Die Autorin hat mich mit ihrem Buch erfreut. Wie war das noch mal mit dem
trivialen Titel?, siehe Buchvorstellung aus dem letzten Posting. Mir gefällt
der Titel zwar noch immer nicht, aber aus dem Kontext erschließt sich, weshalb
die Autorin diese Bezeichnung gewählt hat. Sicherlich hätte man dasselbe mit
einem anderen Titel ausdrücken können, denn gleich zu Beginn der Lektüre wusste
ich auch ohne den Kontext, was Lilly Beck damit sagen wollte. Aber ich beuge
mich dem Willen der Autorin dadurch, weil alles andere richtig stimmig war.
Allerdings waren recht viele Schreibfehler zu finden. Auf einer Buchseite waren
es gleich drei, auf anderen Seiten 1 bis 2 Schreibfehler. Diese sind aber dem
professionellen Lektorat des Verlages anzulasten und man sich die Frage als
Leserin stellt, ob die Manuskripte eher quer gelesen werden?
Wer von dem Inhalt nur wenig erfahren möchte, diejenigen können diese Passagen Worum geht es in diesem Buch? überspringen.
Zum Schreibkonzept
Ich fand die Struktur, die die Autorin gewählt hat, genial. Das Buch
beinhaltet 58 Kapitel. Auf den ersten Seiten ist ein kleiner Vorspann
abgedruckt, in dem man historisch in das Jahr 1969 versetzt wird. Die beiden
Protagonistinnen Moon und Lore waren zu dieser Zeit erwachsene junge
Frauen.
Das erste Kapitel führt uns in die Gegenwart, 7. Mai 2015, zum 70.
Geburtstag der beiden Frauen. Moon bereitet den Geburtstag vor, den sie
zusammen mit Lore feiern wird.
Im zweiten Kapitel wird man wieder in die Geschichte geführt, 7. Mai 1945.
Beide Mädchen werden geboren, als der Krieg in Deutschland am 8. Mai mit der
Kapitulation zu Ende geht.
Drei Jahre später, 1948, drittes Kapitel.
Im vierten Kapitel befindet man sich erneut in der Gegenwart, Fortsetzung
der Erzählung aus dem zweiten Kapitel ...
Und so setzt sich der Erzählstoff bis zum Ende fort und am Schluss wird das
Ganze richtig rund. Der Roman endet, wo er mit dem ersten Kapitel angefangen
hat. Diese Erzählstruktur fand ich wunderschön.
Der Inhalt / Worum geht es in diesem Buch?
Die Handlung spielt in München. Der Roman behandelt nicht nur die
Nachkriegszeit, sondern alle historischen Epochen bis in die Zeit der
Gegenwart.
- Das Wirtschaftswunder bis Ende der
1970er Jahre
- 1961 Bau
der Berliner Mauer
- 1968
Jugendrevolte der 68er-Bewegung
- 1970er Jahre
Terroristische Anschläge
- 1980er Jahre aus dem Wirtschaftswunder wird ein Wirtschaftsabfall, dadurch
- hohe Arbeitslosigkeit
- 1989 Fall
der Berliner Mauer
- 1990erJahre Beginn des
digitalen Zeitalters
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele
Menschen obdachlos, da deren Häuser verschüttet lagen. Die Regierung konnte
sich nicht um alle Menschen kümmern, und so waren viele auf sich allein
gestellt. Elsa Neubauer ist hochschwanger und sie wusste nicht wohin, als sie
sich selbst in eine Klinik in München einweist und dort ihr Mädchen Marion zur
Welt bringt.
In der Klinik lernt sie schicksalshaft Hilde Lemberg kennen, die am selben
Tag auch ein Mädchen geboren hat, die den Namen Hannelore erhält. Elsa ist mit
dem Kind alleine, da der Mann sich im Krieg befindet. Sie schildert Hilde ihr
Unglück, als Hilde darauf mehr als empathisch reagiert. Sie bietet Elsa an, mit
dem Säugling bei ihr einzuziehen, da sie ein Haus besitzt und genügend Räume zur
Verfügung stehen hat. Hilde lebt in einer Villa zusammen mit ihrem Mann und
ihren Eltern. Damit sich Elsa nicht wegen ihrer Not genieren muss, durfte sie
als Gegenleistung für die Familie kochen, nähen und Hausarbeiten verrichten ...
Und so wachsen die beiden Mädchen, Kurznamen Moon und Lore, zusammen auf.
Moon ist rothaarig, Lore schwarzhaarig. Warum ich dies erwähne, weil die
Haarfarbe von Moon eine große Rolle in ihrem weiteren Leben spielen wird. Wegen
der roten Haare wird sie vom Vater abgelehnt, in der Schule von den
MitschülerInnen und den LehrerInnen diskriminiert, und im Beruf später eher
präferiert … In der Modelbranche und in der Tanzbar wirken rote Haare auf
Männer sexuell anziehend …
Außer dem Geburtsdatum haben die beiden Mädchen erst mal nichts gemeinsam.
Sie trennen die wirtschaftliche, die soziale und die gesellschaftliche
Herkunft. Während die Neubauer mittellos sind, sind die Lembergs vermögend.
Vater Lemberg betreibt erfolgreich eine Schuhfabrik. Während Lore in Liebe und
in Geborgenheit aufwächst, wächst Moon eher in einer kalten Familie auf, wobei
Moons Mutter ihr positiv zugewandt ist. Auch in der Schule machen sich die
Unterschiede breit. Lore wird von den LehrerInnen ganz anders gefördert,
während Moon sich in der Schule als ein Arbeiterkind durchbeißen muss. Lore
schafft es ins Gymnasium, Moon geht auf die Volksschule, die sie später mit
einem schlechten Abschluss verlassen wird, auch, weil Moons Vater eine
Klassenwiederholung ablehnt. Er bezeichnet seine Tochter als faul und ist nicht
willig, das ungerechte System in der Schule zu durchschauen …
Die gravierenden Nöte in Deutschland waren bis zum Ende der 50er Jahren
noch lange nicht überwunden … Überteuerte Lebensmittel, es gab noch immer nicht
genug Wohnraum, und auch die Heizmittel waren knapp. Moon litt gewaltig unter
diesen Nöten, sodass sie den Wunsch äußerte, wenn sie erwachsen sei, wolle sie
schnellstmöglich reich werden, um nie wieder einen Mangel dieser Art erleiden
zu müssen …
Zwischen Moon und Lore hat sich eine geschwisterähnliche Freundschaft
entwickelt, die auch dann noch Bestand hatte, als ihre Wege sich trennten. Moon
träumte von Paris und wollte unbedingt Näherin und damit verbunden
Modedesignerin werden. Lore entwickelte so etwas wie Gerichtigkeitsempfinden
und wollte nach der Schule unbedingt Jura studieren.
Auf einer politischen Veranstaltung lernt Lore 1968 einen Mann kennen, der
im höheren Semester Jura studiert. Dieser Mann, Robert, aus gutem Hause,
beeinflusst bewusst oder unbewusst nicht nur Lores Leben. Er tritt auch in
Moons Leben ein. Robert, ein Macho, der es gewohnt ist, zu bekommen, was er
möchte. Zudem mag er keine karrierebewussten Frauen …
Wie sich diese Wege der beiden jungen Mädchen weiter entwickeln werden, ob
sie ihre Ziele erreicht haben, ihre Träume verwirklichen konnten, und wie sie
beide in die Jahre kommen, diese Details sind dem Buch zu entnehmen. Es wird
auf jeden Fall sehr spannend. Längst habe ich nicht alle Themen hier in
meiner Besprechung aufgeführt.
Abschließende Meinung
Mich haben der Klappentext und das Buchcover angesprochen, sodass ich mich
von dem Buchtitel nicht so sehr habe beeinflussen lassen.
Ein wunderschöner Roman über eine tiefe Freundschaft und über den
Zusammenhalt in einer schweren Zeit. Aber nicht alles geht glatt auf. Man
bekommt es noch mit vielen Ungereimtheiten zu tun, wie es nun mal auch im
wahren Leben so ist.
Es gab keine einzige Buchseite, die mich gelangweilt hätte. Die Befürchtung, es könnte ein schnulziger Roman werden, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt. Ich fand den Stoff anspruchsvoll.
Und erst am Schluss zeichnen sich zwischen diesen beiden Frauen
Gemeinsamkeiten ab. Anfangs hatte man den Eindruck, dass Lore es aufgrund ihrer
Herkunft einfacher im Leben hat. Aber auch Lore musste stark für ihr Leben
einstehen, und vieles als Frau hinnehmen, um den Erwartungen des Lebenspartners
gerecht zu werden. Beide zahlten mit ihrem Leben, für das sie sich entschieden
haben, ihren Preis. Am Ende findet zwischen den beiden Frauen eine Aussprache
statt, die auch ich als Leserin sehr genossen habe.
Zum Buchcover
Schade, dass auf dem Cover die Unterschiede der beiden Mädchen nicht
sichtbar gemacht worden sind. Rote Haare und schwarze Haare passen wohl nicht
in die Vorstellung des künstlerischen Betrachters. Denn dort wirken sie
eher als hätten beide Mädchen mittelblonde Haare.
Mein Fazit?
Supergut recherchiert, sehr gut und authentisch geschrieben. Ein Buch, das
von Seite zu Seite immer neugieriger stimmt. Dadurch, dass die Autorin
teilweise Autobiografisches hat mit einfließen lassen, spürt man deutlich, dass
sie manche Episoden aus ihrer eigenen Erfahrung kennt.
Ein Buch, in dem so viel Weisheit steckt.
Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt fast überein
|
12 von 12 Punkten
Weitere Informationen zu dem Buch
Ich möchte mich recht herzlich beim Verlag Blanvalet für das zur Verfügung
gestellte Leseexemplar bedanken.
· Taschenbuch: 512
Seiten
· Verlag: Blanvalet
Taschenbuch Verlag (18. September 2017)
· Sprache: Deutsch
· ISBN-10: 373410470X
Und hier geht es auf die Verlagsseite von
Blanvalet.
_________
Wenn du nichts Gutes über einen Menschen sagen kannst, sag gar nichts.
(Lilli Beck)
Gelesene Bücher 2018: 07
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86