Lesen mit Tina
Ich habe das Buch
am Freitag, 26.8., schon beendet. Ich bin nur nicht dazu gekommen, eine Rezension dazu zu schreiben. Zu dem Buch bin ich ein wenig zwiegespalten. Einerseits fand ich die Themen
in dem Buch recht interessant, andererseits bin ich sehr schlecht in die Lebensgeschichten reingekommen. Gerade am Anfang hatte
ich so meine Mühe und musste erneut zur ersten Seite zurückblättern, weil sich
mir die Namen einfach nicht einprägen wollten. Als schließlich beim zweiten Anlauf die Namen der Figuren
Gesichter bekamen, wurden sie mir allmählich vertraut, aber ich konnte mir
nicht jede Figur merken und nicht jede Figur fand ich interessant. Die Atmosphäre
in dem Buch fand ich außerdem arg unterkühlt und mit Ausnahmen von Anne und
Karl Eckhoff waren mir die anderen Figuren schier unsympathisch. Das habe ich
selten bisher gehabt. Aber es kommt vor und deshalb fällt es mir so schwer,
über dieses Buch eine Rezension zu schreiben.
Der Schreibstil hat mir auch nicht immer zugesagt, manchmal wirkten die Sätze auf mich wie abgehackt ... Über manche Szenen musste ich allerdings lachen, wirkten recht lustig, humoristisch.
Zur Erinnerung
gebe ich erneut den Klappentext rein:
Das „Polackenkind“ ist die fünfjährige Vera auf dem Hof im Alten Land, wohin sie 1945 aus Ostpreußen mit ihrer Mutter geflohen ist. Ihr Leben lang fühlt sie sich fremd in dem großen, kalten Bauernhaus und kann trotzdem nicht davon lassen. Bis sechzig Jahre später plötzlich ihre Nichte Anne vor der Tür steht. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflüchtet, wo ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen – und wo Annes Mann eine Andere liebt. Vera und Anne sind einander fremd und haben doch viel mehr gemeinsam, als sie ahnen.
Außerdem waren das
für mich viel zu viele Personen, auf so wenigen Buchseiten. Jeder Mensch hat darin so seine eigene Geschichte. Es gab
demnach jede Menge Geschichten zu lesen … Mir war dies allerdings ein wenig zu überfrachtet, einfach
auch, weil die Themen und die Menschen recht ernst waren.
Ich tat mir sehr
schwer mit Vera Eckhoff. Eine recht kalte Person, die im Wald sämtliche Wildtiere abknallt und
sie ohne mit der Wimper zu zucken zu Wurst verarbeitet. Das waren sehr blutige
Szenen. Die Autorin hat diese recht detailliert beschrieben, als Vera die abgeschossenen Tiere zerlegt hat.
Man hörte dabei die Knochen knacken. Auch wenn Vera Eckhoff ihre ureigene
Psychologie hat, weshalb sie so geworden ist, wie sie ist, habe ich trotzdem
kein Verständnis für ihre Gier nach Fleisch ... Erst im höheren Alter hörte sie
mit dem Töten auf. Leider hat sie ihr
Trauma als Flüchtlingskind nicht aufgearbeitet … Auch ihre Mutter hat ihr
Trauma nicht aufgearbeitet und verlässt ihre Tochter, bis die Vergangenheit sie schließlich einholt …
Karl Eckhoff, der
Sohn von Ida Eckhoff, kommt nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Hinkefuß
zurück. Seine Mutter erkennt die inneren Nöte ihres Sohnes nicht. Auch Karl ist durch den
erlebten Krieg traumatisiert.
Aber für die Mutter, die nicht in der Lage ist, in das Innere ihres Sohnes zu schauen, vergleicht ihn stattdessen mit zurückgekehrten Soldaten, denen verschiedene
Körperteile fehlen, betrachtet Karls Leid als
gering. Karl habe es
nicht so schwer erwischt und so bagatellisiert sie
seinen Hinkefuß. Karl hat nicht den Mut, über
seine Kriegserlebnisse zu sprechen. Ida Eckhoff, auch eine sehr kalte Person, die Opfer ihrer eigenen Kälte wurde ...
Karl war mir
sympathisch, weil er es war, der sich um die kleine Vera gekümmert hat. Er hat
ihr Spielsachen gebaut, Schlittschuhe geschenkt, sie auf der Schaukel bis zu
den Baumkronen angestoßen. Doch Karl war psychisch sehr angeschlagen, zog sich
in seine eigene Welt
zurück. Später war es Vera, die sich verantwortungsbewusst um Karl gekümmert
hat …
Die kleine Vera
sprach
auch nur das Nötigste,
beobachtete aber recht intensiv ihre neue Welt, ihre neue Heimat, in der
hauptsächlich Plattdeutsch gesprochen wurde ...
Flüchtlinge waren
in dem Dorf nicht erwünscht und sie wurden als Polackenpack beschimpft. Vera kam mit ihrer Mutter
aus Ost-Preußen. Sie wird hier alt, verlebt in dem alten Land über sechzig
Jahren …
Bis eines Tages
ihre Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn Leon auftaucht … Anne ist
alleinerziehende Mutter. Christoph, der Vater
des Kindes, hat
eine neue Freundin, Marion, Lektorin eines Buchverlages. Christoph schreibt
Krimis. Er nimmt sein Kind regelmäßig zu sich ...
Anne, die sich verantwortungsvoll
um Leon kümmert, und sich immer für ihr Kind einzusetzen weiß, war mir sehr
sympathisch gewesen. Sie muss allerdings lernen zu akzeptieren, dass Leon ein
neues Geschwisterchen bekommt und Christoph nicht mehr ihr Partner ist. Marion
ist hochschwanger ...
Anne ist
Vegetarierin und ernährt auch Leon vegetarisch. Die Erzieherin nimmt die vegetarische Haltung nicht wirklich ernst, da Leon im Kindergarten
Gulasch als seine Lieblingsspeise auserkoren hat … Ich fragte mich, welche Haltung hat
die Autorin selbst zu einer fleischlosen Ernährung? Was will sie denn beweisen, dass Leon
Fleisch mag, dass vegetarischessen sinnlos ist? Dass Fleisch schmecken kann, das zweifelt niemand an, man kann
trotzdem auf Fleisch verzichten. Außerdem weiß Leon
gar nicht, dass Gulasch das Fleisch eines getöteten Tieres ist …
Ich mache nun hier
Schluss.
Telefongespräch
mit Tina, Freitag, 26.08.16, um 18:00 Uhr
Ich werde nicht
das ganze Gespräch hier festhalten können, aber es soll gesagt sein, dass der
Austausch zwischen uns beiden sehr schön und recht intensiv war.
Viele Blickpunkte
konnten wir gemeinsam teilen. Auch Tina kam z. B. anfangs schwer rein. Über Annes Musikerfamilie haben
wir gesprochen, die für Anne unglücklich verlaufen ist, da ihr jüngerer Bruder von
dem musikalischen Talent her ihren Platz eingenommen hat, weshalb Anne
schließlich eigene Wege gegangen ist, und sie die Musik ganz aufgegeben hat und
stattdessen in eine Tischlerlehre geht. Tina fand Anne auch am sympathischsten.
Aber Tina hatte Vera gegenüber mehr Verständnis als ich es aufbringen
konnte. Bei mir hört das
Verständnis bei Menschen auf, die Tiere schlecht behandeln.
Tina fand die
Tierszenen auch zu blutig, aber die Tiere würden nicht so leiden wie die Nutztiere in
der Massentierhaltung,
die
z. B. noch nie
Sonnenlicht gesehen haben. Ja, da hat sie wohl recht. Das ist trotzdem
nicht schön, da Tiere auch Familien haben und sie mit dem Abknallen aus dem
Leben herausgerissen werden.
Wie klischeehaft war das Buch in der Frage, ob es immer
Mütter sind, die sich um die Kinder kümmern? Wo bleiben da die Väter? Ich fand
das nicht klischeehaft, sondern ein Teil unserer Realität. Ich habe heute mal
wieder drei befreundete Mütter gesehen, die alle drei einen Kinderwagen vor
sich hergeschoben haben. In Darmstadt gibt es viele familienfreundliche
Gaststätten und es sind überwiegend die Mütter, die dort mit ihren Kindern und ihren Freundinnen einkehren.
Tina und ich freuen uns schon auf unser nächstes Buch, das wir Ende September gemeinsam lesen werden.
Und hier geht es per Mausklick zu Tinas Buchbesprechung.
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Mein Fazit?
Auch wenn mir das
Buch nicht besonders gut gefallen hat, hat es mich als Leserin sehr betroffen
gestimmt. Nun
habe ich aber so gar nichts zu dem Buchtitel geschrieben. Ich möchte nur kurz
anfügen, dass das Landleben sehr hart ist, es aber von den Städtern stark
idealisiert wird, die die
Lebensweise der Bauern abwertend betrachtet haben und sie diese für mehr oder weniger primitiv hielten.
Dann kommt hinzu, dass
die ProtagonistInnen keine Psychohygiene betrieben haben, und ihnen nichts
anderes übrig blieb, als mit dem Trauma bis zu ihrem Lebensende zu leben. Karl
litt für den Rest seines Lebens recht heftig unter der Posttraumatischen
Belastungsstörung, weil er keine Gelegenheit fand, sich mit seinen
Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen. Dabei fällt mir das Buch von dem Psychoanalytiker Alexander
Mitscherlich Die Unfähigkeit zu trauern
ein, dass Menschen, die ihr Trauma nicht aufarbeiten, sie gezwungen seien, die Geschichte
zu wiederholen.
Sieben von zehn
Punkten.
1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
(Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
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