Dienstag, 21. Juli 2015

Jakob Arjouni / Magic Hoffmann (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Held dieser Geschichte nennt sich Fred Hoffmann. Fred Hoffmann ist ein junger Mensch, der zusammen mit seinen beiden FreundInnen Annette und Nickel eine Bank ausgeraubt hat, mit dem Ziel, nach Kanada auszuwandern, um sich dort ein schönes Leben aufzubauen.

Hoffmann wurde allerdings erwischt und bekam vier Jahre auf Bewährung aufgebrummt, während seine beiden FreundInnen flüchten konnten …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Fred, Nickel und Annette träumen einen Traum, und der trägt den Namen >Kanada<. Dort könnte man leben, wie man will, fischen und fotografieren, weit weg vom Muff der Provinz. Doch von Dieburg nach Vancouver kommt man nicht ohne Umweg. Für Fred führt dieser über den Knast in das Berlin nach dem Mauerfall, wo er Nickel, Annette und sein Geld abholen will. So war's besprochen - doch >the times they are a-changin'<.
Nickel und Annette nahmen Hoffmann das Versprechen ab, das Geld gut zu verwahren und nach dem Absitzen der vier Jahre gemeinsam den Traum mit Kanada zu erfüllen.

Hoffmann wirkt ein wenig dümmlich, gutherzig, loyal und doch auch ichsüchtig.

Wie kam Fred eigentlich zu seinem Namen Magic Hoffmann?

Er wurde so im Knast genannt, weil er im Fußball sich als unschlagbar erwies, obwohl er nur einfacher Mittelfeldspieler war.

Die Jahre im Gefängnis machten Fred nicht gefügig und auch nicht einsichtig. Nach den vier Jahren ist er der vollen Überzeugung, einen Anspruch auf das gestohlene Geld zu haben, denn er habe schließlich dafür auch seine Strafe abgebüßt. 
Fred war der alte geblieben-keine Frage. Und er war stolz darauf. Sie hatten ihn nicht klein gekriegt. Weder Sozialisierungsversuche von oben noch kriminelle Mitmachangebote von unten hatten ihm etwas anhaben können. Das Gefängnis war nur ein Wartezimmer gewesen, indem er die meiste Zeit mit geschlossenen Augen gesessen und sich die Ohren zugehalten hatte. 
Im Knast verbrachte er die meiste Zeit damit, Englisch zu lernen, um sich auf Kanada vorzubereiten. Und so gibt Fred immer halbe englische Sätze von sich, als würden sie zu ihm gehören, doch bei anderen kommen diese gar nicht gut an:
Der Wärter seufzte. >>Und gewöhn dir das alberne Englisch ab. Damit hält dich jeder für schwachsinnig, und du kriegst nie `ne Arbeit.<<>>Im Gegenteil<<, sagte Fred, >>wo ich hingehe, kriege ich nur Arbeit, wenn ich Englisch spreche-falls ich überhaupt welche will, Mister.<<  
Die Welt draußen scheint ihm ein wenig fremd zu sein. Manche Redewendungen nimmt Fred sehr wörtlich, was ich lustig fand, wie z. B. antwortete er auf die Frage, was er nun vorhabe, mit <<erstmal Kaffeetrinken<<. J Oder auf die Frage, ob er keine Angst habe, ohne Arbeit zu bleiben, es stehen ja schließlich jede Menge anderer Menschen auf der Straße. Fred schaut aus dem Fenster und wundert sich, da er keine Menschen auf der Straße sieht. :)

Man nimmt an dieser Geschichte wahr, mit welchen gesellschaftlichen Konflikten Berlin nach der Wende zu kämpfen hatte. Typische Probleme wie z. B. Fremdenhass, Neonazis, geteiltes Deutschland wieder vereint, Antifaschisten, hohe Arbeitslosigkeit, etc.
Immerhin war Berlin nicht irgendein Kaff, sondern… naja, Berlin: Geschichte, Krieg, Osten, Luft, Bären, Christiane F., Kennedy.  
Fred befindet sich im Treppenhaus und sucht Nicks Wohnung. Eine ältere Bewohnerin des Hauses hält ihn für den polnischen Klempner, doch als Nick ablehnt, nichts mit Polen zu tun zu haben, erwidert diese:
 >>Gott sei Dank! Hab ich nämlich extra gesagt, kein Pole! Polen kommen mir nicht an meinen Abfluss! Nachher fehlt das ganze Rohr, und in Warschau wird sich `ne goldene Nase dran verdient. So ist es doch! Und heute werden ja nur noch Polen eingestellt, wo man anruft: Polen, Polen, Polen! Dass man nicht >Mein Abfluss ist verstopft< auf Polnisch sagen muss, ist auch schon alles. Stellen Sie sich mal vor: auf Polnisch! In Berlin! Ha! Und mein Mann ist arbeitslos, und ich hab's an der Leber (…)<<
Mir hat sich schon die Frage gestellt, was die Nazivergangenheit bei manchen Menschen gebracht hat? Nun sind die Polen die Bösen und die Juden werden toleriert. In Warschau gab es schließlich auch Gettos.

Die Intellektuellen fordern strengere Einwanderungsgesetze, denn Hitler wäre mit diesen niemals Kanzler geworden ;) …

Als Fred seine beiden Freunde wieder trifft, ist er enttäuscht über deren Entwicklung. Während er noch immer seinem Traum treu geblieben ist, haben sich im Leben von Annette und Nick andere Perspektiven aufgetan. Sowohl beruflich als auch familiär.
Plötzlich zeigt sich Fred von einer völlig anderen Seite …

Mein Fazit: Der Roman ist gekonnt geschrieben. Spannend und originell wie der Autor sein Thema aufgezogen hat. Der Schluss hat mir super gut gefallen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten …
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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

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