Eine
Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Das Buch hat mir
recht gut gefallen, und es könnte sein, dass ich nun angespornt bin, noch
weitere Werke von J. D. Salinger zu lesen, siehe Zitat unten, da ich nur, wie
ich in der Buchvorstellung schon geschrieben habe, den Klassiker Der Fänger im Roggen gelesen habe.
Der Buchtitel von
Rakoff hat mich daher sehr neugierig gestimmt … Außerdem möchte ich zu gerne wissen,
wie eine Literaturagentur arbeitet, was sich hinter den Kulissen verbirgt.
Alles, was mit Büchern und AutorInnen zu tun hat, interessiert mich eben
brennend.
Zur Erinnerung
gebe ich erneut den Klappentext rein.
Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor – und schließlich sich selber.
Den Schluss fand
ich richtig gut, da er nicht eindeutig ist, wirft er ein kleines Rätsel auf …
Sich noch einmal
in die 1990er Jahre zurückversetzt zu wissen, fand ich toll, da ich diese Übergänge selbst auch
erlebt habe. Die
Zeit, in der man von der Schreibmaschine auf den Computer umgesattelt ist, und in der man über Email anfing
zu kommunizieren, diesen Prozess ging jeder unterschiedlich schnell an. Doch
nicht für Joanna Rakoff.
Sie arbeitet in
einer Agentur, die sich für technische Neuerungen sperrt, weshalb sie ihren Büroalltag auf der Schreibmaschine
tätigen muss. Später bekam die Agentur einen Computer, den sich allerdings alle
MitarbeiterInnen teilen mussten. 1996 wusste die Chefin noch nicht, was ein elektronisches Buch ist ... Eine altmodische Agentur, die an die 1950er-Jahre-Büros erinnern lässt.
Joannas Chefin,
weit über sechzig, pflegt einen recht kühlen Umgang zu ihren MitarbeiterInnen und
geht einer außergewöhnlichen Liebesbeziehung nach …
Für Joanna ist das erstmal eine sehr öde
Tätigkeit, da die Arbeit darin besteht, jede Menge Standardbriefe zu bewältigen,
die man viel leichter auf einem PC-ausüben könnte …
Was Jerome David Salinger betrifft, bekommt Joanna
von ihrer Chefin strikte Anweisungen, wie sie sich diesem Kultautor gegenüber zu
verhalten habe. Hier war absolute Distanz angesagt, denn viele junge Mädchen
hatten sich zuvor um einen Job in der Agentur beworben, nur um mit Salinger in
Kontakt zu treten.
Strikt verboten
war auch, die Fanpost
an Salinger weiterzureichen, um seine Privatsphäre zu
schützen. Auf Wunsch des Autors sind die Leserbriefe an die Agentur adressiert.
Es war nun Joannas
Aufgabe, diese sehr persönlichen Briefe zu bearbeiten. Darunter befanden sich auch Briefe von
vielen jungen LeserInnen, da Salinger in seinen Büchern Themen behandelt, mit denen
sich junge Leute identifizieren konnten. Doch er bekam auch Post von älteren
Menschen, die derselben Generation angehören, aus der Salinger stammt. Menschen,
die so wie er, 1919 geboren, einen Weltkrieg erlebt haben ...
Joanna fühlt sich
verantwortlich, und möchte die Leserbriefe nicht so einfach mit Floskeln abservieren.
Sie liest jeden Brief und einer ging ihr besonders nahe. Ein junger Mensch, der
sich über die Romanfigur Holden Gedanken
gemacht hat, woraus dieser Leser schlussfolgert, dass sich die Menschen nicht wirklich
für andere Menschen interessieren würden:
Ich denke viel über Holden nach. Plötzlich taucht er vor meinem geistigen Auge auf, und dann denke ich an ihn, wie er mit der guten Phoebe tanzt oder in der Pencey im Waschraum vor dem Spiegel rumalbert. Wenn ich an ihn denke, kriege ich so ein dummes Grinsen ins Gesicht. Weil ich erst dran denke, was ein witziger Typ er ist und so. Aber dann werde ich meistens irrsinnig deprimiert. Wahrscheinlich werde ich deprimiert, weil ich immer nur dann an Holden denke, wenn ich sehr emotional drauf bin. Ich kann schon emotional sein. Die meisten Leute kümmern sich, glaube ich, einen Scheißdreck darum, was jemand denkt und fühlt. Und wenn Sie eine Schwäche sehen - warum zum Teufel ist es eigentlich schwach, Gefühle zu zeigen; Mann, dann machen sie dich fertig! (Mann ist hier mit Doppel-n-geschrieben, Anmerkung der Rezensentin), (2014, 119).
Joanna, der die
Menschen keineswegs gleichgültig sind, Joanna, die selbst auch nah am Wasser
gebaut ist, identifiziert sich mit diesem (und anderen Leserbriefen) und beschließt, im Namen der
Agentur empathisch darauf
zu antworten.
Ob das gut geht? Überschreitet
Joanna hier nicht eine Grenze, selbst wenn es gut gemeint ist? Dringt sie nicht in die Privatsphären
der Fans ein? Kann man ahnen, wie der und die anderen LeserInnen auf ihre
Antwortschreiben reagieren werden, wo sie doch eine Antwort vom Schriftsteller selbst erwartet
hatten, die aber ausbleibt? Diese Fragen hatte ich mir zwischenzeitlich selbst
gestellt.
Diese Szenen mit
der Fanpost haben mir recht gut gefallen.
Nicht nur Joanna,
auch ich stellte mir die weitere Frage, welchen Anlass Salinger besaß, seine Fanpost abzulehnen; Warum bekam er so viele Nachrichten, die
er nicht mal zu würdigen wusste?
Mit einem Mal verstand ich, warum ihm die Fans schrieben; ihm nicht nur schrieben, sondern sich ihm anvertrauten, mit einer solchen Dringlichkeit und Empathie, solchem Mitgefühl und solcher Geständnisbereitschaft. Wenn man Salinger liest, ist es nicht so, als läse man eine Erzählung; es ist, als flüsterte einem Salinger höchstpersönlich seine Geschichten ins Ohr. Die Welt, die er in seinen Texten erschafft, ist greifbar, real und zugleich so wunderbar überhöht, wandelte er mit frei liegenden Nervenenden auf Erden. Salinger zu lesen ist ein so intimer Akt, dass man sich dabei hin und wieder unbehaglich fühlt. Seine Figuren sitzen nicht herum und denken über Selbstmord nach. Sie nehmen Pistolen und schießen sich in den Kopf. (…) Er zeigt uns seine Figuren völlig unverhüllt, legt ihre geheimsten Gedanken und ihre verräterischen Fragen offen. Wegen ihrer verräterischen Taten offen. Es ist fast zu viel. (240)
Nach diesem Zitat
bin ich gewillt, mir das eine oder andere Werk von Salinger anzuschaffen ...
Nun habe ich
meinen Fokus hauptsächlich auf die Fanpost und die Reaktionen dazu gesetzt. Das
Buch bietet aber noch vieles mehr. Die Beziehung zwischen Joanna und ihren KollegInnen,
zwischen ihren Eltern, die merkwürdige Geburtstagsgeschenke zu machen pflegten,
und ihre partnerschaftliche Bindung mit Don. Man bekommt nebenbei das
gesellschaftliche Leben Amerikas mit.
Mein Fazit?
Da ich ein
Nachwort vermisste, denn ich wollte zu gerne wissen, welche reale Beziehung Nakoff
zu Salinger hatte, musste ich nochmals die Anmerkung auf der ersten Seite lesen, in
der die Autorin darauf
ein wenig Bezug genommen hat.
Schade finde ich
die Haltung Salingers seinen Fans gegenüber. Ich an seiner Stelle würde mich
über die Fanpost sehr freuen. Das sind doch jede Menge Outputs, die einiges über die Bücher des Autors aussagen.
Ist das nicht interessant zu wissen, was die Bücher in anderen Menschen so
auslösen? Und ich wäre neugierig, welche LeserInnen zu einem finden würden. In die Haut eines
Schriftstellers versetzt, würde ich wissen wollen, was das für Menschen sind,
die meine Bücher lesen. Wo kommen sie her? Was haben sie für Bedürfnisse
literarischer Art? Was sagen die LeserInnen über mich aus? Und wie setzen sie das Gelesene um?
Setzen sie das Gelesene um oder betrachten sie die Bücher eher als reine Unterhaltungslektüren?
Sicher sind die LeserInnen nicht alle gleich, aber das würde es ja so spannend
machen.
Zehn von zehn
Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch:
Ich möchte mich recht herzlich beim Bloggerportal-Knaus-Bücherverlag in München für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars bedanken.
- Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
- Verlag: Albrecht Knaus Verlag (23. Februar 2015)
- Sprache: Deutsch, 19,99 €
- ISBN-10: 3813505154
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