Sonntag, 3. Januar 2021

John Irving / Owen Meany (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Was für ein toller Irving. Mit welcher Raffinesse er hier seine Fäden gesponnen hat, um seine Leser*innen in den Bann zu ziehen. Einmal hatte ich mich sogar so richtig gefoppt gefühlt, ich hatte echt gedacht, der Autor will uns Leser*innen hinters Licht führen, uns einen Streich spielen. Ich war total desillusioniert an einer Stelle, auf die ich sehnsüchtig gewartet hatte, endlich eine Antwort auf eine bestimmte Frage zu erhalten. Mehrere hunderte von Seiten musste ich mich in Geduld üben, bis die Antwort schließlich erfolgte. Eine Antwort, mit der ich partout nicht gerechnet hatte. Ich war total perplex. Doch durch das aufmerksame Weiterlesen, man musste sich weiterhin in Geduld üben, kam für mich die Erlösung. Nein, Irving wollte nicht über uns Leser*innen witzeln, sondern Schabernack treiben zu einer bestimmten Institution ... und manchmal sogar zu bestimmten spießigen Figuren, die mich auch amüsiert haben.

Aber Irving ist auch fair, keine mir gestellte Frage ließ er offen, die Antworten kamen alle erst in späteren Kapiteln, was ich als angenehm empfunden habe, weil es den Reiz hatte, unbedingt weiter lesen zu müssen. Manchmal kam eine Antwort erst nach mehreren hundert Seiten. Eine weitere Antwort kam erst zum Schluss. 852 Seiten, man bekam genug Zeit, alle diese Antworten zu finden. Somit war man echt gefordert, mit den Figuren mitzugehen und mitzudenken, wobei viele meiner Hypothesen nicht aufgegangen sind.

Ich habe auf Facebook so viel darüber geschrieben, dass ich jetzt gesättigt vom vielen Schreiben bin und ich mir ein paar Notizen von dort hier auf meinen Blog hieven möchte.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Dieses Mal ziehe ich meine Buchbesprechung anders auf, da das Buch dermaßen tiefgründig ist, auch die Figuren sind sehr außergewöhnlich und vielfältig, dass ich hier überhaupt nicht sagen kann, wer von den vielen Figuren mir besonders gut gefallen hat. Es waren mehrere. Selbst meine Identifikationsfigur hat sich im Laufe des Lesens gewandelt. Wobei ich mich meistens in Owen gespiegelt hatte, der vor allem in der Welt der Erwachsenen sich so sehr kritisch bezogen hatte, in dem er sich ihr auflehnen musste. Das Schöne an ihm, er ging seinen Weg ... Owen war auch seinem besten Freund John gegenüber eine sehr große Stütze. In der Schule und im späteren Leben, auch weil er Johns Mutter ein Versprechen abnehmen musste ... 

Meine Rezension / Meine Leseerfahrung mit dem Buch
Als ich Owen Meany in der hiesigen Nacht beendet habe, ließ er mich sehr nachdenklich und traurig zurück. Irgendwie befand ich mich am Ende in einem Trance ähnlichen Zustand. Erst war ich zum Schluss etwas gelähmt, musste einiges noch sacken lassen. Was ich vor 450 Seiten durch das Lesen zwischen den Zeilen vermutet hatte, hob sich Irving die Details hierzu für den Schluss auf. 

Owen Meany - Für mich der beste Irving / Die Kindheit von Owen und John
Aber wie ich schon auf der #Diogenes Verlag - backlistlesen - Seite auf Facebook geschrieben habe, ist dieses Buch der beste Irving, den ich bisher gelesen habe. Dieser sehr kritische, differenzierte und recht authentisch geschriebener Gesellschafts- und Familienroman erschien 1990 im Diogenes Verlag, 1989 fand die Erstveröffentlichung in Amerika statt.

Nicht nur, dass das Buch eine Kindheit zweier unterschiedlicher Jungen der 1950-er und 1960-er Jahre behandelt, beide 1942 geboren, schließt das Werk zu dem noch eine umfassende Amerikanische Geschichte mit ein, ohne das Buch damit zu überladen .... 

John Irving war seiner Zeit voraus / Politischer Weitblick, der in die Zukunft führt
Ich hänge außerdem dem Gedanken nach, ob Irving so etwas wie einen Weitblick hatte? Konnte er damals, als er das Buch schrieb, z. B. einen Donald Trump, der einerseits eine Witzfigur darstellt, andererseits eine sehr gefährliche Kreatur im Politikum ist, voraussehen? Mich hat dieses Buch auch hierbei sehr beeindruckt, und sicher bin ich mit diesen wenigen Zeilen noch lange nicht fertig mit der inneren Verarbeitung. 

John Iring - Owen Meany und Günter Grass - Oskar Matzerath
Zwischenzeitlich hat mich diese kleine Figur Owen an den kleinen Oskar von der Blechtrommel erinnert. Oskar wollte nicht erwachsen werden, weil auch er mit der erwachsenen Welt nicht klar kam und hat recht früh gelernt, deren Macken zu durchschauen, um dagegen zu rebellieren. Ich hatte aber noch nicht den Mut, diese Parallele Owen zu Oskar zu ziehen, und ziehe sie jetzt, nach dem ich mit dem Buch durch bin.

Wo spielt die Handlung?
Die Kindheit der beiden Protagonisten John Wheelwright und Owen Meany spielt in Gravesend, New Hampshire, im Bundesstaat der Vereinigten Staaten. Der erwachsene John wandert durch eine Identitätskrise als Amerikaner nach Kanada aus und lässt sich dort einbürgern. Die Amerikanische Geschichte umfasst die Nachkriegszeit, John F. Kennedy, die 1968er Bewegung, Vietnam Krieg, u. v. m.

Owen Meany ist eine hochsensible und strenggläubige Persönlichkeit, die ihn aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit über einen Gendeffekt zu einem besonderen Menschen im Positiven wie im Negativen macht. Owen Meany  ist groß im Denken und groß im Fühlen ... Aber er ist mit seinen 150 cm nicht nur klein geraten, auch sein Kehlkopf ist von dem Gendeffekt betroffen, der Owen dadurch mit einer extrem auffälligen, schrillen Stimme ausstattet, die selbst mit dem Älterwerden nicht aus ihm herauswachsen will ... Er muss sich bei den Gleichaltrigen aber auch bei den Erwachsenen durchsetzen, um gesehen zu werden. Die Stimme allerdings verschafft ihm mit der Zeit Gehör ... Er verfolgt durch seine kleinwüchsige Besonderheit eine religiöse Mission, und fühlt sich von Gott auserwählt, diese Mission zu erfüllen. 

Owens Vater ist im Steinbau tätig und führt ein eigenes Granitgeschäft. Die Mutter lebt angeblich wegen einer schweren Feinstauballergie hinter verschlossenen Türen und Fenstern und zeigt ein seltsames Verhalten auch Owen gegenüber. Die Eltern sind sehr religiös, waren erst Katholiken, sind allerdings aus der katholischen Kirche ausgetreten, da ihnen das Leben aus bestimmten Gründen von der Kirche her schwer gemacht wurde und sind in die Episkopalkirche konvertiert, in der auch die Familie Wheelwright angebunden ist, die zuvor zu den Kongregationalisten zählte ...

Owen selbst ist stark dem Gott-Glauben gebunden und schon in Kinderjahren bibelfest. Er zeigt allerdings eine extrem starke Rebellion der katholischen Kirche gegenüber ...

Auch John Wheelwright hat Ecken, da er vaterlos ist. Seine alleinerziehende Mutter Tabitha  verschweigt ihm den Namen des Erzeugers ... Es ist Owen, der sich ihm bei der Vatersuche behilflich zeigt ... So richtig alleinerziehend ist die Mutter aber nicht, denn in Johns Erziehung wirkt auch ihre Mutter Harriet mit ein. 

Zwischen Owen und John entwickelt sich eine besondere und lebenslange Freundschaft. Owen ist körperlich zwar klein geraten, aber zeigt immense geistige Größe und erhält als Schulbester jeden Schulabschluss, den er haben wollte … Er wird sogar an der Gravesent - Akademy Schulsprecher und kritischer Autor einer regelmäßigen Schülerzeitung. 

Eine besondere Rolle spielt auch Johns Mutter in Owens Leben, allerdings nicht nur, dass sie die durch sein Einwirken über einen sportlichen Unfall tödlich aus dem Leben gerissen wurde …

Cover und Buchtitel 

Das Cover hat mich sehr angesprochen und noch vor dem Lesen musste ich mich fragen, welche Bedeutung es haben könnte? Die Auflösung ist dem Buch zu entnehmen. Das Motiv, eine ärmellose Schneiderpuppe mit dem roten Kleid, ist als ein Double mit Johns Mutter in Verbindung zu bringen.

Zum Schreibkonzept
Das Buch beginnt mit einer Widmung an John Irvings Eltern. Auf der folgenden Seite gibt es zwei Bibelverse, anschließend einen dritten Spruch, der sich auch an die Christmenschen richtet. Diese drei Verse bereiten die Leser*innen auf die Hauptthemen des Buches vor.

Owen spricht in Großbuchstaben. Im Buch ist ein Kapitel mit Die Stimme belegt. 

Anschließend ist ein Inhaltsverzeichnis abgedruckt, das mit neun Kapiteln untergliedert ist. Das Werk umfasst 852 Seiten. Am Ende ist eine Danksagung mit abgedruckt.

Der Schreibstil ist flüssig und sehr authentisch sind die Lebensereignisse und die Charaktere aller Figuren beschrieben. Die Geschichte wird in der Retroperspektive aus der Ich-Perspektive des erwachsenen Johnny Wheelwright erzählt.

Die Erzählperspektiven wechseln ab zwischen Vergangenheit (1950er und 1960er-Jahre) und der Gegenwart (1987).

Die Erzählstruktur ist sehr strategisch gewählt, sodass dadurch die Neugier bis zum Schluss lebendig bleiben konnte.

Meine Kritik?
Ich kann mir vorstellen, dass viele Owen als einen kleinen witzigen Gnom in der Luft zerreißen werden, obwohl er alles andere als witzig ist. Mir ist er dagegen wohlwollend ans Herz gewachsen. Mit seiner außergewöhnlichen charismatischen Art schafft er es, andere 
von seinen Ideen zu überzeugen und andere wiederum zur Weißglut zu bringen. Wie aus dem Werk zu entnehmen ist, war er durchaus auch ein Mensch, den man lieben konnte. Man kann Owen  mögen, man kann ihn aber auch als unausstehlich, unsympathisch und als unbequem wahrnehmen. Es gibt etliche Szenen, die aufstoßen lassen, dennoch halte ich zu ihm. Nicht nur, dass er Mut bewiesen hat, ein Leben seiner Art zu meistern, sondern weil er in der Lage war, sich kritisch einem System gegenüber zu stellen, das von anderen nicht hinterfragt wurde. Wobei Mut nicht der richtige Ausdruck ist. Er hat agiert, weil er nicht anders konnte. Er musste einfach Missstände aufdecken. Und er musste diese Missstände aufzeigen, den Menschen radikal den Spiegel vorsetzen, sie aufrütteln, wenn er weiter in seiner Welt überleben wollte. Ich beneide ihn, weil er mit seiner Energie so viel Kampfgeist bewiesen hat, und er damit viele Menschen zum Nachdenken bewegt hat. Er war in allem einfach schlagfertig aber nicht im Bösen, nicht in einer narzisstischen und egomanen Form. Ihm ging es nicht um Konkurrenz und um recht haben müssen, nicht um besser sein müssen als andere. Ihm ging es immer um die Sache selbst, für die er eingestanden hat.

Mein Fazit
Ein Buch über Freundschaft, Religion, Liebe, Lügen, Politik. Ein großes Buch über Loyalität. Ein Buch über Wunder …

Nach dem Lesen musste ich die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende nochmals vor meinem inneren Auge Revue passieren lassen. Dieser Irving hat es verdient, ein zweites Mal gelesen zu werden.

Viel Feingefühl, viel Esprit und jede Menge Weisheiten hat er in seine Geschichten gewoben.

Owen Meany ist in meine Seele eingezogen und wohnt da erst mal. 

Mein Highlight zum Jahresabschluss von 2020.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Obwohl dieses Buch mittlerweile zu den modernen Klassikern zählt und es viele Irving-Fans schon nach der Erstveröffentlichung gelesen haben, gibt es doch noch einige wie mich, die erst jetzt empfänglich für diesen Buchtitel geworden sind. Im Netz wurde ich auf eine Buchbesprechung dazu aufmerksam und musste mir, nach dem ich den Klappentext studiert hatte, das Buch unbedingt auch zulegen.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (sachlich, fantasievoll, distanziert)
2 Punkte: Differenzierte, facettenreiche Charaktere 
2 Punkte: Authentizität der Geschichte; autobiographische Erzählweise
2 Punkte: Erzähl-und Schreibstruktur, Gliederung: Ungebunden
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein.

12 von 12 Punkten

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Das erste Wunder, an das ich glaube,
ist mein eigener Glaube.
(Owen Meany)

Gelesene Bücher 2020: 25
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich lese mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen

Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

„Bäume haben Wurzeln, doch Menschen haben Beine, und der liebe Gott wird sich schon bei der Einrichtung der Welt auf diese Weise etwas gedacht haben. Im Grunde sind wir nicht dazu da, ortsfest wie ein Baum zu leben“.
(Denis Scheck im Interview mit Iris Wolf, aus ARD-Buchmessenbühne 2020)

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

 


Freitag, 25. Dezember 2020

Michael Repkowsky / Hochensibel und glücklich

Das kleine Buch für große Herzen

Ich möchte gerne zwei Bücher zu dieser Thematik hier rein stellen. Es kann gut sein, dass ich später in einem separaten Posting ein drittes Buch dazu nehmen werde, um es zu besprechen. Ich bin vermehrt von anderen mit der Nase darauf gestoßen worden, und weil sich dies nun wiederholt hat, bin ich bereit, dieses Thema auch auf meinem Blog zu behandeln, da ich es mit einigen hochsensiblen Menschen zu tun habe.

Selbst in Irvings Buch Owen Meany, das ich gerade lese, geht es um eine hochsensible Persönlichkeit. Und ich lese ausgerechnet jetzt, zufallsbedingt, diesen Irving. Von allen Seiten scheint diese Thematik gerade auf mich einzudringen. 

Ich stelle erst einmal das Buch von Michael Repkowsky vor, weil mir dieses zu Weihnachten geschenkt wurde. Ich notiere ein paar Leseeindrücke am Ende der Vorstellung, bevor ich ein ein anderes Buch daran anschließen werde. Es ist das Buch von Sylvia Harke mit dem Buchtitel Hochsensibel ist mehr als zartbesaitet ... Auch zu diesem Band halte ich am Ende ein paar Eindrücke fest, vor allem was der Tierschutz und die Spiritualität betreffen. 

Klappentext  

Hochsensibilität ist keine Schwäche, die zu einer Stärke gemacht werden muss, sondern eine Gabe, die bereits kraftvoll genug ist.

Dieser Ansatz müsste sowohl hochsensiblen Kindern als auch Erwachsenen vor Augen geführt werden, damit sie sich selbst besser verstehen und sich nicht mehr kleiner machen, als sie sind.

Das kleine Buch für große Herzen richtet sich an Menschen, mit sensiblen Wahrnehmungskanälen. Menschen, die mehr spüren als andere. Menschen, die intensiver fühlen, weil sie mit ihrer Intuition tief verbunden sind, auch wenn sie das vielleicht gar nicht wissen.

In einer hektischen Welt fällt oftmals derjenige auf, der von den enormen Sinneseindrücken überfordert ist. Derjenige, der Missstände und Ungerechtigkeit frühzeitig erkennt und sich entsprechend äußert, wird nicht selten als „abnormal“ bezeichnet.

Demjenigen, den ehrliche Worte, herzliche Gesten und friedvolle Taten berühren, sagt man häufig nach, er sei „zu sensibel“ für diese Welt.

Autor*inporträt

Michael Repkowsky, dipl. Motivationscoach und mehrfacher Nr. 1-Bestsellerautor, besticht vor allem durch seine authentische lösungsorientierte Denk- und Herangehensweise. Bereits in jungen Jahren wird er „der wandelnde Wecker“ genannt, da er seine Mitmenschen permanent zum Hinterfragen anregt, sie gewissermaßen aufweckt. Heute werden seine Bücher als „Spiegel in Schriftform“ bezeichnet, da sich der Leser darin selbst wiedererkennt.

Meine ersten Leseeindrücke

Viele Hochsensible fühlen sich von ihren Mitmenschen meist völlig falsch eingeschätzt, sodass sie häufig mit Vor- und Fehlurteilen anderer kämpfen würden, nicht selten auch mit einer sehr überheblichen Art, was ihnen in der Auseinandersetzung mit diesen sehr viel Kraft kosten würde. 

Ich bin keine Leserin von Ratgeberbüchern, mache hier aber eine kleine Ausnahme, da diese Thematik in Fachkreisen noch zu dünn gestreut ist.

In diesem Werk werden die verschiedenen sensiblen Wahrnehmungskanäle beschrieben, mit denen HSP ausgestattet seien. Ich habe mich mit vielen HSP-lern ausgetauscht, sie befragt, wie sie sich fühlen, wenn sie Ungerechtigkeiten wahrnehmen, oder versteckten Rassismus, oder viele andere subtile Missstände ... Viele von ihnen haben den Eindruck, mit ihrer Wahrnehmung  alleine zu stehen, in dem man versuchen würde, ihnen ihre Sichtweisen auszureden in einer Art, als wären sie gefühlt beschränkt. Und tatsächlich, denn auch ich beobachte häufig, dass für viele das Gros dieser Missstände zur Normalität geworden ist, man sich daran gewöhnt hat, und man dadurch zu wenig die Presse bzw. die Medien hinterfragt, die häufig in ihren Berichterstattungen sehr einseitig und undifferenziert sich entwickelt haben ... Aber soweit muss man noch nicht mal gehen. Selbst im einfachen Alltag, im zwischenmenschlichen Bereich, erleben viele häufig Beschimpfungen und ein Kleinmachen, wenn sie sich für etwas einsetzen oder wenn sie Gedanken zu bestimmten Themen vorsichtig offen darzulegen versuchen, die nicht der Sichtweise der Allgemeinheit betreffen. Viele von ihnen beginnen an sich selbst zu zweifeln. 

Lege dir ein dickes Fell zu, bekommen sie häufig beim Aufdecken der Missstände zu hören. Oh je, sagte mir eine Betroffene, die wollen doch nicht, dass ich abstumpfe ...

Tolle Erfahrungen mit bestimmten Menschen
Viele hätten aber auch die tolle Erfahrung gemacht, dass je höher der Mensch intellektuell gebildet sei, desto mehr würden sie sich von diesen Menschen verstanden und sich bei ihnen gut aufgehoben fühlen. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, Da hier ein konstruktiver Austausch gehobener Art stattfinden würde, der allen Beteiligten gut tut, und sie alle sogar gleichermaßen voneinander profitieren. Niemand ist hier falsch, alle sind so, wie sie sind, richtig, solange man niemanden mit seiner Art schadet.

Vielen Dank demnach an meinen Schenker für dieses wunderbare Buch, das in einem Selbstverlag herausgebracht wurde. Mit diesem Buch werde ich vielen Menschen dieser Art eine Orientierung geben können, mit sich und ihrer Hochsensibilät besser klar zu kommen. Vor allem die Selbstwertschätzung ist hier ganz wichtig. 

Das Cover finde ich wunderschön und sehr ansprechend. 

FazitEin sehr lesenswertes Buch. Menschen mit psychologischer Vorbildung können es auch gut quer lesen. 

Buchdaten

·            ASIN : B0897B3Z9R

·            Herausgeber : Independently published (26. Mai 2020)

·            Sprache: : Deutsch

·            Taschenbuch : 118 Seiten


Weiter geht es nun mit Sylvia Harke.

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Sylvia Harke / Hochsensibel ist mehr als zartbesaitet

Klappentext  

Von Partnerschaft bis Berufsleben: Hochsensible Menschen 
müssen sich in allen Lebensbereichen besonderen Herausforderungen stellen. Vieles, was für normalsensitive Menschen keine Belastung darstellt, ist für Menschen mit HSP bereits eine Überstimulation, die Stress auslösen kann.

Wie Hochsensible den Alltag gelassen meistern können, erklärt die Psychologin Sylvia Harke in ihrem zweiten Ratgeber. Wunderbar praktisch, feinfühlig und ermutigend gibt sie konkrete Tipps:

·        Was ist Hochsensibilität und wie funktioniert die Wahrnehmung bei hochsensiblen Menschen?

·         Wie lerne ich, mit Stresssituationen umzugehen und fit für den Alltag zu werden?

·         Wie kann ich hochsensible Kinder stärken und wertschätzend begleiten?

·         Von Arztbesuch bis Vorstellungsgespräch: Typische Lebenssituationen und wie Hochsensible sie meistern können

Antworten auf Fragen hochsensibler Menschen

Mit großem Fingerspitzengefühl und viel Einfühlungsvermögen gelingt es der erfahrenen Therapeutin, Männer und Frauen mit HSP zu erreichen und sie dort abzuholen, wo sie sich innerlich wirklich befinden. Sie kennt die Fragen hochsensibler Menschen und ihrer Angehörigen aus eigener Erfahrung – sowohl als Therapeutin als auch als Betroffene.

In ihrem Ratgeber Hochsensibel ist mehr als zartbesaitet gibt Sylvia Harke konkrete Antworten auf alle relevanten Fragen und lässt uns an ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz teilhaben. Eine wahre Schatztruhe an Tipps und Inspirationen, die bei allen hochsensiblen Menschen - stets griffbereit zum Nachschlagen - ihren festen Platz im Regal haben sollte!

Autor*inporträt

Sylvia Harke (*78) ist Diplom-Psychologin und selbst hochsensibel.
Sie gründete die www.hsp-academy.de

Gemeinsam mit ihrem Mann Arno gibt sie Seminare, Online-Kurse & Ausbildungen zur Hochsensibilität. Die Autorin ist Expertin in den Bereichen Selbstwert & Abgrenzung, Berufung, Kreativität und Beziehungen.

Sylvia steht mit ihrer Arbeit für Tiefe, Klarheit, Intuition: gepaart mit einer pragmatischen und ganzheitlich-spirituellen Psychologie. Sie lebt, was sie schreibt.

Mit ihren Büchern, Seminaren und im Coaching vermittelt sie effektive Methoden, um Selbstbewusstsein zu stärken, die eigene Identität zu verstehen und- wenn es sein muss: neu zu sortieren. Dabei geht sie intuitiv vor.

Sylvia Harke lebt mit ihrem Mann in den Bergen des Hochschwarzwaldes, in der Nähe von Freiburg im Breisgau.

In ihrer Freizeit widmet sie sich kreativen Hobbys: wie Malen, Schreiben, Tanzen und Musik.

 

Meine ersten Leseeindrücke

Mich hat beeindruckt, wie umfassend die Autorin in nur wenigen Sätzen in der Einleitung ihres Buches die Hochsensibiltät zusammengetragen hat. In dem unteren Abschnitt hätte ich auch hier alles fett markieren können, beschränke mich aber nur auf zwei Bereiche, von denen ich oben noch nichts geschrieben habe. 

Was ist Hochsensibilität?

Allgemeine Merkmale Hochsensibilität wird in der Psychologie als eine Veranlagung des Temperaments beschrieben, die Menschen und Tiere zu einer feineren Wahrnehmung befähigt. Eine grundlegende Eigenschaft von Hochsensiblen besteht in der sorgfältigen Informationsverarbeitung. Das bedeutet, dass sie gründlich über alles nachdenken, bevor sie handeln. Die intensive Verarbeitung von Umweltreizen befähigt sie zu einer ausgeprägten Empfindungsfähigkeit und einer differenzierten Wahrnehmung für andere Lebewesen. Man schätzt, dass ca. 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel sind. Da Hochsensible deutlich mehr wahrnehmen, fühlen sie sich schneller von Eindrücken überreizt. Sie brauchen Rückzug und Ruhe, um Erfahrungen zu verarbeiten. Hochsensible verspüren starke emotionale Empfindungen und reflektieren ihre Lebensereignisse überdurchschnittlich. Dabei können sie zum Grübeln neigen. Etwa 70 Prozent der Hochsensiblen sind introvertiert veranlagt, eher schüchtern und gehemmt. Sie neigen zu Perfektionismus und Gründlichkeit bei der Erledigung von Aufgaben. Viele Hochsensible sind auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und interessieren sich für Spiritualität. Sie engagieren sich, motiviert durch ihre Naturverbundenheit, für den Tier- und Umweltschutz oder in sozialen Projekten. Bildlich gesprochen, haben Hochsensible feine Fühler, mit denen sie kleinste Details und größere Zusammenhänge erkennen. Sie sind interessiert an Kunst, Literatur, Philosophie, Natur und Meditation.

Denn die Autorin hat noch andere Aspekte benannt. Z. B. Aspekte des Tierschutzes und der Spiritualität; ich habe dies im Text oben durch den Fettdruck hervorgehoben. Mit diesen verschiedenen sensiblen  Wahrnehmungskanälen erkläre ich mir, weshalb die Tierkommunikation bei Hochsensiblen Menschen gelingt, während sie bei vielen anderen nur Humbug ist. Und beide Seiten haben dennoch recht. Für die einen ist die Wirksamkeit der Tierkommunikation wahr, für andere wegen des Nichtgelingens eben nicht. Beide Sichtweisen haben recht. Es gibt immer mehrere Realitäten, mehrere Wahrheiten. Und beides gilt zu achten und zu respektieren.

Aber es geht nicht nur um die Tierkommunikation. Jedes Tierleid, von dem HSP-ler mitbekommen, "zerreißt" ihnen innerlich das Herz und sie benötigen viel Zeit und Kraft, um diese Ereignisse zu verarbeiten. Selbst in einer Wurst würden viele nicht nur die Wurst sehen, sondern das ganze Tier sehen. Und dies schmerzt innerlich dermaßen, zu sehen, wie Tiere im Schlachthaus vor dem inneren Auge abgeschlachtet werden, während andere genüsslich und gedankenlos ihre Wurst dabei verzehren. Warum schmerzt die Tiertötung den einen, während andere gedankenlos Teile eines toten Tieres so selbstverständlich in sich hineinschlingen? Das Tier ist tot, das gerne weiter gelebt hätte, wird noch vor seinem Tod gequält und misshandelt. Viele Tiere werden bei unsachgemäßer Behandlung bei lebendigem Leib geschlachtet ... Bis der Tod hier einsetzt, dauert länger, als der Verzehr dieses Fleisches. 

Die Sinnsuche
Viele weitere wichtige Aspekte wie z. B. Sinnsuche und stark ausgeprägtes Interesse für Grenzwissenschaften sind dem Buch zu entnehmen. Von vielen Hochsensiblen höre ich, dass sie einen Hang dazu haben, das allerdings nichts mit Leichtgläubigkeit und Naivität zu tun hätte. 

Demnach kann ich dieses Buch ebenfalls sehr empfehlen, auch für Profis, da diese Thematik noch relativ neu in Kreisen der Fachleuten besetzt ist. In Fachzeitschriften findet man gelegentlich einen wissenschaftlichen Artikel dazu. Im Netz sind sogar einige Selbsttests zu finden, die ich nicht wirklich empfehlen kann. Viele Fragen fand ich zu schwammig. Wen das aber nicht stört, und eine kleine Orientierung für den Anfang sucht, um sich im Anschluss daran weiterzubilden, kann diese ruhig selbst einmal ausprobieren.

Und hier geht es zu einer weiteren Buchbesprechung dieser Thematik.

Buchdaten / Kindleversion

·       ASIN : B01N12NGHR

·       Herausgeber : Via Nova, Verlag; 2. Edition (30. Januar 2017)

·       Sprache: Deutsch

·       Dateigröße : 3129 KB


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Wehe denen, die Böses gut, 
und Gutes böse nennen.

(In Owen Meany von John Irving)

Dienstag, 15. Dezember 2020

John Irving / Owen Meany

Klappentext  

Aus dem Amerikanischen von Edith Nerke und Jürgen Bauer

John Irvings Auseinandersetzung mit einem halben Jahrhundert amerikanischer Geschichte, mit der Frage nach dem Glauben in einer chaotischen Welt: die bewegende Geschichte der einzigartigen Freundschaft zwischen Owen Meany und John Wheelwright. Man schreibt den Sommer 1953, die beiden elfjährigen Freunde Owen und John spielen Baseball, als ein fürchterliches Unglück passiert…  

Autor*inporträt

John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Toronto. Seine bisher vierzehn Romane wurden alle Weltbestseller und in mehr als 35 Sprachen übersetzt, vier davon verfilmt. 1992 wurde Irving in die National Wrestling Hall of Fame in Stillwater, Oklahoma, aufgenommen, 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans ›Gottes Werk und Teufels Beitrag‹. 2013 erhielt er die weltweit wichtigsten Auszeichnungen für seine Darstellung von sexueller Toleranz und Gleichbehandlung in seinem literarischen Werk.

Meine ersten Leseeindrücke

Mit obigem Buch setze ich nun mein Leseprojekt, diesmal mit John Irving, fort. Ein Autor, der aus der Reihe tanzt. John Irving, der Exzentriker. Ich lese mit Lucia Hig, die ich auf der Diogenes-#backlistenlesen auf Facebook kennengelernt habe.

Es ist ein opulentes Werk, das mich lange beschäftigen wird, weil ich es von der Thematik bzw. von der Handlung her nicht in einem Rutsch lesen kann. Außerdem lese ich es langsam, weil ich es genießen möchte.

Dieser Irving gefällt mir total gut. Eine sensible Sprache und wie immer gesellschafts- und familienkritisch geschrieben, diesmal ohne künstlich abzuheben, ohne arge Übertreibungen wie ich dies bei manch anderen Werken von ihm erlebt hatte, und dennoch pointiert genug. Gefällt mir sehr. Irving weitet hier mit seinem Buch mein Herz ... 

Ich habe außerdem auch schon raus, was das Bild auf dem Cover bedeutet. Ich finde es ein sehr schönes Buchmotiv, das total zu Irving passt, viel mehr zu eine der Protagonistinnen.

Ich würde so gerne John Wheelright und Owen Meany persönlich kennenlernen. Dadurch würde ich mir gerne die Verfilmung anschauen, wenn ich mit dem Buch durch bin. In meiner Recherche habe ich eruieren können, dass es zu dem Buch tatsächlich eine Verfilmung in etwas abgewandelter Form gibt.

Macht zudem Freude, Buch und Film miteinander zu vergleichen.

Meine Identifikationsfigur habe ich auch schon gefunden. Leider hat sie nicht lange gelebt aber ich hoffe, sie wird weiterhin noch viele Seiten füllen. Ich befinde mich erst auf der Seite 170.

Buchdaten

·       Herausgeber: Diogenes Verlag; 1992

·       Sprache: Deutsch

·       Taschenbuch; 864 Seiten

·       ISBN-10: 3257224915

Hier geht es zur Verlagsseite von Diogenes.

Hier geht es zur Buchbesprechung.


Dienstag, 1. Dezember 2020

Charles Dickens / Weihanchtsgeschichten und Erzählungen

 Lesen mit Anne 

Anne und ich stimmen uns mit Dickens in die Advents- und Weihnachtszeit ein. Wir lesen jedes Wochenende eine Erzählung. Ich habe alle ins Deutsche übersetze Dickens-Bücher gelesen. Aber die Erzählungen habe ich nicht alle durch. Es war Anne, die den Vorschlag gemacht hat, sie uns vorzunehmen und habe zugestimmt und freue mich darauf, sie mit ihr zu lesen.

Wir beginnen mit den Weihnachtserzählungen aus dem roten Band. Anne besitzt die Ausgaben eines anderen Verlages, die sie vielleicht auf ihrem Blog vorstellt. Ich habe sie dazu noch nicht befragt. 

Klappentext  

Der vorliegende Band enthält eine Auswahl der schönsten Weihnachtserzählungen und Weihnachtsmärchen von Charles Dickens.

Weihnachtslied ,Die Silvesterglocken, Das Heimchen am Herd, Der Kampf des Lebens, Doktor Marigold, Mrs. Lirripers Fremdenpension, Die Geschichte des Schuljungen, Die Geschichte des armen Verwandten. Mit den Illustrationen der Erstausgaben.

Autor*inporträt

Für viele Leser ist der Name Charles Dickens verbunden mit dessen „Lieblingskind“ „David Copperfield“ (1849-50). Geboren wurde Dickens 1812 als Sohn eines Marinezahlmeisters in Landport bei Portsmouth. Nach zunächst glücklicher Kindheit musste er schon früh Geld verdienen, weil sein Vater zwei Jahre im Schuldgefängnis saß. Der junge Charles arbeitete in einer Schuhwichsfabrik, war Schreiber in einer Anwaltskanzlei und Journalist. Mit Zeitungsgründungen und durch das Schreiben von Romanen und Geschichten wurde er schnell erfolgreich und berühmt. Die Leser mochten seine anfangs humorvollen, später eher düsteren Romane, die das Leben in der englischen Mittel- und Unterschicht kritisch beschrieben. Dickens war verheiratet und hatte 10 Kinder. Er starb 1870 nach einem Schlaganfall.

Unsere ersten Leseeindrücke

Zum ersten Advent haben wir uns schon die erste längere Erzählung Weihnachtslied vorgenommen. Wir kannten sie beide, lesen sie dennoch. Manches an der Sprache finde ich ein wenig verkitscht, aber dennoch habe ich meine Freude daran. Nach Beendigung dieser Erzählung werde ich ein paar Zeilen in diesem Thread mit dem Unterpunkt Ein paar Gedanken zu den jeweiligen Erzählungen schreiben, ohne in die Tiefe gehen zu wollen.  

Dickens war mein Vorbild

Ich liebe Dickens sehr, weil er meine Kindheit geprägt hat. Viele meiner Mitmenschen bezeichnen mich heute als sehr empathisch. Dies, glaube ich, habe ich ausschließlich ihm zu verdanken, da ich meine Kindheit in einer recht kühlen Welt zugebracht hatte, wo es mir an warmen Vorbildern gefehlt hat. In der Schule gab es eine Lehrerin, die uns zu lehren versucht hatte, dass man Bettlern kein Geld geben dürfe, da sie Armut nur vortäuschen würden. Zu Hause ähnliches Bild Menschen gegenüber, die in der Gesellschaft als Versager gelten.

Meine Mutter erzählte mir, dass sie mir, als ich zehn Jahre alt war, eine kleine Tüte mit gesparten Münzen geschenkt hatte. Ich sollte raus gegangen sein, und hätte die Tüte einem Obdachlosen überreicht, worüber sie ziemlich erbost war. Schade, dass ich mich an diese Szene gar nicht erinnern kann. Nur mein Vater fand meine weiche Art toll.

Tränen sind mir gekullert, wenn ich  Dickens gelesen habe, und auch die Verfilmungen hatten mich innerlich tief berührt. 

Buchdaten

·      Gebundene Ausgabe : 624 Seiten

·      ISBN-10 : 3868202358

·      Abmessungen : 13.4 x 5 x 19.3 cm

·      Herausgeber : Nikol (1. August 2018)

·      Sprache: Deutsch

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Ein paar Gedanken zu den Erzählungen.

1. Weihnachtslied
Hat meine Aufmerksamkeit etwas geschwächt, da ich diese Erzählung unter einem anderen Titel kenne. Die Weihnachtsgeschichte, von der ich die Verfilmung wiederholte Male mir angeschaut habe, sodass ich von dieser reichlich gesättigt bin.

Ja, wie man dies von Dickens kennt, der von einer Lebenswelt schreibt, die in schwarz-weiß- Facetten gehaucht ist, dich mich aus diesem Grunde nicht mehr so angezogen hat. Als Kind fand ich diese Schwarz-Weiß-Welt, diese Gut-und-Böse, spannend, weil für Kinder diese zwei Kategorien als hilfreich empfinden, die Welt und die Menschen besser einordnen zu können, wenn ihnen im Alltag diverse Vorbilder fehlen. Aber heute, als eine Erwachsene, erfüllen mich diese Kategorien definitiv nicht mehr. 

Mit Anne hatte ich einen telefonischen Austausch. 
Anne fand mache Textstellen wunderschön formuliert, wo ich ihr nur zustimmen kann. Manche Zeilen wirken ein wenig sentimental, andere wiederum sehr hochwertig. 

Sonntag, 29. November 2020

Stefano Mancuso / Die unglaubliche Reise der Pflanzen (1)

Foto: Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Ein wunderbares, inspirierendes Sachbuch zur Pflanzenkunde, das mich sehr nachdenklich gestimmt und mein Bewusstsein zu dem Leben der grünen Gewächse noch weiter geschärft hat. Man bekommt es hier mit vielen neuen Erkenntnissen zu tun, von denen ich zuvor noch nichts gehört habe. Aber manches kannte ich schon durch die Bücher von Peter Wohlleben, nicht nur, dass Pflanzen in der Lage sind, untereinander zu kommunizieren, sondern sie wie die anderen Mitseelen auch, Individuen seien. Ein paar weitere wichtige Aspekte fand ich äußerst interessant, denn ich wusste nicht, dass Pflanzen ein Geschlecht haben und sie demnach auch geschlechtsfähig wären und sie sich durch sexuelle Fortpflanzung vermehren würden. Wie sie das machen, hat Mancuso sehr schön in seinem Buch geschildert. 

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Um was geht es in diesem Buch?
Im ersten Kapitel geht es um Pflanzen als Pioniere, als Kämpfer und Heimkehrer. Im zweiten Kapitel geht es um Flüchtlinge und Eroberer. Im nächsten Kapitel bezeichnet der Autor die Pflanzen als Kapitäne, dann als Einsiedler und als Anachronisten zum Schluss. In jedem Kapitel geht der Autor auf diverse Pflanzenarten ein und beschreibt sie in deren Unterschiedlichkeit und  Individualität.

Mancuso betrachtet die Pflanzen durch ihre Verwurzelung als sesshafte Wesen, die aber nicht unbeweglich seien. Er beschreibt recht anschaulich, wie diese Pflanzen es schaffen, sich trotz ihrer Verwurzelung überall auf der Welt zu verbreiten und zu vermehren.

Er geht auch auf Pflanzen ein, die in Asien ihren Ursprung haben, und sie es fertiggebracht haben bis ins 17 Jhd. auch in Europa anzukommen und sich hier anzusiedeln. Mancuso beschreibt diesen Prozess als eine Migrationsbewegung. Migrationsbewegung, damit hatte ich bisher immer Flüchtlinge oder Arbeitsmigrant*innen in Verbindung gebracht. Nein, hier sind nicht die Menschen gemeint, sondern die Pflanzen, die migriert sind. Verursacht durch Nachbarpflanzen wie die Bäume oder durch Winde, durch Blätter oder durch Tiere, die die Samen als Transportpartner verstreut bzw. weitergetragen haben. Selbst über Meere gelangten verschiedene Samen auf europäisches Festland, ohne dass sie durch das Salzwasser eine Zerstörung erfuhren.

Wenn man sich mit Migrationsbewegung befasst, genügt ein Blick auf die Pflanzen, um zu begreifen, dass es sich dabei um einen unaufhaltsamen Prozess handelt. Mithilfe von Spuren, Samen und allen verfügbaren Transportmitteln verbreiten sich die Gewächse von Generation zu Generation und erobern auf diese Weise neue Lebensräume. (202, 10)  

Der Autor zeigt auch auf, wie stark die Natur ist, dass selbst auf Ukrainisch kontaminiertem Boden durch das Reaktorunglück Tschernobyl zu beobachten sei, wie dort neue Pflanzen entstehen. Oder auf Fukushima in Japan. 2011 erlitt Fukushima durch ein Erdbeben einen Atomunfall, und dort sei ebenso zu beobachten, wie neue Pflanzen auf der kontaminierten Erde wachsen und sich auch Wildtiere ansiedeln.

In Fukushima überlebten drei Bäume das Reaktorunglück. An allen drei Bäumen soll jeweils eine Narbe zu sehen sein.

Es tröstet, dass die Natur symbolisch gedacht unser Desaster verzeiht. Aber wenn wir weiterhin achtlos mit der Natur umgehen und sie zerstören, dann zerstören wir in erster Linie uns. Und wir werden uns von der Zerstörung nicht erholen, die Pflanzen aber schon. Deshalb gilt es, achtsam mit der Natur umzugehen.

Anscheinend ist der Mensch noch um einiges tödlicher für Pflanzen als radioaktive Strahlung. Durch sein Fernbleiben wurde ungewollt ein riesiges Naturschutzgebiet geschaffen. Trotz der Strahlung ist die pflanzliche und tierische Vielfalt inzwischen größer als vor der Nuklearkatastrophe. Heute finden sich hier Luchse, Waschbären, Rehe, Wölfe (… ) unterschiedliche Vogelarten, Hasen und Eichhörnchen. Sogar der vor über einem Jahrhundert verschwundene Braunbär ist zurückgekehrt. (23) 

Macht dieses Zitat nicht nachdenklich? Dass der Mensch für die Umwelt gefährlicher ist als radioaktive Strahlen? Das bedrückt mich, wenn ich dies lesen muss.

Und die Pflanzen? Sie machten es sogar noch besser als die Tiere. Pripjad war eine Stadt mit etwa 50.000 Einwohnern, in der auch die meisten Mitarbeiter des nur drei Kilometer entfernten Kernkraftwerks lebten. Sie wurde unmittelbar nach dem GAU vollständig evakuiert. Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, einen detaillierten Fotobericht über den heutigen Zustand Pripjad zu sehen. Es ist unfassbar, aber 30 Jahre nach der Katastrophe ist die ganze Stadt wie ein ukrainisches Angkor Wat mit Pflanzen bedeckt. Pappeln wachsen auf Dächern und Birken auf Terrassen, während Büsche aus dem Asphalt sprießen und sechsspurige Straße sich in grüne Flüsse verwandelt haben. (Ebd) 

Der Autor bezeichnet die Emigration der Pflanzen auch als Zeitreisende. Durch alle Zeiten reisten Pflanzen mithilfe von Transportpartnern durch den gesamten Erdball.

Zeitreisende existieren - zumindest solche, die aus der Vergangenheit zu uns in die Gegenwart gelangen. Sie sind überall zu finden und so zahlreich, dass wir sie schon gar nicht mehr wahrnehmen. Wer sind sie? Natürlich die Pflanzen - wer denn sonst? Einige Arten, vor allem Bäume, haben dank ihrer extremen Langlebigkeit, mit der kein Tier sich messen kann, ganze Epochen überdauert, um bis in die heutige Zeit zu überleben. Andere wiederum verwahren ihre Keimlinge in unglaublich widerstandsfähigen Samen und ermöglichen auf diese Weise ihren Nachkommen die Reise durch Raum und Zeit. (78)

Heimische Pflanzen? Gibt es sie?

Die meisten invasiven Tier - oder Pflanzenarten, die wir heute kennen, sind auf diese Weise zu uns gelangt. Und es gibt sehr viel mehr biologische Invasoren, als man meinen möchte. Tatsächlich sind zahlreiche Arten, von denen wir glauben, sie seien schon immer Teil unserer Umgebung gewesen, erst von mehr oder weniger langer Zeit eingewandert. Viele Pflanzen, die wir heute als Teil unseres kulturellen Erbes betrachten, waren ursprünglich Fremde, die sich inzwischen jedoch so gut integriert haben, dass wir sie nicht mehr als solche erkennen. (34)

Interessant fand ich auch die Genmanipulation verschiedener Pflanzenarten, deren Auswirkungen auf diese Pflanzen mir nicht richtig bewusst war. Man raubt ihnen dadurch nicht nur ihre Identität, sondern auch ihre Widerstandskraft. Die Genmanipulation durch die Lebensmittelindustrie birgt das Risiko, Pflanzen in ihrer Art auszurotten. Wer hat schon einmal eine Banane mit Samen gesehen? Ich zumindest nicht. Und bald wird es auch keine Trauben mit Kernen mehr geben und auch die Avocado ist auf bestem Weg, ihren Kern zu verlieren. Die Gefahr ist, dass diese Früchte, Tochterpflanzen genannt, anfällig sind für bestimmte Krankheiten. Sie sind nicht mehr resistent genug, diese abzuwehren. Eine Massenabfertigung ähnlich wie wir sie von der Tierhaltung aus der Landwirtschaft her kennen.

Beraubt man eine Pflanze jedoch die Möglichkeit, ihre eigenen Samen zu produzieren, degradiert man sie vom Lebewesen zum bloßen Produktionsmittel in den Händen an der Lebensmittelindustrie, die allein darüber entscheidet, welches Individuum sich wann, wo und wie vermehrt. Und das ist noch nicht alles. Eine kernlose Pflanze kann sich nicht mehr durch sexuelle Fortpflanzung vermehren, sondern nur noch vegetativ. Auf diese Weise werden einige wenige Individuen millionenfach reproduziert, Tochterpflanzen, die mit ihrer Mutterpflanze genetisch identisch sind. Die daraus resultierende geringere genetische Vielfalt birgt große Gefahren, denn ein einziger Parasit oder eine einzige Krankheit kann genügen, um ganzen Populationen den Garaus zu machen. (132f)

Dies waren nur ein paar Gedanken, die ich hier festgehalten habe. In dem Buch finden sich noch eine Reihe weiterer Gesichtspunkte, die nachzulesen mehr als interessant sind.

Zum Schreibkonzept
Ein sehr schöner, flüssiger Schreibstil. Das Buch ist auf 138 Seiten in sechs Kapiteln mit Unterthemen gegliedert und in jedem Kapitel behandelt der Autor verschiedene Pflanzenarten. Sehr schöne kontinentale Aquarellzeichnungen sind mitabgebildet. Das Buch ist Mancusos Eltern gewidmet. Zum Schluss findet man ein paar Anmerkungen.

Cover und Buchtitel  

Beides super gut getroffen. Vor allem der Buchtitel hält, was er verspricht. 

Meine Meinung
Es hat mir viel Freude bereitet, dieses Buch zu lesen und es weckt meine Lust, am Thema dran zu bleiben.

Mein Fazit
Ein sehr zu empfehlendes Sachbuch nicht nur für Botaniker oder Pflanzenliebhaber*innen. Auch für ganz gewöhnliche Leser*innen wie mich hilft es, die eigene Sichtweise zu unseren grünen Mitseelen zu hinterfragen und auch das eigene Konsumverhalten ein wenig zu revidieren.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Ich habe vor ein paar Jahren eine italienische Bücherfreundin auf Facebook  getroffen, die mitbekommen hat, dass ich viele Fachbücher zu Tieren lese und hat mir Mancuso ans Herz gelegt. Ja, den Pflanzen parallel zu den Tieren auch Aufmerksamkeit widmen zu sollen, habe ich als ihre Botschaft aufgefasst. Ich habe zwar Peter Wohlleben eifrig gelesen, aber wen kenne ich schon von Botanikern anderer Länder? Und schon gar nicht aus Italien. In den deutschen Buchläden finden sich immer belletristische Genres zur italienischen Literatur, die griffbereit in den Regalen stehen. Besonderheiten müssen bestellt werden. Aber wenn man einen Autor hier nicht kennt, so kann es auch nicht bestellt werden. Deshalb ein großes Dankeschön an Giovanna Calvo, die in Kalabrien lebt.

Schön fand ich auch, dass meine neue Bücherfreundin P. G. das Buch als Bibliothekarin für ihre Stadtbibliothek anschaffen konnte, nach dem sie es selbst gelesen hat. Genauso wie ich war sie von dem Buch sehr angetan.

Danke auch an P. G.

Hier geht es zu ihrer Buchbesprechung.

Meine Bewertung

Meine Bewertung Sachbuch

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.

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Das Leben findet immer seinen Weg.
(Stefano Mancuso)

Gelesene Bücher 2020: 24
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
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Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich lese mit Verstand und mit Herz!
Um die Welt, Menschen und die Tiere
besser zu verstehen.

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

„Bäume haben Wurzeln, doch Menschen haben Beine, und der liebe Gott wird sich schon bei der Einrichtung der Welt auf diese Weise etwas gedacht haben. Im Grunde sind wir nicht dazu da, ortsfest wie ein Baum zu leben“.
(Denis Scheck im Interview mit Iris Wolf, aus ARD-Buchmessenbühne 2020)

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)