Sechzehn Tage im August
Eine
Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Es gibt sehr viele
Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder
erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass
man nie fertig ist mit dieser Thematik.
Berlin 1936 hat mir auch recht gut gefallen.
Ich denke, dass es
dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die
Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler
bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen.
Die
sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines
neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht.
Neben den
sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner
Stadtleben, in dem viele
Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ...
Der Autor hat die
Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus
verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse
andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden.
Was sehr
nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar
gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die
Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland
instrumentalisiert.
Hitler und
Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich
in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als Zirkusflöhe.
Goebbels
und Hitler
fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische
Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig
aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter
betrieben. 1936
gab es schon vereinzelt KZ.
Hitlers Auftreten in
der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung
war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade
schauen.
Hilmes stellt sich
die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen
Nationen spricht:
>>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016, 106)
Oliver Hilmes
gebraucht den Begriff Das Spiel als
Massensuggestion.
Dazu ein
kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch:
>>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105)
Was hat mich
persönlich berührt?
Tief berührt hat
mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte
nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich
kämpfen
ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte
Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen
Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner
ist und nicht aus Afrika kommt.
Auf Seite 206
findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im
Exil lebte. In
seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht.
Dazu dritter Vers:
Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´
(Das ist schon durchgesickert)
Scheint ganz wie der Franzosenstaat
Verjuddet und Verniggert<<.
Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<<
(Olympisches Gelächter).
Der amerikanische
Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so
sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer
anderen Erkenntnis:
Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f)
Mein Fazit?
Oliver Hilmes
bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch
politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere.
Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man
kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich
von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut
bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und
beeinflussen lässt ...
Nun habe ich durch
dieses Buch jene
Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben
den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch
nicht gehabt.
Das Buch ist gut
geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert.
Zehn von zehn
Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch:
Ich möchte mich recht herzlich beim Bücherverlag-Siedler bedanken für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Siedler Verlag; Auflage: 2 (2. Mai 2016)
Sprache: Deutsch. 19,99 €
ISBN-10: 3827500591
ISBN-13: 978-3827500595
_______
Ein
Herz hat nur, wer es für andere hat.
(G. Westerwelle zitiert aus dem Herzzentrum)
Gelesene Bücher 2016: 42
Gelesene
Bücher 2015: 72
Gelesene
Bücher 2014: 88
Gelesene
Bücher 2013: 81
Gelesene
Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher
2011: 86