Donnerstag, 13. Februar 2014

Marcel Proust / Die Flüchtige / Auf der Suche nach der verlorenen Zeit BD 6 (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Band sechs ließ sich leichter lesen als die vorherigen Bände. Trotzdem, Marcel Proust wird mir immer unsympathischer. Ich wage mich an meine Interpretation heran. Ich belege meine Gedanken an Textauszügen... . 
Proust ist hier wieder der Ich-Erzähler, der von sich, seinem Leben und von seinen Mitmenschen spricht. Er ist fremdsprachenkundig und kunstinteressiert. Fiktiver Marcel und realer Marcel lässt sich für mich schwer auseinanderhalten.

Marcel steckt seine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute. Das hat mich ein wenig angewidert. Zudem kommt er mir ein wenig neurotisch vor, wie sehr er die Charaktere anderer Leute gedanklich zerlegt. Aus meiner Sicht eher negativ gefärbt.

Meist nimmt Marcel eher eine negative Haltung zu Menschen ein, Es fließen Reflexionen über Reflexionen, als schaffe er die Subjekte in seinem Geist neu:
Dinge und Personen begannen für mich erst zu existieren, wenn sie in meiner Einbildungskraft eine individuelle Existenz annahmen. Es mochte Tausende von anderen geben, die ihnen glichen, diese einzelnen vertraten für mich alle übrigen. (146)
Marcels Umgang mit seiner Geliebten stimmt mich besonders kritisch. Und das ist das Hauptthema dieses Buchbandes.

Seine Geliebte Albertine hat ihn verlassen. Da das Buch den Titel Die Flüchtige trägt, kam mir Albertine als eine Person vor, die vor Problemen flieht, weil sie zu heiß zu werden scheinen. Marcel zeigt sich geschockt über die Trennung und nimmt in seiner Verarbeitung eine ambivalente Haltung ein.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Frau, die dem Liebenden Leiden bereitet, stets lieb und umgänglich mit jemanden gewesen ist, der sich nichts aus ihr macht, (…). (38)

Als Marcel die traurige Depesche erhalten hatte, schickt er seinen Freund Saint-Loup, Albertine aufzusuchen, um die Gründe der Trennung ausfindig zu machen, aber auch, um Albertine zurückzuholen.
Warum schickte er seinen Freund? Warum geht er nicht selbst?, habe ich mich als Leserin gefragt. Und dasselbe hatte auch Albertine gedacht, die recht schnell das Spiel durchschaute und nicht zu ihm zurückkehrte, sondern ihm ein Telegramm hat zukommen lassen, die ihren Ärger über Saint-Loup und Marcel bekundet hatte.
Lieber Freund, Sie haben Ihren Freund Saint – Loup zu meiner Tante geschickt, was unsinnig war. Mein lieber Freund, wenn Sie mich brauchen, warum haben Sie nicht direkt an mich geschrieben? Ich wäre nur zu glücklich gewesen, zu Ihnen zurückzukehren. Bitte unterlassen Sie künftig solche absurden Schritte. (58)
Marcel ist enttäuscht und vor lauter Enttäuschung begibt er sich auf die Straße und wendet sich einem kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft zu, nimmt zu ihr Kontakt auf und fragt, ob sie mit ihm nach Hause kommen möchte. Das kleine Mädchen nickt und geht mit ihm mit. Zu Hause nimmt er das kleine Kind auf seinen Schoß, wiegt es, doch recht schnell hat er genug von ihm, setzt es ab, drückt dem Kind einen hohen Geldschein in die Hand und schickte es wieder zurück nach Hause.

Das fand ich auch eine recht merkwürdige Szene, selbst wenn Marcel keine bösen Absichten hegte, außer, dass er das Mädchen für seine egoistischen Zwecke benutzte. Noch dazu, dass er das Kind dafür bezahlte. Zu Recht brachten die Eltern des Mädchens diesen Vorgang zur Anzeige wegen Verführung von Minderjährigen.
Von nun an würde es mir also für immer unmöglich sein, ein kleines Mädchen zu mir zu holen als Tröstung für meinen Kummer, wollte ich mich nicht vor ihren Augen der Schande aussetzen, dass ein Inspektor auftauchte und sie in mir einen Missetäter sehen mussten. Im gleichen Augenblick wurde mir klar, wie viel mehr man für gewisse Träume lebt, als man selber meint, denn diese Unmöglichkeit, jemals ein kleines Mädchen auf den Knien zu wiegen, schien meinem Leben für immer allen Wert zu nehmen; (48)
Eine weitere für mich sehr fragliche Szene: Marcel schreibt Albertine einen bitterbösen Brief, in dem er ihr ausdrückt, dass er froh sei, dass die Bindung nun gelöst sei und dass sie gar nicht zu ihm passen würde. Weitere Details habe ich schlicht vergessen, weil mir der Brief eine potenzielle Verlogenheit darstellte. Der Zweck dieses Briefes: Albertine durch die Ablehnung wieder an sich zu binden. Indirekt ist Marcel  scheinbar der Meinung, dass Frauen nur über Härte und Ablehnung zur Liebe fähig seien. Aus meiner Sicht hat Marcel es auch gut drauf, Menschen zu manipulieren.

Über die Reaktion von Albertine war ich erstaunt. Tatsächlich antwortete sie höflich und wohlwollend auf Marcels Brief.

Nun folgen noch andere Szenen, die ich abartig fand. Marcel beauftragte mehrere Personen, die Albertine beschatten sollten. Ich gehe auf eine dieser Personen ein. Eine Dame einer Badeanstalt: Und  von ihr erfuhr Marcel, dass Albertine sich von anderen Frauen hat sexuell betören und befriedigen lassen. Albertine wurde demnach als eine Frau beschrieben, die für andere Frauen sexuelles Interesse zeigte. Marcel betrachtete dies als Grund für die Auflösung der Bindung.
Monsieur,  
Monsieur wird mir bitte verzeihen, dass ich nicht eher an Monsieur geschrieben habe. Die Person, die ich im Auftrag von Monsieur aufsuchen sollte, hatte sich für zwei Tage von hier entfernt, und da ich bestrebt bin, das Vertrauen zu rechtfertigen, das Monsieur in mich gesetzt hat, wollte ich nicht mit leeren Händen wieder kommen. Ich habe nun soeben mit der Person gesprochen, die sich gut an (Mlle. A) erinnert. (…) Nachdem, was sie sagt, steht die Sache, die Monsieur vermutete, ohne jeden Zweifel fest. Zunächst einmal hat sie selbst sich jedes Mal um Mlle. A. gekümmert, wenn diese sich in die Bäder begab. Mlle. A kam sehr oft für ihre Dusche zusammen mit einer großen Frau, die älter war als sie, immer in Grau gekleidet ging, und der Badefrau, ohne dass diese ihren Namen wusste, gut bekannt war, weil sie sie oft dabei beobachtet hatte, wie sie nach jungen Mädchen Ausschau hielt. Die Frau kümmerte sich aber um andere gar nicht mehr, seitdem sie die Bekanntschaft von (Mlle. A.) gemacht hatte. Sie und Mlle. A schlossen sich immer in der Kabine ein, sie hielten sich sehr lange dort auf, und die Dame in Grau gab der Person, mit der ich gesprochen habe, mindestens zehn Francs Trinkgeld. Sie können sich ja denken, sagte diese Person zu mir, dass sie dort nicht den Rosenkranz gebetet haben, sonst hätten sie mir ja wohl keine zehn Francs gegeben. Mlle. A. kam manchmal auch mit einer Frau, die eine sehr dunkle Hautfarbe hatte und ein Lorgnon trug. Aber meist erschien (Mlle. A) mit anderen Mädchen, die jünger waren als sie selbst, besonders einer sehr Rothaarigen. (…) Weiter habe ich Monsieur nichts Interessantes zu melden. (149f)
Das Zitat geht meiner Meinung nach auf Vermutungen aus und beruht nicht auf Tatsachen … . Beweist null sexuellen Kontakt zu anderen Frauen.

Marcels Reaktion:
Da ich aus diesem wortlosen und berechneten Eintreffen Albertines mit der Frau in Grau das Rendezvous herauslas, das sie vereinbart hatten, jene Übereinkunft, in einem Duschkabinett es miteinander zu treiben, was Erfahrung in der Verderbtheit sowie die wohlverborgene Organisation eines ausgemachten Doppellebens voraussetzte, und da mir diese Bilder die schreckliche Kunde von Albertines Schuldhaftigkeit überbrachten, hatten sie mir zweifellos gerade deshalb unvermittelt einen physischen Schmerz zugefügt, mit dem sie untrennbar verbunden bleiben würden. (152f) 
Homosexualität ist schon im ersten Band Thema gewesen, hauptsächlich aber im vierten Band, Sodom und Gomorrha, wird das Thema anhand der Figuren noch eingehender behandelt.

Von Freundschaft hält Marcel auch nicht viel:
Die Bande zwischen einem anderen und uns existieren nur in unserem Denken. Wenn das Gedächtnis nachlässt, lockern sie sich, und ungeachtet der Illusion, der wir gern erliegen würden und mit der wir aus Liebe, aus Freundschaft, aus Höflichkeit, aus Achtung, aus Pflichtgefühl die anderen betrügen, sind wir im Leben allein. Der Mensch ist das Wesen, das nicht aus sich heraus kann, das die anderen nur in sich selbst kennt und das genügt, wenn er das Gegenteil behauptet. (54f.)
Ein wenig scheint ja etwas dran zu sein.

Eine letzte Szene soll nun noch folgen, bevor ich meine Buchbesprechung beende:

Marcel reist mit seiner Mutter und mit guten Bekannten nach Venedig. Sie kehren in ein nobles Hotel ein, und er  wird eines Tages Zeuge einer Konversation zwischen den italienischen Hotelbediensteten, die sich in ihrer Muttersprache über diese französischen Gäste ärgerten, da die Gäste zum einen nicht vornehm genug für ihr Hotel seien und zum anderen sie sich nicht an die Hausregeln halten könnten und diese das Personal immerfort mit Sonderwünschen konfrontieren würden. Sie ahnen nicht, dass Marcel der italienischen Sprache mächtig ist und sie verstand. Marcel ist zutiefst verletzt und enttäuscht und äußert sich am Ende der Reise schließlich abfällig zu Venedig und deren billigen Kunst- und Bauwerken. Venedig sei eine verlogene Stadt.

Mich hat diese Szene sehr betroffen gestimmt und ich großes Mitgefühl für Marcel empfunden habe. In der Tat eine peinliche und verletzende Begebenheit.


Mein Fazit:

Auch wenn ich keine Proustianerin mehr werde, bin ich trotzdem interessiert, die anderen drei Bände auch noch zu lesen, allerdings zeitversetzt, da ich nicht über so eine so große Ausdauer verfüge, wie Proust sie selbst hat. Man muss viel Zeit haben, man muss geistig und seelisch gut drauf sein, wenn man sich mit seinen Werken beschäftigen möchte. Seine subjektiven, psychologischen und introvertierten Gedanken zu seinem Welt- und Menschenbild sind mir nicht immer nachvollziehbar.

Wie es mit Marcel und Albertine weiter geht, lasse ich offen und verweise auf die Lektüre.

Mir fehlen noch die Bände vier, fünf und sieben. Den vierten Band hatte ich abgebrochen, den ich aber zu einer anderen Zeit erneut aufgreifen werde.
_______
Es gibt in unserer Seele Dinge, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

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Sonntag, 9. Februar 2014

Marcel Proust / Die Flüchtige/ Auf der Suche nach der verlorenen Zeit BD 6

Klappentext
»Um neun Uhr ist sie fort«, heißt es am Ende der Gefangenen, und »Mademoiselle Albertine ist fort«, klingt es wie ein Echo zu Beginn der Flüchtigen, des sechsten Bandes der Recherche. War Marcel Albertines eben noch überdrüssig gewesen, sucht er nun die Entflohene mit allen Mitteln zurückzugewinnen, doch vergebens: Ihr Versöhnungsbrief wird von dem Telegramm überholt, in dem ihm ihr Tod mitgeteilt wird.

Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist zu einem Mythos der Moderne geworden.Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen - Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. „In Swanns Welt“, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, „Im Schatten junger Mädchenblüte“, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der „Suche nach der verlorenen Zeit“ wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.
Von Marcel Proust habe ich drei Bände gelesen, BD 1 - BD 3. BD 4 hatte ich nach mehr als einhundert Seiten  wieder abgebrochen, habe aber alle meine kleinen Lesezeichen auf den Seiten gelassen. Die Bände sind  recht mühsam zu lesen und habe mir vorgenommen, die dickeren Bücher nur noch während meiner Urlaubszeit zu lesen. Marcel Proust schreibt seeehr ausdauernd und seeehr reflektiert. Die Bücher erfordern von den Leser/innen viel Zeit. Auf die Reihenfolge kommt es mir nun nicht mehr an. Zumindest mache ich eine Ausnahme zwischen BD vier und BD sechs. In meiner nächsten Urlaubszeit nehme ich mir den vierten Band (Sodom und Gomorrha) erneut vor. Liegt einige Zeit zurück aber ich kann mich jetzt noch ziemlich gut an den Inhalt erinnern. Werde demnach schnell wieder rein kommen.

Es sind insgesamt sieben Bände mit dem Oberthema Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Hier die Bände, die ich gelesen habe:

Unterwegs zu Swann                                                                
Im Schatten junger Mädchenblüte                                          
Guermantes    

Nachtrag vom 10.02.2014

Die Einhaltung der Reihenfolge der Buchbände ist wichtig. Zumindest vom ersten bis zum dritten Band. Im sechsten Band, der von mir vorgeschoben wurde, treten alle Personen wieder auf, mit denen ich in den Bänden davor zu tun hatte. Des Weiteren bezieht sich Proust erneut zu gewissen Szenen, die mir aus den vorherigen Bänden vertraut sind (das Warten auf den Gutenachtkuss der Mutter, Swanns Krankheitsausbruch, Tod der Großmutter, Homosexualität, u.a.m.).

Buchbesprechungen zu den Werken tauchen hier im Blog nicht auf. Gelesen hatte ich die Bücher noch vor meiner Zeit mit der Beschäftigung eines Literaturblogs.

Durch meine gestern abgeschlossene Lektüre des Autors Edmund de Waal Der Hase mit den Bernsteinaugen wurde ich stark inspiriert, mir erneut Proust vorzunehmen. Ich fand in dem Buch von de Waal folgendes Zitat:
Proust, ein Neuling, noch nicht ganz ein Freund, kam nun regelmäßig zu Besuch, er schlürfte Charles´ hochfliegende Konversation auf, die Art, wie er seine neuen Kostbarkeiten arrangierte, seine umfassenden Beziehungen. Charles kannte Proust mit seinem gesellschaftlichen Heißhunger gut genug, um ihm zu raten, dass man nach einem Dinner um Mitternacht aufbricht, da die Gastgeber meist schon gerne zu Bett gehen würden. Wegen einer längst vergessenen Kränkung nannte ihn der nebenan wohnende Ignaz (Ephrussi) >>Proustaillon << -eine recht passende Bezeichnung für diese Schmetterlingsexistenz, die von einem gesellschaftlichen Anlass zum nächsten flatterte. 
Ich finde das Zitat sehr treffend.

Die ersten fünfzig Seiten habe ich durch und nehme an Prousts Liebeskummer teil, sehr ambivalent in seiner Verarbeitung, als seine Geliebte ihn, mitgeteilt durch einen Brief, verlassen hatte. Es sind interessante Szenen zu verfolgen, welche Einstellung Proust zu Frauen hat und wie er mit ihnen umgeht.

So, nun ziehe ich mich wieder zum Lesen zurück.



Samstag, 8. Februar 2014

Edmund de Waal / Der Hase mit den Bernsteinaugen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun kann ich mir zu dem Buch selbst eine Meinung bilden und vergleiche meine Leseerfahrung mit den verschiedenen Rezensionen, die ich dazu gelesen habe.

Ich finde, dass jede/r Rezensent/in recht hat. Das Buch ist wirklich recht kühl geschrieben, es liest sich keineswegs wie ein echter Familienroman. Im Vordergrund steht die Kunst (Gemälde, Bildhauerei, Netsuke …) Für Kunstinteressierte sicher eine spannende Lektüre. Wer aber einen Familienroman á la Thomas Mann erwartet, die / der wird regelrecht enttäuscht. Das Buch liest sich eher wie ein Sachbuch. Wahrscheinlich, weil der Autor selbst Künstler ist und dazu noch Professor für Keramik, in der die Literatursprache eher in wissenschaftlicher Form gewählt ist. 

Der Autor begibt sich auf Spurensuche. Von seinem alternden Vater bekommt er einen Batzen Unterlagen zu seiner Herkunftfamilie, die, wie ich im Klappentext schon geschrieben habe, weit zurück bis ins 18. Jahrhundert reicht.

Ich selbst konnte mit den Familienmitgliedern nicht wirklich warm werden, dadurch, dass der Autor über diese eher erzählt hat, ohne sie gekannt zu haben. Er bedient sich der Briefe, eines ungedruckten Romans, Gemälde, doch hauptsächlich geht es um die japanische Kunstform Netsuke.

Die Familie, um die es geht, nennt sich Ephrussi, jüdischer Herkunft, mehr als wohlhabend, und die auch den Schrecken des Nationalsozialismus in Österreich erlitten hat.

Berichtet wurde auch von vielen Bekanntschaften wichtiger Künstler des Impressionismus wie z. B. Manet, Renoir, sowie auch Schriftsteller, zu denen Marcel Proust zählte. Auch Marcel Proust war ein großer Kunstliebhaber, was sich aus seinen Werken Auf der Suche nach der verlorenen Zeit herauslesen lässt, deshalb wundert es mich nicht, dass er auch zu diesen Kreisen zählte.

Zu Marcel Proust gibt es vonseiten Charles Ephrussi (1849 – 1905) Folgendes zu lesen:
Proust, ein Neuling, noch nicht ganz ein Freund, kam nun regelmäßig zu Besuch, er schlürfte Charles´ hochfliegende Konversation auf, die Art, wie er seine neuen Kostbarkeiten arrangierte, seine umfassenden Beziehungen. Charles kannte Proust mit seinem gesellschaftlichen Heißhunger gut genug, um ihm zu raten, dass man nach einem Dinner um Mitternacht aufbricht, da die Gastgeber meist schon gerne zu Bett gehen würden. Wegen einer längst vergessenen Kränkung nannte ihn der nebenan wohnende Ignaz (Ephrussi) >>Proustaillon << -eine recht passende Bezeichnung für diese Schmetterlingsexistenz, die von einem gesellschaftlichen Anlass zum nächsten flatterte. (111) 
Das fand ich ein so schönes Bild, hat mich total inspiriert und absolut passend zu Proust, sodass dieser meine nächste zu lesende Lektüre sein wird… .

Kann man ein noch höheres Glück als dieses im Leben erwarten, Bekanntschaft mit solchen interessanten Persönlichkeiten zu machen? Die Ephrussi hatten dieses Glück. Sicher war es auch das Vermögen, das ihnen die Türen zu allen ganz besonderen Lebensbereichen öffnete. Sie konnten es sich leisten, selbst auszuwählen… .

Mich hat eine weitere Szene auch berührt:

Es geht um Gemälde von Manet und Charles Ephrussi kaufte ihm ein Gemälde ab, das er großzügig honorierte:
(Das Gemälde) zeigt zwanzig Spargelstangen, mit Stroh zusammengebunden. Manet wollte  achthundert Francs dafür, eine beträchtliche Summe, doch der begeisterte Charles sandte ihm tausend. Eine Woche später erhielt Charles ein kleines, mit einem schlichten signiertes Bild. Darauf war eine einzelne, auf einem Tisch liegende Spargelstange zu sehen; in der beigefügten Notiz stand: „Die ist wohl aus dem Bund gerutscht. (97) 
Das hat mich schon alles recht interessiert, obwohl ich mich nicht zu den Kenner/innen von Kunstobjekten zähle.

Charles war zudem ein großer Sammler von Netsuken. Er schaffte sich für die Sammlung extra eine Vitrine an, in der er 264 Teile ausstellte und aufbewahrte. Hauptsächlich waren es Figuren aus der Tierwelt. Später, als der Nationalsozialismus in Österreich ausbrach, betrachtete man die Tiere eher als menschliche Wesen:
Wölfe, Panther, Leopard und Tiger sind Menschen gegenüber diesen Raubtieren in Menschengestalt … (160).
Das Thema Nationalsozialismus möchte ich hier nicht weiter vertiefen, habe schon zu viel dazu gelesen und verweise auf das Buch.
Aus dem Land der Dichter und Denker ist ein Land der Richter und Henker geworden.
Nicht, dass mich das Thema nicht interessiert hat, ganz im Gegenteil, ich habe es mit Interesse verfolgt. Es nimmt im Buch zu Recht auch einen großen Raum der Familie ein. Aber alles, was darin nationalsozialistisch beschrieben wurde, waren dieselben grausamen Bilder, die man von Deutschland her kennt. Es war lediglich der Kaiser Karl, der die Juden vor den Antisemiten verteidigte:
Kaiser Karl erhält in der jüdischen Presse begeisterten Zuspruch. Die Juden, heißt es in Blochs Wochenschrift, seien nicht nur die treuesten Unterstützer seines Reiches, sondern die einzigen bedingungslosen Österreicher. (229)
Mein Fazit zu dem Buch: Es ist recht interessant und man fragt sich aber schon, was hat der Autor denn gesucht? Den Ursprung dieser Miniaturfiguren oder die Spuren zu seinen Vorfahren? Er hat sich selbst diese Frage auch gestellt, ohne eine Antwort gefunden zu haben. Aber das Ende des Buches bestimmt nun doch die Netsuke. Die Netsuke haben den Nationalsozialismus dank des Hausmädchens Anna überlebt und leben in ihrer Zeit weiter bis in die nächsten Generationen und ich schließe mit einem Zitat, geschrieben aus der Sicht des Autors, zu dem die Netsuke gelangt sind:
Ich lege einige Netsuke in die Vitrine hinein - den Wolf, die Mispel, den Hasen mit den Bernsteinaugen, noch ein Dutzend - -und als ich wieder hinsehe, haben sie sich bewegt. Eine zum Schlafen zusammengerollte Ratte ist nach vorne gerutscht. Ich öffne die Glastür und nehme sie heraus. Stecke sie in die Tasche, lege dem Hund die Leine an und gehe zur Arbeit. Ich muss töpfern.Ein neuer Anfang für die Netsuke.
_______
Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.
( Helen Simonson)

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Dienstag, 4. Februar 2014

Edmund de Waal / Der Hase mit den Bernsteinaugen

Klappentext
Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Familie Ephrussi, erzählt darin von 264 Netsuke, kostbare Miniatur-Schnitzereien aus Japan, die er von seinem Großonkel geerbt hat. Und von der außergewöhnlichen Geschichte seiner Familie, die vom Paris der Belle Époque ins Wien des Fin de siècle und vom Tokio der 1950er Jahre über Odessa nach London führt. Ein wunderbares Erinnerungsbuch, das von Publikum und Presse gefeiert wurde und Monate auf den Bestsellerlisten stand. In dieser limitierten, farbig bebilderten und bibliophil ausgestatteten Geschenkausgabe wird die Welt von Edmund de Waals Vorfahren nun zu neuem Leben erweckt.

Autorenporträt
Edmund de Waal wurde 1964 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Er ist Professor für Keramik an der University of Westminster und stellte u.a. im Victoria and Albert Museum und in der Tate Britain aus. Er lebt in London.
Das Buch sieht von seiner ganzen Aufmachung ein wenig kompliziert aus. Es beschreibt eine Familienchronik mehrerer Generationen vom 18 Jhr. bis hin zur Gegenwart. Aber auf der inneren Umschlagseite ist ein Stammbaum aufgemalt und beginnt mit dem Patriarchen Charles Joachim Emphrussi, geboren 1793 in Berdytschiw (Ukraine)  und gestorben 1864 in Wien.  

Demzufolge habe ich ein paar Rezis gelesen und wie immer gibt es unterschiedliche Meinungen und Bewertungen. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als das Buch selbst zu lesen und mir meine eigene Meinung zu bilden.



Montag, 3. Februar 2014

Agatha Christie / Die Kleptomanin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe den Krimi soeben ausgelesen. Wie alle anderen Werke von Agatha Christie hat sich auch dieser Band recht locker gelesen. Einfache Sprache und der Inhalt nicht blutrünstig. Wobei mir diesmal zu viele Morde erfolgt sind. Und der Anlass dieser Morde kam mir nicht wirklich seriös vor. Ein wenig nichtig.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Ein Hercule-Poirot-Roman der Queen of Crime Agatha Christie. Wenn eine sonst unfehlbare Sekretärin in einem Brief drei Tippfehler macht, ist das mehr als eine Fehlleistung. Wenn ihr Chef aus diesem Versagen richtige Rückschlüsse zieht, ist das mehr als eine Meisterleistung. Und wenn er dabei keinen einzigen Denkfehler macht, ist das phänomenal. Aber es handelt sich auch um den Meisterdetektiv Hercule Poirot!
Orientexpress war von den drei Krimis der beste, den ich von der Autorin gelesen habe. Der Klappentext gibt allerdings über den Tathergang dieses Krimis nicht viel her. Die drei Tippfehler, die Poirots Sekretärin Miss Lemon machte, gaben wohl Anlass, sich als Detektiv in ein Studentenwohnheim Londons zu begeben, in dem auf mysteriöse Weise wertvolle und weniger wertvolle Gegenstände verschwinden. In dem Wohnheim arbeitet Miss Lemons Schwester Mrs Hubbard als Leiterin. Was es allerdings mit den drei Schreibfehlern auf sich hat, weiß ich nicht. Vielleicht ist Miss Lemon ein wenig über die Arbeit ihrer Schwester im Wohnheim involviert und dadurch ein wenig besorgt und abgelenkt von ihrer Arbeit gewesen. Miss Lemon ist   sonst immer korrekt und perfektionistisch in ihrer Arbeit. Miss Lemon erzählt daraufhin, als ihr Chef verwunderlich die Tippfehler moniert, von den sonderbaren Begebenheiten im Studentenwohnheim. Als Poirot sich in das Wohnheim begibt, war noch kein Mensch ermordet worden. Erst im Verlauf des Geschehens wurden in kurzen Zeitabständen drei Menschen getötet. Nun schaltet sich auch die Polizei ein...

 Mehr möchte ich nicht schreiben, denn sonst verrät man zu viel. Außerdem sind die Bücher der Autorin so einfach und so klar geschrieben, dass man nicht viel darüber schreiben möchte.

Im Anhang habe ich entnehmen können, dass der Originaltitel eher ein Kinderreim war, Hickory, Dickory, Dock. Der Titel hatte absolut nichts mit dem Inhalt des Buches gemein. A. Ch. war es wichtig, einprägsame Titel zu finden. Erst die Amerikaner änderten den Titel 1955 ab: Hickory, Dickory, Death.

In Deutschland erschien das Buch 1958 und erhielt den o. g. Buchtitel. Den fand ich aber auch nicht sooo passend, aber noch besser als der Kinderreim.

In meinem Bücherregal habe ich noch einige ungelesene Bände stehen und bin neugierig, welche Leseerfahrungen ich mit ihnen noch machen werde. 
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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.
( Helen Simonson)

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Sonntag, 2. Februar 2014

Agatha Christie \ Die Kleptomanin

Klappentext
Ein Hercule-Poirot-Roman der Queen of Crime Agatha ChristieWenn eine sonst unfehlbare Sekretärin in einem Brief drei Tippfehler macht, ist das mehr als eine Fehlleistung. Wenn ihr Chef aus diesem Versagen richtige Rückschlüsse zieht, ist das mehr als eine Meisterleistung. Und wenn er dabei keinen einzigen Denkfehler macht, ist das phänomenal. Aber es handelt sich auch um den Meisterdetektiv Hercule Poirot!

Autorenporträt
Agatha Christie schuf den modernen britischen Kriminalroman. Sie schrieb 68 Krimis, zahlreiche Kurzgeschichten, zwanzig Theaterstücke, eine Autobiographie, einen Gedichtband und – unter ihrem Pseudonym Mary Westmacott – sechs Romanzen. Sie gilt als die meistgelesene Schriftstellerin überhaupt. Die »Queen of Crime« verband ihre Lebenserfahrungen mit Phantasie, psychologischem Feinsinn, skurrilem Humor und Ironie. 1971 in den Adelsstand erhoben, starb sie im Alter von 85 Jahren am 12. Januar 1976.
Das ist jetzt das dritte Buch, das ich von der Autorin lese. Das Angenehme: Die Bücher sind recht schlicht und vom kriminalistischen Standpunkt soft geschrieben. Eine Wohltat, wenn die letzte Lektüre ein wenig anstrengend war.

1. Der Wachsblumenstrauß
2. Mord im Orientexpress

Habe meine ersten einhundert Seiten schon durch und es gefällt mir recht gut.



Freitag, 31. Januar 2014

Paulo Scott / Unwirkliche Bewohner (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es gibt viele Buchtitel, da weiß man nicht mal nach dem Ende der Lektüre, was die Autor/innen damit gemeint haben. Bei dem vorliegenden Buch ist das nicht so. Man weiß ziemlich schnell, wer die Unwirklichen Bewohner sind. Das Buch fand ich ein wenig traurig und für manche Menschen Brasiliens ein wenig perspektivlos. Nimmt oftmals ein tragisches Ende, aber nicht nur für die Minderheit der Bewohner des Landes. Das Buch ist kein echter Liebesroman. Zumindest geht es hier nicht nur um Romanzen zweier Menschen. Der Protagonist, wer ist das eigentlich? Es gibt mehrere. Zu Beginn des Buches lernt man zwei junge Leute kennen. Es sind der junge Brasilianer Paulo, 21 Jahre alt und eine Indianerin, 14 Jahre alt, namens Maína. Beide lernen sich auf der Straße kennen, Maína als Tramperin, und Paulo, der Autofahrer, der sozial eingestellt ist, hält an und lädt das Mädchen zum Mitfahren ein. Maína bekommt Angst und rennt weg. Paulo lässt das Auto stehen und rennt hinterher... . Ich möchte nicht zu viel verraten. Das Buch zeigt viele politische Aspekte auf, was ich damit gemeint habe, dass es keine reine Liebesgeschichte ist. Ich fand das Buch nicht immer leicht zu lesen, und einige Metaphern fand ich nicht gut gewählt. Vor allem im Kleingedruckten der Dialog zwischen dem Subjekt und Spektrum. Für mich eine recht ungewöhnliche Schreibweise.

Trotzdem war es für mich interessant zu lesen, da ich bisher noch nichts zu Brasilien gelesen habe. Ein wenig konnte ich in die politische und soziale Problematik mit Randgruppen Brasiliens schauen. 

Paulo ist so sozial eingestellt, dass er Maínas Großfamilie ein Holzbungalow zu bauen beabsichtigt, doch Maína lehnt ab, mit der Begründung, das sei Sache der Regierung. Doch schließlich setzt sich Paulo durch und baut. Später wird Paulo auf dem Camp von der Polizei angehalten, da er sich mit dem Bauobjekt strafbar gemacht hat, mit der Begründung, sich keine Baugenehmigung vom Amt hat ausstellen lassen. Er wusste, dass er sie nicht bekommen hätte. Paulo wehrt sich und wird tätlich angegriffen. Das hat schwerwiegende Folgen, die sich auf die junge Beziehung auswirken.

Paulos Freund Leo bezeichnet die Beziehung mit Maína als ein Kapitalverbrechen. Nicht nur, weil sie jung ist, nein, auch weil sie Indianerin ist.

Wenn ein Indianerkind mit den brasiliansichen Kindern zusammen die Schule besucht, was selten vorkommt, Maína war zum Teil auch Analphabetin, dann bekam es vom Lehrkörper deutlich zu spüren, dass es Glück habe, zusammen mit weißen Kindern alphabetisiert zu werden.
Maína z.B. verstand die Welt der Brasilianer nicht:
Ich kann die Welt, in der ihr lebt, einfach nicht verstehen und habe noch immer nicht entdeckt, durch welche Tür man sie betritt.
Ein schönes Bild, so finde ich.

Man ist sich noch nicht einig darüber; soll man Indianer/innen zivilisieren oder sie in ihrem Ursprung und in ihrer Wildheit belassen? Letzteres hieße auch, keine Schulbildung, und keine Partizipation am modernen Leben und keine Teilhabe an einer modernen Gesellschaft. Die Indianer /innen werden in Wirklichkeit von den Weißen verfolgt und dezimiert... . Sie leben auf ihren Camps von den Weißen getrennt.

Eine andere junge protagonistische männliche indianische Figur namens Donato, 18 Jahre alt, verwandt in der nächsten Generation mit Paulo und Maína, macht als Abiturient die Erfahrung, dass es doch mit dem Blick auf die Zukunft förderlich ist, eine Schule zu besuchen, weil dadurch die Lebensqualität deutlich ansteigt, und dass es Vorteile für sie bringt, ein selbstbestimmtes Leben in der Moderne zu führen. Raus aus der Armut und weg aus der Abhängigkeit durch die Regierung. Sie lehnt sich gegen Lehrer/innen auf, die die Meinung vertreten, Indianer/innen müssten nicht gebildet werden.
Was deutlich wird, ist, das Bedürfnis, mehr Respekt den verschiedenen Kulturen entgegenzubringen.

Fazit: Es geht wieder mal um Rassismus und um Menschenrechte. Es gibt weltweit kein Land, in dem Minderheiten und Randgruppen nicht diskriminiert und rassistisch verfolgt werden. Rassismus hat so viele Gesichter, wobei die Grundform überall dieselbe ist. Viele Menschen müssen noch lernen, dass es bei Menschen nur eine Rasse gibt, und die ist bunt.

Ich mache nun hier Schluss und habe vor, mir aus dem Wagenbach Verlag noch weitere Literatur aus Brasilien zukommen zu lassen.

Nachtrag:
Ich habe mich darüber gefreut, dass der Autor Paulo Scott am Mo., den 03.02.2014 meine Seite besucht hat, und er meine Rezension auf Twitter geretweetet hat. 
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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch. 
( Helen Simonson)

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Gelesene Bücher 2013: 81
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Dienstag, 28. Januar 2014

Paulo Scott / Unwirkliche Bewohner


Klappentext
Paulo Scott erzählt die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen den Kulturen, die dennoch bleibende Spuren hinterlässt – und er beschwört das Erbe der indianischen Ahnen, der unwirklichen Bewohner Brasiliens.


Autorenporträt
Paulo Scott, geboren 1966 in Porto Alegre, hat vor Unwirkliche Bewohner bereits einen Roman, zwei Erzählsammlungen und einen Gedichtband veröffentlicht. Er lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.


Das Buch habe ich auf der letzten Buchmesse Frankfurt Main erworben. Gastland war Brasilien.
Ich habe die ersten fünfzig Seiten gelesen und es ist eine wirklich interessante Lektüre. Das Cover allerdings spricht mich gar nicht an.


Sonntag, 26. Januar 2014

Helen Simonson / Mrs. Alis unpassende Leidenschaft (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Obwohl ich eigentlich keine Liebesbücher mag, muss man manchmal eine Ausnahme machen, weil das Buch für mich eine Ausnahme ist, in der Form, wie die Autorin ihre Themen darin aufgezogen hat.

In dem Buch geht es eher um die reifere Liebe zweier Menschen im Alter zwischen Ende fünfzig und Ende sechzig.

Aber es ist keine reine Liebesstory. Hier geht es viel um Interkulturalität zwischen Pakistan und England, aber auch zwischen England und England. Simonson ist es wahnsinnig gut gelungen, ihre Herkunftskultur England kritisch zu beleuchten. Ich finde das nur fair, indem man nicht nur über die fremde Kultur sich kritisch auslässt, und die eigene Kultur nebeneinandergestellt als die perfektere idealisiert. Diese Herangehensweise über die Sichtweise zu anderen menschlichen und kulturellen Lebensarten können sich viele AutorInnen aus den nördlichen Länderregionen eine Scheibe von Simonson abschneiden. 

Es geht hier viel um den Rassismus in England. Auch um anders lebende Menschen, wie z. B. alleinerziehende Mütter sind ebenso der englischen Gesellschaft Diskriminierungen und Ablehnungen ausgesetzt. Auch vor Kindern wird kein Halt gemacht. Damit zeigt mir die Autorin, dass jedes Land seine eigenen Traditionen hegt und alles verurteilt, was anders zu leben versucht.

Eigentlich sollte die Protagonistin Mrs. Ali sein, deren Eltern aus Pakistan kamen, und sie in England aufgewachsen ist. Obwohl sie eine englische Identität hat und einen ausländischen Namen trägt, wird sie nie als Britin anerkannt. Schon allein ihre Hautfarbe erlebt sie wie ein Stigma. Mir ist sie sehr sympathisch, nicht nur, weil sie belesen ist, nein, weil sie in ihrer Art etwas Besonderes ist. Sie zeigt einfach Verständnis für menschliche Schwächen. Mrs. Ali ist Witwe. Sie war einst mit einem Pakistaner verheiratet. Sie ist ein Mensch, der mehrere Kulturen zu leben weiß und beide zu schätzen gelernt hat, auch wenn im Hintergrund noch die Familie im Spiel ist, die ein Auge auf sie wirft, trotz ihres reifen Alters. Es geht viel um die Ehre des Familienlebens. Trotzdem lebt Mrs. Ali ein selbstbewusstes Leben… . Sie besitzt einen Lebensmittelladen.

Aber für mich ist der Major die eigentliche Hauptfigur. Auch er ist Witwer, mit dem Namen nennt er sich Ernest Pettigrew. Er kämpft ganz schön mit Vorurteilen. Als er Mrs. Ali näher kennenlernt, zeigt er sich erstaunt über ihren Hang zu Büchern. Aus seiner Sicht passte das nicht zusammen; einen Laden zu führen und sich für Bücher zu interessieren… . Und den pakistanischen Hintergrund? Erst später im Buch muss er bekennen, dass es Zeiten gab, als der Orient von seiner Kultur her fortschrittlicher war als England. In dieser Zeit, so der Major, wären die Engländer noch den Schafen nachgelaufen. War ja bei den Griechen und den Römern nicht anders gewesen. Diese Kulturkreise, die heute abgeflacht sind, genossen eine Weltmacht zu unterschiedlichen Epochen. Nun sind es die Westeuropäer, die sich in der Weltmacht befinden. Alles scheint sich um den Erdball einmal zu drehen… .Und doch muss der Major die Erfahrung machen, dass zwischen ihm und Mrs. Ali viele Gemeinsamkeiten bestehen.

Simonson bricht auch Tabus, indem sie detailgetreu den Toten vor sich sieht, den Toten in seinem Verwesungsprozess. Es betrifft Ernests jüngeren Bruder Bertie. Der Major befindet sich in der Trauerphase und findet in der Gesellschaft kaum Verständnis, als er das Bedürfnis zeigte, über den verstorbenen Bruder zu reden. Alles recht oberflächliche und floskelhafte Reaktionen.
Wäre nicht Mrs. Ali vorbeigekommen - und wieder empfand er leichten Groll darüber, dass sie es nicht getan hätte; ihn mit oberflächlichen Redensarten zurückzuweisen, sie hätte ihn verstanden. Mrs. Ali, da war er sich ganz sicher, hätte ihn von Berti erzählen lassen. Nicht von der Leiche, die sich bereits in der Erde zu verflüssigen begann, sondern von Berti, wie er gewesen war.

Der Major trat in den leeren Garten hinaus, um die Sonne auf dem Gesicht zu spüren. Er schloss die Augen und atmete ganz langsam, um den Stoß abzudämpfen, den ihm das innere Bild von Berti versetzte, Berti in der Erde, kalte, grünliche Haut, die sich nach und nach in etwas Geleeartiges verwandelte. (51)
Auch der Major ist ein belesener Mensch und findet den Austausch über Literatur gerade in der Ladenbesitzerin Mrs. Ali.

Aufgefallen ist mir auch der Sohn des Majors, Roger heißt er und ist 28 Jahre alt und von Beruf Banker. Auch Roger ist geplagt von vielen Vorurteilen. Er diskriminiert nicht nur Menschen mit einem fremdländischen Namen (232), ausgenommen sind die AmerikanerInnen, nein, er diskriminiert auch alte Menschen, zu denen auch sein Vater zählt. Eigentlich ist Roger eine peinliche Kreatur, der nichts anders im Sinne hat, ausschließlich seinen eigenen Bedürfnissen und Zielen nachzugehen. Den Vater, der noch fit auf den Beinen ist, behandelt er wie ein Kind, das ständig Unterstützung bedarf. Auch hier behandelt die Autorin ein Thema, das zwischen den Generationen liegt. Alter konfrontiert mit Jung… . Gegensätze… . Roger behandelt Menschen nur nach Kosten-Nutzen-Faktor. Er ist total materiell eingestellt und sein Vater wundert sich über mangelnde ideelle – menschliche Werte und hadert mit sich, ob er seinen Sohn so emotionsarm erzogen habe… . Roger wundert sich über die vielen Bücher seines Vaters:
"Mein Sohn ist der Meinung, ich sollte das meiste davon wegwerfen. (…) Seiner Ansicht nach brauche ich eine freie Wand für ein Entertainment Center und einen großen Fernseher."
Roger war schon mehr als einmal mit dem Vorschlag angekommen, er solle seine Büchersammlung verkleinern, um das Zimmer moderner einzurichten, und hatte angeboten, ihm einen raumfüllenden Fernsehapparat zu schenken, damit er abends etwas zu tun habe."Wahrscheinlich ist es einfach so, dass die jüngere Generation versuchen muss, die Führung zu übernehmen und das Leben der älteren zu bestimmen", sagte Mrs. Ali."Seit mein Neffe bei mir wohnt, habe ich kein eigenes Leben mehr.
(…)"Mit dem Telefon stöbern sie einen sogar im eigenen Haus zu jeder Tages-und Nachtzeit auf", sagte der Major. "Ich glaube, mein Sohn will mein Leben organisieren, weil es einfacher ist, als sein eigenes. Es gibt ihm das Gefühl, etwas unter Kontrolle zu haben in einer Welt, die noch nicht bereit ist, ihm Verantwortung zu übertragen." (149f)
Und so ist es auch. Roger kommt mit seinem eigenen Leben nicht klar. Siehe Weiteres im Buch.

Interessant fand ich die politischen Aspekte, die die Autorin in ihrem Roman mit eingebaut hat. Eigentlich sind es die Engländer gewesen, die in der Geschichte nach Indien eingebrochen sind, und ihnen die Kultur raubten. Indien musste um seine verlorene Unabhängigkeit kämpfen, politisch, gesellschaftlich und kulturell. Ich denke hierbei an Gandhi, der gegen die zweihundertjährige koloniale Ausbeutung kämpfte. Für den arroganten Engländer ist er es gewesen, der den Inder die Unabhängigkeit schenkte… .

Weshalb mir der Major so interessant erscheint, wohl deshalb, weil er sich seiner Schwäche durch den Kontakt mit Mrs. Ali bewusst wurde.

Das Ende hat mir auch gut gefallen, da es zwischen den Figuren Entwicklungen gab, aber nicht in allem ein Happy End. Ich spreche auch von Figuren, die ich hier nicht erwähnt habe.

Um nicht zu viel vorwegzunehmen, lest einfach selbst, wenn ich eure Neugierde wecken konnte. Es ist kein Buch für nur Senioren, nein, es ist ein Buch für alle Menschen, Jung und Alt.

Nun habe ich über die Liebesbeziehung zwischen dem Major und Mrs. Ali so gar nichts geschrieben. Lest einfach selbst.


Mein Fazit:

Mir hat das Buch gezeigt, dass der Mensch in jedem Alter wichtige Lern- und Lebensphasen vollbringen kann. Das liegt an jedem selbst. Man kann aber auch sich als alternder Mensch auf die alten Tage ausruhen und warten, bis der Tod ihn erlöst. 

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Der literarische Stil hat mir gut gefallen. Auch der Schreibstil war recht fantasievoll und die Perspektiven der Figuren nicht in Schwarz – Weiß Facetten gekleidet.
______________
Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch. 
(Helen Simonson)

Gelesene Bücher 2014: 05
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 21. Januar 2014

Helen Simonson / Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Klappentext
Ernest Pettigrew, ob seiner militärischen Vergangenheit von allen nur ‚Major’ genannt, ist Brite durch und durch und pflegt Probleme jedweder Art mit einer guten Tasse Tee zu behandeln. Als der Witwer nun auch noch den Tod seines Bruders zu betrauern hat, rückt sein zurückgezogenes Leben ins Zentrum des dörflichen Interesses – wie unpassend, dass er sich gerade jetzt mit der pakistanischen Ladenbesitzerin Mrs. Ali anfreundet.

Autorenporträt
Helen Simonson ist in East Sussex/England geboren und aufgewachsen. Nach dem Abschluss an der London School of Economics hat sie lange in der Werbung gearbeitet. "Mrs. Alis unpassende Leidenschaft" ist ihr erster Roman, den sie in den wenigen Stunden, die ihr als Hausfrau und Mutter blieben, schrieb. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Washington, D.C.

Das Buch habe ich bei Jokers entdeckt und mich hat das Cover total angesprochen. Die Autorin ist mir ansonsten unbekannt.

Das Buch ist mittlerweile auch als Taschenbuch erhältlich.

Montag, 20. Januar 2014

J. R. R. Tolkien / Der Herr der Ringe BD I

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe nun BD 1 durch und ich hatte mehr Weisheit erwartet.
Da ich die Verfilmung schon mehrmals gesehen habe, bleibt es nicht aus, dass ich das Buch mit dem Film vergleiche.

Frodo ist ja eine Waise, und von Bilbo Beutlin adoptiert. Ein Vetter von Bilbo. Wurde im Film nie erwähnt. Und im Buch wird Frodo auch als ein Fünfzigjähriger beschrieben. Im Film blieb er einfach nur ein Jüngling.

Auch weiß ich nun, aus welcher Sippschaft der kleine Gnom Smeagol stammt. Er war mit den Hobbits verwandt, lebte in einer größeren Familie, deren Familienoberhaupt seine Großmutter war, die das Sagen hatte. Smeagol war in seiner Familie nie wirklich beliebt. Durch die stille Macht des Ringes veränderte Smeagol noch mehr sein Verhalten negativ; er log und stahl, sodass er sich noch unbeliebter machte, bis dass die Großmutter ihn aus der Sippschaft verbannte. Dies wurde im Film nicht gezeigt, nur die Episode mit seinem besten Freund Déagol, der eigentliche Finder des Ringes, den Smeagol sich durch Gewalt an sich gerissen hatte. Durch das Verbannen aus seiner Horde flüchtete er in die Einsamkeit, tief unten in die Grotten, weg vom Mond- und Sonnenlicht, die er nicht mehr vertrug.

Bis hier hin habe ich noch gerne gelesen. Später, als die Kämpfe losgingen, fand ich das Buch wieder langweilig und quälte mich durch die Buchseiten. Ich denke nicht, dass ich BD II und III noch lesen werde.

Mir gefällt der Film ganz gut. Nach drei Stunden pro Film ist wieder alles vorbei, während ich mit dem Buch sehr lange gebraucht habe.

Es gibt ein paar wenige Abweichungen vom Buch zum Film aber im Großen und Ganzen ist der Film recht nah am Buch gedreht worden.

Ich lasse das alles ein wenig sacken und entscheide nach ein paar Wochen, ob ich die Folgebände mir noch antun werde. Aber ich glaube eher nicht.

_____________
Ein Narr kann mehr fragen, als ein Weiser beantworten könnte
( Margriet de Moor)

Gelesene Bücher 2014: 04
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 7. Januar 2014

J. R. R. Tolkien / Der Herr der Ringe BD 1


Klappentext

In der neu durchgesehenen Übersetzung von Margaret Carroux
- Neuausgabe in rotem Leinen- in aufwendiger Ausstattung- enthält alle drei Teile des »Herrn der Ringe«, samt Anhängen und Register- auf dem neuesten Stand der Tolkienforschung
»Der Herr der Ringe« in zwei Sätzen: Einem jungen Hobbit namens Frodo wird ein Ring anvertraut, von dem eine dunkle Macht ausgeht. Frodo macht sich mit seinen Freunden auf eine abenteuerliche Reise, um das von der zerstörerischen Kraft des Rings bedrohte Auenland zu retten.
Aus dem Englischen von Margaret Carroux, Gedichtübertragungen von E.-M. von Freymann (Orig.: The Lord of the Rings)5. Aufl. dieser Ausgabe 2013, 1295 Seiten, Einbändige Ausgabe, Leinen mit Schutzumschlag, Fadenheftung, farbiger Vorsatz, Rundumfarbschnitt, zweifarbig gedruckt, neun farbig gestaltete Zwischentitel, zwei Karten, zwei Lesebändchen, Anhänge, Register


Autorenporträt
John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein (Südafrika) geboren und wuchs in England auf. Von 1925 an war er Professor für englische Philologie in Oxford und erwarb sich schon bald großes Ansehen als einer der angesehensten Philologen weit über die Grenzen Englands hinaus....

Lt. veschiedener Hobbit - Kenner ist die vorliegende Ausgabe die best übersetzte und entspricht eher dem Original.

Während die beiden unteren Ausgaben, gebundene Trilogie links oder Taschenbuch Trilogie rechts, in eine moderne Sprache verpackt wurden, ist von vielen Kennern abgelehnt worden. Z. B. der Begriff Chef würde nicht reinpassen, erinnert eher an eine Geschäftswelt, während Meister der bessere Ausdruck sei und in die Zeit dieses Märchens passen würde.





Leider besitze ich die obere linke Ausgabe. Das Geld hätte ich mir echt sparen können. Habe vor einem Jahr einfach drauf los gekauft, im blinden Vertrauen. Das würde ich heute nicht mehr machen. Beim Bücherkauf habe ich nun immer mein Smartphone dabei, und kann vor Ort mir verschiedene Rezis durchlesen, wenn ich mir bei einem Buch nicht sicher sein sollte.

Und hier eine Rezension dazu:

http://www.amazon.de/product-reviews/3608938281/ref=cm_cr_dp_hist_one?ie=UTF8&filterBy=addOneStar&showViewpoints=0

Nun scheine ich an den richtigen Band geraten zu sein, werde aber nicht alle drei Teile gemeinsam lesen, sondern in Abständen.
Das Buch sieht wirklich wie eine Bibel aus, und ist ähnlich einer Bibel aufgebaut. Auch die Buchseiten sind seeehr dünn. Was mir allerdings nicht gefällt, ist; mir ist das Buch zu rot. Nicht nur der Einband ist rot, sondern auch die Ränder der Buchseiten haben die gleiche Farbe. Erinnert eher an einen Kasten. Aber das ist Geschmacksache. 

Bin gerade im Prolog, nach dem ich das Vorwort gelesen habe, und ich muss sagen, lesend hat das Buch tatsächlich eine Besonderheit verglichen zum Film. Ich hoffe allerdings, dass ich die vielen zukünftigen Kämpfe aushalten werde.

Mal schauen.




Montag, 6. Januar 2014

Gelesene Bücher 2014

Ich werde die Bücher nicht alphabetisch sortieren, sondern in der Reihenfolge darstellen, wie ich sie gelesen habe.

Jahr 2014

1. Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon
2. Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte (abgebrochen       nach 120 Seiten) ***
3. Margrit de Moor: Erst grau dann weiß dann blau
4. J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe, BD 1
5. Simonson, Helen: Mrs. Alis Leidenschaft
6. Paulo Scott: Die Unwirklichen Bewohner
7. Agatha Christie: Die Kleptomanin
8. Edmund de Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen
9. Marcel Proust: Die Flüchtige
10. Jerome K. Jerome: Drei Männer in einem Boot
11. Fred Hatfield: Nördlich der Sonne
12. Asa Larsson: Sonnensturm
13. Shreve, Anita: Weil sie sich liebten
14. Patrick Lescot: Das rote Reich (abgebrochen nach 130 Seiten) ***
15. Kerstin Hekman: Hexenringe (abgebrochen nach 112 Seiten) ***
16. Erich Maria Remarque: Drei Kameraden
17. Alex Rovira und Frances Miralles: Einsteins Versprechen
18. Morton H. Olsen: Das Kind aus dem Moor
19. Lizzi Doron: Das Schweigen meiner Mutter
20. Haruki Murakami:  Südlich der Grenze, westlich der Sonne
21. Erik Fosnes Hansen: Choral am Ende der Reise
22. Zsuzsa Bánk: Der Schwimmer
23. Abulhawa, Susan: Während die Welt schlief
24. Eudrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden (abgebrochen nach 105 Seiten) ***
25. Kate Pullinger: Eine Liebe in Luxor
26. Voltaire: Candide oder der Optimismus
27. Carson McCullers: Uhr ohne Zeiger
28. Herta Müller: Atemschaukel
29. Henning Peter: Die Ängstlichen
30. Elizabeth Strout: Mit Blick aufs Meer
31. Adalet Agaoglu: Sich hinlegen und sterben
33. Carson McCullers: Die Autobiografie
34. Henri - Alain Fournier / Der große Meaulnes 
35. Maarten ´t Hart: Das Wüten der ganzen Welt
36. Andrea De Carlo: Als Durante kam
37. Sabine Weigand: Die Markgräfin
38. Charlotte Bronté: Villette
39. Eleen Chang: Das Reispflanzerlied
40. Carson McCullers: Frankie
41. Luigi Malerba: Römische Gespenster
42. Albert Camus: Der erste Mensch
43. Jules Verne: Reise zum Mittelpunkt der Erde
44. Jojo Moyens: Weit weg und ganz nah
45. Sonya Winterberg: Wir sind die Wolfskinder-Verlassen in Ostpreußen
46. Anne Bronté: Agnes Grey
47. Tuomas Kyrö: Bettler und Hase
48. Carson McCullers: Die Ballade vom traurigen Café
49. Rolf Lappert: Auf den Inseln des letzten Lichts (abgebrochen nach 110 Seiten) ***
50. Anthony McCarten: Hand aufs Herz
51. Eran Bar-Gil: Zwillingsstern
52. Matt Haig: Ich und der Mensch
53. Tilman Jens: Demenz
54. Carola Stern: Kommen Sie, Cohn
55. Francois Lelord: Die kleine Souvenierverkäuferin (Abgebrochen nach 250 Seiten) ***
56. Carson McCullers: Spiegelbild im goldenen Auge
57. Isabel Allende: Das Siegel der Tage
58. Thomas Moran: Wasser trage mich
59. Virginia Woolf: Mrs. Dalloway
60. Agota Kristof: Die Analphabetin
61. Hans Fallada: Der eiserne Gustav
62. Nadine Gordimer: Ein Mann von der Straße
63. Felix Francis: Glücksspiel (Gelesen in meiner Literaturgruppe mit psychisch kranken Menschen)
64. Isabel Allende: Amandas Suche
65. Beate Klepper: Büchners Braut
66. Isabel Allende: Inés meines Herzens
67. Régis de Sá Moreira: Das geheime Leben der Bücher
68. Marcel Proust: Sodom und Gomorrha
69. Tsukiyama, Gail: Die Straße der tausend Blüten
70. Correas Zapata: Isabel Allende-Mein Leben, meine Geister
71. Selma Lagerlöf: Marbacka
72. Adam Davies: Goodby Lemon
73. Hans-Peter Rodenberg: Ernest Hemingway
74. Hans Fallada: Der Alpdruck
75. Eva Menasse: Vienna (abgebrochen nach 125 Seiten) ***
76. Isabel Allende: Eva Luna
77. Laurie Halsen Anderson: Wintermädchen
78. Rolf Schroeder: Mutter & Sohn
79. O`Riordan, Kate: Der Junge im Mond
80. Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer
81. Andrea De Carlo: Die Laune eines Augenblicks
82. Michel Buss: Das Mädchen mit den blauen Augen
83. Agatha Christi: Das Haus an der Düne
84. Isabel Allende: Paula
85. Tilman Jens: Vatermord
86. Abraham Verghese: Rückkehr nach Missing
87. Ayse Kulin: Der schmale Pfad 
88. Ursula Priess: Mitte der Welt









Margriet de Moor / Erst grau dann weiß dann blau (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Wie ich schon in meinem letzten Thread geschrieben habe, liest sich das Buch recht mühsam. Nun habe ich es durch, und die Erzählstränge blieben bis zum Schluss anstrengend. Die Autorin erwartet von ihren LeserInnen ein Mitdenken und ein Mitgehen auf ihren Pfaden. Nicht nur, weil der Ich - Erzähler permanent wechselt, und der oft nicht mit dem Namen erwähnt wird. Muss das sein? Muss man die LeserInnen unnötig strapazieren? Ist es nicht schon abstrakt genug, sich fremde Schicksale lesend anzueignen? Von den vielen Figuren gehen alle in die Perspektive des Ich - Erzählers über. Aber ohne jegliche Reihenfolge. Die Ich – Erzähler erwähnen sich nicht mit dem Namen. 

Ein Buch, das man am besten zwei Mal gelesen haben sollte, denn nun, wo ich die Taktik der Autorin kenne, würde ich im zweiten Anlauf anders an das Buch herangehen, da mir mittlerweile viele Fakten, Verläufe und Charaktere der Figuren als bekannt vorliegen.
Des Weiteren gibt es mehrere Erzählepochen. Große Sprünge zwischen den Ereignissen, die sich zurück bis 1939 und vorwärts bis 1980 verfolgen lassen, diese aber keineswegs chronologisch aufgebaut sind. Es macht auch hier das Lesen ein wenig Mühe. Die Geschichten an sich finde ich recht interessant. Ich gebe zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
Magda lebt mit ihrem Mann Robert in Noordwijk. Eines Tages ist sie verschwunden und kehrt erst nach zwei Jahren überraschend zurück. Magda schweigt sich nach ihrer Rückkehr beharrlich über ihr Verschwinden aus, was im Ort und bei ihren Freunden Verunsicherung und Befremden auslöst und ihren Mann in den Wahnsinn treibt.
Man erfährt recht schnell, auf ein bis zwei Zeilen, dass Magda tot ist, aber woran sie starb, wird dem Leser erst auf den letzten Seiten offenbart. Bis dort hin wird nicht mehr über deren Tod erzählt, sodass ich erst glaubte, mich verlesen zu haben. Denn bis zu ihrem Tod war Magda recht lebendig, auch wenn sie vom Typ her introvertiert erscheint.

Magda hat in ihrem Leben einige traumatische Erlebnisse verwinden müssen. Ihr jüdischer Vater wurde vor ihren Augen von der Gestapo abgeführt, als sie ein kleines Mädchen war. Sie sah ihren Vater seitdem nie wieder. Ein Kriegskind, das mit der Mutter nach Kanada ausgewandert ist. Nachdem der Vater inhaftiert wurde, wollte Magdas Mutter mit den Deutschen nichts mehr zu tun haben. Auf dem Schiff nach Kanada macht Magda weitere Beobachtungen, wo ich denke, dass sie für ein Kind recht belastend sein können. Es sind alles recht kurze Episoden, aus ihrem Leben gegriffen.

Magda, deren Seele die vielen traurigen Ereignisse abgespeichert hatte, schafft es nicht, mit Robert eine normale Ehe zu führen. Mir kommt sie ein wenig neurotisch vor. Sie fühlt sich in dieser Ehe nicht zu Hause, hatte auch eine kurze Affäre mit Erik, der gemeinsame Freund von ihr und von Robert. Sie lebt in Holland in einem kleinen Dorf, gutbürgerlich, nahe am Meer. Robert und sie beziehen Freundschaft mit dem Ehepaar Nellie und Erik. Mit dem Kinderkriegen klappt es nicht, obwohl Robert sich so sehr ein Kind gewünscht hat. Sie hatte Fehlgeburten erlitten.

Erik und Nellie bekommen 1964 einen Sohn, Gabriel. Gabriel entwickelt sich nicht wie alle anderen Kinder. Das bereitet der Mutter Nellie Kopfzerbrechen. Später bekommt er die Diagnose Schizophrenie angehängt, die neurologisch bzw. hirnorganisch nachweisbar war und sie demnach mit einer Geisteskrankheit gleichgesetzt wird.

Gabriel hatte trotz seiner Behinderung große Fähigkeiten, interessierte sich viel für die Gestirne und bekommt von dem Vater anspruchsvolle Geräte geschenkt, mit denen er seinem Hobby nachgehen konnte. Die Mutter lernte, mit dem Anderssein ihres Kindes umzugehen.
„Er läuft, er spricht, und wenn es nach mir geht, wird er fliegen. Denn das glaube ich manchmal: dass die Worte durch die Luft gehen und übers Meer, dass sie zwischen den Jahrhunderten hin und her fliegen. Manchmal glaube ich, dass Worte die Flügel der Menschen sind." (268).
Magda beobachtete oft das Kind Gabriel, durch seine Behinderung hatte sie aber keine Neidgefühle entwickelt. Gabriel konnte schwerlich Kontakt mit Menschen aufbauen. Er beschäftige sich hauptsächlich mit Gegenständen und Objektiven …

Ich verweise Weiteres auf das Buch.

Als Magda nach zwei Jahren wieder aus der Versenkung hervortritt, tut sie so, als sei sie nie weg gewesen. Ihr Mann Robert fühlt sich provoziert:
„Allmählich wird die Situation unerträglich. Ihr Schweigen übersteigt langsam sein Auffassungsvermögen. Macht ihn verrückt und wahnsinnig vor Wut. Nach und nach wird ihm zur Gewissheit, dass sein Leben die Bezeichnung Leben nicht mehr verdient, wenn er keine Chance mehr sieht, dieses Schweigen zu durchbrechen, wenn es ihm nicht gelingt, die zwei verschwundenen Jahre ausfindig zu machen, in sie einzudringen und sie in sein Weltbild einzufügen.
Dieses Abseitssein.… Dieses Distanziertsein … diese himmelschreiende Dreistigkeit nicht zu zerschlagen …! „(281)
Gabriel ist sehr an Marthas Tod interessiert, er versucht zu begreifen, was Totsein bedeutet und stellt seiner Mutter viele Fragen, als ihnen die Beerdigung bevorstand, auf die sich auch Gabriel vorbereitet:

Er ist zu unruhig. Die Zeremonie, die ihm heute bevorsteht, nimmt seine ganze Anteilnahme in Anspruch. „Sie wird der Erde übergeben?" war das erste, was Gabriel sagte, nachdem die Mutter ihn am Dienstag vorsichtig, eingeweiht hatte.Weder seine steife Formulierung noch seine monotone Stimme trafen sie. Es war seine Art zu sprechen. „Ja."
"(…) Sie lebt nicht mehr."
„Nein."
 „Sie hat keine Stimme mehr."
„Nein.". (…)
„Sie hat keine Handschrift mehr." Ihre Handschrift verschwindet auch mit ins Dunkel. Gabriel fing langsam an zu schaukeln; ohne die Hände vom Tisch zu nehmen, schob er seinen Körper vor und zurück. Nellie ließ ihn gewähren. Als seine Bewegungen heftiger und ungestümer werden, nahm sie seine Hände, das war eine Gebärde, die er kannte, willig wich er zurück, machte ein paar unbestimmte Schritte und ließ sich in den Sessel fallen.(254f)

Hier setze ich meinen Punkt.

Mein Fazit: 

Ich denke, der Autorin ist es wichtig gewesen, deutlich zu machen, dass der Mensch ein Recht hat auf seine ureigenste Persönlichkeit. Magda war für Robert ein Rätsel. Sie schweigt sich aus und gibt nach ihrer Rückkehr keine Kommentare über ihr Verschwinden ab. Der Appell der Autorin: Das persönliche Geheimnis, das jeder Mensch mit sich trage, solle ein Geheimnis bleiben. Diese vielen Analysen, durch die man versuche, in andere einzudringen, mache vieles nur noch schwieriger und seien eigentlich überflüssig. Kein Mensch sei Besitz eines anderen Menschen.

Eine große Herausforderung, der Robert keineswegs gewachsen war. Nur Robert? Hätten wir damit keine Probleme gehabt, wenn plötzlich unser (Ehe)Partner von heute auf morgen kommentarlos verschwinden würde? Man kann sich zumindest damit auseinandersetzen, versuchen, diese Hürde mental zu überwinden. 

Ich gebe dem Buch neun von zehn Punkten. Ich fände es besser, wenn öfters Namen fallen würden, anstelle von er oder sie zu reden.

Anmerkung der Rezensentin: Der Fettdruck im Zitat wurde durch mich hervorgehoben
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Ein Narr kann mehr fragen, als ein Weiser beantworten könnte
(Margriet de Moor)

Gelesene Bücher 2014: 03
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 5. Januar 2014

Margriet de Moor / Erst grau dann weiß dann blau


Klappentext

Magda lebt mit ihrem Mann Robert in Noordwijk. Eines Tages ist sie verschwunden und kehrt erst nach zwei Jahren überraschend zurück. Magda schweigt sich nach ihrer Rückkehr beharrlich über ihr Verschwinden aus, was im Ort und bei ihren Freunden Verunsicherung und Befremden auslöst und ihren Mann in den Wahnsinn treibt …

Autorenporträt
Margriet de Moor - Kunst ist kein ungefährlicher Schnickschnack»Ich glaube, daß Kunst nicht nur schmückendes Beiwerk ist, das neben dem Leben besteht. Es ist ein überaus kräftiger Impuls, dessen wir uns nicht immer bewußt sind.« In unserem Gemeinschafts-Special mit dem Hanser Verlag spricht Margriet de Moor über ihr Leben und die Kunst.
Der vorliegende Band entspringt aus einer 50- jährigen Jubiläumsausgabe des dtv-Verlages. Gebundener Einband für nur 10,00 €. Das Buch ist auch im Taschenbuch erhältlich.

Ich habe die ersten einhundertfünfzig Seiten schon durch. Das Buch liest sich zwar ein wenig mühselig, aber es entspricht meinem Geschmack. Hohe, anspruchsvolle Literatur, hohes Sprachnivau.

Das Mühselige daran: Es sind zu viele Zeitsprünge, vor und wieder zurück, und man weiß nicht immer wer wann spricht, erschließt sich aber durch den Kontext kurze Zeit darauf.