Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Ich habe das Buch soeben beendet und ich bin ganz angetan
davon. Ich habe gelesen, dass dieses Buch Bergmanns Debüt ist. Wahnsinnig gut gelungen. Von der ersten bis zur letzten Seite war das Buch mit Spannung erfüllt.
Allerdings keine Spannung in Form von Action und Sensationsgier. Das Buch besitzt
eine gewisse Tragik aber nicht durch die gesamte Handlung hindurch. Und viel
Weisheit findet man darin. Zudem ist es noch ein Buch über Freundschaft. Der
Autor hält mehrere Fäden in der Hand, und bewegt sie, ohne einen zu verlieren.
Diese Art zu schreiben hat mich sehr tief berührt.
Man bekommt es hier im Wechsel mit zwei verschiedenen
Perspektiven zu tun, Perspektiven aus unterschiedlichen Epochen und mit unterschiedlichen
Figuren. Aber die Figuren begegnen sich irgendwann in der Gegenwart, die beiden
Perspektiven bleiben bis zum Schluss dennoch weiterhin bestehen. Dieser Stil
hat etwas Verspieltes und der immerwährende Wechsel von der einen in die andere
Geschichte fordert ein wenig Kopfakrobatik ...
Ich werde etwas um den heißen Brei reden …
Schon der Buchtitel Der
Trick scheint auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu sein, und
man glaubt, es geht nur um getrickste, banale Zirkuszauberei. Ja, dies schon, aber
nicht nur. Hinter dem Titel steckt etwas ganz Anderes ... Das fand ich grandios
…
Die tschechische jüdische Halbwaise Mosche Goldenhirsch, Künstlername
Zabbatini, verlässt 1934 mit 15 Jahren seinen Vater namens Laibl, um in einen
Zirkus einzutreten. Die Jahreszahl 1934 sagt schon aus, in welchen politischen
Umbrüchen Europa sich befindet, hauptsächlich in Deutschland, und dies tiefen
Einfluss auch auf Tschechien haben wird …
Mosche hatte außerdem die Nase von seinem Vater voll, der
immerzu auf ihn eindrosch, wenn er nicht die Leistung erbracht hatte, die der
strenge Vater von seinem Sohn eingefordert hat. Der Vater hatte als Rabbiner
unter den Juden eine hohe Stellung inne, weshalb der Gelehrte sich so streng
seinem Sohn gegenüber verhielt.
Laibls Lebensphilosophie ist:
Allein schon da zu sein, allein schon zu leben, (…) ist ein Gebet. (2016, 7.)
Mosche wird von Kröger, der Chef des Zirkus‘,
Künstlername Halbmondmann, sofort angenommen. Mosche betont aber, dass er Jude sei,
daraufhin die abwehrende Reaktion des Chefs:
„Erspar‘s mir. Wir sind beim Zirkus. Wir sind alle gleich“. Das hatte Mosche noch nie zuvor gehört. „Echt?“
„Im Theater“, erwiderte Kröger, „ist jeder ein Edelmann, wir sind Künstler, und es gibt nichts Edleres als die Kunst.“ (138)
Nach der Probephase erkennt Kröger in dem Jungen eine
gewisse Begabung. Und so wird Mosche in die Kunst des Magiers eingeführt und erhält
den iranischen Künstlernamen Zabbatini. Mosche
schlüpft in eine neue Identität und deckt sich mit viel Wissen über die
iranische Lebensweise ein. Der Name Mosche Goldenhirsch ist somit abgeschrieben.
Mosche wird in die Lebensphilosophie der Magier und
Zauberer eingeweiht.
… >>Denn wir sind die Nachkommen der Hohepriester von Persepolis. (…) Wir sind ihre Nachkommen, zumindest im Geiste. Wir sind die Sprecher der Götter und die Hüter einer zeitlosen Wahrheit.<<
>>Ja<<, sagte Mosche aufgeregt. >>Was für eine Wahrheit?<<
>>Die Wahrheit der Lügen.<<
>>Wie können Lügen wahr sein?<<
>>Wie nicht? Menschen sind begierig darauf, getäuscht zu werden. Sie wollen an etwas Größeres glauben. Wir aber geben ihnen etwas Kleineres, nur deshalb kommen sie. Die Magie ist eine wunderschöne Lüge.<< (158)
Im Zirkus bekommt Mosche die Rolle eines Clowns und hat dadurch
selbst den SA-Männern gegenüber Narrenfreiheiten, da niemand von ihnen hinter
der Maske einen Juden vermutet hat. Mosche nutzt seine Gunst, sich für das
Leid, das sie den Juden zufügen, zu rächen. Er zieht einen SA-Mann an sich
heran, und flüstert ihm ins Ohr, dass er, der SA-Mann, dieses Jahr sterben werde.
Er, Mosche Goldenhirsch, hatte die SA in Angst und Schrecken versetzt! (183)
Mosche verliebt sich heimlich in die Artistin Julia. Nur
durfte der Chef nicht hinter diese Liebelei kommen … Aber er kam dahinter … Nun
geschieht ein großes Szenario, das immense Auswirkungen für alle Beteiligten nach
sich zieht …
Julia und Zabbatini gehen nun eigene Wege, nachdem der
Zirkus durch tragische Umstände abgefackelt war.
Mosche macht sich auch ohne den Zirkus einen Namen als
der große Zauberer Zabbatini.
Mosches Ruf wird bekannt. Nicht nur SA-Männer suchen
seinen Rat. Auch Hitler wendet sich an ihn mit der Frage, ob die Juden die
Nation in den Krieg treiben würden?
Dazu Zabbatini:
Sie werden einen großen Frieden bringen. Einen Frieden, wie die Welt ihn noch nie gesehen hat. Ihr Name wird niemals in Vergessenheit geraten, mein Führer. (284)
Hitler war ganz gerührt und bot Zabbatini daraufhin an,
ihn mit Adolf anzusprechen.
Leider hat Mosche als Zabbatini gewisse Risiken nicht
bedacht, und es ist das eingetroffen, was ich befürchtet habe ...
Zabbatini, der Zauberer, der mit seiner Kunst sogar die
Nazis täuschte ... Ich ahnte schon, dass ein Ereignis kommen musste, wie es gekommen ist. Grausam. Es konnte gar
nicht anders kommen. Warum war Mosche nur so naiv? Wieso fehlte ihm dieser
klitzekleine Weitblick? ...
In der zweiten Epoche, 2007, wird das Leben des
zehnjährigen Max‘ erzählt, der auch aus einer jüdischen Familie
väterlicherseits stammt. Seine Großmutter hat durch ganz besondere Umstände und
durch besondere Menschen den Holocaust knapp überlebt ...
Permanent versucht sie über diese schreckliche Zeit mit
ihrer Familie zu reden, doch niemand hat wirklich ein Ohr für sie, auch, weil
sie immer und immer wieder dasselbe erzählen würde ...
Max‘ Eltern möchten sich scheiden lassen, und der Junge
leidet fürchterlich darunter. Als der Vater schließlich auszieht, ist Max ganz
außer sich. Während des Umzugs findet er unter den Musikplatten seines Vaters
eine Platte, die aus dem Rahmen fällt. Max kann eigentlich mit Platten gar nix
anfangen, aber der Titel stimmt ihn neugierig. Auf der Platte steht der Name
des großen Zauberers Zabbatini. Max fragt seinen Vater, ob er die Platte haben könne.
Der Vater schenkte sie ihm. Max zieht los, um den Plattenspieler in der
Abstellkammer zu suchen.
Auf der Platte geht es um die Liebe, wie diese, die
gefährdet ist, mit Zauberei wieder zu kitten ist …
Max ist von der Platte völlig hingerissen, die allerdings
gerade dort einen Sprung aufweist, als es um diesen Liebeszauberspruch ging.
Nun konnte Max nichts mit der Platte anfangen und begibt sich auf die Suche
nach dem großen Zabbatini, da nur Zabbatini es schaffen könne, mit diesem Liebeszauber
seine Eltern wieder zusammenzuführen …
In der Gegenwart nun angekommen, versucht auch Mosche mit
jungen Leuten über seine Erfahrungen mit den Nazis zu sprechen. Schließlich zählt
auch er zu den Überlebenden des Holocausts und musste schwere körperliche
Züchtigungen über sich ergehen lassen.
„Fick dich!“, schallte eine Stimme entgegen. Zabbatini fühlte sich, als hätte ihn jemand geohrfeigt. Die jungen Leute starrten ihn alle voller Ekel und Verachtung an. Er schämte sich. Er war nicht wie die anderen. Seine Erfahrungen, im Krieg und auch davor, machten ihn zu einem Ausgestoßenen. In der großen Menschenfamilie war kein Platz für ihn. (313)
Mich hat diese Textstelle recht betroffen gestimmt. …
Auch andere Textstellen stimmten mich nachdenklich, wie
z. B. dass es verboten war, Jude zu sein. Dies zumindest erkennt der kleine
Max, als er schließlich durch einen anderen Menschen erfährt, welches Leid
dieser und seine Großmutter als Juden widerfahren ist …
Wie es nun weitergeht und ob Max den Magier findet, bzw.
ob er es schafft, seine Eltern zusammenzuführen, überlasse ich den LeserInnen
selbst, es mit Hilfe der Lektüre herauszufinden.
Mein
Fazit?
Zu gegebener Zeit möchte ich dieses Buch ein weiteres Mal
lesen. Diese vielen Facetten möchte ich nochmals erleben und ein weiteres Mal
auf mich einwirken lassen.
Mich hat recht traurig gestimmt, wie sehr diese Menschen
wie Mosche und Max‘ Großmutter mit ihrer Geschichte alleingelassen sind. Schwerst traumatisierte Menschen, die selbst nach dem Zweiten Weltkrieg noch mit ihrem Schicksal allein gelassen wurden. Es gab zwar schon Psychotherapien, aber die waren zu dieser Zeit nicht verbreitet. Da musste jeder zusehen, wie er mit dieser Last weiterleben konnte.
Erst später, zum Ende der Geschichte hin, wird Max‘ Vater zum ersten Mal bewusst, dass er, sein Sohn Max und weitere fünf Verwandte gar nicht am Leben wären, hätte seine Mutter den Holocaust nicht überlebt. Ein wenig absurd, dass nicht vorher genau hingeschaut wurde. Lernt ein Mensch immer erst, wenn das Schicksal ihn dazu zwingt?
Erst später, zum Ende der Geschichte hin, wird Max‘ Vater zum ersten Mal bewusst, dass er, sein Sohn Max und weitere fünf Verwandte gar nicht am Leben wären, hätte seine Mutter den Holocaust nicht überlebt. Ein wenig absurd, dass nicht vorher genau hingeschaut wurde. Lernt ein Mensch immer erst, wenn das Schicksal ihn dazu zwingt?
Ich wünsche mir sehr, dass dieses Buch viele Menschen
erreichen wird. Lesen wir nur aus Vergnügen, oder auch, um über bestimmte
Ereignisse, mit denen sich unsere AutorInnen auseinandersetzen, zu
sensibilisieren?
Bei mir ist auf jeden Fall beides der Fall …
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
(Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
Zehn
von zehn Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch:
Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung
gestellte Leseexemplar beim Diogenes-Bücherverlag bedanken.
Hardcover Leinen
400 Seiten
erschienen am 01. März 2016
ISBN: 978-3-257-06955-6
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70
400 Seiten
erschienen am 01. März 2016
ISBN: 978-3-257-06955-6
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70
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Im
Tod sind wir alle gleich, egal, ob Prinz oder Bettler.
(E.
Bergmann)
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