Samstag, 11. Oktober 2014

Gail Tsukijama / Die Straße der tausend Blüten

Klappentext
Tokio 1939. In der Straße der tausend Blüten wachsen zwei Brüder ohne ihre Eltern auf, liebevoll umsorgt von ihren Großeltern. Wie diese träumen sie von einer Zukunft, die fest in den Traditionen des alten Japan verankert ist. Doch bald bricht im Land eine neue Zeit an, in der es keinen Platz mehr für die alten Werte zu geben scheint. Werden Hiroshi und Kenji ihren Weg in einer veränderten Welt finden? 


Autorenporträt
Die Autorin ist in San Franzisko geboren, wohnt derzeit in Kalifornien. Die Mutter ist Chinesin, der Vater Japaner. 
Das Buch ist im Handel nicht mehr verfügbar. Nur noch antiquarisch.

Ich selbst habe das gebundene Buch recht preisgünstig  im Restseller-Laden Jokers erhalten. Die Autorin ist mir unbekannt.


Freitag, 10. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha ( 7)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 4

Siebte von sieben Buchbesprechungen zur o.g. Lektüre

Es hat sich wieder viel Stoff angesammelt, werde aber stark raffen. Konzentriere mich hier hauptsächlich auf die Beziehung zwischen Albertine und dem Icherzähler Marcel. Kurz gehe ich auf zwei weitere Figuren ein, die in diesem Band viele Seiten gefüllt haben, und ich mir sicher bin, dass sie in den Folgebänden wieder auftreten werden.

Die Figur, die mir im vierten Band besonders sympathisch war und die mir am intellektuellsten erschien, ist der Baron Charlus. Ein sensibler Mensch, der sich tatsächlich um vieles Gedanken zu machen weiß, obwohl er es in der Gesellschaft als Homosexueller nicht einfach hat, akzeptiert zu werden. Er zeigt sich recht modern und aufgeklärt in seiner Menschen- und Weltanschauung; bunte Kleider zum Beispiel wurden allgemein eher als geschmacklos empfunden, die bei einigen anderen im schlimmsten Fall sogar hurenhafte Assoziationen hervorrufen. Ein kleiner Abriss aus einer Konversation zwischen Monsieur Brichog, Monsieur Charlus, Madame de Cadignan und Monsieur M. Proust.
>>Also welche Bedeutung hat das schon für uns, die wir weder über das Privileg verfügen, darin spazieren zu gehen, noch jene Dame kennen, noch Adelstitel führen?<< Brichot nämlich ahnte nicht, dass man sich für ein Kleid und einen Garten wie für ein Kunstwerk interessieren kann und dass Monsieur de Charlus die kleinen Gartenwege der Madame de Cadignan wie in der balzacschen Novelle vor sich sah. 
Das war wieder ein wunderschönes Zitat.

Und die Figur, die mir partout nicht sympathisch war, das ist der Geiger Morel, auch wenn Monsieur Charlus sehr um den Kontakt mit ihm bemüht ist. Er sieht Morel gerne, schätzt ihn, fördert ihn in seiner Musikkunst, etc. Erst glaubte ich, dass Charlus sich sexuell zu ihm hingezogen fühlt, doch diesen Verdacht fand ich noch nicht bestätigt.
Morel versucht sich öffentlich gut darzustellen, und doch tritt auch er als Geiger ins Fettnäpfchen und sich in die peinliche Lage bringt, zwei bedeutende französische Virtuosen miteinander zu verwechseln.
Morel ist hauptsächlich bei Madame Verdurin sehr beliebt, die seine Musik liebt, und jede musikalische Panne gelassen hinnimmt.

Morel zeigt Probleme im Umgang mit Proust, der ihn aufgrund seiner Herkunft nicht zu achten weiß, da Proust nur ein Bourgeoise ist. Doch Proust zählt ihm auf, mit welchen bedeutenden Leuten der Vater verkehren würde. Morel imponiert das partout nicht.

Damit zeigt der Autor, dass ihm eine gute gesellschaftliche Stellung auch wichtig ist, und er sich bemüht, in den höheren Kreisen dazuzugehören. Aber er gehört dazu, denn er ist insgesamt recht gefragt und beliebt, fast allen Angehörigen der gehobenen Gesellschaft ist es wichtig, dass er an den gesellschaftlichen Veranstaltungen regelmäßig teilnimmt. Die Soireen und die Mattinees finden in der Häufigkeit statt, zu vergleichen mit einem Menschen, der berufstätig ist. Die einen gehen zur Arbeit, andere besuchen gesellschaftliche Aktivitäten. Die Teilnahme daran wird von einem erwartet, gehört zum täglichen Pflichtprogramm dazu. 
Man muss beobachtet haben, wie der Arzt Cottard (…) nach außen zu einer festen Haltung gelangt war, und wissen, aus wie viel Liebesverdruss, wie vielen Niederlagen ihres Snobismus der scheinbare Hochmut und allgemein unterstellter Antisnobismus der Fürstin Scherbatow sich entwickelt hatte, um zu verstehen, dass innerhalb der Menschheit die Regel-von der es natürlich Ausnahmen gibt-darin besteht, dass die harten Menschen Schwache sind, die keine Gegenliebe gefunden haben, und nur die Starken, die sich eben keine Gedanken darüber machen, ob man sie mag oder nicht, jene Sanftmut aufbringen, die der gemeine Mann für Schwäche hält. 
Das ist auch ein schönes Zitat, mit viel Weisheit umhüllt.
Man verstößt lieber ein Familienmitglied, wenn es den familiären und den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entspricht, als das Gesicht in der Gesellschaft zu verlieren. Habe das schon in allen Gesellschaftsschichten beobachten können, sowohl im Inland als auch im Ausland.

Vielleicht für mich noch einmal zu dem vierten Band grob zusammengefasst:
Sodom und Gomorrha werden als die Sexualität der Männer (Sodom) und die der Frauen (Gomorrha) dargestellt. Mit beiden Arten setzt sich der Autor und Icherzähler Marcel Proust ausführlichst auseinander, und nach meiner Beobachtung und Einschätzung ist er nirgends wirklich glücklich. Lt. meiner Recherchen ist es ihm nicht geglückt, Liebesbeziehungen zu halten, geschweige denn sich mit einem Mädchen zu vermählen. 

In eine der letzten Buchbesprechungen hatte ich geschrieben, dass Proust von seinen Müttern nicht wirklich abgenabelt ist und fühle mich aus den Begebenheiten vieler Szenen auch bestätigt, s. Beispiel mit Madame de Guermantes weiter unten. Des Weiteren fällt mir auf, dass männliche Familienangehörige so gut wie keine Rolle spielen. Der Vater war mal kurz im ersten Band präsent, der seiner Frau riet, mit Marcel ein wenig strenger in der Erziehung vorzugehen. Nicht, weil der kleine Marcel untadelig war, nein, weil er mütterliche Liebkosungen zwingend einzufordern wusste. Im ersten Band gab es folgende Szene, die ich gerne wieder aufschreibe: Die Eltern hatten bis spät in die Nacht Gäste bei sich. Marcel wurde zeitig ins Bett geschickt, ohne einen Gutenachtkuss, da die Mutter mit den Gästen beschäftigt war. Marcel plagte dadurch die Schlafstörung. Als die Gäste schließlich gegangen waren, lauschte der kleine Marcel, ob seine Mutter nun endlich nach oben kommen würde, um ihm einen Gutenachtkuss zu geben. Die Kinderzimmertür hatte er leicht geöffnet gehalten. Als die Eltern mitbekommen hatten, dass der Junge noch nicht schlief, weil er keinen Gutenachkuss bekommen hatte, zeigten sich beide, Vater und Mutter, Marcel gegenüber verärgert ...
Der Junge genoss eine exzessive, wohlbehütete Kindheit.

Im erwachsenen Leben zeigen sich gehäuft Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen, doch ganz speziell Frauen/Mädchen gegenüber. Er erkennt, dass er oftmals Phantomen nachjagt. Kreaturen, die nur in seiner Einbildungskraft existieren, die er quasi in reale Wesen hineinprojiziert.
Er läuft Frauen / Mädchen hinterher, diese Szenen werden auch im ersten Band dargestellt. Damals hatte er sich in Madame de Guermantes verliebt, die vom Alter her seine Mutter hätte sein können. Er spürte ihre Gehwege auf, mit dem Ziel, ihr öffentlich zu begegnen. Heute würde man dafür den Begriff Stalking gebrauchen. Madame de G. hatte sich von ihm belästigt gefühlt. Natürlich sollte dies unauffällig sein, doch sie kam ihm recht schnell auf die Schliche.
Albertine und Madame de Guermantes bekamen für mich die tiefe Monotonie, die allegorische Bedeutung einer Art von Linie, der mein Charakter stetig folgte. Es war natürlich, aber trotzdem nicht gleichgültig; sie erinnert mich daran, dass mein Schicksal es war, immer nur Phantome zu verfolgen, Wesen, deren Wirklichkeit zu einem guten Teil nur in meiner Einbildungskraft bestand; es gibt tatsächlich Wesen - und das war bei mir seit meiner Jugend schon so; für die alles, was einen festen, von anderem feststellbaren Wert besitzt, Vermögen, Erfolg, hohe Stellungen, überhaupt nicht zählt; was Sie brauchen, sind Phantome. Um ihretwillen opfern sie alles Übrige, setzen sie alles ins Werk, alles tritt für sie hinter der Begegnung mit einem solchen Phantom zurück. Dieses aber braucht nicht lange, um wieder zu entschwinden; dann läuft man einem anderen nach, um schließlich zu dem früheren zurückzukehren. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich um Albertine bemühte, das Mädchen, das ich im ersten Jahr vor dem Meer erblickt hatte. 
Zurück zum Liebespaar Marcel und Albertine.

Marcel lädt Albertine dazu ein, gemeinsam mit ihm von Balbec aus nach Hause, zurück nach Paris zu reisen - Albertine zeigt sich zurückhaltend, da es sich nicht schickt,  als junges Mädchen alleine mit einem jungen Mann sich auf Reisen zu begeben. Sorgen macht sie sich um ihre Tante, die das nicht für gut heißen würde. Es würde Gerede geben, das die Tante enttäuschen würde. Proust schlägt ihr vor, sich als seine Cousine auszugeben oder aber auch sich als ein fast verlobtes Paar zu bekennen.
Sie äußert weiterhin Bedenken:
„Würde es nicht merkwürdig aussehen, wenn ich bei Ihnen wohnte? Und in Paris wird man ja wissen, dass ich nicht Ihre Cousine bin."
„Gut! Dann sagen wir eben, wir seien so gut wie verlobt. Was macht das, wo sie doch wissen, dass es nicht stimmt?" Der Hals Albertines, der ganz auf ihrem Hemd hervortrat, war mächtig, golden, kräftig gekörnt. Ich küsste sie in so einer Weise, wie ich meine Mutter geküsst hätte, um einen Kinderschmerz zu beschwichtigen, von dem ich damals glaubte, ich werde ihn niemals aus meinem Herzen reißen können. 
Auch hier finde ich erneut die Assoziation mit den Küssen seiner Mutter aus den Kindertagen. In den letzten Buchbesprechungen beschrieb ich die visuelle Szene mit den Küssen auf den Mund seiner Großmutter, die ich als die zweite Mutter bezeichnet hatte. Ebenso der großmütterliche Schmerz, der weggeküsst werden sollte, kommt auch hier in seiner Beziehung zum Tragen. Diese sind, auf Albertine bezogen, alles andere als Liebesküsse.

Immer wieder erlebe ich ihn in den Beziehungen zu Frauen recht ambivalent und widersprüchlich. Er selbst schreibt von einem zerrissenen Herzen, in das Albertine hervorzudringen vermochte.
Hundert Jahre hätte ich suchen können, um herauszufinden, wie die Pforte, die sich hinter ihr schloss, sich noch einmal wieder öffnen ließe. Jener Worte hatte ich eine kurze Weile nicht mehr gehört, solange Albertine eben bei mir war. Während ich sie küsste, wie ich meine Mutter in Combray geküsst hatte, um meine Angst zu beschwichtigen, glaubte ich beinah an die Unschuld Albertines, doch dachte ich wenigstens nicht mehr unablässig an die Entdeckung ihres Lasters.
Aus meiner Sicht klingt das ein wenig neurotisch. Ist er durch die Mütter zu sehr verweichlicht? Zu viel Mutterliebe kann eben auch ähnliche Symptome hervorrufen, wie bei einem Menschen, dem die Mutterliebe in seiner frühkindlichen Entwicklung gefehlt hat.
Albertines Laster? Hier spricht wieder der Marcel in seinem Wahn nach Vollkomenheit, der sich eine perfekte Welt wünscht, in der sich perfekte Menschen bewegen.

Die Mutter befürwortet die Beziehung mit Albertine nicht. Marcel würde mit ihr unnötig zu viel Geld veräußern und außerdem sei er durch sie innerlich recht aufgewühlt und unruhig. Er beendet die Beziehung.

Proust ist ein Träumer, imaginiert immer wieder romantische Liebesszenen, die er in Wirklichkeit nicht zu leben weiß. Darauf seine Mutter, die ihren Schützling vor Liebeskummer weinend vorfindet:
>>Nun<<, sagte meine Mutter, >>hast mir nichts Schlechtes über sie gesagt, sondern nur, sie langweile dich ein wenig und du seiest ganz froh, dass du den Gedanken an eine Heirat mit ihr aufgegeben hast. Das ist doch kein Grund, so sehr zu weinen. Bedenke, dass deine Mama heute abreist und schrecklich traurig wäre, wenn sie ihren großen Jungen in diesem Zustand zurücklassen müsste.<< 
Wenn ich dieses Zitat lese, dann bekomme ich den Eindruck, eine Mutter spricht zu ihrem kleinen Jungen, wenn ich nicht wüsste, dass der Kleine schon längst erwachsen ist ...
Überrascht war ich schließlich am Ende des Buches über eine Wende, auf der letzten Seite, mit der ich nicht gerechnet hatte, als Marcel der Mutter verkündet:
Ich heirate Albertine.
Demnach muss er die Beziehung wieder neu aufgenommen haben. Aber, wie oben schon geschrieben, werden diese Heiratsabsichten nur Absichten bleiben, da er dafür die seelische Reife einfach nicht aufbringen kann.
Nun habe ich genug von der Beziehung(sunfähigkeit) zwischen Marcel und Albertine geschrieben.

Dies ist meine letzte Buchbesprechung zum vierten Band Sodom und Gomorrha, mit dem Proust die damaligen Homosexuellen arg schockiert haben soll ...

Wenn alles gut geht, werde ich im Dezember mit dem fünften Band fortfahren, Den sechsten hatte ich aus persönlichen Gründen vorziehen müssen. Ich komme leicht wieder rein, wenn ich mir meine Notizen herauskramen werde.

__________
„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.
Manchmal, die Kerze war kaum gelöscht,
fielen mir die Augen so schnell zu,
dass keine Zeit blieb, mir zu sagen:
Ich schlafe ein.“
(Marcel Proust)

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Mittwoch, 8. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (6)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Sechste von sieben Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ein paar Vorgedanken ...

In einer Literaturzeitschrift hatte ich mal vor mehreren Jahren gelesen, dass in den Werken Auf der Suche nach der verlorenen Zeit über tausend Figuren existieren würden. Dies hatte mich dermaßen abgeschreckt, weil ich unmöglich über diese tausend Personen schreiben, geschweige denn mir alles behalten kann. Dies war wohl der Grund, weshalb ich von Proust erst genug hatte. In mir spürte ich zu diesem Zeitpunkt eine innere Bremse. Ich habe zwei Jahre gebraucht, um es nun neu zu wagen, allerdings habe ich meinen Anspruch etwas heruntergeschraubt. Ich lese Proust auf meine Weise, und z.B. nicht auf die Weise von Literaturwissenschaftlern. Ich ziehe für mich das Beste heraus. Trotzdem habe ich die tausend Leute im Hinterkopf und stehe ein wenig unter dem Zwang, mir so viel wie möglich von diesen tausend Leuten zu behalten oder gar aufzuschreiben ...
Und ich mache gerne eigene Entdeckungen, und lasse mich nicht gerne von Sekundärliteratur leiten und beeinflussen. Wie sagen Prousts Leute? Ein Original zu sein ist besser als eine Kopie. Diesen Anspruch hab ich, wenn ich über meine gelesenen Bücher schreibe. Natürlich gebrauche ich auch Lexika, aber sie werden nicht zu meinen Hauptlektüren gemacht. 

Weiter geht´s.
Am letzten Montag, dem sechsten Oktober, habe ich ein paar Sätze zu Prousts Wach- und Traumzustand geschrieben. Hundertfünfzig Seiten weiter entdecke ich eine so schöne bildhafte Textstelle, in der sich Proust zu diesen beiden Bewusstseinszuständen selbst äußert. Ich muss diese Textstelle unbedingt aufschreiben, sie geht mir sonst verloren, da ich nicht vorhabe, die Bände ein zweites Mal zu lesen. Es ist ein wunderschönes Zitat:
Ich trat in den Schlaf ein, der wie eine zweite Wohnung ist, über die wir verfügen und in die wir, nachdem wir die Erste verlassen, uns für die Nacht begeben. Sie hat ihre eigene Läutevorrichtung, und wir werden darin manchmal durch das Geräusch einer Schelle geweckt, das wir ganz deutlich an unserem Ohr vernehmen, obwohl niemand geläutet hat. Sie hat ihre Bedienten, ihre besonderen Besucher, die uns dort zu einem Ausgang abholen, sodass wir uns anschicken aufzustehen, wenn wir mit einem Mal dadurch, dass wir fast übergangslos in die andere Wohnung zurückgewandert sind, die wir im Wachzustand innehaben, genötigt sind festzustellen, dass das Zimmer leer und niemand gekommen ist. Die Rasse, die es bewohnt, gleicht der der ersten Menschen androgyner Natur. Ein Mann erscheint dort nach einer Weile in Gestalt einer Frau. Die Dinge dort haben das Talent, zu Menschen, die Menschen aber das, zu Freunden und Feinden zu werden. Die Zeit, die für den Schläfer während eines solchen Schlafes zerrinnt, ist absolut verschieden von der Zeit, in der er sein Leben als wahrer Mensch verbringt. Manchmal ist ihr Lauf sehr viel rascher, eine Viertelstunde erscheint dann ein Tag zu sein, manchmal auch sehr viel langsamer, denn man meint, nur einen leichten Schlummer getan zu haben, und hat dabei den ganzen Tag geschlafen. Dann fährt man mit dem Wagen des Schlafs in Tiefen hinab, in denen die Erinnerung ihn nicht mehr einzuholen vermag und an deren Pforten der Verstand den Rückzug antreten musste. Das Gespann des Schlafs zieht wie das der Sonne in so gleichmäßigem Schritt dahin, in einer Atmosphäre, in der kein Widerstand es mehr aufzuhalten vermag, dass es eines kleinen von außen kommenden meteorischen Steinchens bedarf (…), und den regelmäßigen Schlaf zu treffen (…) ihn in einer jähen Kurve war unter Auslassung aller Zwischenetappen zur Wirklichkeit zurückzuführen, durch dem Leben schon nahe gelegenen Regionen hindurch-in denen der Schläfer bald die noch ziemlich wirren, aber bereits wahrnehmbaren, wenn auch entstellten Geräusche des Lebens hören kann; und ihn mit unerhörter Plötzlichkeit beim Erwachen landen zu lassen. Man erwacht dann aus solchem Tiefschlaf jeweils in einem Morgengrauen, ohne zu wissen, wer man ist, da man ja niemand ist, vielmehr neu und zu allem bereit, denn das Gehirn ist entleert von jener Vergangenheit, die das dahinter zurückliegende Leben war.
Marcel Proust ist abends oder nachts, wenn er von La Raspéliere zurückkehrt, recht müde, da ihn die vielen Soireen einfach auch anstrengen.
Ginge mir persönlich ähnlich, so viele Menschen um einen herum kosten auch viel menschliche Energie.

Dieser Snobismus, der die Proustbände dominiert, und der sicher auch recht anstrengend ist, ihn zu ertragen, findet man auch unter den einfacheren Leuten. Prousts Zimmerkellner spricht von seiner Schwester, die einen reichen Mann geheiratet hat und sich eine Menge darauf einbilden würde. Proust verteilt oft großzügig Trinkgelder, die von dem Zimmerkellner mit großer Dankbarkeit auf fast unterwürfiger Art entgegengenommen wird, und erzählt ihm von dem Los seiner Schwester:
Guten Abend, mein Herr. Oh! Danke, mein Herr. Wenn alle Leute ein so gutes Herz hätten, gäbe es bald keine Armen mehr. > Aber<, sagt meine Schwester, > es muss immer welche geben, damit ich jetzt, wo ich reich bin, sie gelegentlich anscheißen kann.<
Warum schreibt Proust diese Szene auf? Will er damit deutlich machen, dass Geld den Menschen verdirbt, egal in welcher Kaste er sich befindet?

Endlich erlebe ich eine Szene, in der Proust es schafft, sich der Liebe mit Albertine hinzugeben. Albertine ist allerdings diejenige, die den ersten Schritt wagt, sodass sich beide Liebkosungen hingeben. Doch hatte sie zuvor eine Flasche Apfelwein getrunken. Mut angetrunken? Für eine Frau zur damaligen Zeit war der erste Schritt sehr mutig …
Sie schien dann tatsächlich zwischen uns beiden den Abstand nicht mehr ertragen zu können, der sie gemeinhin nicht störte; unter ihrem Leinenrock drängten ihre Beine sich an meinen, dicht an meine Wangen brachte sie die ihren, die blass geworden war, über den Wangenknochen aber heiß und rot, mit etwas glühendem und Verwelktem, wie es die Mädchen aus den Vorstädten haben. In solchen Augenblicken verwandelte sie fast ebenso schnell wie ihre Persönlichkeit auch ihre Stimme, sie verlor die ihre, um eine andere, heisere, kecke, ja fast gemeine anzunehmen. Es wurde Nacht. Welche Freude war es für mich, sie so dicht neben mir zu fühlen mit ihrem Schal und ihrer Toque, und daran zu denken, dass man immer so, Seite an Seite, alle Liebenden trifft! Ich hegte vielleicht Liebe zu Albertine, wagte aber nicht, sie etwas davon merken zu lassen; wenn also Liebe in mir war, so konnte sie nur die eine Wahrheit ohne Wert sein, bis ich sie durch die Erfahrung hätte wirklich erproben können; so aber schien sie mir nicht realisierbar und auf einer anderen Ebene als mein Leben zu liegen. Was meine Eifersucht betraf, so trieb sie mich dazu, Albertine so wenig wie möglich allein zu lassen, obwohl ich wusste, dass sich völlige Heilung nur finden konnte, wenn ich mich für immer von ihr trennte. Ich konnte Eifersucht sogar verspüren, wenn ich mich neben ihr befand, richtete es aber dann so ein, dass der Umstand nicht wiederkehrte, durch den sie in mir geweckt worden war.
Nun, aber das obige Zitat sagt schon alles. Zeigt die Beziehungsstörungen, die Proust hat und man ist schon darauf vorbereitet, dass die Beziehung mit Albertine scheitern wird. Aber das habe ich schon vorausgesehen. Nach fünf Proust-Bänden lernt man ihn schon kennen, auch intuitiv. Die Eifersucht nimmt ebenfalls krankhafte Züge an. Marcel und Albertine gehen essen, und der Kellner trifft den Blick Albertines.
Ein paar Minuten lang hatte ich das Gefühl, dass man die Person, die man liebt, dicht neben sich und doch nicht bei sich haben kann. Die beiden sahen aus, als befänden sie sich in einem geheimnisvollen Zwiegespräch, das stumm verlief infolge meiner Anwesenheit und vielleicht bereits eine Fortsetzung früherer Begegnungen war, von denen ich nichts wusste, oder auch nur eines Blickes, den er ihr zugeworfen hatte, bei dem ich aber jedenfalls der störende Dritte war, vor dem man sich verbirgt. Selbst als er sich, von seinem Chef energisch zurückgepfiffen, entfernt hatte, schien es, als ob Albertine, während sie weiter aß, das Restaurant und die Gärten keineswegs nur mehr als eine beleuchtete Rennbahn ansah, auf der bald hier, bald da vor wechselnden Dekorationen der göttliche Läufer mit schwarzem Haar wieder erscheinen würde.
Aber das Schöne an Proust ist, ihm sind seine Schwächen auch bewusst …

Ein paar Seiten später erfährt man, dass er von Albertine mit so vielen Küssen bedacht wurde, dass er es schon als ein Vorrat an Küssen betrachten konnte für die Zeit, in der ohne sie war.

Albertine zeigt großes Interesse an der Architektur, sie ist durch Proust auf dieses Interessengebiet gestoßen und bittet Marcel, sich mit ihr Kirchen und Bauwerke anzuschauen. Er konnte ihr den Wunsch nicht erfüllen und lehnte ab, erfand Ausreden, doch der eigentliche Grund war, dass er sich die schönen Dinge nur alleine anzuschauen in der Lage sei.

Mein Verdacht hat sich bestätigt, dass Proust nur mit sich alleine zu tiefen Gedanken fähig ist. Jeder Austausch mit jemand anderen würde ihn geistig und seelisch zu sehr zerstreuen.

Ein anderes Ereignis hat mich ein wenig belustigt. Hat mich amüsiert. Proust erfährt die Begegnung mit einem Gerichtspräsidenten. Sie tauschen sich aus. Der Gerichtspräsident erfährt dabei von Proust die gesellschaftlichen Abendaktivitäten bei den Verdurins in La Raspéliere:
Ah! Sie fahren nach La Raspéliere ! Ich muss ja sagen, Madame Verdurin mutet Ihnen wirklich viel zu mit einer Stunde Eisenbahnfahrt im Dunkeln, nur damit Sie bei ihr zu Abend essen, und dann kommt auch noch die Rückfahrt um zehn Uhr abends bei diesem mörderischen Wind. Da sieht man allerdings, dass Sie offenbar nichts zu tun haben.
Eigentlich geht es diesem Menschen gar nichts an, mit was sich Proust die Zeit vertreibt. Aber inhaltlich gesehen hat er schon recht. Aber Proust weiß dies auch, denn er hat nicht umsonst seinen sieben Bände den Titel Auf der Suche nach der verlorenen Zeit gegeben.
Prousts Reaktion auf den Gesprächspartner? Klar, sein Gesprächspartner sei einfach nur neidisch, dass er als ein vielbeschäftigter Mensch diese Zeit nicht zur Verfügung stehen habe, um an Soireen teilzunehmen und tat ihn als gedankenlos ab, denn schließlich könne man sonst keinen Hamlet schreiben oder ihn gar lesen ...

Das ist wohl auch wahr, aber diese Leute schreiben ja nicht, und sie lesen nicht wirklich viel, obwohl sie über eine mannigfaltige Bibliothek verfügen … Man bekommt mal mit, dass jemand z.B. ein Buch von Balzac dabei hat, aber doch mehr um zu zeigen, dass er weiß, wer Balzac ist, aber nicht um des Zweckes willen.

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„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.
Manchmal, die Kerze war kaum gelöscht,
fielen mir die Augen so schnell zu,
dass keine Zeit blieb, mir zu sagen:
Ich schlafe ein.“
(Marcel Proust)


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Montag, 6. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (5)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (4)

Fünfte von sieben Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe nun mehr als die Hälfte durch und es gibt noch immer Klatsch- und Tratschgeschichten bei den vornehmen Leuten, mit denen sie sich ihre Zeit vertreiben, die nicht mehr zurückzuholen ist. Manchmal gibt es Ausnahmen, in dem die Konversationen auch mit Themen wie z. B. der Kunst, Musik, Literatur, Philologie und der Etymologie … betrieben werden. Èmile Zola z. B. war vielen recht unsympathisch, da er in der Dreyfusaffaire involviert war und sich dadurch politisch unbeliebt gemacht hatte und durch eine provokante politische Schrift, die er zur Aufklärung der Dreyfusaffaire publizierte, einen Skandal hervorrief. Zola musste fliehen, um einer Verhaftung zu entgehen. 

Doch auch hier, wenn es um wirklich interessante Themen ging, schaffen es diese vornehmen Leute nicht, länger an einem interessanten Gesprächsstoff zu verweilen und verfallen immer wieder in das alte Gesprächsmuster, in dem sie wieder über andere sich auslassen. Es würde Damen geben, die Mozart nicht von Bach zu unterscheiden wüssten.
Mit der Etymologie befassten sich die Leute ausführlicher, in dem sie französische Namen aus der Pflanzenwelt analysierten. 

Was haben diese Menschen für Erwartungen? Sie befürworten einerseits Menschen mit einer hohen Allgemeinbildung, andererseits aber lehnen sie diese gebildeten Menschen ab, wenn es ihnen nicht gelingt, das Wissen so anzuwenden, dass es sich wie ein Original und nicht wie eine Kopie anfühlt…

Marcel Proust befindet sich wieder auf Reisen. Von Balbec aus fährt er gemeinsam mit anderen Bekannten mit  dem Zug nach La Raspéliere, ein Landsitz in der Nähe von Balbec, um an der Soiree der Madame und des Monsieurs Valdurin teilzunehmen. Die einzige Dame, von der Proust kein schlechtes Bild hat und er ihr sogar sehr wertschätzend gegenübertritt.

Es wird nun wieder über Monsieur de Charlus gesprochen, homosexuell, von dem sich die anderen recht angeekelt fühlen. Noch heute gibt es viele Vorurteile gegenüber sexuell andersorientierten Männern und Frauen, obwohl sich schon so viele Schriftsteller damit befasst haben; und die wird es aus meiner Sicht auch morgen noch geben.
Zudem hat der Homosexuelle, der sich in Gegenwart eines anderen Homosexuellen befindet, nicht nur ein unvorteilhaftes Abbild seiner selbst vor Augen, das sogar bei völliger Lieblosigkeit ihn in seiner eigenen Liebe kränken würde, sondern ein anderes, ein lebendiges Selbst, das in gleicher Weise handelt wie er und also auch imstande ist, ihm in seinem Liebesleben Schaden zuzufügen.
Interessant fand ich auch die Begebenheit eines Kunstprofessors namens Elstir, der wegen seiner stilvoll mit Aquarell gemalten Bilder hoch angesehen ist, und in seinem Atelier viel arbeiten würde, wäre da allerdings nicht seine Frau, die im Gegensatz zu ihm einen schlechten Ruf genießt. Seine Frau wird als schmutzig und wenig ansehnlich bezeichnet, die keinesfalls zum Professor passen würde. Madame Verdurin hatte Elstir die Hochzeit mit dieser Frau erfolglos abgeraten. Madame Verdurin würde keine Frauenzimmer empfangen wollen und ihre Loge sei schließlich kein Stundenhotel …
Böse Worte ...

Doch Elstir brach den Kontakt zu den Verdurins vorzeitig ab. Er war auf deren Gesellschaft nicht angewiesen. 
Sie hatte es ihm gesagt, dass die Frau, die er liebte, dumm, schmutzig, leichtfertig sei und gestohlen habe. Diesmal jedoch war es ihr mit dem Bruch nicht geglückt. Gebrochen hatte Elstir zwar, doch mit dem Haus Verdurin, und er beglückwünschte sich dazu, wie Bekehrte die Krankheit oder den Schicksalsschlag segnen, der sie zur inneren Einkehr auf den Weg des Heils gebracht hat. (…) Denn schon zu den Zeiten, als Elstir dem kleinen Kreis angehörte, kam es vor, dass er ganze Tage mit irgendeiner Frau verbrachte, die Madame Verdurin mit Recht oder Unrecht für eine >>Schnepfe<< erklärte, was ihrer Meinung nach bei einem gescheiten Mann nicht ging.
Marcel Proust selbst ist ein Philosoph, wenn er außerhalb jener Gesellschaft ist, zu Hause, bei sich im Zimmer, auf seinem Bett (das Bett ist ein wichtiger Lebensort für ihn) geht er vielen interessanten Gedanken nach. Die Gedanken sind oftmals so tief, schon fast meditativ, dass er sogar von ihnen träumt, und er im Wachzustand nicht mehr sicher ist, was von seinem geistigen Stoff Traum oder Wirklichkeit ist. Da beides nicht auseinanderzuhalten ist, bezeichne ich persönlich beides als die Wirklichkeit von Proust. Die bewusste und die unbewusste Wirklichkeit ...
Proust denkt viel über die Kunst nach, über die Natur, sogar über die Schlafstörung ...

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„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.
Manchmal, die Kerze war kaum gelöscht,
fielen mir die Augen so schnell zu,
dass keine Zeit blieb, mir zu sagen:
Ich schlafe ein.“
(Marcel Proust)

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Samstag, 4. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (4)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 4

Unter Berücksichtigung der Buchbesprechungen dieses Bandes von eins bis drei setze ich die vierte fort. Doch zuvor verlinke ich die drei Buchbesprechungen, die ich vor zwei Jahren geschrieben habe. Mir hatte es an Ausdauer gefehlt, weshalb ich das Buch nicht beenden konnte.

Erste Buchbesprechung

Zweite Buchbesprechung

Dritte Buchbesprechung



Vierte von sieben Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

Weiter geht’s. Immer wieder wird man mit der Arroganz der vornehmen Leute wie Fürsten, Barone und Adligen konfrontiert, kurz; die Gesellschaft der Aristokraten, die sich zwischen Abwertung und Vorurteilen den  Mitmenschen gegenüber bewegt. Innerhalb dieser Schichten gibt es durchaus hierarchische oder noch besser gesagt kastenförmige Unterschiede, trotzdem haben alle eines gemeinsam: Es wird überall abgelästert. Jede Schicht stellt sich über die andere. Und immer wieder nimmt man an den gesellschaftlichen Konversationen teil, an den Soirees, die eher oberflächlich verlaufen. Diese Leute tun nichts anderes als reden, reden, reden:
Nichts dergleichen jedoch schien Madam de Citri das Recht zu geben, Eigenschaften zu verachten, die den ihren  glichen. Sie fand alle Menschen idiotisch, aber in ihrer Unterhaltung, ihren Briefen zeigte sie sich den Leuten, denen sie so viel Verachtung entgegenbrachte, eher unterlegen. Sie hatte im übrigen in sich ein solches Zerstörungsbedürfnis, daß die Vergnügungen, die sie suchte, als sie dem Gesellschäftsleben mehr oder weniger entsagt hatte, eine nach der anderen furchtbare, ersetzende Wirkung zu spüren bekamen.
Marcel Proust befindet sich erneut in Trauer, hat den Tod seiner Großmutter noch nicht ganz verwunden. In Gedanken geht er seinen Erinnerungen nach, die er mit seiner Großmutter erlebte. Mir scheint, sie war wie eine zweite Mutter zu ihm. Er fragt den Vater nach ihrer Adresse, was mich ein wenig irritiert hatte, wo sie doch tot ist. Sollte die Frage etwa lauten, ob die Adresse ins Jenseits führt? ... Marcel glaubte eigentlich an sowas nicht, aber es gibt so manches, in dem Proust eher widersprüchlich erscheint ...
 Er sah den Kummer, den die Großmutter erlitt und der erwachsene Enkel versuchte visuell diese mit Küssen auf dem Mund zu verscheuchen, (234).
Proust war durchaus auch ein Melancholiker, der zu leiden fähig ist.
Niemals mehr aber würde ich jenes Zucken in ihrem Gesicht ausleuchten können und jenes Leiden ihres Herzens oder vielmehr des meinigen; denn da die Toten nunmehr in uns existieren, treffen wir unermüdlich uns selbst, wenn wir uns hartnäckig an die Schläge erinnern, die wir ihnen versetzt haben. An jene Schmerzen, so grausam sie waren, klammerte ich mich mit aller Macht, denn ich spürte, daß sie aus der Erinnerung hervorgingen, die ich von meiner Großmutter hatte, und der Beweis waren, dass diese Erinnerung wahrhaft in mir gegenwärtig war. Ich fühlte, dass meine Erinnerung nur im Schmerz gründete, und hätte gewollt, dass sich die Nägel noch tiefer in mich eindrückten, die das Gedenken an sie in mir befestigten. Ich versuchte nicht, das Leiden zu mildern, es zu verschönern, mir einzubilden, meine Großmutter sei nur abwesend und vorübergehend unsichtbar, (…).
Dass Proust zu tiefen Gefühlen fähig ist, zeigt sich auch an folgendem Zitat:
Jetzt, wo ich etwas zu müde bin, um mit anderen zu leben, scheinen mir diese alten so ganz allein zugehörigen Gefühle, die ich durchlebt habe, wie es nun mal die Manie aller Sammler ist von großem Wert. Ich schließe mir selbst mein Herz auf, als wäre es eine Vitrine, und betrachte nacheinander alle die Liebeserlebnisse, die anderen niemals widerfahren werden.
Mir gefällt einfach seine Ausdrucksweise, die reich an Bildern ist.

Proust witzelt gerne über die Charaktere anderer Leute. Auch ihn erlebe ich versnobt, denn es gibt niemanden, deren Seele er nicht auf einen Sezierteller legt, und sie mit einem spitzen Messer zerlegt. Selbst den Liftboy seines Hotels analysiert er aufs Schärfste. (Marcel ist wieder nach Balbec gereist) Für mich ist Proust ebenso eine recht witzige Figur. Mein Tipp: Proust sollte sich selbst mal auseinandernehmen ...

Eine ihm unbekannte Figur mit dem Namen Cancan hält Proust erst für einen Hund. Als dürfe kein Mensch Cancan heißen ... Und als könne der Mensch seine Namenswahl beeinflussen ... 
Madame Cambremer befindet sich in der Konversation mit dem jungen Marcel. Man kann sich mit ihm nicht unterhalten, ohne dass er währenddessen nicht irgendwelche Vergleiche in die Menschen hineinlegt:
Während Madame Cambremer die Worte so heißer hervorbrachte, daß es schien, als bewege sie Kieselsteine in ihrem Mund. Dann kam das Zurückschlucken des Speichels und das instinktive Abwischen des - gemeinhin als amerikanisch bezeichneten - Schnurrbärtchen mit dem Taschenbuch.
Trotzdem, seine Bilder, die er zum Ausdruck gebraucht, gefallen mir sehr gut ...

Proust ist auch auf dem Gebiet der Liebe mehr als ambivalent und widersprüchlich. Eine echte Liebe habe ich bis jetzt vermisst. Es spielt sich viel in Gedanken ab, die ich als geistige Liebe bezeichnen möchte. Seiner Jugendliebe Albertine zeigt er sich gleichgültig, obwohl er innerlich vor Eifersucht brodelt, als er dem Gerücht nachgeht, Albertine sei in eine Frau namens Andrée verliebt. Man beobachtete sie auf einem Ball, als sie beide engangeschmiegt miteinander tanzen. Eiseskälte entsteht in Prousts Herzen. Er stellt Albertine zur Rede, doch sie versichert ihm, dass sie sich von der Homosexualität ebenso angewidert fühlt wie er. So ganz richtig konnte Proust nicht überzeugt werden, denn er ertappt sie immer wieder aufs Neue, wenn sie hübschen Frauen nachschaut. Albertine allerdings erträgt diese Proust-Kälte nicht, und läuft ihm hinterher, reist ihm schließlich bis nach Balbec nach. Genau das wollte Proust erwirken ...
Ich kenne keine Liebesszene, in der Proust eine seiner Geliebten geküsst hätte. Auch hier wird viel zu viel geredet, gemutmaßt und spekuliert. Ist das Liebe? Ist Proust überhaupt fähig zu einer wahren Liebe? Aus meiner Sicht ist Proust von seinen beiden Müttern (Mutter und Großmutter) nicht wirklich abgenabelt. Ein erwachsener junger Mann, der davon träumt, die Großmutter auf den Mund zu küssen, ist schon sehr außergewöhnlich ... Damit möchte ich nicht ausdrücken, dass Trauer um eine geliebte Person aus der Verwandtschaft nicht erlaubt ist. 

Um sich zu rächen, gibt er an, in Andrée verliebt zu sein ...
Im übrigen sollte meine Eifersucht auf die Frauen, die Albertine vielleicht liebte, ein jähes Ende finden.
Ich erlebe Proust zudem hypochondrisch, was sich an den obigen Zitaten zusätzlich belegen lässt, auch aus den anderen Werken geht dies hervor, und er ist überheblich, überheblich wie es die meisten anderen Leute seines Standes sind, hypochondrisch, wie nur er es sein kann. Dazu ist er noch ein verwöhnter junger Mann, und es amüsiert  mich, dass sich endlich jemand finden konnte, der ihm mal ordentlich das Gesicht einseift. Es ist Céleste Albaret, seine Botin und Haushälterin, die im Beisein ihrer Schwester Marie es wagt, mit einer großen Portion Ironie das zu sagen, was sich andere nicht trauen. Die Schwestern befinden sich in Marcels Hotelzimmer, während er das Frühstück einnimmt:
Oh, dieser kleine dunkle Teufel, mit Haaren wie pechschwarze Häherfedern, wie schlau und wie boshaft er ist! Ich weiß nicht, woran Ihre Mutter gedacht hat, als sie Sie unter dem Herzen trug, denn Sie haben alles von einem Vogel an sich. Schaue nur, Marie, sieht er nicht genauso aus, als ob er sich die Federn glatt streicht? Und wie flink er den Hals wenden kann! Er sieht so leicht aus, dass man meint, er lerne gerade fliegen. Ach! Sie haben Glück, dass sie sich ihre Eltern unter den Reichen haben aussuchen dürfen; was wäre sonst aus ihm geworden, wo Sie doch so verschwenderisch sind? Da wirft er jetzt sein Hörnchen fort, weil es das Bett berührt hat. Hoppla, jetzt vergisst er auch noch seine Milch, warten Sie nur, damit ich ihnen eine Serviette umbinde, Sie wissen ja doch nicht, wie man das macht; niemals habe ich jemanden gesehen, der so dumm und so ungeschickt ist wie Sie. (…) Er ist ein Herr und will uns zeigen, dass wir einen Herrn vor uns haben. Man kann ihm zehnmal die Betttücher wechseln, wenn es nötig ist, aber er gibt nicht nach. Die von gestern hatten sowieso ausgedient, aber heute sind sie gerade erst frisch bezogen, und sicher müssen sie jetzt für ihn gleich wieder gewechselt werden. Ach! Ich hatte recht, als ich sagte, er sei nicht dafür gemacht, als Armer geboren zu sein. Sieh nur, wie seine Haare sich sträuben. Er plustert sich auf, wenn er zornig ist, genau wie die Vögel es tun. Ach, du armer, kleiner Federbalg!
Mich hat dieses  Zitat und das unten folgende besonders aufgeheitert, denn nun stehe ich nicht alleine mit meinen Beobachtungen da. 

Doch Céleste ist noch lange nicht fertig:
Er kann die unbedeutendsten Dinge tun, man meint immer, man sieht den gesamten Adel Frankreichs ;) bis zum Pyrenäen in jeder seiner Bewegungen. (…) Ach! Diese Stirn, die so rein aussieht und doch so viele Dinge verbirgt, diese Wangen, die so freundlich und fröhlich sind wie das Innere einer Mandel, die kleinen seidigen Hände mit ihrem Plüsch darauf, die dabei doch Nägel haben wie Krallen ;) … Sieh nur, Marie, jetzt trinkt er seine Milch mit einer Andacht, die mir Lust macht, ein Gebet zu sprechen.
Das geht noch weiter, aber lest selbst. Und doch, ist das nicht eine schöne poetische Sprache? 

Nachgedanken:
Ich könnte mir vorstellen, dass Proust über die leeren Gespräche seines Kreises selbst recht angwiedert ist, aber er ist so darin verwoben, dass er selbst nicht anders kann, als sich über diese zu belustigen. Er wirkt auf mich wie ein Chamäleon. Man muss ein wenig wie die anderen werden, um nicht aufzufallen. Und das ist ihm gut gelungen. Denn damit hat er uns die Lebensweise jener Gesellschaft nahebringen können. Kann man so eine Gesellschaft ertragen, wo jeder über jeden spricht, ohne selbst ein wenig wie diese zu werden? Ich glaube nicht. Sonst wäre Marcel langweilig geworden und er hätte die Türen hinter sich zugezogen. Welches Leben hätte er denn dann führen können? Niemals wären diese Bücher zustande gekommen, wobei sich vieles auch wiederholt. Mir wurde schon nach dem ersten Band deutlich, was unter Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zu verstehen ist.

Für mich hat sich des Rätsels Lösung schnell offenbart, auch wenn ich nicht alles habe herausziehen können, was z.B. ein Literaturwissenschaftler zu deuten vermag. 
__________


„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.
Manchmal, die Kerze war kaum gelöscht,
fielen mir die Augen so schnell zu,
dass keine Zeit blieb, mir zu sagen:
Ich schlafe ein.“
(Marcel Proust)

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Philipp Michel-Thiriet / Das Marcel Proust Lexikon


Ein Nachschlagewerk
Was eine Madeleine ist, weiß wohl jeder Proustliebhaber, aber wissen Sie auch, wo Combray liegt? Oder können Sie sagen, wer die Vorbilder für den lasterhaften und homosexuellen Baron Charlus waren oder die zwielichtige Odette de Crécy oder für Albertine, die den Erzähler in eine Orgie der Eifersucht versetzt? Solche Fragen und noch viel mehr beantwortet das Marcel-Proust-Lexikon mit großer Genauigkeit. Lexikalisch geordnet, infor miert es über das Leben Prousts, seine Schulerfolge und Pseudonyme, Neigungen und Vorlieben, seine Ärzte und Krankheiten, seinen Militärdienst und seine Wohnungen, seine Dienstboten und seine Reisen, seine Verwandtschaft und seine Liebesaffären mit Frauen und Männern und gibt Auskunft über Inhalt, Orte und Personen seines Werks. 
Wenn man mehrere Jahre benötigt wie ich, Proust Bände zu lesen, dann ist das folgende Proust Lexikon mehr eine große Unterstützung. Vor allem, wenn man gewisse Bände überspringt, und nicht immer die Reihenfolge von BD 1 bis BD 7 einhält. Weil ich mit dem vierten Band gar nicht zurecht kam, musste ich ihn bis zum 6. Band überspringen. Auf den nächsten Versuch kommt es an. Ich lese jetzt den vierten Band, bin nun schon auf der vierhundersten Seite und die Chancen stehen gut, ihn zu Ende zu lesen. Im Dezember nehme ich mir den fünften Band vor.

Ich kann Proust nur während meiner Urlaubszeit lesen, wenn ich viel Ruhe habe. Auch das musste ich erst herausfinden.

Proust hat 17 Jahre für diese sieben Werke benötigt. Eine Lebensaufgabe. BD 7 wurde erst nach Prousts Ableben durch den Bruder Robert veröffentlicht.

Da ich mir auch vieles aufschreibe, komme ich gut rein, auch dann noch, wenn ich einen Band übersprungen habe …

Die zweite Abbildung: Prousts Aufzeichnungen in Rohform, Quelle:  Klicke hier: Marcel Proust
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Man kann in den Dreck fallen, aber man muss nicht darin liegenbleiben.
(Hans Fallada)

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Freitag, 3. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (4)

Klappentext
Sodom und Gomorrha beginnt mit einer spektakulären Szene, der Be­gegnung zweier Männer, die von der Natur füreinander geschaffen sind: Baron von Charlus und der Westenmacher Jupien. Endlich öffnet Proust seinem Romanhelden die Augen; Marcel erhält Antwort auf die bisher unverstandenen Zeichen der Homosexualität. Nach der mondäncn Welt der Guermantes tun sich nun neue Welten auf: Sodom, die Welt der männlichen, und Gomorrha, die Welt der weiblichen Homosexualität.

Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist zu einem Mythos der Moderne geworden.Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen - Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. „In Swanns Welt“, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, „Im Schatten junger Mädchenblüte“, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der „Suche nach der verlorenen Zeit“ wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.
Diesen Band gehe ich nun das zweite Mal an. Das erste Mal musste ich es abbrechen, es ging einfach nicht an mich. Versuche es nun erneut. Mich hat es ein wenig angewiedert, dass Proust sich von den Homosexuellen angewiedert gefühlt hat, lol.

Ich hatte schon jeder Menge Zitate gesammelt, die hole ich wieder hoch, und füge sie in die hiesige Buchbesprechung ein.

Mir fehlen in meiner Sammlung noch drei Bände. Proust kann man nicht mal über Nacht lesen, nein ich lese ihn im Schneckentempo. Das heißt, ich bin mit diesen Bänden schon seit mehreren Jahren beschäftigt.

Ich habe sie nicht alle der Reihenfolge gelsen, sondern von 1-3, BD 6, nun lese ich BD 4, im Dezember 2014 habe ich vor BD 5 zu lesen, und BD 7 Ostern 2015. Mal schauen, wie weit ich kommen werde.
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Für kleine Lebewesen wie uns
ist die Weite des Raums nur durch Liebe erträglich.
(Matt Haig zitiert Carl Sagan)

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Régis de Sá Moreira / Das geheime Leben der Bücher (1)

Lesen mit Anne

Nur ein paar Sätze zu dem Buch. Mir hat das Buch gar nicht gefallen. Es hat mich eher gelangweilt. Es ist dermaßen oberflächlich und wenig authentisch geschrieben. Diese merkwürdigen skurrilen Gestalten, die als Kunden den Buchladen betreten und schnell auch wieder verlassen, fand ich nicht wirklich anziehend und habe den Sinn ihres Auftretens und besonders in der gesamten Geschichte nicht erfassen können. Da hat mir der Klappentext besser gefallen, als der eigentliche Inhalt des Buches. Im folgenden gebe ich erneut den Klappentext rein:
Auch Bücher brauchen Liebe!
Viele wünschen sich, sie könnten von Luft und Liebe leben. Er, der Buchhändler, lebt vom Lesen, denn nur dann hat er das Gefühl, geliebt zu werden. Seine Buchhandlung ist sein Universum, die Bücher sind seine Schützlinge. Und bei jedem Klingeln seiner Türglocke ist er immer wieder bereit, seine frohe Botschaft zu verkünden: Lesen hilft und macht glücklich ...
Meine Bücherfreundin Anne hat es ähnlich empfunden, zumal sie noch jede Menge Rechtschreibfehler entdeckt hatte ... Das Buch wirkt auf mich, als habe der Autor es schnell mal über Nacht geschrieben.

Auch den Titel fand ich irreführend, nicht wirklich passend ... Eigentlich geht es hier um das geheime Leben des Buchhändlers, der Tag und Nacht in dem Laden verweilt und sich hauptsächlich mit Kräutertees ernährt.

176 Seiten? Keineswegs, denn es gibt viele große Absätze und viele leere Seiten.

Dadurch, dass ich mit dem Buch so gar nichts anfangen kann, beende ich nun meine Buchbesprechung.

Das Buch erhält von mir fünf von zehn Punkten.

Der anzuklickende Link führt zu Annes Buchbesprechung

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Für kleine Lebewesen wie uns
ist die Weite des Raums nur durch Liebe erträglich.
(Matt Haig zitiert Carl Sagan)

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Mittwoch, 1. Oktober 2014

Régis de Sá Moreira / Das geheime Leben der Bücher

Lesen mit Anne ...

Klappentext
Auch Bücher brauchen Liebe!
Viele wünschen sich, sie könnten von Luft und Liebe leben. Er, der Buchhändler, lebt vom Lesen, denn nur dann hat er das Gefühl, geliebt zu werden. Seine Buchhandlung ist sein Universum, die Bücher sind seine Schützlinge. Und bei jedem Klingeln seiner Türglocke ist er immer wieder bereit, seine frohe Botschaft zu verkünden: Lesen hilft und macht glücklich ...

Autorenporträt
Régis de Sá Moreira, Sohn einer Französin und eines Brasilianers, wurde 1973 geboren. Er wuchs in Frankreich auf und lebt zur Zeit in Paris, wo er als freiberuflicher Autor arbeitet. 
Unser zweites Buch, das Anne und ich nun gemeinsam lesen. Ich habe schon ein bisschen geschnuppert, und es riecht nach mehr ...

Das Buch hat Anne aus unserer gemeinsamen SuB-Liste ausgesucht ...





Montag, 29. September 2014

Isabel Allende / Inés meines Herzens (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mir hat das Buch überhaupt nicht gefallen. Das zweite Allende Buch, das mich wenig inspiriert hat. Ich habe mich von Seite zu Seite durchgequält und dies bis zum bitteren Ende. Nichtsdestotrotz hat sich das Durchhalten gelohnt, denn nun ist mir bewusst, wie die Spanier nach Südamerika kamen, um bestimmte Länder wie z B. Chile im Goldfieber zu erobern. Sie kamen mit dem Schiff angereist und machten sich dran, den Kontinent auszuplündern, bis sie schließlich in Chile ihre zweite Heimat fanden. Die Spanier gründeten auch die Hauptstadt Santiago ... Sie machten die Indios zu ihren Sklaven, zu ihren Untertanen, was sich allerdings gerächt hat ... Viel Gewalt von Beginn an bis zum Ende, Gewalt auf die makaberste Art und Weise mit den verschiedensten mittelalterlichen Methoden ... So was muss ich nicht haben. Man hätte die Gewaltverbrechen ein wenig abkürzen können. Die zweite Form von Gewalt ist der Kannibalismus. Da ich beim Lesen so stringent durchgehalten habe, werde ich nicht das Bedürfnis haben, mich lange mit der Buchbesprechung aufzuhalten.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Als junge Frau verlässt Inés Suárez im 16. Jahrhundert ihr Heimatland Spanien, um auf dem wilden südamerikanischen Kontinent nach ihrem verschollenen Ehemann zu suchen. Ihn wird sie nicht mehr lebend finden, dafür aber ihre große Liebe: den Feldherrn Pedro de Valdivia, mit dem sie sich gegen alle Widerstände an die Eroberung Chiles macht. 
Wenn man den Klappentext so liest, dann glaubt man, dass das Buch eine reine Liebesgeschichte ist. Das ist es aber nicht. Nicht nur. Inés ist eine recht fortschrittliche Frau, die es wagt, sich mit den Männern dem südamerikanischen Kontinent anzunähern. Sie zeigt auch Kampfgeist ...

Wenn da nicht die Indios wären, die ihr Land heftigst zu verteidigen versuchen. Der Krieg zwischen den Indios und den Spaniern bewegt sich in die Jahrzehnte.

Das Gute ist, die Spanier wurden am Ende von den Indios besiegt. Inés erkennt den Schaden, den sie und ihre Landsleute den heimsichen Menschen gegenüber begangen haben. Ein Schaden, der nicht wieder gut zu machen ist. Die Arroganz, die die Spanier zudem noch mitbrachten, ist, die Einheimischen als unzivilisiert und rückständig abzutun. Dabei sind sie es, die Indios, die in Freiheit leben und nicht abhängig sind von materiellen Gütern. Ein junger Indio, Lautaro, der sich für mehrere Jahre geschickt in die Lebensweisen der Spanier einzuschmuggeln wusste und dort für eine Weile lebte, um heimlich deren Kampfarten kennenzulernen und fand heraus, wie er die Spanier kriegerisch ausspielen konnte.
Als Lautaro wieder zurückehrt zu seinem Volk, beginnt der Krieg von neuem. Lautaro rächte sich an den Soldaten, speziell auch den Hauptverantwortlichen namens Valdivia:
Schließlich, als der Morgen des dritten Tages graute und Lautaro sah, dass Valdivia starb, goss er ihm geschmolzenes Gold in den Mund, damit der genug bekäme von diesem Metall, das er so mochte und das über die Geschundenen in den Minen so viel Leid brachte. (389)
Dass Gold nicht das Wichtigste auf Erden ist, das machte dieser junge Indio und sein Volk den Spaniern deutlich.

Inés erkennt das Verbrechen, das an den Naturmenschen begangen wurde:
Wie in einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt, zogen grauenhafte Bilder vor meinen Augen vorbei. Ich sah die Körbe voller abgetrennter Hände und Nasen hier in meinem Haus, durch meinen Hof schleppten sich Indios in Ketten, andere starben, auf Pfähle gespießt; es roch nach versengtem Menschenfleisch, und abends trug der Wind das Knallen von Peitschen zu mir. Unermessliches Leid hat diese Eroberung gekostet … (390).
An dieser Stelle mache ich nun Schluss. Da mich diese Epoche, Anfang des 16. Jahrhunderts, sowieso nicht sonderlich interessiert, denn man spürt noch die Nachwehen des Mittelalters, war es vorauszusehen, dass mich das Buch nicht packen wird. Die Themen sind immer dieselben. Auch diese potentielle Gewaltakten waren mir zu übertrieben …

Das Buch erhält von mir fünf von zehn Punkten.

Mein Fazit:
Das Buch würde ich kein zweites Mal lesen.
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Man kann in den Dreck fallen, aber man muss nicht darin liegenbleiben.
(Hans Fallada)

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Samstag, 27. September 2014

Isabel Allende / Inés meines Herzens

Klappentext
Als junge Frau verläßt Inés Suárez im 16. Jahrhundert ihr Heimatland Spanien, um auf dem wilden südamerikanischen Kontinent nach ihrem verschollenen Ehemann zu suchen. Ihn wird sie nicht mehr lebend finden, dafür aber ihre große Liebe: den Feldherrn Pedro de Valdivia, mit dem sie sich gegen alle Widerstände an die Eroberung Chiles macht.

Autorenporträt
Isabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima/Peru geboren. Nach Pinochets Militärputsch am 11. September 1973 ging sie ins Exil. 1982 erschien ihr erster Roman La casa de los espíritus (dt. Das Geisterhaus, 1984), der zu einem Welterfolg wurde. Der dänische Regisseur Bille August verfilmte den Roman 1993. Allende arbeitete unter anderem als Fernseh-Moderatorin und war Herausgeberin verschiedener Zeitschriften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. Ihr Werk erscheint auf deutsch im Suhrkamp Verlag.
Die ersten hundert Seiten habe ich schon durch und das Buch gefällt mir nicht wirklich. Werde aber durchhalten. Es sind ja nur knapp vierhundert Seiten.

Viel Gewalt ähnlich wie im Mittelalter ... .
Meine Buchbesprechung werde ich, das weiß ich schon jetzt, recht spartansich ausschmücken.

Von Allende habe ich bisher gelesen:
Amandas Suche
Das Geisterhaus
Das Portrait aus Sepia
Das Siegel der Tage
Die Insel unter dem Meer
Die Stadt der wilden Götter
Fortunas Tochter
Mayas Tagebuch
Noch zu lesen sind:
Mein erfundenes Land
Paula 
Desweiteren müssen drei Bände erst noch angeschafft werden ...
Mein Leben, meine Geister
Eva Luna
Von Liebe und Schatten
Das beste Buch, das mir von Allende gefallen hat, ist Die Stadt unter dem Meer.

Das gebundene Buch zu Inés meines Herzens habe ich bei Jokers für gerade Mal 8,00 € erworben. Wohl ein Restseller.



Donnerstag, 25. September 2014

Beate Klepper / Büchners Braut (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen und freue mich so richtig, über meine Eindrücke zu schreiben. Beate Klepper liefert mit diesem Werk biographisches Material, doch der Inhalt ist nicht chronologisch aufgebaut. Mal gibt es Sprünge in der Zeit nach vorne, mal nach hinten … Mich hat das jetzt nicht gestört, ist trotzdem gewöhnungsbedürftig. Gerade als ich mit einem Thema des jeweiligen Jahres vertraut war, wurde ich schon wieder in eine andere Zeit versetzt.

Ich gebe zur Erinnerung erneut den Klappentext rein. Der Klappentext ist auch ungewöhnlich lang, aber das Buch fordert es einfach heraus, sich schriftlich länger damit zu befassen:
Im November 1831 bezog Georg Büchner in Straßburg Logis im Haus von Pfarrer Jaeglé. Die Tochter Wilhelmine, genannt Minna, verliebte sich in diesen seltsamen Medizinstudenten, der tolles Zeug sprach und umstürzlerische Ideen hatte, und da auch er an der verständigen, beherzten Frau Gefallen fand, verlobten sie sich 1832 heimlich. An Heirat war noch lange nicht zu denken, aber während der kommenden Jahre, in denen Büchner ein unstetes Leben führen musste, standen sie in vertraulichem Briefwechsel. Wie es Büchner in Gießen erging, dass er revolutionäre Schriften und erstaunliche Stücke verfasste, polizeilich verfolgt wurde und schließlich nach Zürich ging, erfuhr Minna oft nur von Freunden oder aus den Briefen. Als er Anfang Februar 1837 an Typhus erkrankte, eilte Minna trotz aller Widerstände zu ihm. Sie war es, die seine Manuskripte rettete und später – argwöhnisch gegenüber allzu privater Neugier - deren Veröffentlichung zu überwachen suchte. Aus Erinnerungen und Briefen speist sich diese Romanbiographie einer unabhängigen Frau, die die „ewige Braut“ blieb. Gleichzeitig sehen wir einen der bedeutendsten Dichter deutscher Sprache mit ihren Augen. Die berührende Romanbiographie der Verlobten Büchners bringt zugleich sein Leben und Werk aus ihrem Blickwinkel nahe.
Büchner war Medizinstudent und er lässt die LeserInnen in den Präparationskursen teilhaben an der praktischen Erforschung toter Menschenkörper, die mit Hilfe von chemischen und alkoholischen Zusätze, wie z. B. Spiritus, konserviert werden. (Ich war selbst einmal Zeuge dieses Prozedere von zwei meiner Freundinnen, die ebenso Medizin studiert hatten.) Während mir dabei speiübel wurde, findet Büchner darin seine poetische Phase:
O, ich werde jeden Tag poetischer. Alle meine Gedanken schwimmen in Spiritus. (Lol)
In diesem Buch ist nicht Büchner die Hauptperson, nein, es ist seine Verlobte, eine Pfarrerstochter namens Minna Jaeglé, die drei Jahre älter als Büchner ist. Für eine Frau der damaligen Zeit war sie recht fortschrittlich. Mich erinnert Minna von ihrem emanzipierten Denken her ein wenig an Jane Austen …

Und trotzdem kommt Büchner auch nicht zu kurz, denn durch Minna konnten wichtige Schriftstücke von Büchner an die Nachwelt überliefert werden. Minna selbst schrieb auch Tagebuch.

Ich werde schauen, wie ich den Spagat ziehe zwischen Minna in der Rolle als Frau und Büchner als Dichter, aber mehr als ein politischer Aktivist.

Büchner war nämlich nicht nur ein Poet, er war auch ein Revolutionär. Im Untergrund entwickelte er mit anderen Kameraden Flugschriften, die die Regierung als Volkshetze deklarierte. Sie ließen Büchner daraufhin steckbrieflich suchen …

Büchner sehnte sich nach einer menschlicheren und gerechteren Regierungsform wie die der Republik, die für alle Menschen des Landes geschaffen sein sollte und die geprägt sei von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.Vorbilder fand Büchner in den Franzosen, obwohl er die Französische Revolution nicht erleben konnte. Aber er erlebte die Franzosen auch zu seiner Zeit politisch weitaus aktiver, als dies seine Landsleute waren, die er polisch anders eingeschätzt hatte. Doch leider wurde Büchner enttäuscht, denn er fand im deutschen Volk nicht die KämpferInnen, die sich für eine bessere Gesellschaftsform hätten einsetzen sollen. Schon damals erkannte Büchner den mangelnden Kampfgeist seiner Landsleute. Selbst Minna verlor das Interesse an der Politik, da Büchner durch seine Aktivitäten nichts erreichen konnte:
Seine Ideen und Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Büchner hatte recht, die Menschen sind nicht reif für große Republiken, Gemeineigentum, Wahlrecht für alle, Bauern und Frauen eingeschlossen. Alles stockt. (237)das Volk zieht noch geduldig den Karren, auf dem die Herrschaften ihre Komödien spielen. (200)
Ein Freund beklagte: 
Welch eine Verblendung, (…), zu glauben, die Deutschen seien ein zum Kampf bereites Volk. Ich zweifle wirklich daran. Und dabei diese Stümperhaftigkeit! Die Sache war verloren, bevor sie begann. (199)
Minna erkannte nicht, dass ein einziger Mensch keine Revolution herbeiführen kann. Man würde dafür die Masse benötigen.
Ist das heute, nach mehr als zweihundert Jahren, so viel anders? Aus meiner Sicht wohl kaum …
Ein Staat sollte daran gemessen werden, wie er mit seinem Volk umgeht. (129) Wenn ein Staat die menschliche Natur missbrauche, sei es das kleinere Übel, diesen Staat zu zerstören! Wer sein Volk missbraucht, begeht Unrecht gegen Gott! (103)
Ein Gedicht aus Büchners politischer Tafel:
Wer für des Volkes Ehre fällt
Und würd er auch gehangen
Der hat auf dieser Erdenwelt
Das schönste Los empfangen.
Bücher war auch sehr sozial, spürte die ungerechte Verteilung an Gütern zwischen den reichen und den ärmeren Leuten, obwohl er selbst aus einem wohlhabenden Haus stammt. 
Es ist leicht, ein ehrlicher Mann zu sein, wenn man täglich Suppe, Gemüse und Fleisch zu essen hat. (275)
Büchner, der steckbrieflich gesucht wurde, flüchtete in die Schweiz und lebte dort als Exilant. Ihm gefiel es in der Schweiz, denn die Schweizer hätten die Republik, die Büchner sich für sich selbst und für seine Landsleute gewünscht hatte. Leider muss ich hier widersprechen, denn das Wahlrecht für Frauen wurde in der Schweiz erst in den Anfängen der 1970er Jahre eingeführt.

In den banalsten Dingen schaffte Büchner es, weltliche Gedanken zu entwickeln, die in meinen Ohren wunderschön klingen. Er liegt z. B. in seinem Bett und stellt fest, dass er zu groß dafür ist, als er mit seinen Fußzehen an das Bettende anstößt:
Ich bin zu groß für das Bett, (…). Oder das Bett zu klein für mich. Weiß Gott, mag sein, die ganze Welt ist zu klein für mich. Hoffentlich wachse ich nicht noch. Es muss unerträglich sein in einer Welt, in der alles zu klein ist, wenn man über das normale Maß hinauswächst, wie bedrängt man von den kleinen Dingen und Menschen sein muss. (91)
 Mir sind diese vielen politischen Zitate sehr wichtig. Zeigt doch immer wieder auf, wie politisch träge der deutsche Mensch war, und aus meiner Sicht noch immer ist.

Nun habe ich viel über Büchners politische Leben geschrieben und kaum etwas zu seiner Verlobten.

Minna war, wie gesagt, für ihre Zeit als Frau schon sehr weit voraus.
Nach dem Tod Büchners litt sie darunter, ihren gesellschaftlichen Status als Frau nicht wiederherstellen zu können. Sie war in der damaligen Zeit, mit ihren 26 Jahren, aus dem heiratsfähigen Alter schon heraus. Des Weiteren war sie die Braut Büchners, ohne dass es jemals zu einer Vermählung kommen konnte, um Ehefrau zu werden. Dadurch, dass sie zu Büchners Eltern den Kontakt aufrechthielt, waren auch die Erwartungen der trauernden Eltern nicht zu übersehen.
Hier würde kein neues Leben beginnen. Hier war sie eine freundlich beachtete Verwandte, die die Hand eines Toten hielt. Wie sollte sich um ihre Hand ein anderer bemühen?
Sie war keine Witwe, sie war keine Mutter und auch keine Ehefrau. Minna versuchte trotzdem aus ihrer Lage das Beste zu machen. Ihren Unterhalt verdiente sie sich als Gouvernante und als Lehrerin. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, sich ihrem um zwei Jahre jüngeren Bruder, der beruflich nach London emigriert ist, anzuschließen, doch sie entschied sich dagegen. Sie wollte von ihrem Bruder nicht abhängig sein …

Minna ist im Alter von siebzig Jahren gestorben. Nach Büchners Tod gab es keine Gelegenheit mehr, sich neu zu verlieben, selbst dann nicht, als der Todestag Büchners schon längst verjährt ist. Und so blieb Minna indirekt ein Leben lang die Braut eines Verstorbenen.

Ich mache hier nun Schluss. Das Buch ist sehr empfehlenswert. Wer Büchner für sich noch nicht entdeckt hat, kann es in diesem Buch hier tun, bevor man sich an seine Dichtkünste heranmacht.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
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Man kann in den Dreck fallen, aber man muss nicht darin liegenbleiben.
(Hans Fallada)

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Dienstag, 23. September 2014

Beate Klepper / Büchners Braut

Eine Romanbiographie

Klappentext

Der Dichter und seine Liebe
Im November 1831 bezog Georg Büchner in Straßburg Logis im Haus von Pfarrer Jaeglé. Die Tochter Wilhelmine, genannt Minna, verliebte sich in diesen seltsamen Medizinstudenten, der tolles Zeug sprach und umstürzlerische Ideen hatte, und da auch er an der verständigen, beherzten Frau Gefallen fand, verlobten sie sich 1832 heimlich. An Heirat war noch lange nicht zu denken, aber während der kommenden Jahre, in denen Büchner ein unstetes Leben führen musste, standen sie in vertraulichem Briefwechsel. Wie es Büchner in Gießen erging, dass er revolutionäre Schriften und erstaunliche Stücke verfasste, polizeilich verfolgt wurde und schließlich nach Zürich ging, erfuhr Minna oft nur von Freunden oder aus den Briefen. Als er Anfang Februar 1837 an Typhus erkrankte, eilte Minna trotz aller Widerstände zu ihm. Sie war es, die seine Manuskripte rettete und später – argwöhnisch gegenüber allzu privater Neugier - deren Veröffentlichung zu überwachen suchte.Aus Erinnerungen und Briefen speist sich diese Romanbiographie einer unabhängigen Frau, die die „ewige Braut“ blieb. Gleichzeitig sehen wir einen der bedeutendsten Dichter deutscher Sprache mit ihren Augen.
Die berührende Romanbiographie der Verlobten Büchners bringt zugleich sein Leben und Werk aus ihrem Blickwinkel nahe.

Autorenporträt
Beate Klepper, geboren 1965 in Coburg, lebt in München. Neben Erzählungen veröffentlichte sie die Romanbiographie „Tumult der Seele -- Lichtenberg und Maria Dorothea Stechard“ sowie „Spiel hinter den Masken“, einen Roman über die Theaterwelt des 18. Jahrhunderts.
Ich besuchte als Kind die Georg-Büchner-Grundschule in Riedstadt-Goddelau. Georg Büchner wurde nämlich in Goddelau im Okt. 1813 geboren. Und Goddelau ist meine Heimatstadt, da ich selbst dort aufgewachsen bin.
Später zog Büchner mit seiner Herkunftsfamilie in die Residenzstadt Darmstadt, in meine Geburtsstadt.

Ich vermische gerade ein wenig die Fakten Büchners mit meinen persönlichen. Es ist ein gutes Gefühl, wenn gute und bekannte Dichter aus der Gegend stammen, aus der man selber kommt.

Georg Büchner wohnte in Darmstadt in der Grafenstraße. Sich dies als gebürtige Darmstädterin bildlich vorzustellen, ist eine geistige Wohltat, wobei heute die Grafenstraße, ein Einkaufszentrum, nicht wirklich zu den Attraktionen an Wohngegenden zählt. Aber man weiß, dass Darmstadt im Zweiten Weltkrieg, besonders die Innenstand, stark zerbomt wurde, und sie nach dem Krieg schnellstmöglich wieder aufgebaut werden musste, da nicht genug Häuser/Wohnungen für die Bevölkerung zur Verfügung standen.

Ich kenne Darmstadt im neuen Stil, Büchner kennt die Stadt vor 201 Jahren, als es noch keine Weltkriege gab.

Des Weiteren bewegte sich Büchner auch viel in Frankfurt Main, in meiner Alma Mater. Auch hier sind mir viele Straßennamen und Zentren bekannt, wie z.B. die Konstablerwache und die Hauptwache.

Ich habe mich in dem Buch schon reingelesen. Die ersten hundert Seiten habe ich durch, und ich finde das Buch sehr interessant.









Montag, 22. September 2014

Isabel Allende: Amandas Suche (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich gestern Abend noch zu Ende bekommen, das 476 Seiten umfasst. Ich war recht gespalten. Irgendwie kam mir das Buch ein wenig wie ein Experiment vor. Allendes alter Erzählstil ist zwar beibehalten worden, neu ist, dass sie darin einen Krimi gesponnen hat. Irgendwie fand ich den Inhalt nicht wirklich passend und so langweilte ich mich. Doch dann kam schließlich die Wende, auf den letzten 100 bis 120 Seiten ...
Der Krimi entpuppte sich zu einem Psychothriller, der nun die Spannung bis zur letzten Seite umgab.

Zur Erinnerung gebe ich nochmals den Klappentext rein:
Amanda ist lebensklug und ausgesprochen eigensinnig. Sie wächst in San Francisco auf, der Stadt der Freigeister. Ihre Mutter Indiana führt eine Praxis für Reiki und Aromatherapie und steht im Mittelpunkt der örtlichen Esoterikszene. Der Vater ist Chef des Polizeidezernats und ermittelt in einer grausamen Mordserie. Auf eigene Faust beginnt Amanda Nachforschungen dazu anzustellen, unterstützt von ihrem geliebten Großvater und einigen Internetfreunden aus aller Welt. Doch als Indiana spurlos verschwindet, wird aus dem Zeitvertreib plötzlich bitterer Ernst. Und Amanda muss über sich hinauswachsen, um die eigene Mutter zu retten. Amandas Suche von Isabel Allende erzählt den Weg einer furchtlosen jungen Frau, die mit allen Mitteln verteidigt, was sie liebt – ein fesselnder Roman über das kostbare Band zwischen Müttern und Töchtern und die lebensrettende Kraft der Familie.
Ansonsten war mir der Inhalt nicht wirklich authentisch genug. Bis zur ca. 350. Seite wäre es das schlechteste Buch gewesen, das ich von Allende bisher gelesen habe. Bis hierhin hätte ich ihr nur fünf von zehn Punkten gegeben. Die letzten hundert Seiten haben wiederum ihre zehn Punkte verdient. Darin sieht man meine Ambivalenz zu dem Werk, meine Haltung als Leserin.
Auch gab es in dem Roman ein paar Sachfehler, diese entdeckt aber selbst.

Desweiteren habe ich nicht wirklich viel zu dem Buch zu sagen, habe dieses Mal so gar nicht das Bedürfnis, mich nun auch noch schriftlich damit zu befassen.. Wenn mir ein Buch gefällt, dann sprudelt es in mir, so dass ich mich vom Schreiben nicht abhalten kann ... Dieses Buch zählt leider nicht dazu. hier müsste man mich zum Schreiben zwingen.

Das Buch ist trotzdem lesenswert. Nur weiß ich nicht, ob es nicht besser ist, zu warten, bis die Taschenbuchausgabe rauskommt, um nicht ganz so viel Geld ausgeben zu müssen. Der gebundene Band kostet knapp 25,00 €.

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Man kann in den Dreck fallen, aber man muss nicht darin liegenbleiben.
(Hans Fallada)

Gelesene Bücher 2014: 64
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