Eine
Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Wow, das Buch hat
mir sehr gut gefallen. Es hat mich recht nachdenklich gestimmt. Ein männlicher,
spanischer Autor, der sich für die (sexuellen) Bedürfnisse einer Frau einsetzt,
hat mir imponiert. Aber nicht nur ... Ein sehr kritischer Roman in mehrerer
Hinsicht; Familie (Auflehnung gegen tradierte Geschlechterrollen und sexuelle
Orientierung), Gesellschaft und Kirche.
Das Buch hat mich
überrascht wegen des kriminalistischen Akts, mit dem ich nicht gerechnet habe. Wir
befinden uns im Jahr 1940, und ich war erstaunt darüber, als die Geschichte über
einen vor vier Jahren (1936) begangenen Mord berichtet, der aufgeklärt werden
soll. Ich werde mich diesbezüglich nicht weiter äußern, um anderen LeserInnen
nicht die Spannung zu nehmen. Obwohl ich keine Krimileserin bin, fand ich ihn
wirklich gut … Die letzten zwanzig Seiten haben sich ein wenig gezogen, nachdem
man als Leserin geglaubt hat, der Mordfall sei bereits ausreichend aufgeklärt
und abgeschlossen. Der Autor weiß es, seine Leserschaft prächtig zu unterhalten
…
Anfangs war ich
von den vielen spanischen Namen ein wenig irritiert, da mir die Figuren noch
alle unbekannt waren. Dies legte sich aber wieder. Man kommt gut rein in die Szenen
und sie lesen sich recht flüssig.
Die Geschichte mit
politischem Hintergrund findet in Spanien statt, um genauer zu sein in Katalonien,
im abgelegenen Dorf namens Pous, wo das Anwesen La Principal steht. Der Roman behandelt drei Generationen. Er beginnt
1940, man wird als Leserin durch eine Erzählerin aus La Principal in die Epoche
1893 zurückgeführt, als ein Inspektor sein Interview bei einer Bediensteten des
Anwesens startet ...
In allen drei
Generationen tragen die Protagonistinnen denselben Namen Maria. Das fand ich erst auch sehr irritierend, da ich Mühe hatte,
sie auseinanderzuhalten. Ich malte mir dann selbst einen Stammbaum auf, den ich
aber langfristig gar nicht gebraucht hätte. Mit jeder zunehmenden gelesenen
Seite wurden mir die Marias und die anderen Romanfiguren allmählich vertraut.
Aber nicht nur ich als Leserin war irritiert, sondern auch die Maria aus der
dritten Generation. Ihr neunzigjähriger Vater Llorenc Costa hatte ein Buch über das ganze Procedere dieser
Familienchronik und deren Problematik geschrieben und gibt es 2001 seiner
mittlerweile sechzigjährigen Tochter Maria zu lesen:
Also, zuerst habe ich überhaupt nichts kapiert, ständig bin ich mit den Marias und den Epochen durcheinandergekommen und musste zurückblättern, um mich zurechtzufinden. (2016, 216).
Das war so die
einzige Hürde, die ich auf den ersten fünfzig Seiten überwinden musste, als ich
mir dann schließlich alle ProtagonistInnen, die der Familie Andreu Roderich und
seiner Frau Maria abstammten, merken konnte.
Aber dieses Verzwickte,
immer wieder von der einen Epoche in die andere zu springen, von der einen
Maria zur anderen, das hat mir dann schließlich Spaß gemacht. Das habe ich im
Nachhinein wie mentale Akrobatik erlebt.
Doch die
Einschätzung bzw. die Charaktere der Figuren aus der ersten Generation konnten
mich auch nicht täuschen, trotz der Beschreibung des Klappentexts. Ich wusste,
dass die junge Maria Roderich, das einzige Mädchen unter ihren vier männlichen Geschwistern,
von ihrem Vater auf dem zweiten Blick nicht benachteiligt wurde … Auch hier
halte ich mich weiter bedeckt.
Was mich tief
beeindruckt hat, waren die Marias aus der ersten und der zweiten Generation,
wie sie als Frauen mit der Macht ihres Anwesens und der Dorfbevölkerung
umgingen. Aber auch die Maria aus der dritten Generation hatte es nicht leicht,
als ein autonomes, freies, sexuelles Wesen von den Männern anerkannt und akzeptiert
zu werden. Insgesamt waren es starke Frauen, die sich gegen die verschiedenen
Männerdomänen sehr gekonnt und beherrscht durchzusetzen wussten ...
Die Beziehung
zwischen Maria Magi und dem Homosexuellen Llorenc
Costa fand ich spannend, in welcher Beziehungskonstellation sie
hauptsächlich schon von Kindesbeinen an und in unterschiedlichen
gesellschaftlichen Schichten trotzdem sexuell zueinander fanden.
Mein Fazit zu dem Buch?
Das Buch hat mir
so gut gefallen, dass ich es irgendwann ein weiteres Mal lesen möchte. Ich
halte den Autor für sehr emanzipiert, indem er in seinem Roman hauptsächlich
den Frauen seine Stimme leiht. Als Mann ist es ihm sehr gut gelungen, sich in
das andere Geschlecht und deren Bedürfnisse hineinzuversetzen.
Außerdem ist das
Buch sehr fantasievoll geschrieben. Mir hat seine literarische Sprache insgesamt
sehr zugesagt. Den Inhalt fand ich historisch recht glaubwürdig und die Charaktere
jeder Figur differenziert und authentisch.
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
(Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
Zehn von zehn
Punkten.
Weitere Informationen zum Buch:
Ich möchte mich
recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionseexemplar beim
Insel-Bücher-Verlag in Berlin bedanken.
D: 19,95 €
A: 20,60 €
CH: 28,50 sFr
A: 20,60 €
CH: 28,50 sFr
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(...) Was Gespür angeht, sind Männer echte Schlafmützen.
(L. Llach, 261)
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