Sonntag, 16. Februar 2014

Jerome K. Jerome / Drei Männer in einem Boot (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es war eine recht humoristische Lektüre. Hat mir gut gefallen. Kann ich jedem empfehlen, die / der mal etwas Lustiges mit Anspruch lesen möchte. Intelligent und pfiffig.

Es gibt drei Protagonisten mit einer Nebenfigur. Die Nebenfigur ist der Hund, ein Terrier, mit dem Namen Montmorency. Die anderen drei, das sind der Ich – Erzähler J., Georg und William - Samuel- Harris. Sie begeben sich zu viert auf eine Bootsfahrt, die über einen längeren Zeitraum andauert. Allerdings halten sich die Reisenden nicht nur auf dem Boot auf.

Man muss natürlich die lustigen Episoden am Stück lesen, damit sie  nicht aus dem Kontext so rausgerissen werden. Aus diesem Grund werde ich nur ein paar Beispiele aufführen.

Das Trio ist gerade genervt, von der vielen Ruderei und überlegt sich eine Technik, die nicht so anstrengend sein soll:

Georg sagte: „Fahren wir die Themse aufwärts!" Wir würden dann, sagte er, frische Luft, Bewegung und Ruhe haben; der beständige Wechsel der Szene würde unseren Geist beschäftigen (so viel Harris davon besitzt, mit eingeschlossen), und die angestrengte gute Arbeit würde uns guten Appetit und gesunden Schlaf machen. Harris meinte, er denke nicht, dass Georg sich irgendwie noch anzustrengen brauche, um noch schläfriger, als er ohnehin schon sei, zu werden; das könnte sogar gefährlich für ihn werden. Er meinte, er könne nicht einsehen, wie Georg noch mehr schlafen möchte, da doch jeden Tag, im Sommer wie im Winter, nur 24 Stunden dafür verfügbar seien; wenn er aber noch mehr schlafen wolle, könne er sich nur gleich zum Sterben niederlegen, dann erspare er Kost und Wohnung. (19f)
Diese drei Männer wirken ein wenig unbeholfen. Für uns LeserInnen mag dies lustig sein, aber als Betroffene weniger. Wie sie versucht hatten, das Boot in Fahrt zu bringen, musste ich Tränen lachen.

Was wir ja alle kennen, sind Wettervorhersagen. Wir richten uns oft nach den Prognosen zum morgigen Tag.
Auch die drei Reisenden folgen den Prophezeiungen:
Es ist meine unmaßgebliche Meinung, dass unter allen verrückten, widerwärtigen Bosheiten, von welchen die Menschheit geplagt wird, dieser Humbug mit den Wetterprophezeiungen eine der niederträchtigsten ist. Da wird gerade für heute das Wetter angekündigt, das den Tag zuvor herrschte, das gerade Gegenteil von dem, was in Wahrheit eintrifft. Ich erinnere mich, dass mir letzten Herbst einmal ein Feiertag total verdorben wurde, weil ich auf die Wetterprophezeiungen in unserer Zeitung Rücksicht genommen hatte. >>Heftige Regengüsse nebst Gewitter für heute zu erwarten<<, hieß es an jenem Tag, und somit gaben wir unser beabsichtigtes Picknick auf, blieben den ganzen Tag über zu Hause und warteten auf den Regen. Währenddessen zog Jung und Alt zu Fuß und zu Wagen in heiterster Stimmung an unserer Wohnung vorüber, und den ganzen Tag über lachte der schönste Sonnenschein und kein Wölkchen zeigte sich am Himmel.„Ah!", riefen wir schadenfroh aus, als wir sie unten vorbeiziehen sahen, "wie werden die heute eingeweicht werden." Und wir lachten in uns hinein bei dem Gedanken, wie nass sie werden würden, kehrten zum Kamin zurück, schürten das Feuer, holten uns Unterhaltungsbücher und ordneten unsere Seekräuter und Muschelsammlung. Gegen Mittag aber, als die Sonne immer noch so recht hell ins Zimmer strahlte, wurde die Wärme unerträglich, und wir fragten uns, wann denn wohl jetzt heftige Regengüsse und gelegentlichen Gewitter eintreffen würden?„Oh, die werden am Nachmittag kommen, ihr werdet schon sehen", sagten wir zueinander. "Oh, wie werden die guten Leutchen nass werden. Das gibt einen Hauptspaß!"Um ein Uhr kam unsere Wirtin und fragte, ob wir denn heute nicht ausgingen, da es doch so wunderschönes Wetter sei.„Nein, nein!", gaben wir ihr mit bedeutungsvollem Kichern zur Antwort," wir nicht! Wir haben keine Lust, eingeweicht zu werden."Und als der Nachmittag nahezu vorüber und noch immer kein Anzeichen von dem prophezeiten Regen zu bemerken war, da versuchten wir uns gegenseitig mit dem Gedanken zu trösten, dass das Gewitter auf einmal hereinbrechen würde, gerade wenn die Leute den Heimweg angetreten hätten, nirgends Schutz finden könnten und somit erst recht in die Patsche kommen würden. Aber es fiel kein Regen; der Tag blieb wunderschön, und eine prächtige sternklare Nacht folgte ihm. Den anderen Morgen war zu lesen, dass das Wetter heute warm, schön und beständig sein werde; wir bekleideten uns demgemäß mit unseren leichtesten Anzügen und Dingen aus; eine halbe Stunde später fing es an zu gießen wie mit Kübeln und ein schneidend kalter Wind fing an zu blasen, und beides hielt den ganzen Tag über an, sodass wir abends, mit Erkältung und Rheumatismus behaftet, nach Hause zurückkehrten und schleunigst ins Bett krochen. (57ff)
Ein weiteres Zitat: Jeder kennt das sicher selbst auch von sich, dass einem immer das gefällt, was man nicht hat, bzw. man besitzt, was man nicht braucht. Den Freunden geht es hier nicht anders. Sie befinden sich auf Besuch, bei einem, der Schnitzereien in seiner Wohnung hält, obwohl er sie nicht braucht, sie aber trotzdem besitzt. Die Theorie dazu des Ich - Erzählers J.:
Geschnitztes Eichenholz ist jedenfalls recht hübsch zum Ansehen, wenn man ein paar sehenswerte Stücke besitzt; aber für solche, die keinen Geschmack daran finden, ist es ohne Zweifel drückend, ganz und gar in Eichenholz zu leben. Es käme ihnen vor, als ob sie in einer Kirche wohnen sollten. Das Traurige in seinem Fall war, dass einer, der sich nichts aus Eichenschnitzereien machte, diesen damit skizzierten Salon besitzen sollte, während Leute, die darauf aus sind, enorme Summen dafür bezahlen müssen. Das scheint auf dieser Welt die Regel zu sein. Jedermann hat, was er nicht braucht, und was er braucht, haben andere Leute. Verheiratete haben Weiber und scheinen keine nötig zu haben. Junggesellen härmen sich, weil sie keine bekommen können. Arme Leute, die kaum für sich selbst den Lebensunterhalt erschwingen können, haben sechs bis acht Kindermäuler zu stopfen. Reiche alte Leute haben keine Seele, der sie ihren Reichtum vermachen könnten, und sterben kinderlos. (70)
Und ein wenig religiös können diese Freunde sein, wenn auch ein wenig im Scherzhaften? Denn immer wieder geraten sie mit ihrem Boot in Nöten:
Da kommt die Nacht und legt wie eine liebende Mutter ihre Hand auf unser fieberndes Haupt, richtet unser tränenfeuchtes Antlitz empor gegen das ihre und lächelt uns an; und obwohl sie nicht zu uns spricht, wissen wir doch, was sie uns sagen möchte; wir drücken unsere glühenden Wangen an ihren Busen, und dann schwindet aller Schmerz. Ja! Oftmals ist unsere Pein wirklich tief, nicht bloß in der Einbildung; da stehen wir dann wohl stumm, weil wir keine Worte mehr dafür haben, sondern nur schmerzliche Seufzer. Aber die Nacht hat ein Herz von Mitleid gegen ihre Kinder; sie kann uns unser Weh nicht wegnehmen, aber sie nimmt unsere zuckende Hand in die ihre. Dann schwindet die kleine Welt um uns her in weiter Ferne und wird immer kleiner; in ihren Armen eingelullt übergibt sie uns für einen Augenblick einer höheren Gewalt, als die Ihrige ist, und in dem wunderbaren Licht dieser Himmelsgewalt liegt das ganze Menschenleben wie ein offenes Buch vor uns; wir wissen dann, dass Pein und Sorge nur Engel sind, von Gott gesandt. Nur diejenigen, die die Dornenkronen des Leidens getragen haben, können dieses wunderbare Licht schauen; (131 f)
Dies sollten nur ein paar Beispiele sein. Das Buch ist voll mit lustigen Anekdoten gestreut.

Keine billigen Witze, aber echter Humor mit literarischem Anspruch auf hohem Niveau, weshalb das Buch von mir zehn von zehn Punkten erhält. Ein ganz klein wenig hat mich das Buch an Mark Twains Werk Tom Sawyers Abenteuer erinnert. Ähnlicher Humor.
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Es gibt in unserer Seele Dinge, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

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