Sonntag, 3. Februar 2013

Eowyn, Ivey / Das Schnee Mädchen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich als recht originell erlebt, und teilweise hat es sich wie ein Märchen gelesen.
Von der Sprache her ist es einfach und flüssig geschrieben und trotzdem hat es einen literarischen Anspruch, einfach auch von der Idee her, ein Schneemädchen lebendig zu machen. Da wandert ein älteres Ehepaar in den hohen Norden Amerikas ein, um ein völlig neues Leben zu beginnen in der Wildnis Alaskas, ein Abenteuerleben, wo es heißt, Ärmel hochkrempeln und sich von Null an ein neues Heim als Farmer zu schaffen in einer Gegend, in der man größtenteils auf sich selbst gestellt ist. Kälte, Dürre und Einsamkeit bestimmen dort den Alltag und man muss sehr geschickt sein, dass ein Leben dort gelingt. Es gibt nicht einmal einen Arzt.

In dem Buch geht es auch um wahre Freundschaft.

Mabel und Jack sind die beiden Protagonisten, die als ein älteres Ehepaar eine neue Herausforderung suchen, da ihnen ihr Herzenswunsch, ein Kind zu bekommen, nicht in Erfüllung gegangen ist. Die Initiative ergriff dabei Mabel. Mabel, einst die Tochter eines Literaturprofessors, zeigte sich bereit, von ihrem Wohlstand und aus der hohen Gesellschaft auszusteigen, um woanders neu zu beginnen.

Originell fand ich, dass Mabel schon als Kind mit viel Fantasie ausgestattet war, auch gefördert durch ihren Vater, der ihr abends immer Geschichten vorlas. Dazu gehörte auch ein Buch, das genau das Leben beschreibt, das sie zusammen mit Jack in Alaska führen. Sowohl in dem Buch als auch in Wirklichkeit gab es dieses ältere Ehepaar, das aus der Sehnsucht heraus, ein Kind zu haben, ein Schneekind bauten.
" Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Sie liebten einander sehr und waren ihres Lebens zufrieden. Nur eines erfüllte sie mit großer Traurigkeit: Nie war ihnen ein Kind geschenkt worden." 152
Das Schneekind bekam einen Schal, eine Mütze und Fäustlinge angezogen. Am nächsten Morgen war das Schneekind plattgedrückt und die Winterkleidungsstücke waren nicht mehr vorhanden.

Kurze Zeit danach lernten Mabel und Jack ein kleines Mädchen kennen, das die selben Wintersachen trug, mit denen das Schneekind bestückt war. Sie sahen sich beide recht ähnlich. Das Schneekind und das zugelaufene Kind. Das Mädchen lebte im Schnee und tief in dem Wald, hatte eine Beziehung zu einem Fuchs, den sie als Welpe kannte und ihn aufgezogen hatte.
Jack und Mabel fühlten sich zu dem Kind so stark hingezogen, als wäre es ihr eigenes Kind. Das Mädchen hieß Faina und spürte die Liebe dieses älteren Ehepaares, das ihnen aus Dankbarkeit immer ein paar Geschenke aus dem Wald mitbrachte:
"Als die Kleine an diesem Abend gegangen war, sagten sie immer wieder ihren Namen. Schließlich kam er ihnen leicht über die Lippen. Mabel gefiel es, wie er sich sprach, wie er in den Ohren klang: Hast du gesehen, wie Faina vor dem Essen den Kopf gesenkt hat? Ist Faina nicht ein schönes Mädchen? Was wird Faina bei Ihrem nächsten Besuch wohl mitbringen? Sie waren wie Kinder, die Mutter und Vater spielen, und Mabel war glücklich." 146
Faina war nicht festzuhalten. Sie wirkte recht scheu, schweigsam und zurückhaltend. Sie kehrte nach jedem Besuch von Mabel und Jack immer wieder in den Wald zurück. Wenn der Winter vorbei war, verließ sie die Gegend und zog hoch auf die Berge, auf denen das ganze Jahr über Schnee liegt. Faina ist ohne den Schnee nicht wirklich überlebensfähig. Eigentlich so ein wenig wie das Schneekind, das Mabel und Jack einst gebaut hatten, und wegschmilzt, wenn Tauwetter ist. Bald stellen Maibel und Jack fest, dass Faina kein gewöhnliches Kind ist und das man schwer erziehen kann. Mabel erinnerte sie an eine Elfe. Sie glaubte ganz feste daran, schon aus ihren Kindertagen hielt sie an ihrem Glauben fest:
"Mit acht Jahren war Mabel einmal fest davon überzeugt gewesen, eine Elfe gefangen zu haben. Sie hatte aus Zweigen eine Falle gebastelt und in die Eiche im Garten gehängt. Mitten in der Nacht sah sie vor ihrem Schlafzimmerfenster die Falle im Mondlicht hin und her schwanken, und als Mabel das Fenster öffnete, hörte sie ein hohes Gezwitscher - genauso stellte sie sich das Rufen einer gefangenen Elfe vor. (…) Sie weckte ihre Schwester Ada. Und Ada war aus dem Bett gestiegen, murrend und mit schlafverquollen Augen, sie waren barfuß und im Nachthemd zu der Eiche geschlichen. Doch als Mabel den kleinen Kasten vom Ast nahm und hineinblinzelte, sah sie keine Elfe, sondern einen angsterfüllt lebenden Singvogel. Sie öffnete das Türchen, aber der Vogel wollte einfach nicht heraus fliegen. Daraufhin schüttelte Ada das Kästchen, der Vogel fiel ins Gras, und Mabel erkannte, dass er beinahe tot war. Noch bevor sie ihm im Haus ein Nistkasten auspolstern konnten, war er gestorben." 178 f
Diese Idee, einer Elfe eine Falle zu stellen, um sie zu fangen, fand ich auch total originell.

Mabel, wie schon gesagt, hörte nie auf, an Elfen und Feen zu glauben. Mit der Bekanntschaft Fainas wurde ihr Kinderwunsch wieder lebendig und teilte Jack mit, dass sie in Faina eine Schneefee sehen würde. Jack reagierte darauf ein wenig echauffiert:

"Jeden Sommer zieht sie fort und kommt erst zurück, wenn es schneit. Verstehst du nicht? Sonst… würde sie schmelzen."  
"Großer Gott. Mabel, was redest du da?"
Sie schlug ein Bild auf; es zeigte den alten Mann und die alte Frau auf den Knien neben einem wunderschönen kleinen Mädchen, das bis zum Rumpf im Schnee stand und silberne Juwelen im Haar trug." Siehst du?" Sie sprach wie eine Krankenschwester am Bett eines Patienten, ruhig und einfühlsam. "Verstehst du?"
"Nein, Mabel. Ich verstehe rein gar nichts."  Er schlug das Buch zu und stand auf. "Bist ja nicht mehr bei Sinnen. Willst du mir ernsthaft erzählen, dieses kleine Kind, dieses kleine Mädchen sei eine Art Geist, so etwas wie eine Schneefee? Herr Gott. Herrgott noch Mal." 265
Dass Jack so reagierte, lag auch daran, dass er etwas über Fainas Herkunft in Erfahrung bringen konnte, er es ihr aber nicht weitersagen durfte. Jack hatte Faina sein Versprechen geben müssen.

Faina sorgte für sich selbst. Sie kannte sich in dem Wald aus, wie sonst keiner, nicht einmal ein Farmer kannte den Wald so gut wie sie. Sie war Meisterin im Jagen und im Zerlegen ihrer Beute. Außer dem Ehepaar wusste sonst niemand von ihrer Existenz. Mabel versuchte mit ihren Freunden über Faina zu reden, doch sie glaubten alle, dass Mabel sich das Kind einbilden würde, weil der Kinderwunsch so groß sei.

Das Farmerleben erwies sich als recht hart, aber Mabel und Jack hatten gute Nachbarn, in denen sie Freunde fanden, die ihnen in ihrer schweren Not behilflich waren. Jack kam schwerverletzt aus dem Wald, als er dort Faina suchte.
Als Jack nach längerer Zeit körperlich wieder hergestellt war, kümmerte er sich wieder um seine Farm, die noch immer Hürden aufwies, sie zu kultivieren. Jack schuftet auf der Farm, während Mabel mit der Hausarbeit stark beschäftigt ist:
"Wieder einmal kamen sie vor der großen Leere zu stehen, die zwischen Mabel und Jack lag - Die Leere, die ein Kind hätte füllen können. Ein Mädchen, das Mabel bei der Hausarbeit helfen sollte. Ein Junge für die Feldarbeit." 195
Die Wahrheit, wer Faina wirklich war und woher sie kam, erfuhr Mabel erst sehr viel später. Da ich nicht mehr verraten möchte, verweise ich auf das Buch und beende hier nun meine Notiz.

Das Buch ist noch lange nicht zu Ende!

Das einzige, was mir missfiel, war die ungenaue Altersangaben der beiden Eheleute. Mabel hatte vor zehn Jahren eine Totgeburt. Wie alt mochte sie gewesen sein? Dreißig? Fünfunddreißig? Dann wären Jack und Maibel über vierzig, sie aber wie richtige alte Leute zu beschreiben, als wären sei Greise, fand ich nicht wirklich passend.

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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