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Mittwoch, 6. März 2019

Daniela Krien / Die Liebe im Ernstfall (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir gut gefallen, allerdings waren mir die vielen Frauenfiguren zu negativ besetzt. Alle stehen zwischen Emanzipation und Tradition im Konflikt, es gibt keine gelungene Paarbindung. Die Schicksale der ersten drei Frauen fand ich anstrengend zu lesen, die letzten beiden Frauen dagegen etwas differenzierter dargestellt, wobei auch sie ihre Konflikte mit Partnerschaft haben, weshalb mir die ganze Thematik zu einseitig war. Ich werde ein wenig oberflächlich darüber schreiben, ohne viele Details zu verraten, denn der Roman lebt von den Geschichten, die alle im Geschlechterkampf auf Beziehungsproblematiken fokussiert sind. Wenn man zu viel davon berichtet, hat man keine anderen Themen, auf die man mit Spannung ausweichen könnte.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.


Die Handlung
Die Handlung beginnt mit Paula und ihrer Jugendfreundin Judith, die beide fünf Jahre gemeinsam in einer WG gelebt hatten. Außerdem kannten sich die beiden schon von klein auf. Sie besuchten dieselben Krippen, Kindergarten, dieselben Schulen. Judith zog nach Leipzig, um Medizin zu studieren, und Paula nach Regensburg, um eine Lehre in der Buchbranche zu tätigen ...

Paula lernt Ludgar kennen, heiratet ihn, bekommen ein gemeinsames Kind, das mittlerweile 13 Jahre alt ist. Leider geht diese Ehe in die Brüche, da beide ihren Erwartungen nicht gerecht werden können.
Kein Mensch war, wie man ihn haben wollte. (2019,16)
Das zusätzlich belastende in dieser Ehe war der Tod des zweiten Kindes, den beide nicht richtig verwinden konnten.

Paula ist eine stark reflektive und eine introvertierte Persönlichkeit, die wenig von sich preisgibt. Sie ist auch uns Leserinnen wenig greifbar gewesen, siehe Berichte auf Whatchareadin.

Die zweite Figur ist Judith. Judith zeigt auf allen Ebenen ihres Berufes großen Erfolg. Sie ist sehr zielstrebig und ehrgeizig. Doch leider lässt sich der berufliche Erfolg nicht auf die Partnersuche übertragen. Sie durchforstet via Internet regelmäßig Kontaktanzeigen und zieht hauptsächlich Nieten, bis sie Gregor kennenlernt … 

Die dritte Figur ist Brida. Brida ist mit Götz verheiratet. Auch diese Ehe scheitert, da Brida Götz`Erwartungen nicht erfüllen kann. Götz ist von der alten Garde, erwartet von der Frau, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellt, und sich ganz auf Familie gibt. Götz und Bride haben zwei gemeinsame Kinder. Brida ist Schriftstellerin von Beruf, und schafft es nicht, alles unter einen Hut zu bringen. Beruf, Kindererziehung, Haushalt und Ehefrau. Brida sehnt sich danach, ihre Schriftstellerinnenrolle in Ruhe ausführen zu können, mehr Zeit für sich zu haben, und sitzt häufig zwischen allen Verpflichtungen: Götz ist Schreiner und dadurch beruflich auch viel unterwegs. Vieles bleibt bei Brida hängen.

Malinka und Jorinde sind beides Schwestern mit unterschiedlichen Lebenserwartungen. Malinka sehnt sich danach, Kinder zu bekommen, und bekommt keine. Ihre Schwester bekommt Kinder und ist unzufrieden. Als Jorindes Kinder groß genug sind, fragen sie ihre Tante Malinka, weshalb sie keine Kinder haben würde, ob sie KInder nicht mögen würde? Es ist, als müsse Malinka sich für ihre Kinderlosigkeit rechtfertigen …
Die Eltern von Malinka und Jorinda sind sehr leistungsbezogen und prägen damit das Leben der beiden damaligen Mädchen nachhaltig.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Malinka ist Musiklehrerin und spielt Violine. Da der Vater Cellist ist, sind die musischen Ansprüche in dieser Familie sehr hoch. Malinka sollte als Schulmädchen an einem Musikwettbewerb teilnehmen und wurde von der Mutter um fünf Uhr morgens geweckt, damit sie noch Zeit zum Üben hatte. Sie hatte schon öfters Erfolg, da sie  musisch sehr begabt ist. Malinka wollte aber nicht aufstehen, und kam erst später aus dem Bett. Anstatt zu üben, setzte sie sich an den Frühstückstisch und nahm genüsslich Müsli zu sich. Malinka leidet unter einer Essstörung, ist adipös, ist kein schlankes Mädchen, da sie über das Essen viel Ärger mit ihren Eltern in sich hineinfrisst. Die Mutter zieht sie noch abfällig auf, dass ihr das Essen wichtiger sei als die Musik und sie immer dicker werden würde. Malinka steht vom Frühstückstisch auf, nimmt den Violinenbogen und bricht ihn in der Mitte durch.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gefallen, dass Malinka sich gegen die Eltern hat durchsetzen können, wobei sie in ihrem Leben nicht wirklich glücklich werden konnte, zum Teil, weil sich viele ihrer Wünsche  nicht erfüllen konnten.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Mir standen alle Figuren neutral gegenüber.

Welche Figur war mir antipathisch?
Der von Frauen vielbegehrte Götz hat mir nicht gefallen. Und die Eltern von Malinka und Jorinde.

Meine Identifikationsfigur
Judith stand mir am nächsten.

Cover und Buchtitel
Es gibt eine Szene im Buch, die Ähnlichkeiten mit dem Foto auf dem Cover haben könnte. Den Titel Die Liebe im Ernstfall war gut verständlich, aber für mich ist die Liebe einer Paarbeziehung nie ein leichtes Spiel. Sie ist immer eine ernste Angelegenheit und sollte in ihr  stets gut bedacht sein.

Zum Schreibkonzept
Obwohl das Buch als ein Roman deklariert ist, hat es eher einen Erzählcharakter in Reihenfolge der fünf Frauen Paula, Judith, Brida, Malinka und Jorinde, die sich gegenseitig ablösen, wenn deren Geschichten erzählt werden. Judith und Paula waren später nur noch Randfiguren. Am besten haben mir die Erzählungen von Malinka und Jorinda gefallen, da sie psychologischen Tiefgang hatten und die familiäre Herkunft der beiden Frauen mitbeleuchtet wurde.
 Am Ende des Buches gibt es eine Danksagung.
Die Geschichten sind mit vielen Absätzen konstruiert.

Meine Meinung
Leider waren mir die Geschichten zu einseitig, zu negativ dargestellt, zu problembehaftet. Wie ich eingangs schon geschrieben habe, waren sie mir psychisch betrachtet zu anstrengend, was zur Folge hatte, dass ich vieles, was ich gelesen habe, wieder vergaß. Typsiche Verdrängungsmechanismen, die bei mir gut ausgestattet sind. Es gab wenig Positives in der Biografie dieser fünf Frauen, auch wenn bei Paula eine positive Entwicklung anberaumt wurde. Traurig fand ich Judith, dass sie es nicht geschafft hat, sich einen Wert als Frau auch ohne Partner zuzuschreiben. Eine hoch intellektuelle Frau scheitert an ihren eigenen und womöglich auch an den gesellschaftlichen Erwartungen. Ich würde niemals einen Partner über Zeitungsannoncen suchen. 

Den Schreibstil finde ich gut. Manche Textstellen waren sehr bildhaft ausgedrückt. Und jede Menge Weisheit konnte ich vernehmen und möchte gerne eine Textstelle dazu, zum Thema Liebe in einer Paarbeziehung, zitieren:
Die Liebe ist nicht das Miteinander zweier unabhängiger Individuen, die sich jederzeit wieder auf die Selbständigkeit zurückziehen können. Der geschützte Raum einer friedlichen Welt, in der Mann und Frau tagtäglich entscheiden, was es heißt, ein Mann oder eine Frau zu sein, hat sie vergessen lassen, dass es darunter etwas anderes gibt. Eine alte Ordnung, deren Notwendigkeit nur vorübergehend außer Kraft gesetzt ist. Sobald Gefahr heraufzöge, würde sie sich ganz von selbst wiedereinstellen. (2019, 150)
Mein Fazit
Viele gute Gedanken, ohne Frage.
Mir waren es nur zu viele Figuren mit der gleichen Thematik im Kampf der Geschlechterrollen.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Zehn von zwölf Punkten.

Weitere Information zu dem Buch
Vielen herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.

Herzliches Dankeschön auch an die Moderator*innen von Whatchareadin für ihren Einsatz. 

Hier geht es zur Leserunde von Whatchareadin, in der man viele interessante Gedanken entnehmen kann.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 11
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 25. Februar 2019

Han Kang / Deine kalten Hände (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Ein Roman über einsame, ernste und traurige Menschen

Leider hat mir das Buch nicht durchgehend gefallen, obwohl die Autorin schon gut schreiben kann, aber hier hat sie mich auf den letzten 150 Seiten nicht mehr überzeugen können. Ich habe mich schwergetan, da die Spannung und das Interesse, das mich anfangs gepackt hat, nicht zu halten war. Viel zu viel wurde über Gibpsabdrücke gesprochen, dass ich am Ende gar nicht mehr wusste, was ich zu Beginn alles gelesen hatte.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung müsste schnell erzählt sein.

Eine Schriftstellerin bekommt ein Tagebuch eines Bildhauers namens Jang Unhyong zugetragen, mit der Bitte, es schriftstellerisch zu bearbeiten. Das Tagebuch besitzt den Titel Ihre kalten Hände.
Jang Unhyong fertigt von seinen Probandinnen verschiedene Abdrücke des menschlichen Körpers ab. Es ist nicht irgendein Körper. Je unästhetischer der Leib eines Menschen für Jang ist, desto mehr fühlt er sich von der Person angezogen. Obwohl sich die Schriftstellerin überhaupt nicht für Bildhauerei interessiert, bleiben ihre Blicke vor den Abdrücken hängen, als sie diese im Theater zum ersten Mal zu sehen bekommt.

Das Ziel seiner Arbeit ist, hinter die menschliche Fassade zu schauen. Was verbirgt sich symbolisch gesehen unter der Haut eines Menschen? Yang arbeitet an dem menschlichen Körper, als habe er eine Zwiebel vor sich. Wie eine Zwiebel häutet er den Körper Schicht für Schicht. 

Obwohl sich die Schriftstellerin erst verweigert hat, das Tagebuch zu bearbeiten, konnte sie schließlich doch nicht anders, als es sich zur Brust zu nehmen, vermehrt auch, da der Künstler zusammen mit einer anderen Person verschollen ist.

Das Buch ist sehr symbolträchtig, aber die Autorin verrät ganz viel, was diese Bilder bedeuten könnten. Aber es bleibt trotzdem noch viel Raum für eigene Interpretationen.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Ich fand es ganz schrecklich, als der kleine Jang  beschuldigt wurde, das Geld seiner größeren Schwester gestohlen zu haben, da angeblich nur er hätte wissen können, wo die Schwester das Geld aufbewahrt habe. Jang wurde von dem Vater mit dem Gürtel solange ausgepeitscht, bis er zugegeben hatte, dass er das Geld entwendet habe …

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gut gefallen, dass Jang L. ein wenig innere Heimat hat zukommen lassen, auch wenn der Ausgang mit ihr desaströse Züge bekam.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Keine

Welche Figur war mir antipathisch?
Mir hat E. überhaupt nicht gefallen. Sie schien mit elf Fingern geboren zu sein, und macht daraus ein großes Drama, da sie angibt, in ihrer Schulzeit von den Mitschüler*innen deswegen mit einem Spitznamen, der wie ein Stigma gewirkt haben muss, gemobbt worden zu sein.

Meine Identfikationsfigur
Keine

Cover und Buchtitel
Mir hat das Cover von Anfang an nicht gefallen. Aber da mich asiatische Schriftsteller*innen faszinieren, wollte ich das Buch trotzdem lesen  ... Der Buchtitel hält, was er verspricht.

Zum Schreibkonzept
Der Prolog war schon gewöhnungsbedürftig. Selten habe ich einen zu lesen bekommen, der sich über mehrere Kapitel hinzog. Insgesamt sind es hier elf. Anschließend geht es mit einem Vorwort weiter, bevor der erste Teil des Buches beginnt. Zusammengenommen umfasst das Buch auf den 313 Seiten drei Teile und endet mit einem mehrteiligen Epilog. Auf der allerletzten Seite ist ein Nachwort zu entnehmen. Ich fand das alles ein wenig zu geballt.  

Im Prolog spricht die Schriftstellerin in der Ichperspektive, im Vorwort gibt die Autorin das Wort an Jang weiter, der bis zum Ende des dritten Teils die Geschichte aus seiner Sicht wiedergibt.

Im ersten Teil geht es erst mal autobiografisch mit Jang Unhyong weiter. Jang gibt Einblicke in seine Herkunft und Kindheit. Hier wird deutlich, weshalb er den Beruf zu einem Bildhauer seiner Art ergriffen hat.

Im zweiten Teil ist Jang bereits erwachsen, und macht Bekanntschaft mit der jungen L., die über 90 Kilo wiegt. Die vielen Kilos hat L. sich schon in der Jugend angefressen gehabt, um sich vor ihrem Stiefvater zu schützen, der sie sexuell missbraucht hatte. In dem Körperabdruck von L. möchte Yang für sich einen Sarg daraus machen, in dem er sich bestatten lassen möchte, wenn für ihn eines Tages die letzte schlagen wird.

Im dritten Teil lernt Jang E. kennen, eine Frau, die mit elf Fingern geboren wird. E. ist auch eine Figur, zu der sich Yang hingezogen fühlt.

Den Schluss fand ich gut, denn hier wurden wieder alle Fäden zusammengeführt. Die Schriftstellerin kommt an dieser Stelle erneut zu Wort, sodass sich der Anfang mit dem Ende fügt.

Meine Meinung
Bis zum Ende des zweiten Teils fand ich das Buch psychologisch fundiert erzählt. Im dritten Teil flachte es zunehmend ab. Die Figur E. hat aus meiner Sicht nicht mehr reingepasst, sodass ich mich gefragt hatte, ob die Autorin sich die Zusammenhänge hier aus den Fingern gesaugt hat? Die Thematik plätscherte so vor sich hin. Außerdem haben mich die viel zu vielen Gespräche über die Gipsabdrückte vom Wesentlichen abgelenkt. Viele Details gingen mir verloren, die ich mir gedanklich in den ersten beiden Teilen erworben hatte.

Mein Fazit
Ein Roman über einsame Figuren, ein Roman, in dem der Künstler Jang sich mit seinen Probandinnen symbiotisch zu verbinden versucht. Die Ursache dazu ist in der Kindheit zu suchen.

Auch wenn ich dem Roman keine volle Punktzahl erteilen möchte, besitzt die Autorin auf jeden Fall großes Potenzial zu schreiben. Vielleicht hätte sie sich mit dieser Geschichte noch etwas Zeit lassen sollen, oder es wäre gut gewesen, wenn sie ihr Buch nach dem zweiten Teil mit einem runden Abschluss beendet hätte.

Deshalb nur acht von zwölf Punkten.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Acht von zwölf Punkten.

Weitere Information zu dem Buch
Hier geht es zur Leserunde von Whatchareadin.

Vielen herzlichen Dank für das Leseexemplar vom Aufbau-Verlag. Auch ein großes Dankeschön an das Bücherforum Whatchareadin.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 09
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 18. Februar 2019

Rana Ahmad / Frauen dürfen hier nicht träumen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Das Buch hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Was für ein trauriges Frauenschicksal. Welchen Mut hat Rana Ahmad aufbringen müssen, um sich durch die Flucht aus ihrer Heimat gegen den Frauenrassismus zu stellen. Zwei Mal wurde sie durch die Männer aus der eigenen Verwandtschaft fast zu Tode geprügelt, ohne dass sie sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Ihre Freude am Leben wurde ihr zum Verhängnis.

Ich fand diese Geschichte dermaßen grausam, dass ich viele Fakten wieder verdrängt habe …

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Rana Ahmad wurde 1985 geboren und lebte mit ihrer Familie in Riad, in Saudi-Arabien. Ursprünglich kam die Familie aus Syrien. Rana ist das zweite Kind von vier Geschwistern. Eigentlich schien es, als habe sie eine unbeschwerte Kindheit gehabt. Der Vater liebt seine Tochter über alles, die Mutter, eine einfach gestrickte Frau, die strenggläubig ist, hat immer ein Auge auf Rana, denn Rana ist anders als ihre Geschwister, da sie sich nicht so leicht in die strengen patriarchalischen Gesetze einfügen kann, obwohl sie alles gibt, um sich dem vorgegebenen gesellschaftlichen und dem religiösem Verhaltenskodex anzupassen. Einmal wurde sie zwangsverheiratet, da war sie eine ganz junge Frau. Zwist mit der Schwiegermutter und mit anderen familiären Komplikationen brachte sie fast um ihr Leben, wenn ihr Vater nicht gewesen wäre, der sie aus der Ehe wieder herausholte. Der Vater forderte daraufhin die Scheidung ein. Rana zog wieder zurück zu ihren Eltern. Sie hatte die Haare blond gefärbt, das stempelte sie in der hineingeheirateten Familie zu einer Hure ab, und wurde seitdem gemobbt.

Mit zehn Jahren wurde sie schon gezwungen, ein Kopftuch zu tragen. Mit dem Kopftuch hörte die unbeschwerte Kindheit auf. Mit Argusaugen beobachtet die Mutter weiterhin Ranas Tun.

In der Öffentlichkeit gibt es eine Religionspolizei, die darüber wacht, wie Frauen unterwegs sind. Sie dürfen kein Fahrradfahren, kein Auto, überallhin müssen sie vollverschleiert von einer männlichen Person begleitet werden. Wenn Rana zur Arbeit musste, dann hatte entweder der Vater oder der Bruder sie hingefahren und sie später wieder abgeholt.

Da das Leben selbst in ihrer eigenen Familie immer unerträglicher wird, beschließt Rana zu fliehen. Selbst ihr jüngerer Bruder, den sie einst so sehr geliebt hat, belauscht sie, setzt in den Möbeln ihres Zimmers heimlich Wanzen … Die Mutter stürzt sich immer wieder, ohne anzuklopfen, in Ranas Zimmer, wegen des Verdachtes auf sittenwidriges Verhalten in der Familie, um sie auf frischer Tat zu ertappen. Lediglich der Vater hält zu ihr, er schafft es aber nicht, sie gegen die gesamte Sippschaft zu schützen.

Ranas Familie zelebriert ein streng religiöses Leben, während sie sich selbst heimlich immer mehr vom islamischen Glauben distanziert und sie sich innerlich zu einer Existenz als Atheistin entscheidet. Hilfe erhält sie aus dem Internet, als sie sich anonym einen Twitter Account zulegt. Hier findet sie Gleichgesinnte. Glücklicherweise hat die Regierung nicht alle Internetseiten zensiert, da das Land in der Welt wettbewerbsfähig bleiben möchte.

Eine familiäre Reise nach Mekka führte Rana dazu, aus ihrem Land zu flüchten. Hier war sie 29 Jahre alt. Ein Alter, in dem man sich als Frau nach einem autonomen Leben sehnt.

Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Es waren jede Menge Szenen. Szenen aus der Kindheit und später aus Ranas jungem, erwachsenem Alter, als sie wegen Nichtigkeiten vom Onkel und vom Bruder fast zu Tode geprügelt wurde.

Eine Szene aus der Kindheit möchte ich festhalten. Ranas Vater kauft ihr ein Kinderfahrrad, als sie zehn Jahre alt war. Die Kleine war so überglücklich über das Fahrrad, dass sie es kaum abwarten konnte, darauf zu fahren. Da in Saudi-Arabien das Fahrradfahren für Mädchen verboten ist, musste Rana sich auf die Sommerferien gedulden, da die Familie erst dann wieder nach Syrien reist, wo ursprünglich die Eltern herkommen. In Syrien, Damaskus, ist es den Mädchen erlaubt, in der Öffentlichkeit Fahrrad zu fahren. Die Familie lebte in den Sommerferien bei den Großeltern väterlicherseits ...

Rana war so überglücklich, als die Großmutter ihr erlaubte, Einkäufe mit dem Fahrrad zu tätigen. Rana liebte ihr Fahrrad, bis schließlich der Großvater ihr das Rad weggenommen hatte, um es ihrem Onkel zu schenken, der ein paar Jahre älter als Rana war. Der Großvater verbot der Enkelin das Fahrrad. Das war der erste Schock, den das Kind erleiden musste.

Warum? Fragte ich mich. Dieser Großvater hat gesehen, wie glücklich seine Enkelin mit ihrem Rad war, und er schien diese Freude an einem Mädchen nicht ertragen zu haben, wo doch Fahrradfahren in Syrien nicht verboten ist. Ich fand diese Szene sehr grausam.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Dass der Vater zu Rana gehalten hat, dass er sie bedingungslos geliebt hat, auch wenn er selbst nicht die Kraft hatte, sein Kind dauerhaft zu schützen, weil der Familienverband zu mächtig war, aber innerlich hat er immer zu Rana gehalten, wobei er zwei Mal verhindern konnte, dass seine geliebte Tochter nicht totgeschlagen wurde.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Rana, Ranas Vater, und die Englischlehrerin. 

Welche Figur war mir antipathisch?
Die gesamte Sippschaft, davon den Vater ausgenommen.

Meine Identifikationsfigur
Auch wenn ich das Mädchen- und Frauenschicksal mit Rana nicht teilen kann, habe ich mich trotzdem in Rana wiedergefunden. Auch ich habe sehr früh gesellschaftliche Konventionen und meinen christlichen Glauben schon im Alter von zwölf Jahren hinterfragt und wurde dadurch den Erwachsenen unbequem. Meine letzte Glaubenssuche durchlief ich mit 32 Jahren.

Cover und Buchtitel
Rana Ahmad hat ihr Buch unter einem Pseudonym herausgerbacht. Immer wieder die Angst ausstehen zu müssen, ihr Bruder würde sie verfolgen und sie töten ... Cover und Buchtitel haben mich angesprochen. Aber richtig viel kann ich jetzt zu dem Cover nicht sagen. Ich sehe darauf eine Wüste und viel Gedrucktes, auch im inneren Buchumschlag gibt es jede Menge Zitate aus dem Buch zu lesen.

Zum Schreibkonzept
Die Autorin schreibt recht flüssig und authentisch über ihr Schicksal. Auf der ersten Seite ist ein kleiner Vers abgedruckt, der sich an ihren geliebten Vater wendet. Anschließend beginnt das Buch mit einem Prolog und endet auch mit einem Epilog. Zum Schluss richtet sich das Buch mit Dank an all die Menschen, die Rana in dieser schwierigen Zeit unterstützt hatten. Darunter befinden sich auch Menschen aus Griechenland und viele aus Deutschland, was mich sehr gefreut hat. Es macht mir Hoffnung, dass nicht alle Deutschen sich ablehnend Menschen anderer Länder verhalten. Trotzdem schockierte es Rana, als sie mitbekam, dass selbst in Deutschland Männer sich an Frauen körperlich und/oder sexuell vergreifen. Nur kommt dies wesentlich seltener vor als in ihrem Land, da in der europäischen Union sexuelle Triebtäter gesetzlich geahndet und bestraft werden.

Meine Meinung
Wenn ich solche Bücher wie dieses lese, dann freue ich mich, in einem freien Land geboren worden zu sein. Aber was habe ich selbst dafür getan? Die Geburt eines Menschen ist wie ein Lotteriespiel, gepaart mit Glück und Zufall, deshalb sehe ich keinen Grund, mich als eine westliche Frau als etwas Besseres zu betrachten. Und deshalb habe ich das Bedürfnis, mich mit allen Frauen dieser Erde zu verbünden ... Wie würde ich mich verhalten, wenn ich in einem anderen Land mit einem anderen Bewusstsein geboren wäre, wo man strikte Verhaltensregeln aufoktroyiert bekommt? Wäre ich eine Rana? Oder eine Mutter wie Rana sie hatte, die ihr Kind nur lieben konnte, wenn sie die vielen gesellschaftlichen und religiösen Erwartungen erfüllte?

Deshalb weiß ich mein selbstbestimmtes Leben als Frau hier in Europa zu schätzen. Ich bin dankbar für die Freiheit, die ich genießen darf. Wem habe ich diese Freiheit zu verdanken? Allen meinen feministischen Vorreiterinnen. Dadurch habe ich es leicht gehabt. Mit Anfang zwanzig bin ich aus dem Elternhaus ausgezogen, ich war alt genug, und meine Eltern haben mich ziehen lassen. Rana war deutlich älter, als sie von zu Hause wegging. Ihr Weggang ist allerdings ein viel größerer als meiner, denn sie hat Elternhaus, Land und Heimat verlassen müssen, um in Europa so wie ich ein autonomes und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Trotzdem dürfen wir westliche Frauen uns nicht auf die Errungenschaften ausruhen. Die Entwicklung muss weitergehen, auch weil viele Errungenschaften wieder verloren gehen können, je nach dem, welcher Partei man politisch nachgeht. 

Und deshalb möchte ich nicht alle Menschen verurteilen, die aus einer islamisch geprägten Gesellschaft kommen. Frauen und Männer gleichermaßen lernen ihre Rollen, die man ihnen aufdrückt, schon recht früh in der Kindheit, je nachdem, wo sie geboren werden. Außerdem gibt es auch andere islamische Gläubige, die mit viel Weisheit, mit viel Wissen und ohne Repressalien ihren Glauben vertreten. 

Nicht alle Moslems und Muslime sind gleich
Weil ich nicht denke, dass alle Menschen aus dem Islam ihren Glauben fundamentalistisch ausleben, möchte ich meinen Blogbeitrag mit einem anderen Blog verlinken, der aufzeigt, dass Moslems und Muslime ihrer Religion in Freiheit und Menschenliebe nachgehen, und sie sich hier in Deutschland gegen Rassismus einsetzen und sie sich damit an die AfD wenden. Das ist mir ganz wichtig, um in unserem Land durch dieses Buch nicht noch mehr Hass und Vorurteile schüren zu müssen. 

Hier geht es zum Blog gegen den religiösen Rassismus innerhalb des Islams und gegen den deutschen Rassismus gegenüber Menschen anderer Herkunft. 

Mein Fazit
Mein Mitgefühl gilt allen Frauen dieser Welt, die in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Frauen, die in ihrem Familienkreis oder vom Regime ihres Landes brutalste Gewalt erfahren, Frauen, die von der Familie im eigenen Heim eingesperrt werden, und andere, die wegen Nichtigkeiten ins Zuchthaus eingebuchtet werden ...

Ich hoffe, dass Ranas Buch und die Bücher anderer Autorinnen dieser Thematik die Welt ein wenig besser machen können.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Vielen herzlichen Dank an den btb-Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.
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Liebe für alle,
Hass für keinen.
(https://ahmadiyya.de/home/)

Gelesene Bücher 2019: 08
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
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Gelesene Bücher 2014: 88
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Gelesene Bücher 2012: 94
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