Dienstag, 28. April 2015

Urs Richle / Das taube Herz (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Am Ende, nach dem Epilog, musste ich unbedingt wieder den Prolog lesen. Mit dem Hintergrund, der mir nun zur Verfügung steht, konnte ich mich besser in die Beschreibung, auf den Vorspann der Geschichte, einlassen und prospektivisch verstehen.

Wer nicht zu viel wissen möchte, der sollte diese Buchbesprechung überspringen.

Zwei Figuren in dem Buch fand ich bemerkenswert. Es sind der ungelernte Uhrmacher Jean-Louis Sovery und seine außergewöhnliche Geliebte Ana de La Tour.

Die Geschichte spielt sich Mitte des 17. Jahrhunderts ab. Die Spielorte finden in der Schweiz, in Österreich und in Frankreich statt.

Aus dem Anhang ist zu entnehmen, dass dieser historische Roman fiktiv ist, lediglich ein paar wenige historische Figuren existierten tatsächlich. Aber die beiden ProtagonistInnen Jean-Louis und Ana zählen nicht dazu.

Obwohl das historische Datum weit über das Mittelalter hinaus geht, sind die Themen auch hier besetzt mit Quacksalbern, Scharlatanen und Dämonenbeschwörern …

Die Kindheit von Jean-Louis war alles andere als geglückt und man kann nicht sagen, dass der Vater das Beste für ihn wollte. Sein Vater ist von Beruf Uhrmacher und Tischler. Jean-Louis zeigte als Kind recht früh dieselbe Begabung wie die seines Vaters. Er interessierte sich für die Mechanik, konstruierte selbst ein paar Uhrwerke. Minutiös hielt er alle seine technischen Gedanken schriftlich fest, doch sein Vater lehnte ihn vehement ab, verkannte sein Talent. Er sei keineswegs geeignet, Uhrmacher zu werden. Stattdessen schickte er den Sohn auf ein klösterliches Internat, in dem er eine wissenschaftliche und theologische Ausbildung erwerben sollte, um später Pfarrer zu werden.
Seine Hände seien zu nichts anderem fähig, als zum Umblättern hauchdünner, eng bedruckter Buchseiten. Dieser Kopf sei zu wirr, als dass er sich mit den einfachen, weltlichen Dingen der Konstruktion eines Uhrengehäuses befassen könne. Immer müsse er alles infrage stellen, immer müsse er die Dinge weiterdenken, als sie in Wirklichkeit reichten, immer gerate alles aus dem Lot, was sein von Hirngespinsten und an Wahn grenzenden Fantastereien geplagter Sohn anpacke.
Doch auch hier im Kloster gingen die Pläne nicht auf. Nach dem Abitur wird der Junge von seiner   Bildungseinrichtung wieder nach Hause geschickt mit der Perspektive, einen technischen,wissenschaftlichen Beruf zu ergreifen, da er für eine religiöse Ausbildung nicht taugen würde.

Jean-Louis ging doch den Weg eines Uhrmachers, allerdings nicht in der Werkstatt seines Vaters, der ihn nur in der Schreinerei einsetzte. Nein, er war bei einem Meister eingestellt namens Falquet. Er war hier sehr erfolgreich, erfand selber das eine oder andere Uhrwerk. Jean-Louis versuchte seine neuen Erfindungen mit seinen Initialen zu signieren und bekam Stress mit seinem Meister: 
Der Meister zeigte mit seinem alten, schrumpeligen Finger auf die Buchstaben JLS, die mit einem Stichel in die äußere Wand des Federhauses geritzt waren.>>Das ist meine Unterschrift, Maitre<<, gestand Jean-Louis, >>das Uhrwerk stammt von mir.<<
>>Du bist ein Niemand, Sovary, deine Unterschrift gibt es nicht, sie gilt nichts, sie ist nichts Wert, im Gegenteil! Hast du eine Ausbildung? Kannst du irgendein Papier vorweisen? Hast du irgendeine Lizenz, die dich dazu ermächtigt, dich Horloger … nennen zu dürfen? Entferne deine Unterschrift sofort auf allen Uhrwerken, die noch hier in der Werkstatt stehen, und zwar schleunigst! Sie bringt mich in den Verruf der Betrügerei und dich womöglich ins Gefängnis! Kein einziges meiner Meisterstücke verlässt die Werkstatt ohne die Signatur eines anerkannten Uhrmachers, und schon gar nicht mit derjenigen eines Hochstaplers. Du bist Reparateur, mein kleiner Sovary, Mechaniker und Handlanger des Maitre Falquet, nicht mehr und nicht weniger! Noch eine Signatur mit deinem Namen, und ich schicke dich zurück in den jurassischen Wald zu deinem Vater und all den anderen Holzwürmern!<< 
Nun gibt es eine Wende im Leben des Jean-Louis Sovarys. Er wird nach Paris gelockt. Sein Auftrag: Ein repariertes Uhrwerk seinem Auftraggeber persönlich abzuliefern. Der Auftraggeber ist ein französischer  Orgelbauer namens Blaise Montallier, der noch dazu Automatensammler in Paris ist. Diese Reise nach Frankreich wird Sovary zu einem Verhängnis. Als er das Uhrwerk dort übergibt, wird er von Montallier in den Keller gelockt und dort eingesperrt mit der Verpflichtung, für ihn einen Schachautomaten zu konstruieren. Der Aufenthalt in diesen dunklen, fensterlosen und feuchten Gemäuern beläuft sich bis zur Freilassung auf mehrere Monate  …

Hier lernt Sovary seine junge Geliebte Ana de La Tour kennen. Auch eine sehr interessante Persönlichkeit, mit der ihre Eltern trotz großer Mühen nichts anfangen konnten. Ana erinnert mich ein wenig an Kasper Hauser. Dazu später mehr.

Montallier lernte den Wissenschaftler Wolfgang von Kempelen kennen, der einen Schachautomaten konstruiert hatte, der  ihm den Titel Schachtürke gab. Montallier traut diesem Automaten nicht, weshalb er Jean-Louis gekidnappt hat, weil er der gesuchte Mann ist, der über die Fähigkeit verfügt, einen Schachautomaten zu bauen, der später gegen den Österreicher antreten soll …


Foto aus Wikipedia: Schachtürke
Und dennoch hat ein österreichischer Hofbeamter sich nun also getraut, die Öffentlichkeit mit der Konstruktion eines solchen Automaten herauszufordern. Im Beisein ganzer Heerscharen gläubiger und ungläubiger Leute, schaulistiger Gesindel, gieriger Widersacher, eifersüchtiger Uhrmacherkollegen und skeptischer Vertreter von Kirche und Staat spielte der berühmte Türke in Wien, London und also auch in Paris siegessicher Spiel um Spiel gegen seine Gegner, als wäre seine innere Uhrmechanik des Denkens fähig wie ein vernünftiger, ausgewachsener Mensch. Die besten Spieler wurden geholt, Schachmeister und Mathematikprofessoren, Ingenieure und Philosophen, Priester und Juristen. Wetten wurden abgeschlossen, und die Spekulationen loderten lichterloh. Ist schwarze oder weiße Magie im Spiel? Werden die Automaten mit unsichtbaren Fäden bedient? Durch Magnetismus gesteuert? Hat der Erfinder eine neue elektromagnetische Entdeckung gemacht? Sitzt im Innern der Kiste ein Kind? Ein Krüppel? Aber wie kann ein Krüppel oder ein Kind gegen die besten Schachmeister des Landes gewinnen? (…) Hat der Erfinder seine Seele verkauft? In Artikel über Artikel erregte man sich in den Zeitschriften. Brandreden werden vor den groß angekündigten Veranstaltungen gehalten und forderten die Annullierung der Aufführung von Schwindel, Betrug und Gotteslästerung. Demonstrationszüge versuchten, die Veranstaltung zu blockieren, Juristen und Autoren schrieben über das Phänomen des Schach spielenden Automaten und versuchten, die Wahrheit aufzudecken.  
Ich komme nun ein wenig auf Ana de La Tour zu sprechen, die eine total interessante Persönlichkeit darstellt, auch wenn sie gesellschaftlich böse Folgen nach sich zieht. Ana wurde mit großen Schmerzen geboren. Dadurch nahm die Mutter ihr Kind nicht an. Das Kind schrie unaufhörlich. Die quälenden Schreie ähnelten einer starken kindlichen Hysterie, aus der sich das Kind nicht erholen konnte. Der Vater ließ verschiedene Ammen rufen, doch nur eine Amme wurde mit dem Kind fertig. Ana wurde ihr in die Obhut gelegt, nachdem der Vater fast sein ganzes Vermögen in teure Mediziner und Heiler eingesetzt hatte, doch ohne jeglichen Erfolg. Die Amme wurde allerdings kurze Zeit später sehr schwer krank und starb an den Folgen. Ana kam in ein Hospiz …

Anas Vater war ein äußerst guter Schachspieler und merkte nicht, dass er diese Begabung an seine Tochter weitervererbt hatte. Auch er, ähnlich wie Jean-Louis`Vater, verkannte das Genie in seiner Tochter.
Ein Arzt schenkte der kleinen Ana ein Schachspiel, als sie ihr Interesse daran bekundet hatte. Das Schachbrett schaffte es, die Kleine spielend zu beruhigen.
Ana war allerdings nicht gesellschaftsfähig und lebte in ihrer Welt. Lediglich auf dem Gebiet der Mathematik war sie ein Genie. Sie war in der Lage, große und komplizierte Rechenoperationen innerhalb kürzester Zeit mit dem Kopf zu lösen, um damit wichtige Schachzüge zu konstruieren. Ana wuchs in dunklen Räumen auf, und als das Schachbrett samt der Figuren verloren gingen, ritzte sie sich auf dem Boden unter einem Möbelstück, wo sie saß, ein eigenes Schachbrett, das sie mit schwarzen und weißen Steinen bediente. Ana wurde in der Gesellschaft nicht sozialisiert, hat demnach das Handwerkszeug, das man benötigt, um in einer Gesellschaft überleben zu können, nie erworben. Sie schrie entsetzlich, wenn man sie der Öffentlichkeit aussetzte, oder sie mit neuen Lebenssituationen konfrontierte, entwickelte sie sogar autistische Züge …
Es sprach sich herum, dass Ana im Schachspiel über höchste Geistesgaben verfügte und so entführte man sie aus dem Hospiz, um mit ihr Forschungen zu betreiben aber nicht im wissenschaftlichen Sinn.

Ihr Talent und ihre hysterischen Rufe wurden vom   Kirchenpersonal als vom Teufel besessen gedeutet …

Der begabte Jean-Louis befindet sich inmitten seiner Konstruktionen, einen Schachroboter zu bauen, der den Namen   La Grande Dame erhält.         
Dass man den menschlichen Körper als Maschine begreifen und ihn nach allen Bestandteilen und Funktionsweisen bis in das innerste Detail erforschen und studieren konnte wie ein Apparat, das schien ihm geradezu offensichtlich. Auch dass man den gesamten menschlichen Bewegungsapparat und obendrein logische Abläufe wie diejenigen einer komplizierten Uhr oder gar einer streng kognitiven Schlussfolgerung nachbauen können sollte, war für Jean-Louis nachvollziehbar und überzeugend. Aber wie er aus Eisen, Holz und Baumwollfäden eine Seele bauen sollte, das blieb ihm ein Rätsel. Sollten ihm auch die gesamten Stoffe dieser Erde zur Verfügung stehen, an alchemistische Experimente glaubte er so wenig wie dieser La Mettrie. Und weder die einen noch der andere waren ihm in dieser Stunde eine Hilfe.  
Eigentlich geht es Montallier nur darum, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass   Kempelen mit seiner Maschine trickst … Außerdem gönnt er ihm sein Patent nicht:
Daraus ein Mysterium zu machen, wie von Kempelen es in seiner ganzen Arroganz pflegt, könnte seine Entdeckung für nützliche Zwecke gebraucht werden, vielleicht sogar Menschenleben retten. Statt egoistisch die internationale Aufmerksamkeit für seine theatralischen Aufführungen auf sich zu lenken, sollte von Kempelen jede seiner Erfindungen der Wissenschaft zur Verfügung stellen! Und wer spricht überhaupt von einer Erfindung? Wenn von Kempelen ein physikalisches, mathematisches oder chemikalisches Gesetz entdeckt hat, kann er dann darauf Besitzanspruch erheben? Sind die Naturgesetze nicht Allgemeingut, gehören sie nicht uns allen? Stellen Sie sich vor, Newton hätte die Schwerkraft für sich gepachtet? Kann jemand die Gesetze der Optik besitzen? Können mathematische Axiome verheimlicht werden? …  Hat von Kempelen das Recht, seine Entdeckung für sich zu behalten? Die Gesetze der Physik bringen nicht nur die Mechanik weiter, sie nützen auch der Wirtschaft und der Medizin. Ich frage sie also: Darf es sein, dass ein einziger Mann allein aus Ruhm den Fortschritt der gesamten Menschheit aufhalten, ja gar gefährden kann?  
Jean-Louis konstruiert diese neue Maschine mit Anas Hilfe, die sich peu á peu an ihn im dunklen Keller gewöhnt hatte …
Jean-Louis baut die Maschine und Ana gibt die Rechenoperablen weiter. Doch Ana erhält später für den Automaten noch eine andere Funktion, die ich nicht verraten möchte …

Jean-Louis wundert sich über den Sinn dieser Schachroboter immer mehr und stellt sich philosophische Fragen:
Wie sollte es überhaupt möglich sein, dass ein Automat gegen einen anderen Automaten Schach spielte? War das nicht ein Ding der Unmöglichkeit? Wie sollten die von Natur aus toten Materialien, in einer bestimmten Weise komponiert und zusammengebaut, sich plötzlich verhalten wie zwei Menschen an einem Spielbrett? War denn alles, was den Menschen ausmacht, durch Maschinen darstellbar? War es möglich, einer Maschine menschliche Verhaltensformen abzugewinnen? Und wenn dem so sein sollte, was bedeutet das für den Menschen selbst? Ist er denn tatsächlich nichts anderes als eine Maschine, gebaut aus Knochen, Nerven, Muskeln, Adern, Blut und Haut? Reicht es, diesen Mechanismus bis in die feinsten Fasern nachzubilden, um einen Menschen zu kreieren? 
Man hatte tatsächlich versucht, den Maschinen menschliche Substanzen einzubauen. Deshalb der Titel Das taube Herz, weil es letztendlich doch nicht gelingen konnte, aus Maschinen lebende Menschen zu machen. Kempelens Maschine wurde z.B. auch mit Knochenmehl konstruiert, das von menschlichen Gebeinen stammt.

Nachdem die La Grande Dame fertig war, konnten nun beide Roboter gegeneinander antreten …

Wie es weitergeht, welches Schicksal den ProtagonistInnen Jean-Louis Sovery und Ana de La Tour ereilt, das möchte ich nicht verraten.
Es geht bis zum Schluss spannend weiter …

Da ich gar nichts von diesen Schachmaschinen wusste, freue ich mich nun sehr, dahingehend informiert worden zu sein. Hatte bis dato noch nie etwas von einem Schachtürken gehört.

Das Buch ist zudem spannend geschrieben und auch den literarischen Ausdruck fand ich gelungen. Ebenso die Figuren wurden recht glaubhaft in ihrem Auftreten dargestellt.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Im Folgenden noch ein Artikel zu dem Schachtürken aus der Online-Zeitung Welt-Bildung:

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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

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Gelesene Bücher 2012: 94
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Mittwoch, 22. April 2015

Urs Richle / Das taube Herz


Klappentext
Die tragische Geschichte eines Schweizer Uhrmachergenies, dessen Automat am französischen Hof den berühmten Schachautomaten des Baron von Kempelen besiegt – eine Parabel über den Traum des Menschen, die Schöpfung zu vervollkommnen. Jean-Louis Sovary ist ein Kind des 18. Jahrhunderts und als Sohn des Schweizer Jura von klein auf fasziniert von Uhren und ihrer Mechanik. In einem dubiosen Atelier in der Nähe von Genf kann er seine Begabung ausleben und wird zum Fälscher der besten Uhrwerke seiner Zeit. Dies bleibt auch dem französischen Orgelbauer und Automatensammler Montallier nicht verborgen, der ihn nach Paris lockt. Hier soll er im Geheimen einen raffinierten Automaten bauen, mit dem Montallier den berühmten Schachtürken des Baron von Kempelen besiegen will. Doch das geht nicht ohne ein geniales menschliches Gehirn, das Montallier in dem Mädchen Ana gefunden hat. Und Jean-Louis macht die Erfahrung, dass selbst die ideale Kombination von Maschine und Hirn unvollständig ist – ohne ein empfindendes Herz. 

Autorenporträt
Urs Richle, geboren 1965 im Toggenburg, lebt mit seiner Familie in Genf. 
Er ist diplomierter Medieningenieur und veröffentlichte eine Reihe von Romanen, die in mehrere Sprachen übersetzt und mit Preisen ausgezeichnet wurden. Neben dem Schreiben arbeitet Urs Richle in Forschungsprojekten an der Universität Genf und als Dozent am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel.
Ich kenne diesen Autor noch nicht und weiß nicht, ob ich tatsächlich mit der Thematik klar komme. Mal schauen, ob mich der Autor überzeugen wird.



Dienstag, 21. April 2015

David Nicholls / Zwei an einem Tag (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe das Buch durch aber ich weiß genau, dass ich den Inhalt recht schnell wieder vergessen werde.

Interessant fand ich, dass mir die meisten LiteratInnen, die in dem Buch vorgestellt werden, bekannt waren. Sogar ausländische.

Das Buch hat mir nicht besonders gut gefallen. Vielleicht hat das an dem Protagonisten Dexter gelegen. Ein Macho schlechthin … und der trotz seiner vielen Kontakte ein sehr einsamer Mensch ist, der seine Mitmenschen benutzt, die ihm seine Einsamkeit vertreiben sollten.

Ich war froh, als ich mit dem Buch durch war. Gestern hatte ich es schließlich geschafft.

Es ist eine reine Lovestory.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
15. Juli 1988. Am Tag ihrer Examensfeier lernen sich Emma und Dexter kennen. Sie verbringen die Nacht miteinander, aber am nächsten Tag trennen sich ihre Wege. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein können, können sie einander nicht vergessen. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege an jenem magischen Tag, dem 15. Juli. Es vergehen 20 Jahre, bis die zwei endlich erkennen, wonach sie immer gesucht haben. 
Ich hatte den Eindruck, dass Dex zu Em gefunden hat, als es mit allen anderen Frauenbeziehungen nicht geklappt hat.

Das Buch war viel zu umfangreich. Zwischendrin hatte es mich auch oft gelangweilt. Der Schreibstil zeigte mir zu wenig Tiefe. Habe wenige literarische Höhepunkte finden können. Wenig Weisheit … Zu viele Oberflächlichkeiten. Die Figuren waren mir nicht authentisch genug …

Es gibt noch die Buchverfilmung, die ich mir ansehen könnte, habe mich aber dann doch dagegen entschieden.

Dieses Buch wird sicher kein Klassiker werden.

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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

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Donnerstag, 16. April 2015

David Nicholls / Zwei an einem Tag

Klappentext
15. Juli 1988. Am Tag ihrer Examensfeier lernen sich Emma und Dexter kennen. Sie verbringen die Nacht miteinander, aber am nächsten Tag trennen sich ihre Wege. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten, können sie einander nicht vergessen. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege an jenem magischen Tag, dem 15. Juli. Es vergehen 20 Jahre, bis die zwei endlich erkennen, wonach sie immer gesucht haben.



Autorenporträt
David Nicholls, geboren 1966, war Schauspieler, bevor er Drehbuchautor von britischen Erfolgsserien wie Cold Feet, I Saw You und Rescue Me wurde. Bisher erschienen bei Kein & Aber Keine weiteren Fragen (Starter for Ten), Ewig Zweiter (The Understudy) und der internationale Bestseller Zwei an einem Tag (One Day). David Nicholls lebt als Drehbuchautor und Autor in London.
Meine ersten hundert Seiten habe ich schon durch, und bin noch immer ungehalten. Mal schauen, wie sich dies weiterentwickeln wird.


Dienstag, 14. April 2015

J. R. Moehringer / Tender Bar (1)

Lesen mit Anne …

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich am Samstagabend ausgelesen und es hat mir recht gut gefallen. Zwischendrin gab es mal eine kleine Durststrecke, aber ansonsten war das Buch recht interessant und fantasievoll geschrieben.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

Eine Bar ist vielleicht nicht der beste Ort für ein Kind, aber bei Weitem nicht der schlechteste. Vor allem das »Dickens« nicht, mit seinen warmherzigen und skurrilen Figuren: Smelly, der Koch, Bob der Cop mit seiner dunklen Vergangenheit oder Cager, der Vietnam-Veteran. Für den kleinen JR, der alleine mit seiner Mutter wohnt, sie alle sind bessere Väter, als seiner es jemals war. JR wird erwachsen, und erfüllt sich seinen Traum: Er geht nach Yale. Die Bar wird JR sein Leben lang begleiten. Dort hört er zum ersten Mal Sinatra, sieht Baseballspiele im Fernsehen, und trinkt sein erstes Bier. Und bekommt all das, was er braucht: Mut, Zuversicht und die Gewissheit, dass es nicht immer nur die Guten oder die Bösen gibt, dass Bücher Berge versetzen können und dass man an gebrochenem Herzen nicht stirbt. Ein abwechselnd herzzerreißender und urkomischer Roman über tapfere Kinder, mitfühlende Männer und starke Mütter. Und darüber, dass Träume auch wahr werden können - wenn man für sie kämpft.
Wenn man bedenkt, wie viel Armut es in Amerika gibt und wie wenig sie in den deutschen Medien dargestellt wird, wenn das Land stattdessen hauptsächlich von der glänzendsten Seite gezeigt wird, dann ist es gut, dass es amerikanische AutorInnen gibt, die über ihr Leben dort berichten, das alles andere als glorreich ist.
J. R. Moehringer, Jahrgang 1964, schreibt in seinem Erstlingswerk über sein Leben in Amerika. Aufgewachsen ist er auf    Long Island, eine Insel, die zum Bundesstaat New Yorks gehört, befindet sich demnach auf der Landkarte ganz oben östlich, angrenzend zu Kanada.
Ich habe nämlich oft den Eindruck, je höher man geht, desto kühler wirken die Menschen.

Und auch hier erlebe ich manche AmerikanerInnern vielfach kühl, stark leistungsorientiert und recht aggressiv. Auch der Rassismus kommt hier wieder zum Tragen, wenn auch oberflächlich betrachtet nur geringfügig … Ich belasse es bei diesen Schlagwörtern, sollte ich nicht dazu kommen, diese näher aufzuführen. Jeder aufmerksame Leser dieses Buches wird selbst dahinter kommen, in welchen Zusammenhängen diese gemeint sind ...

Viele Zettelchen kleben wieder zwischen den Seiten, sodass ich schauen muss, welche ich für meinen Blog verwenden werde.

Schon auf den ersten Seiten bin ich über einen Begriff wie z.B. Identitätsdiebstahl gestolpert. Und in der Tat, der Autor befindet sich über viele, viele Jahre auf Identitätssuche, wie sich dies auch auf seine Initialen J. R. schließen lässt, die keine wirklichen Initialen sind. Eigentlich soll der wahre Name John Joseph Moehringer verborgen bleiben. Der Name des Vaters.
Die Suche nach der Identität erweist sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch …

Moehringer kennt seinen Vater kaum, der von der Mutter getrennt lebt, und der sich weigert, Unterhalt für sie und das Kind zu zahlen. Als die Mutter versucht hat, den Unterhalt gerichtlich einzuklagen, drohte der Mann, sein eigenes Kind zu kidnappen … Doch auch ihr Leben wird oft von ihm bedroht …

J. R. fehlte der Einfluss von Männern, da er hauptsächlich von Frauen umgeben ist. Um männliche Vorbilder zu finden, begibt er sich schon im Kindesalter in eine Bar, benannt nach dem Romancier Charles Dickens, in der auch sein Onkel Charlie als Stammkunde verkehrt. 
Eine Lektion, eine Geste, eine Geschichte, eine Philosophie, eine Haltung - ich nahm von jedem Mann in Steves Bar etwas mit. Ich war ein Meister im Identitätsdiebstahl, was damals noch ein harmloses Vergehen war. Ich wurde sarkastisch wie Cager, melodramatisch wie Onkel Charlie, ein Grobian wie Joey D. Ich wollte solide sein wie Bob the Cop, cool wie Colt, und meine Wut rechtfertigte ich, indem ich mir einredete, sie sei auch nicht schlimmer als der selbstgerechte Zorn von Smelly. Irgendwann wandte ich alles, was sich im Dickens gelernt hatte, bei Leuten an, die mir außerhalb der Bar begegneten - bei Freunden, Geliebten, Eltern, Vorgesetzten und sogar Fremden.  
Moehringers Vater ist beim Radio tätig. Sehnsuchtsvoll lauscht der kleine Sohn der väterlichen Stimme aus dem Radiosender.
Mein Vater war ein vielseitig begabter Mann, doch sein wahres Genie lag im Verschwinden. Ohne Vorwarnung änderte er seine Schichten oder wechselte die Sender. Ich konterte, indem ich ein Kofferradio mit hinaus auf die Vortreppen nahm, wo der Empfang besser war. Mit dem Radio auf dem Schoß wackelte ich an der Antenne, drehte langsam den Senderknopf und kam mir verloren vor, bis ich wieder die Stimme fand. 
Traurig, wie sehr sich ein kleiner Junge nach seinem Vater sehnt. Ganz unabhängig davon, wie zerstritten die Eltern untereinander sind.

Die Armut in dieser Familie, die Familie seiner Mutter, ist recht groß, dass die Mutter und deren Geschwister, Ruth und Charlie, es finanziell nicht schafften, von den eigenen Eltern unabhängig zu leben. Immer wieder, besonders die Schwestern, zogen sie zu ihnen zurück, weil das Geld für die Miete nicht ausreichte. Charlie, Single, wagte es erst gar nicht, auszuziehen:
In Opas Haus hat jeder mindestens ein Laster - Trinken, Rauchen, Spielen, Lügen, Fluchen, Faulsein. Mein Laster war die Stimme.
Doch der Großvater hatte auch Humor. Als der Hund voller Flöhe war, und die Kinder den Großvater darüber in Kenntnis setzten, erwiderte er, dass sie das nicht weitersagen sollten, denn sonst wollten andere auch alle einen Floh haben. Darüber musste ich sehr schmunzeln.

Das Haus des Großvaters war recht ärmlich ausgestattet, aber nicht, weil der Patriarch kein Geld besaß, es instand zu setzen, nein, weil er ein alter Geizkragen sei, und dies nicht nur auf materieller Ebene bezogen:
Opa gebe keine Liebe weiter, sagte meine Mutter, als hätte er Angst, sie könnte eines Tages knapp werden. Als sie, Tante Ruth und Onkel Charlie aufwuchsen, hatte er sie alle drei ignoriert und ihnen nie Aufmerksamkeit oder Liebe geschenkt. Sie beschrieb einen Familienausflug am Strand, als sie fünf war. Als sie sah, wie lieb der Vater ihrer Cousine Charlene mit seinen Kindern spielte, bat meine Mutter, Opa im Wasser, sie auf seine Schultern zu setzen. Das machte er auch, trug sie dann aber über die Wellen hinaus, und als sie weit draußen waren und meine Mutter kaum noch den Strand sehen konnte, bekam sie Angst und flehte ihn an, er möge sie absetzen. Da warf er sie ins Wasser. Sie ging unter, landete auf dem Grund, schluckte Salzwasser. Sie kämpfte sich wieder an die Oberfläche, schnaubte nach Luft und sah Opa lachen. Du wolltest doch abgesetzt werden, sagte er zu ihr, ohne ihre Tränen zu beachten. Als meine Mutter alleine aus der Brandung schwankte, hatte sie eine frühreife Eingebung: Ihr Vater war kein guter Mensch. 
Moehringers Mutter war begabt, durfte vom Elternhaus her aber keine höhere Schule besuchen. Ihr Sohn J. R. zeigt Mitleid mit ihr, sodass der Kleine eine hohe Verantwortung auf sich lädt, denn er sieht recht früh, was in der Familie so alles falsch läuft. Die Erwartungen der Mutter, er solle in der Schule sein Bestes geben, damit er später Jura studieren, und gegen den Vater klagen könne, nimmt er auf sich. Ob später was daraus wird, wird sich zeigen. Doch das genügte ihm nicht, denn auch die Großmutter impft ihm ein, er solle gut auf die Mutter achtgeben und für sie sorgen. Hier findet ein Rollentausch statt, indem ein Kind mit der Verantwortung eines Erwachsenen ausgestattet wird. Eigentlich sollte es andersherum sein:
Bei meinem Schwarzweißbild von der Welt reicht es nicht, wenn ich mein Bestes gab. Ich musste perfekt sein. Um für meine Mutter zu sorgen und sie ans College zu schicken, mußte ich sämtliche Fehler eliminieren. Durch Fehler war unsere Zwangslage überhaupt erst entstanden - Oma hatte Opa geheiratet, Opa hatte meiner Mutter das Studium verweigert, meine Mutter hatte meinen Vater geheiratet- und wir mussten weiter für sie zahlen. Ich musste diese Fehler korrigieren, indem ich neue vermied, perfekte Noten erzielte, dann ein perfektes College besuchte, danach Jura studieren und am Ende meinen unperfekten Vater verklagen konnte. Aber wie sollte ich perfekt sein, wenn die Schule immer schwerer wurde, und wenn ich nicht perfekt war, wären Mutter und Oma enttäuscht von mir und ich wäre nicht besser als mein Vater, und dann würde meine Mutter wieder singen und weinen und auf ihren Taschenrechner einhacken, um die Finanzen zu überprüfen - solche Gedanken schwirrten mir auf dem Spielplatz durch den Kopf, wenn ich anderen Kinder beim  Tetherball Spielen zuschaut. 
Demnach wurde Moehringer Junior schon ganz früh im Leben mit belastenden Themen konfrontiert, mit denen er sich herumschlug. Er wuchs mit vielen Problemen heran, oftmals zermürbten ihn die Sorgen seiner Mutter. Doch seine Mutter, ganz anders als die Großmutter, eine recht starke Persönlichkeit, versuchte ihm die Sorgen zu nehmen: 
Ich mache mir keine Sorgen über etwas, das nicht passiert. 
Moehringer zelebriert diesen Gedanken wie ein Mantra seine gesamte Kindheit hindurch.

Nun existieren aber auch andere Personen außerhalb der Familie. Moehringer fühlt sich gezwungen, sich mit vierzehn Jahren einen Job zu suchen, um der Mutter finanziell ein wenig unter die Arme zu greifen. Da er Bücher liebt, suchte er einen Aushilfsjob in einer schlecht laufenden Buchhandlung. Er lernte zwei Brüder kennen, die für den Laden verantwortlich waren. Aber das waren eher komische Vögel, doch für Moehringer eine große pädagogische Hilfe:
Bill und Bud schienen sich vor Menschen zu fürchten, vor allen Menschen, außer ihnen selbst, und das war mit ein Grund, weshalb sie sich im Lagerraum versteckten. Der andere Grund war ihr permanentes Lesen. Sie lasen pausenlos. Sie hatten alles gelesen, was jemals geschrieben worden war, und sie waren versessen darauf, alles zu lesen, was jeden Monat neu herauskam, und zu diesem Zweck mussten sie sich von der Welt abschotten wie Mönche im Mittelalter. Obwohl beide Mitte dreißig waren, wohnten sie noch bei ihren Müttern, hatten nie geheiratet und strebten offenbar auch nicht an, auszuziehen oder zu heiraten. Abgesehen vom Lesen hatten sie kein Bedürfnis und außerhalb des Ladens keine Interessen, wobei ihr Interesse an mir von Tag zu Tag wuchs. Die Frage nach meiner Mutter, meinem Vater, Onkel Charlie und den Männern; meine Beziehung zum Dickens faszinierte sie. Sie wollten wissen, warum Steve der Bar einen literarischen Namen gegeben hatte, und daraus entwickelte sich ein Gespräch über Bücher allgemein. Bill und Bud kamen schnell dahinter, dass ich Bücher liebte, aber nicht sehr viel über sie wusste. Mittels einer Reihe rascher, bohrender Fragen fanden sie heraus, dass ich nur das Dschungelbuch und die Minutenbiografien gut kannte. Sie waren entsetzt und wütend auf meine Lehrer.  
Bill und Bud erwiesen sich ein wenig wie Pseudolehrer im Bereich der Literatur. Sie gaben dem Jungen viele Tipps zur Jugendliteratur, wie z.B. Bücher von Jack London, von Mark Twain etc. …Moehringer kannte nicht viele AutorInnen, obwohl er im Haus seines Großvaters, im Kellerraum, viele Bücher entdeckte, die er wie geheime Schätze behandelte, doch darunter fand er zu wenige Bücher, die jugendtauglich waren.

Bücher würden sogar helfen, das innere Chaos eines Menschen wieder in Ordnung zu bringen. Psychische Stabilität, die Moehringer fehlte, und bezeichnete sich selbst als einen Neurotiker …

Moehringer schafft den Übergang von der höheren Schule auf die Universität. Bill und Bud empfehlen ihm die Universität in Yale. Eine recht anspruchsvolle Bildungseinrichtung und Moehringer sich nicht sicher ist, ob er dafür gut vorbereitet ist. Er bewirbt sich auf Anraten dieser Brüder trotzdem. Folgende Szene zwischen der Mutter und dem Sohn hat mich tief berührt, auch wenn die Handlung ein wenig trivial klingt:
Meine Mutter gab mir ein Geschenk, das sie im Souvenirladen gekauft hatte, einen Brieföffner mit den Yale-Insignien."Damit kannst du deinen Zulassungsbrief öffnen", sagte sie. 
Es zeigt, wie wichtig es der Mutter ist, den Sohn auf der Yale-Universität zu sehen. Ein Wunsch auf ein Studium, das ihr selbst nicht gegönnt war.

Perfektionismus? Leistungsstreben? Schon am Anfang dieses Textes wies ich darauf hin. Moehringer bewarb sich nach seinem erfolgreichen Studium als Volontär bei der Zeitung New York Times. In einem seiner Artikel beging er einen kleinen Schreibfehler, der allerdings übertrieben große Auswirkungen hatte. Er schrieb Kelly statt Kelley. Für dieses Missverständnis war nicht nur Moehringer verantwortlich, aber er alleine musste die Konsequenzen tragen, die in ihm eine ziemlich niedergedrückte Stimmung auslösten. In der Dickensbar sprach er über sein Leid und fand ein wenig Trost bei einem seiner Kumpane. Sein Fehler wäre nur minimal, den man leicht ausradieren könne. Probleme anderer Art dagegen, da helfe kein Radiergummi ... Doch nicht nur in der Zeitung werden perfektionistisches Denken und Handeln erwartet. Auch in seiner Familie, bei seiner Tante Ruth, die diese Haltung in übertriebener Form auf den eigenen Sohn überträgt, wird man damit konfrontiert.

Dazu hat der Autor ein wunderschönes Zitat aufgeführt, der von dem großen Dramaturg William Shakespeare stammt und das ich unbedingt hier festhalten möchte:
Durch Fehler, sagt man, sind die besten Menschen Gebildet, werden meist umso viel besser, Weil sie vorher ein wenig schlimm.
Selbst in der Liebe hatte der junge Moehringer nicht besonders viel Glück und gebraucht auch hier eine schöne Metapher. Er bezeichnet die Liebe als etwas ganz Zerbrechliches, vergleicht sie mit Schnittblumen, indem die Liebe schneller als diese sterben würde. Ein schöner Vergleich, so finde ich.

Am Schluss dieser Autobiografie kommt Moehringer, was die Suche nach seiner männlichen Identität betrifft, zu einer weisen Erkenntnis, die ich mit einem Zitat belegen werde, das diese Buchbesprechung zunächst auch abschließen wird:
Während ich nach vorn gebeugt auf dem zweihundertjährigen Sofa saß und in die grünbraunen Augen meiner Mutter sah, wurde mir klar, dass sie alle Eigenschaften verkörperte, die ich mit Männlichkeit verband: Härte, Ausdauer, Entschlossenheit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Mut. Vage war ich mir dessen immer bewusst gewesen, doch als ich jetzt zum ersten Mal einen Blick auf die Kriegerin erhaschte, die sich hinter ihrer Ausdrucksmine verbarg, begriff ich es vollständig und konnte es zum ersten Mal in Worte fassen. So lange hatte ich gesucht und mir gewünscht hinter das Geheimnis zu kommen, wie man ein guter Mann wird, dabei hätte ich nur dem Beispiel einer einzigen überaus guten Frau folgen müssen. 
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

Telefonischer Austausch mit Anne:

Auch Anne war von dem Buch recht angetan, wenn auch nach dem zweiten Anlauf, wobei ich mich anfangs auch schwer getan hatte, reinzukommen. Der Prolog wirkte auf mich ein wenig befremdlich ... Unsere Eindrücke waren recht ähnlich. Anne konnte noch ein paar persönliche Vergleiche zu ihrem eigenen Leben ziehen.
Sie erwähnte noch den Fiesling J.R. aus der 1980er US-Serie Dallas und dies sicher nicht schön ist, mit so einem Typen namensverwandt zu sein.



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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

Gelesene Bücher 2015: 17
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
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Gelesene Bücher 2011: 86



Mittwoch, 1. April 2015

J. R. Moehringer / Tender Bar

Lesen mit Anne ...

Und wieder ist es soweit. Der erste eines Monats, indem Anne und ich gemeinsam ein Buch lesen. Diesmal war ich dran mit dem Aussuchen eines Buchtitels aus unserem gemeinsamen SuB, s. unten.

Klappentext
Eine Bar ist vielleicht nicht der beste Ort für ein Kind, aber bei weitem nicht der schlechteste. Vor allem das »Dickens« nicht, mit seinen warmherzigen und skurrilen Figuren: Smelly, der Koch, Bob der Cop mit seiner dunklen Vergangenheit oder Cager, der Vietnam-Veteran. Für den kleinen JR, der alleine mit seiner Mutter wohnt, sie alle sind bessere Väter als seiner es jemals war. JR wird erwachsen, und erfüllt sich seinen Traum: er geht nach Yale. Die Bar wird JR sein Leben lang begleiten. Dort hört er zum ersten Mal Sinatra, sieht Baseballspiele im Fernsehen, und trinkt sein erstes Bier. Und bekommt all das, was er braucht: Mut, Zuversicht und die Gewissheit, dass es nicht immer nur die Guten oder die Bösen gibt, dass Bücher Berge versetzen können und dass man an gebrochenem Herzen nicht stirbt.Ein abwechselnd herzzerreißender und urkomischer Roman über tapfere Kinder, mitfühlende Männer und starke Mütter. Und darüber, dass Träume auch wahr werden können - wenn man für sie kämpft.


Autorenporträt
J.R. Moehringer wurde 1964 in New York geboren, er studierte in Yale und war Reporter bei der Los Angeles Times. 2000 gewann er den Pulitzer-Preis.
Das ist das erste Buch, das ich von dem Autor lese, aber in meinem Regal steht noch ein weiterer Buchtitel.

Annes und Mirellas gemeinsamer Sub



Dienstag, 31. März 2015

Haruki Murakami / Die unheimliche Bibliothek

Klappentext
Eigentlich will der Junge nur zwei Bücher zurückgeben und noch ein wenig stöbern. Aber statt in den Lesesaal führt ihn der merkwürdig cholerische alte Bibliothekar in ein Labyrinth unter der Bücherei, wo er ihn einkerkert. Statt Wasser und Brot gibt es in diesem Verlies Tee und köstliche Donuts, serviert von einem mysteriösen Schafsmann und einem stummen Mädchen, das sprechen kann und wunderschön ist. Doch das ändert nichts daran, dass der Junge als Gefangener der Bibliothek um sein Leben fürchten muss, während die Grenzen zwischen Dingen, Menschen und Orten immer weiter verschwimmen.›Die unheimliche Bibliothek‹ ist ein kafkaesker Alptraum und zugleich eine einfühlsame Geschichte von Verlust und Einsamkeit. Murakami schachtelt die Ebenen dieser kunstvollen Erzählung ineinander wie die Welten, die sich in der Bibliothek zu berühren scheinen, und Kat Menschiks schwindelerregend schöne Illustrationen ergänzen sie um weitere Abgründe. Ein Juwel.


Autorenporträt
Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto, Japan geboren und wuchs in Kobe auf. Nach abgeschlossenem Studium verließ er 1975 die Waseda-Universität in Tokio, wo er anschließend sieben Jahre lang Eigentümer einer kleinen Jazz-Bar war.

Gelesen habe ich von Murakami:

IQ84 BD 1 - BD 4                                                                    
Kafka am Strand
Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Kafka am Strand hat es mir ganz besonders angetan. IQ84 ebenso.


Kurze Buchbesprechung:

Es ist ein dünnes Büchelchen, das in die Rubrik Erzählung passt. Hat gerade mal sechzig Seiten mit schwarz-weiß Illustrationen. Der Inhalt ist wieder stark surrealistisch geprägt mit einer typischen Liebesgeschichte. Und die Erzählung liest sich ein wenig wie ein Thriller. Eigentlich kann ich nichts mehr hinzufügen, zu dem, was eh schon aus dem Klappentext zu entnehmen ist. Den Klappentext habe ich kürzen müssen, da darin schon die ganze Geschichte beinhaltet war.

Ob sie mir nun gefallen hat? Schlecht war die Erzählung nicht. Vielleicht nur ein wenig kurz. Spannung war vorhanden. Dadurch, dass sie aber so kurz war, möchte ich nicht noch mehr verraten ...

Das Buch ist empfehlenswert.





Montag, 30. März 2015

Margaret Forster / Schattenkinder (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch hat mir recht gut gefallen. Allerdings beinhaltet es vier Lebensgeschichten. Zwei von jungen Müttern, Leah und Hazel, die ihr erstes geborenes Kind aus unterschiedlichen Gründen weggegeben haben, und die Lebensgeschichten dieser beiden Kinder, Mädchen, Evie und Sharon, die sich später auf die Suche nach ihren wahren Müttern begeben ... Das bedeutet, dass man es  hier mit vier unterschiedlichen Familienhintergründen zu tun bekommt.  

Ich habe zwar sehr viele Zettelchen in meinem Buch haften, habe aber beschlossen, diese nicht zu bearbeiten, da meine hiesige Buchbesprechung doch wegen der Vielzahl der Perspektiven zu umfangreich ausfallen würde. Zumal das eine Mädchen, Evie, zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Welt gekommen ist, und das andere Mädchen, Sharon, Mitte des 20. Jahrhunderts ...

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Dieser Roman handelt von zwei Töchtern, die sich eines Tages auf den Weg machen, um ihre leiblichen Mütter zu finden. Zwei Mütter, die am liebsten die eigene Vergangenheit ruhen lassen möchten, denn sie fürchten nichts so sehr wie die Rache ihrer Töchter. Das Verhalten von Müttern und Töchtern steht in diesem dramatischen Buch im Mittelpunkt.
Ich habe mich ein wenig schwer getan, von einer Familie aus dem vorletzten Jahrhundert in die andere Familie aus dem letzten Jahrhundert im Wechsel zu springen. Nicht, dass ich die Lebensgeschichten dieser vier Frauen für zu kompliziert halte, nein, das waren sie nicht, aber als ich mit dem Kontext der einen Familie warm geworden bin, kam dann der Sprung in die andere Geschichte. Und keine Geschichte baut auf die andere auf, weshalb ich mich frage, weshalb der Autorin es wichtig war, diese Kinder- und Frauenschicksale aus verschiedenen Epochen aufzugreifen.

Natürlich wurde es deutlich, dass es immer die Frau trifft, die über ein werdendes und geborenes Kind mehr Verantwortung trägt, als der Mann, der Erzeuger dieser Kinder. Es sind ethische Und moralische Fragen, die hier auch zum Tragen kommen.

Aus meinem Bekanntenkreis kenne ich drei adoptierte Kinder, die in meinem Alter sind und eine Frau, die mit mir in die Grundschule ging, deren Mutter eine neue Familie gegründet hatte und ihre erstgeborene Tochter beim geschiedenen Vater zurückgelassen- und dieser sie bei der Großmutter väterlicherseits abgegeben hatte. Und es gibt viele Kinder, die symbolisch und psychisch gesehen auch Waisenkinder sind, die in einem Elternhaus groß geworden sind, in dem Eltern zwar vorhanden waren, aber von diesen nicht die emotionale Wärme und Liebe erfahren konnten, wonach sie sich gesehnt haben, um gesund aufwachsen zu können. Sie wurden wie böse Stiefkinder behandelt. Kaum Platz für diese Kinder in der Seele ihrer Eltern, weshalb viele in ihren ersten Lebensjahren auch heimatlose Gefühle entwickelt haben, die ein Leben lang andauern können. Aber nach eingehender Familienanalyse kommt oftmals heraus, dass die Eltern selbst nicht anders konnten. Es ist wie ein Teufelskreislauf. Es wäre demnach mühsam, eine Täter/Opfer-Haltung einzunehmen. Man würde keinem wirklich gerecht werden. Es liegt also an jedem selbst, das Bestmögliche aus seinem Leben zu ziehen.

Das Buch ist recht authentisch geschrieben, psychologisch fundiert und differenziert in den persönlichen Beschreibungen dieser Menschen, damit sind auch die Leute aus dem Umfeld der Protagonistinnen gemeint.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
_________
Bei Liebe geht es um das Geben und nicht um das Nehmen!
(Asa Larsson)

Gelesene Bücher 2015: 15
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Mittwoch, 25. März 2015

Margaret Forster / Schattenkinder

Klappentext
Dieser Roman handelt von zwei Töchtern, die sich eines Tages auf den Weg machen, um ihre leiblichen Mütter zu finden. Zwei Mütter, die am liebsten die eigene Vergangenheit ruhen lassen möchten, denn sie fürchten nichts so sehr wie die Rache ihrer Töchter.Das Verhalten von Müttern und Töchtern steht in diesem dramatischen Buch im Mittelpunkt. Margaret Forster erzählt darüber einfühlsam und mit der ihr untrüglichen Kenntnis.


Autorenporträt
Margaret Forster (geb. 25. Mai 1938 in Carlisle/England) ist eine englische Schriftstellerin und Journalistin?. Sie hat zahlreiche Romane und Biographien geschrieben und wurde für ihr Werk? mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet. Ihre Bücher werden vor allem von Frauen gerne gelesen, da Margaret Forster mit großer Intensität das Leben von Frauen in vergangenen historischen Epochen schildert. In England gilt sie als „unangefochtene Königin des anspruchsvollen Familienromans“.
Die Autorin ist mir fremd, habe bisher noch nichts von ihr gelesen. Den obigen Band habe ich im Restsellerladen Jokers erworben. Mir gefällt das Buch sehr gut. Es liest sich teilweise wie ein moderner Dickens Roman.
Die Hälfte habe ich schon durch.


Dienstag, 24. März 2015

Asa Larsson / Bis dein Zorn sich legt (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe das Buch sehr genossen. Es hat mir außergewöhnlich gut gefallen. Selten kann ich dies zu einem Krimi behaupten.

Was macht einen Menschen zu einem Mörder?

Diese Frage wird im Laufe des Buches behandelt und beantwortet. Demnach war der Inhalt stark psychologisch besetzt. Obwohl man schon recht schnell den Täter der beiden im See ermordeten jungen Leute erahnen kann. Aber für mich war das in Ordnung, hat mir gut gefallen, dass ich nicht das ganze Buch über denken musste, wer der oder die Täter sein könnten. Hier wurde der Fokus auf das Zwischenmenschliche gesetzt, was Menschen miteinander oder gegeneinander bewegt bzw. verbindet. Solche Fragen finde ich immer interessant, weil es einfach mehr Tiefe hat, als wenn in einem Krimi ausschließlich das Verbrechen in den Vordergrund gerät.

Und auf einer der letzten Seiten wird man als Leserin noch mit einer schönen Weisheit beglückt. Auch dies findet man weniger in Krimis.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Rebecka Martinsson, Staatanwältin im nordschwedischen Kiruna, wird in einen besonders grausamen Mordfall hineingezogen: Beim winterlichen Tauchen in einem See stirbt ein junges Pärchen, weil ein Fremder eine Holztür über das Loch schiebt, das sie ins Eis gehackt hatten, um nach einem versunkenen Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg zu tauchen. Wofür wurden die beiden mit dem Tod bestraft? Bei ihren Nachforschungen entdeckt Rebecka ein gefährliches Netz aus Angst, Schuld und Verrat.
Die Protagonisten sind Isak Krekula, seine beiden Söhne Hjalmar und Tore, die Mutter Kerttu, die Staatsanwältin Rebecka Martinsson, Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella,  und die ermordete Wilma.

Wilma taucht nach der Ermordung immer wieder als Geist auf, und spricht aus ihrer Perspektive. Hören kann sie aber nur die Leserin ...

Die Rollen in der Familie Krekula waren folgendermaßen verteilt: Isak war wie üblich das Familienoberhaupt, Kerttu, seine Frau, hatte sich ihm zu beugen, und der ältere Sohn Hjalmar stand hierarchisch gesehen unter seinem jüngeren Bruder Tore, der alle Vorteile, die er von seinem Vater verbal und nonverbal zugewiesen bekam, genoss. Der Verlierer dieser Familie war Hjalmar. Sein Bruder Tore und der Vater Isak hatten sich oft gegen ihn verschworen:
>>Zwei Söhne hat er<<, sagt seine Frau, ohne die beiden anzusehen. >>Und was hat er nun davon?<<Hjalmar sieht, wie diese Worte treffen. Sie bohren sich in ihn hinein wie Messer. Er selbst war schon als Kind daran gewöhnt. Diese vielen Beschimpfungen. Wertlos, dumm, fett, Idiot. Das meiste kam wohl von Tore und Isak. Kerttu hat geschwiegen. Sie hat ihm nur nicht in die Augen gesehen.
Der Zusammenhalt dieser Familie hatte höchste Priorität, auch wenn der oft auf Hjalmars Kosten gelebt wird. Folgende Szene hatte mich tief erschüttert: Als die beiden Jungen noch Kinder waren, hatte Tore mit anderen Jungen Ärger, den er aber selbst verschuldet hatte. Hjalmar stand in der Nähe, sah dem Konflikt zu, und Tore rief den Bruder um Hilfe, da Hjalmar unter den anderen Kindern  gefürchtet war. Doch Hjalmar mischte sich dieses Mal nicht ein und das zog gravierende Folgen mit sich, als Tore weinend nach Hause lief:
Es dauert eine Viertelstunde. Dann ist Isak da. Er geht geradewegs auf Hjalmar zu.Weiß vor Zorn.Wieder hört das Spiel auf, und alle auf dem Spielfeld und am Spielfeldrand sehen, wie Isak seinen älteren Sohn packt und ihn wortlos mitzerrt. Ihn mit festem Griff am Jackenkragen gepackt hält. Kein Wort sagte er, als er Hjalmar durch den Ort schleift. Nur sein vor Wut keuchender Atem ist zu hören, als sie zu Hause den Hofplatz überqueren. Hjalmar bekommt es richtig mit der Angst zu tun, als Isak ihn zur Sauna hinunterschleppt. Was hat er vor?
>>Vater<<, sagt er. >>Warte. Vater.<< Aber Isak sagt nur: >>Fresse halten.<< Erklärungen will er sich nicht anhören.Jetzt haben sie den Steg erreicht. Und das Loch, aus dem Hjalmar vor nicht einmal einer Stunde mit einem Eimer Wasser geschöpft hat.Isak reißt ihm die Mütze vom Kopf. Wirft sie ans Ufer. Hjalmar wehrt sich, aber der Griff um seinen Kragen ist fester geworden, und Isak zwingt ihn vor dem Loch in die Knie und drückt dann seinen Kopf unter (das eisige) Wasser.Er fuchtelt mit den Händen. Sein Kopf droht vor Kälte zu bersten. Er ist stark, kann einmal an die Oberfläche gelangen und nach Luft schnappen, aber danach ist dieser Isak übermächtig. (…) Isaak steht über ihm und raucht eine Zigarette. >>In dieser Familie halten wir zusammen<<, sagt er. 
Der Zusammenhalt ist auch auf ein Familiengeheimnis bezogen, das auf ein in den See gestürztes politisches Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist. 

In dieser Familie passen sich die Gefühle der jahreszeitlich bedingten eisigen Temperatur Norwegens an. Die väterlichen Gefühle scheinen wie eingefroren zu sein. Es gefriert zu Eis in diesem Menschenherzen ...

Hjalmar hatte immer den Kürzeren zu ziehen. In der Schule war er in Mathematik ein Genie. Der Lehrer empfahl ihm die höhere Schule, der Vater war strikt dagegen. Seine Pläne waren, die Söhne nach der regulären Schulpflicht mit in sein Familienunternehmen zu nehmen. Der Vater drohte Hjalmar mit dem Rausschmiss, sollte er sich für die Fachoberschule entscheiden, dabei hatte Hjalmar den Vater nicht darum gebeten. Es war der Lehrer, der ein Gespräch mit dem Vater aufsuchte. Nach dem Gespräch übte der Vater Hjalmar gegenüber Druck aus, dieses hatte wiederum Konsequenzen auf den Lehrer, indem Hjalmar  sich an ihm durch hohe Sachbeschädigung gerächt hatte …

Wie Tore und Hjalmar sich weiterentwickelt haben, das lest selbst. Schön fand ich, als Hjalmar später sich und sein Verhalten hinterfragt hatte und erhielt folgende Erkenntnis, indem er in der Bibel eine Textstelle findet, mit der er sich zu identifizieren wusste:
Und mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe. 
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
_________
Bei Liebe geht es um das Geben und nicht um das Nehmen!
(Asa Larsson)

Gelesene Bücher 2015: 14
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 17. März 2015

Asa Larsson / Bis dein Zorn sich legt

Klappentext
Rebecka Martinsson, Staatanwältin im nordschwedischen Kiruna, wird in einen besonders grausamen Mordfall hineingezogen: Beim winterlichen Tauchen in einem See stirbt ein junges Pärchen, weil ein Fremder eine Holztür über das Loch schiebt, das sie ins Eis gehackt hatten, um nach einem versunkenen Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg zu tauchen. Wofür wurden die beiden mit dem Tod bestraft? Bei ihren Nachforschungen entdeckt Rebecka ein gefährliches Netz aus Angst, Schuld und Verrat.


Autorenporträt
Åsa Larsson, 1966 geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Kiruna. Sie arbeitete als Steueranwältin, bis sie beschloss, Autorin zu werden. Mit ihrem ersten Krimi »Sonnensturm« machte sie in Schweden sofort Furore (ausgezeichnet als bestes Krimi-Debüt). Inzwischen gibt es bereits vier Bücher mit den beiden sympathischen Ermittlerinnen Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella. Åsa Larsson lebt mit ihren beiden Kindern in Südschweden, in der Nähe von Gripsholm.
Das ist mein zweites Buch von der Autorin, das ich gerade lese. Das erste Buch hieß Sonnenstrum. Doch leider hat mir Sonnensturm nicht gefallen ...

Und eigentlich lese ich Krimis nicht soooo gerne, aber es gibt Ausnahmen. Da ich nun die ersten hundertfünfzig Seiten schon durch habe, kann ich sagen, dass mir dieser Krimi ziemlich gut gefällt. Selten, dass es ein Krimi schafft, mich zu begeistern. Der vorliegende Krimi ist authentisch geschrieben, beinhaltet interessante und außergewöhnliche Erzählperspektiven. Zudem ist er noch frei von Klischees und das Thema ist recht spannend. Ein Krimi, der nicht künstlich hochgeschaukelt wird, um die Spannung zu halten, wie ich das von manch anderen Krimis her kenne.



Montag, 16. März 2015

Lilly Lindner / Bevor ich falle (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich am Samstagnachmittag ausgelesen und es hat mir recht gut gefallen. Eine große Wortspielerei, mit der die junge Autorin ihr Thema geschmückt hat. Dieser Schreibstil hat mir sehr zugesagt.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
»Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter beschlossen hat, dass sie das Leben nicht mehr mag. Sie hat mich hochgehoben und ganz fest in ihre Arme geschlossen, dann hat sie mir einen Gutenachtkuss gegeben und mich in mein Bett gelegt. Meine gelbe Giraffe lag neben mir und die bunte Kuscheldecke auch. Ich weiß das noch so genau, als wäre es heute gewesen. Dabei sind Jahre vergangen, seit diesem letzten Tag in meinem Leben.« 
Durch dieses traumatische Erlebnis entwickelte die Protagonistin Cherry Tiefeis eine bulemische Essstörung und massive Autoaggressionen, indem sie sich mit den Rasierklingen in ihren Armen wiederholt lebensbedrohlich verletzte. Ein sehr ernstes Thema, trotzdem nicht aussichtslos. Der Schluss hat mir sehr gut gefallen, hatte etwas Aussöhnendes mit dem gestörten Vater, dem alle seine Gefühle   eingefroren zu sein scheinen. Der Familienname Tiefeis ist von der Autorin sicher nicht zufällig gewählt  ...

Es liegen viele Zettelchen in dem Buch, sodass ich schauen muss, wie ich sie hier einbauen kann.

Die Wortspielereien haben diese ernste Thematik ein wenig aufgelockert wie z.B. auch in der Angelegenheit, dass Cherry ihrem Vater überhaupt nicht ähnlich sein wollte, und schon gar nicht buchstabenverwandt wollte sie mit ihm sein. Ihr Vater leitet einen Buchverlag, den er widerwillig von seinem Vater nach dessen Tod übernommen hat. Er wurde gezwungen, beruflich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, obwohl er diesen Beruf mehr als verachtete. Cherrys Vater nahm mit der Zeit durch den Beruf immer mehr negative Charakterzüge an, dass seine Frau und seine Tochter psychisch darunter leiden mussten.

Mit vierzehn Jahren, es war Weihnachten, gibt es zwischen Cherry und ihrem Vater einen massiven verbalen Zusammenstoß, dass Cherry aus dem Elternhaus fliehen musste, so sehr war sie von ihrem Vater angewidert. Der Vater hielt sie nicht einmal zurück.

Unterwegs trifft sie ihren ehemaligen Schwimmlehrer namens Landon, der die Kleine bei sich aufgenommen hat, nachdem er eine volle Ladung aggressiver Worte und Sätze an den Kopf geknallt bekommen hat. Landon hegt eine besondere Zuneigung zu dem Mädchen. Er kennt sie seit vielen Jahren und ihm war das Mädchen schon immer besonders sympathisch. Als er mit Cherrys Vater telefoniert, um ihm mitzuteilen, dass seine Tochter sich bei ihm befindet und er sich keine Sorgen zu machen brauche, erwidert dieser, dass er sich keine Sorgen machen würde, sie solle bloß nicht wieder zurückkommen. Landon war sprachlos …

Landon übernahm die Fürsorge für Cherry, allerdings ohne Bürokratie, ohne das Eingreifen des Jugendamts. Cherry zieht bei Landon ein. Eine schwere Aufgabe hat er dadurch übernommen. Nicht nur, dass er mit dem eruptiven Wortrausch fertig werden musste, Cherry selbst bezeichnet diese Form der Kommunikation als eine Sprachkriminalität.  Nein, auch die psychischen Erkrankungen musste Landon mit auffangen. Landon gilt als ein selbstloser Mensch mit einem riesengroßen Herzen, der dem seelisch heimatlosen Mädchen ein neues Zuhause schenkt.

Auch wenn Landon einen Großteil der Aggressionen abbekommt, die eigentlich dem lieblosen Vater gelten, gibt er das Mädchen nicht auf und hilft, wo er nur kann:
Du musst begreifen, dass du einen Wert besitzt, und dieser Wert ist zu groß, als dass man ihn auf einen Grabstein drucken könnte. Cherry, das ist dein Leben, du entscheidest, was für ein Mensch du sein möchtest. Du allein! Also reiß dich zusammen und übernimm Verantwortung für dich. 
Cherry vermisst auch nach Jahren noch ihre Mutter, hat große Sehnsucht, fühlt sich schuldig, dass sie sich das Leben genommen hat. Ihr Vater machte sie für diese Tat verantwortlich. In Wirklichkeit hat sich die Mutter wegen des Vaters suizidiert. Sie hielt den seelischen Druck nicht mehr aus, mit einem Mann weiterhin verheiratet zu sein, der überwiegend zu Destruktionen neigt. Scheidung durch den Tod …

Cherry ist ein sehr sensibler und fantasiebegabter junger Mensch ... Mit den Jahren entwickelt sich aus einem Trauma eine  Persönlichkeitsstörung mit psychotischen Tendenzen.

Ihren Namen Cherry, Kirsche, bezeichnet sie selbst als Fallobst. In fast jedem Wort findet sie ein Bild, dermaßen stark ist ihre verbale Kreativität.

Cherry wird erwachsen, mit ihr auch die psychische Erkrankung, obwohl sie sehr erfolgreich ist in ihrem Leben. Die Sucht, sich mit der Rasierklinge zu zerstückeln, nimmt immer mehr zu ... Cherry beendet die Schule ohne großen Aufwand mit Bravour und findet eine Musikgruppe, in der sie die lyrischen Songs zu der Musik schreibt.

Ihr Vater riet ihr damals, als sie noch ein Kind war, vom Schreiben ab:
„Überlege dir genau, was du später für einen Beruf ergreifst! Überlege es dir haargenau! Und wo auch immer deine eingeschränkten Gedankengänge enden, werde bloß keine Schriftstellerin, denn dann kannst du genauso gut gleich in die Klapse ziehen."

Dazu aus Cherrys Sicht:
Ich war damals noch zu klein, um Worte wie Klapse zu verstehen, aber ich habe sofort begriffen, dass es ein großes Verbrechen oder zumindest eine schreckliche Schande sein muss, Bücher zu schreiben. Und ich wusste auch, dass meine Mutter immer nur heimlich gelesen hat, auf dem Dachboden. Dort hatte sie einen Karton mit Büchern versteckt, denn mein Vater hat immer felsenfest behauptet, dass er allergisch gegen Buchstabenfussel und Wortmilben sei. (…)
Vater:  
"Ich dulde in meinem Haus keine Wortschäden vom psychotischen Weltumseglern! Literatur ist etwas für schwergewichtige Satzfresser! Ich hasse Poesie! Und was ich noch viel mehr hasse als Poeten, sind die schleimigen Danksagungen, die diese Idioten verzapfen.“  
Was sind Worte? Für die suchende Cherry lebende Laute, befreiender oder aber auch zerstörender Art. Sie sucht in ihnen Halt, Stabilität: 
Du wirst schon sehen. Irgendwann.
Hinter der Nacht, in deiner Stille.
Irgendwo. Findet dich ein Wort.
An das du dich halten kannst. 
Cherry experimentiert mit ihrem Leben, erleidet aber immer wieder Rückschläge, vor allem auch, als sie nicht mehr bei Landon wohnt und in einer eigenen Wohnung lebt. Sie sehnt sich nach Familie zurück. Doch Landon bleibt im Hintergrund präsent. Hilft ihr immer wieder auf die Beine. Manchmal mit Druck, aber oft mit Liebe, mit Ausdauer und mit Beistand. Er ist es, der sie hält, bevor sie fällt ...

In dem Wort versuchsweise entdeckt Cherry, dass Versuchen weise ist. Mit dieser Einstellung zieht sie durchs Leben.

Den Vater bezeichnet Cherry als buchstabenbetrunkenen Vollidioten. In der Arbeit im Verlagswesen hat er natürlich mit Manuskripten, Autoren und mit Büchern zu tun.

Als Cherry acht Jahre alt war, befand sich der Vater wegen eines Lungenbruchs im Krankenhaus. Dazu die Gedanken des Vaters:
Wenigstens ist dieses Krankenhaus nicht so wortverseucht wie das buchstabeninfizierte Verlagsgebäude! Hier kann man in aller Seelenruhe herumliegen, ohne dass irgendwer mit einem vergessenen Punkt, oder einem gottverdammten Apostroph angerannt kommt. Und hier gibt es auch keine nervtötenden Schriftsteller, die ihre Lebenskrisen in Form von autobiografischen Texten verarbeiten und anschließend an ihren eigenen Aussagen scheitern!
Der Vater ist ebenfalls mit viel Wortfantastereien gesegnet, und Cherry erkennt, dass sie ihrem Vater ähnlicher ist als sie glauben möchte.

Cherry geht ihren Weg, doch sie hatte auch Glück, dass sie einem Menschen wie Landon begegnet ist, der ihr väterlich zur Seite steht, unabhängig davon, wie belastend die Psyche dieses jungen Menschen auch ist.

Ich kann dieses Buch vor allem auch jungen Mädchen empfehlen, da es neben der Destruktivität auch sehr viel Aufbauendes und Hoffnungsvolles in dem Buch gibt.

Relative Heilung findet Cherry vor allem auch in ihren Selbstreflexionen. Sie hat so viel Bewusstheit, die es ihr  ermöglicht, ihr Verhalten zu hinterfragen. Ehrlich zu sich selbst zu sein ist auch ein Schritt zum genesenden Leben. 

Viele junge Mädchen, die aus einem instabilen Elternhaus kommen, entwickeln ähnlich wie Cherry dieselben Symptome. Selbstverletzendes Verhalten verbunden mit einer Essstörung ist nicht gerade selten, weshalb ich zu diesem Buch aufmuntern möchte.

Z.B. zählt die Vergebung in der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der psychischen Erkrankung mit zum Heilungsprozess ...

Lediglich die Psychotherapie, in die sich Cherry begibt, kommt mir ein wenig unseriös vor. Nicht, dass das unrealistisch ist. In der Landschaft der Psychotherapeuten gibt es genug inkompetente Helfer.  

Das Buch erhält von mir wegen der Art, wie die Autorin das Thema bearbeitet hat und wegen der  fantasievollen und der kreativen Sprachgewandtheit zehn von zehn Punkten.

Ich freue mich auf das nächste Buch von der Autorin.

_________
Das Leben ist zu kurz für Nebensätze.
(Lilly Lindner)

Gelesene Bücher 2015: 13
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Donnerstag, 12. März 2015

Lilly Lindner / Bevor ich falle


Klappentext
»Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter beschlossen hat, dass sie das Leben nicht mehr mag. Sie hat mich hochgehoben und ganz fest in ihre Arme geschlossen, dann hat sie mir einen Gutenachtkuss gegeben und mich in mein Bett gelegt. Meine gelbe Giraffe lag neben mir und die bunte Kuscheldecke auch. Ich weiß das noch so genau, als wäre es heute gewesen. Dabei sind Jahre vergangen, seit diesem letzten Tag in meinem Leben.«


Autorenporträt
Lilly Lindner wurde 1985 in Berlin geboren. Bereits mit fünfzehn begann sie autobiographische Texte und Romane zu schreiben. Viel Zeit verbringt sie heute mit der Arbeit mit Kindern.

Das ist das erste Buch von der Autorin, das ich lese. Auf meinem kleinen ungelesenen Stapel befindet sich noch ein anderes Buch von ihr. Das vorliegende Buch gefällt mir ganz gut. Habe die ersten hundert Seiten durch und bin zuversichtlich, dass die folgenden Seiten weiter interessant sein werden.

Mal schauen.


Mittwoch, 11. März 2015

Mohammad, der Prophet (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Ich habe das Buch am letzten Montag beendet und es hat mich mehr als bereichert. Ich kann immer besser verstehen, weshalb der Autor aus seiner Heimat fliehen musste.

Ich habe mir viele Zettelchen in das Buch gelegt, ich werde aber nicht alle bearbeiten können. Während des Lesens fragte ich mich immer wieder, ob Mohammad tatsächlich so gelebt hat? Ein fiktiver Roman? Nein, nicht ganz. Eine fiktive Biografie. Ich werde gleich den Anhang des Buches voranstellen.
Der vorliegende Roman über Mohammads Leben, eigentlich ein Roman über die Entstehung einer Biografie, verdankt sich Abdolahs langjähriger Beschäftigung mit dem Koran, der in den Niederlanden in Abdolahs Übertragung erschien, und zwar gleichzeitig mit dem Roman. Während seiner Übersetzungsarbeit am Koran wuchs in Abdolah die Überzeugung, das heilige Buch des Islam sei nicht zu verstehen für den, der vom Propheten und seinem Leben nichts wisse. Also erfand er Zayd, den Prototyp des getreuen Diener, der seinem Herrn rückhaltlos folgt, zugleich aber seine Arbeit als Chronist ernst nimmt und gewissenhaft aufschreibt, was ihm andere berichten. Und so entstand das facettenreiche Bild eines Menschen, in dessen Entwicklung sich auch heutige Leser hineinversetzen können. In der Einleitung zu seiner Übersetzung schreibt Abdolah, eigentlich sei es unmöglich, den Koran zu übersetzen. Die Schönheit von Mohammads Sprache geht dabei verloren, und da jede Sure unendlich vieldeutig sei, könne man sie auch auf sehr unterschiedliche Weise übersetzen. Fehler seien dabei unumgänglich. Und wenn an seiner Interpretation etwas nicht stimme, so liege das eben an seiner Unwissenheit wie an seiner Liebe zu Mohammads Prosa.Er bedauere es, dem (...) Leser den ursprünglichen Geschmack von Mohammads Suren nicht wirklich vermitteln zu können. Es sei ihm aber vielleicht gelungen, so hoffe er, >ein Loch in die Mauer< zu schlagen, durch das der Leser wenigstens einen Blick>>in Mohammads Gärten<< werfen kann.
Damit ist Abdolahs Hauptanliegen bei seiner Koranübersetzung benannt. Um dem westlichen Leser den Zugang zu erleichtern, hat er die Suren neu, und zwar chronologisch geordnet, vielen eine kurze historische Erläuterung vorangestellt und manche beträchtlich gekürzt. Die dichterische Freiheit ist dabei unübersehbar, aber immer von tiefem Respekt vor der >>göttlichen Prosa<< des Propheten getragen.In der fiktiven Biografie Mohammads, die das Pendant zur Koranübersetzung bildet, kommen natürlich ständig Suren vor, die der Chronist Zayd aus dem Gedächtnis zitiert oder andere zitieren lässt. Auch im Umgang mit diesen Zitaten lässt Abdolah dichterische Freiheit walten, hin und wieder weicht er sogar von seiner eigenen Koranübersetzung ab. Als ich ihn nach dem Grund dieser Variation fragte, antwortete der Autor lächelnd: >>Als Zayd Zeugnisse für sein Buch sammelt und eigene Erinnerungen wachruft, zitiert er Suren aus dem Gedächtnis, die erst viel später in ihrer endgültigen Form festgelegt wurden. Wer kann denn behaupten, alles genauso zu behalten, wie er es gehört hat!<<
Das heißt auch, die fiktiven Teile im Text, bzw. auch  Figuren, wie z.B. der Chronist Zayd, waren dem Autor wichtig, um uns LeserInnen Mohammads Leben verständlicher zu machen.

Allerdings muss ich sagen, dass mir die Verse nicht wirklich zugesagt haben. Ich kann mir vorstellen, dass die dichterische Schönheit durch die Übersetzung viel Einbußen hat hinnehmen müssen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Zayd, der Adoptivsohn des Propheten, erhält nach dessen Tod von den Anführern des Islam eine ehrenvolle Aufgabe: Er soll Allahs Offenbarungen an Mohammad sammeln, indem er alle befragt, die sie gehört haben. Ein Jahr lang reist und arbeitet er, bis der Koran fertig ist. Doch das Buch wird abgelehnt - starke Gegner unter den Muslimen wollen eine andere Lehre. Da begreift Zayd, dass er der Einzige ist, der das Leben Mohammads aufzeichnen kann, ohne dass die Erinnerung an den Propheten umgedeutet und verändert wird. Erneut macht er sich auf die Reise und redet mit denjenigen, die Mohammad kannten: seiner Familie, seinen Dienern, den Wissenschaftlern und den Dichtern, seinen Freunden und Feinden. Ein Reigen aus Geschichten entsteht, in farbenfrohen Szenen schildert Zayd das Leben des Propheten von der Geburt bis zum Tod. Und dieses Leben erweist sich als der Schlüssel zum Koran: Als Zayd im Licht seiner Erfahrungen auf der Reise den Koran neu ordnet, wird das Buch als die wahre Lehre angenommen.
Da wir vor ein paar Tagen den Internationalen Frauentag gefeiert haben, kam mir das Buch zur rechten Zeit. Denn Mohammad war ein Prophet, der sich auch für die Rechte der Frauen eingesetzt hatte. Er fand eine Bibelstelle, aus der er Pharaos Weisungen entnahm:
Da gebot Pharao allem seinem Volk und sprach: Alle Söhne, die geboren werden, werft ins Wasser, und alle Töchter lasst leben.
Mohammad beobachtete an seinen Landsleuten die schlechte Behandlung an den Frauen. Er bereiste die Welt und kam weise wieder zurück und sprach zu Zayd: 
Die Welt ist in Bewegung, wir aber stehen still. In den Nachbarländern achten die Männer ihre Frauen, während wir uns ihrer schämen und unsere neugeborenen Töchter töten. In diesen Ländern werden Kinder mit Liebe behandelt, aber wir stecken sie wie Hunde in Käfige und verkaufen sie auf dem Markt. Alle anderen haben einen neuen Propheten gehabt und ein heiliges Buch, nur wir haben keins von beiden.  
Mohammad machte sich bei seinen Landsleuten unbeliebt, wurde als Frauenheld beschimpft, doch Mohammad ließ nicht locker:
TÖCHTER waren nichts wert, und die Väter schämten sich ihrer. Mohammad verkündet: Haltet ein! Haltet ein mit der Demütigung eurer Frauen. Das Paradies liegt zu Füßen der Mütter! (…) Allah hat mich beauftragt, euch hier zusammenzurufen und euch Folgendes zu sagen: Eine mächtige Armee, Allahs Armee, steht hinter diesem Berg und wird euch bestrafen für das, was ihr euren Sklaven antut, was ihr euren Frauen antut, was ihr euren neugeborenen Töchtern antut.
Die Frauen sollten auch am Erbe beteilig werden, indem sie die Hälfte von dem bekommen, was ihre Männer erben. Mohammad machte sich bei den Herrschenden immer unbeliebter. Sein Leben geriet immer mehr in Gefahr …

Noch bevor Mohammad Botschaften von oben erhalten hatte, war er anders als alle anderen. Er sah in den Menschen, in der Natur, in den Tieren den Schöpfer. Diese galten für ihn schon als Beweis genug für die Existenz Gottes. Später, als Mohammad sich als Prophet erkenntlich zeigte, verlangten die Menschen von ihm Beweise und lachten ihn aus, als er die Natur als Gottesbeweis deklarierte:
Warum denken die Menschen nicht nach? Warum fragen sie sich nicht, wer die Himmel, die Meere, die Berge, die Bienen und die Frauen erschaffen hat? Wer lässt das Wasser vom Himmel fallen? Er muss doch jemand sein. Ein Gott, der Gott, der Moses gesandt hat, der Gott, der Jesus gesandt hat, der Gott, der Ibrahim gesandt hat. Es gibt nur einen Schöpfer. Er ist Einer und es gibt nichts außer ihm...
Doch Mohammad haderte auch sehr mit Allah. Er verglich sich mit anderen Propheten, z.B. mit Jesus, Dawud …, die aus seinem Empfinden näher bei Gott standen als er. Er zweifelte an sich, und stellte sich die Frage, weshalb  Gott gerade ihn zu seinem Gesandten gemacht hat, Mohammad, der nur ein Waisenjunge war?  In seiner Not fühlte er sich nicht gehört, doch das änderte sich recht bald. Mohammad zog sich in die Berge zurück, wo er in aller Stille, in aller Zurückgezogenheit Gottes Botschaften empfing, was ihn mit Freude und Dankbarkeit erfüllte.

Auf Seite 103 geht es um den Begriff des Islams, der durch den Propheten neu eingeführt wurde, und Unterwerfung bedeutete. Interessant. Wusste ich vorher nicht. Die Machthaber des islamischen Glaubens sind alles andere als unterwürfig. In der Demut liegt die Kraft des Glaubens, doch die Herrscher sind alles andere als demutsvoll.

Mohammads sehr junge und hübsche Frau Aischa geriet in Verruf und man bezichtigte sie der Untreue, als sie länger ausblieb, als beabsichtigt. Mohammad stand selbst unter Druck der lästernden Mäuler, er hatte Angst, dass an dem Gerücht etwas dran sein könnte, und konfrontiert Aischa mit vorwurfsvollen Fragen. Als er merkt, dass ihr Unrecht getan wurde, verkündet Mohammad:
Denjenigen, die ehrbaren Frauen Untreue vorwerfen, jedoch nicht vier Zeugen beibringen können, verabreicht achtzig Peitschenhiebe. Nehmt von ihnen nie mehr eine Zeugenaussage an. Es sind ruchlose Menschen.Diejenigen, die nichtsahnenden ehrbaren Frauen Ausschweifungen vorwerfen, sind verflucht in diesem Leben und im Jenseits. (…) An jedem Tag wird Gott ihnen die gebührende Strafe zukommen lassen. Und sie werden erkennen, dass Allah die lautere Wahrheit ist.Mohammad, sag den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Keuschheit bewahren. Das ist lauterer für sie. Allah weiß alles.
Damit die Frauen in Zukunft vor falschen Verleumdungen geschützt sind, und   auch vor sexistischen Männern, wurde der Schleier eingeführt: 
Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Keuschheit bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was auch sonst sichtbar ist. Sie sollen ihre Tücher über ihre Brüste ziehen und ihre Reize vor niemandem enthüllen als vor ihren Ehegatten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten … Und von da an mussten Frauen in der Öffentlichkeit einen Schleier tragen, sie durften fremden Männern ihre Schönheit nicht mehr zeigen.
Von da an begannen die Leute, ihre Haustüren mit Türklopfer zu versehen. Wenn die Frauen das Klopfen hörten, zogen sie sich in ihre Zimmer zurück.
Nun, soviel zur Einführung der neuen Kleiderordnung.
Mohammad verhielt sich zwar gerechter zu den Frauen, doch auch er lebte polygam. Aber er behandelte seine Frauen wie Königinnen …

Wer mehr zu dem Buch wissen möchte, immerhin gibt es noch Thesen zu dem Propheten Jesus, der als Sohn Gottes von Mohammad nicht anerkannt werden konnte, denn Allah sei ein EINZIGER und habe keinen Sohn. Allah würde nicht zeugen, und Allah selbst wurde nicht gezeugt. Lest selbst.

Mein Fazit:
Ich habe nun ein besseres Verständnis zu dem Propheten Mohammad und seinem Leben erhalten, was dem Autor ja wichtig ist, diesen den Menschen aus der westlichen Welt nahezubringen. Sein Ziel hat er erreicht. Ich hege aber nicht den Anspruch, mit diesem einen Buch alles von Mohammad zu kennen.

Dennoch, wenn man sich in die damalige Zeit zurückversetzt, war der Islam alles andere als rückständig.

Für mich sind die Fundamentalisten keine gläubigen Menschen. Es geht ihnen nur um Macht und um Besitztümer, weniger um Gott selbst, sie benutzen Gott, und führen in dessen Namen den heiligen Krieg.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Die Welt ist eine Metapher.
(H. Murakami)

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