließlich doch noch inspiriert, wenigstens über das zu schreiben, was bei mir hängengeblueben ist. Ich habe das Buch noch nicht zurück ins Regal gestellt. Nach "Peter Pan" werde ich mir das letzte Kapitel noch vornehmen. Über ein Buch zu reden und nicht immer nur darüber zu schreiben vereinfacht das Ganze nochmal. Macht mir immer wieder Freude mit dir und mit unserer Anne-Marit.
Ich grüße dich, Mira

Anne hat gesagt…

Besten Dank, Mirella.