Freitag, 31. Januar 2014

Paulo Scott / Unwirkliche Bewohner (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es gibt viele Buchtitel, da weiß man nicht mal nach dem Ende der Lektüre, was die Autor/innen damit gemeint haben. Bei dem vorliegenden Buch ist das nicht so. Man weiß ziemlich schnell, wer die Unwirklichen Bewohner sind. Das Buch fand ich ein wenig traurig und für manche Menschen Brasiliens ein wenig perspektivlos. Nimmt oftmals ein tragisches Ende, aber nicht nur für die Minderheit der Bewohner des Landes. Das Buch ist kein echter Liebesroman. Zumindest geht es hier nicht nur um Romanzen zweier Menschen. Der Protagonist, wer ist das eigentlich? Es gibt mehrere. Zu Beginn des Buches lernt man zwei junge Leute kennen. Es sind der junge Brasilianer Paulo, 21 Jahre alt und eine Indianerin, 14 Jahre alt, namens Maína. Beide lernen sich auf der Straße kennen, Maína als Tramperin, und Paulo, der Autofahrer, der sozial eingestellt ist, hält an und lädt das Mädchen zum Mitfahren ein. Maína bekommt Angst und rennt weg. Paulo lässt das Auto stehen und rennt hinterher... . Ich möchte nicht zu viel verraten. Das Buch zeigt viele politische Aspekte auf, was ich damit gemeint habe, dass es keine reine Liebesgeschichte ist. Ich fand das Buch nicht immer leicht zu lesen, und einige Metaphern fand ich nicht gut gewählt. Vor allem im Kleingedruckten der Dialog zwischen dem Subjekt und Spektrum. Für mich eine recht ungewöhnliche Schreibweise.

Trotzdem war es für mich interessant zu lesen, da ich bisher noch nichts zu Brasilien gelesen habe. Ein wenig konnte ich in die politische und soziale Problematik mit Randgruppen Brasiliens schauen. 

Paulo ist so sozial eingestellt, dass er Maínas Großfamilie ein Holzbungalow zu bauen beabsichtigt, doch Maína lehnt ab, mit der Begründung, das sei Sache der Regierung. Doch schließlich setzt sich Paulo durch und baut. Später wird Paulo auf dem Camp von der Polizei angehalten, da er sich mit dem Bauobjekt strafbar gemacht hat, mit der Begründung, sich keine Baugenehmigung vom Amt hat ausstellen lassen. Er wusste, dass er sie nicht bekommen hätte. Paulo wehrt sich und wird tätlich angegriffen. Das hat schwerwiegende Folgen, die sich auf die junge Beziehung auswirken.

Paulos Freund Leo bezeichnet die Beziehung mit Maína als ein Kapitalverbrechen. Nicht nur, weil sie jung ist, nein, auch weil sie Indianerin ist.

Wenn ein Indianerkind mit den brasiliansichen Kindern zusammen die Schule besucht, was selten vorkommt, Maína war zum Teil auch Analphabetin, dann bekam es vom Lehrkörper deutlich zu spüren, dass es Glück habe, zusammen mit weißen Kindern alphabetisiert zu werden.
Maína z.B. verstand die Welt der Brasilianer nicht:
Ich kann die Welt, in der ihr lebt, einfach nicht verstehen und habe noch immer nicht entdeckt, durch welche Tür man sie betritt.
Ein schönes Bild, so finde ich.

Man ist sich noch nicht einig darüber; soll man Indianer/innen zivilisieren oder sie in ihrem Ursprung und in ihrer Wildheit belassen? Letzteres hieße auch, keine Schulbildung, und keine Partizipation am modernen Leben und keine Teilhabe an einer modernen Gesellschaft. Die Indianer /innen werden in Wirklichkeit von den Weißen verfolgt und dezimiert... . Sie leben auf ihren Camps von den Weißen getrennt.

Eine andere junge protagonistische männliche indianische Figur namens Donato, 18 Jahre alt, verwandt in der nächsten Generation mit Paulo und Maína, macht als Abiturient die Erfahrung, dass es doch mit dem Blick auf die Zukunft förderlich ist, eine Schule zu besuchen, weil dadurch die Lebensqualität deutlich ansteigt, und dass es Vorteile für sie bringt, ein selbstbestimmtes Leben in der Moderne zu führen. Raus aus der Armut und weg aus der Abhängigkeit durch die Regierung. Sie lehnt sich gegen Lehrer/innen auf, die die Meinung vertreten, Indianer/innen müssten nicht gebildet werden.
Was deutlich wird, ist, das Bedürfnis, mehr Respekt den verschiedenen Kulturen entgegenzubringen.

Fazit: Es geht wieder mal um Rassismus und um Menschenrechte. Es gibt weltweit kein Land, in dem Minderheiten und Randgruppen nicht diskriminiert und rassistisch verfolgt werden. Rassismus hat so viele Gesichter, wobei die Grundform überall dieselbe ist. Viele Menschen müssen noch lernen, dass es bei Menschen nur eine Rasse gibt, und die ist bunt.

Ich mache nun hier Schluss und habe vor, mir aus dem Wagenbach Verlag noch weitere Literatur aus Brasilien zukommen zu lassen.

Nachtrag:
Ich habe mich darüber gefreut, dass der Autor Paulo Scott am Mo., den 03.02.2014 meine Seite besucht hat, und er meine Rezension auf Twitter geretweetet hat. 
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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch. 
( Helen Simonson)

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