Eine Buchbesprechung
zur o. g. Lektüre
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.
Ich habe lange dafür gebraucht, obwohl es nur 224 Seiten hat. Es ist halt kein
Buch, bei dem man wie ein Schnellzug so durch die Seiten rast. Viele interessante, aber sehr
ernste Themen werden darin behandelt. Ich habe schon auf Facebook dazu geschrieben,
dass das Buch sehr viele ethische Fragen aufwirft, auf die man keine 08/15-Antworten
finden kann. Hauptsächlich geht es um die aktive und die passive Sterbehilfe,
und über lebenserhaltende Maßnahmen. Eine Gradwanderung, denn wann darf ein
Mensch über sein Schicksal selbst entscheiden, und wann nicht, vor allem, wenn
es um minderjährige PatientInnen geht, wie in diesem Band, das mit dem
treffenden Buchtitel Kindeswohl
deklariert ist.
Auf den ersten Seiten bekommt man es
mit siamesischen Zwillingen zu tun und man mit der Frage konfrontiert wird, ob
die Medizin das Recht hat, nach der Geburt ein Zwilling zu töten, um das andere
zu retten? Die Kirche sagt nein, das sei allein Gottes Willen, zu entscheiden,
auch wenn dabei das Risiko besteht, dass beide Kinder sterben. Aber einfach hat
es auch das Gesetz nicht, denn …
… (d)as Gesetz selbst hatte ähnliche Probleme, erlaubte es Ärzten doch andererseits, bestimmte unheilbare Patienten ersticken, verdursten oder verhungern zu lassen, und verbot andererseits die sofortige Erlösung durch eine tödliche Spritze. (2016,37)
Zur Erinnerung gebe ich erneut den
Klappentext rein:
Familienrecht ist das Spezialgebiet der Richterin Fiona Maye am High Court in London: Scheidungen, Sorgerecht, Fragen des Kindeswohls. In ihrer eigenen Ehe ist sie seit über dreißig Jahren glücklich. Da unterbreitet ihr Mann ihr einen schockierenden Vorschlag. Und zugleich wird ihr ein dringlicher Gerichtsfall vorgelegt, in dem es um den Widerstreit zwischen Religion und Medizin und um Leben und Tod eines 17-jährigen Jungen geht.
Brisant geht es schließlich in den
Szenen zu, als es um den siezehnjährigen Adam geht, der an Leukämie erkrankt
ist. Er und seine Familie sind Mitglied einer religiösen Sekte, die eine
Bluttransfusion verbietet, obwohl sich diese lebensrettend auf das Leben des
Jungen auswirken könnte. Der Junge selbst lehnt die Bluttransfusion ab, da er
von den Eltern und von der Kirchengemeinde stark beeinflusst ist. Das
Krankenhaus wendet sich an das Gericht. Richterin Fiona wird beauftrag, sich
dieses Falls anzunehmen. Sie entscheidet in diesem wie auch in anderen Fällen
über Leben und Tod. Erstaunlich, dass selbst Adams Eltern ablehnend der
Bluttransfusion gegenüberstehen. Sind Kinder nicht das Wichtigste, was Eltern
besitzen können? Wie dieser Rechtsstreit ausgetragen wird, möchte ich an einem
kurzen Zitat belegen. Im Gerichtssaal, ein Dialog zwischen Dr. Carter, der den Jungen
im Krankenhaus behandelt und der Anwalt des Mandanten Mr Grieve:
>>Sie stimmen mir doch zu, Mr. Carter, (…) dass es ein fundamentales Recht eines jeden Erwachsenen ist, über seine ärztliche Behandlung frei zu entscheiden?<<
>>In der Tat.<<
>>Und dass eine Behandlung ohne die Einwilligung eines Patienten eine Verletzung seiner persönlichen Freiheit darstellen würde, womöglich gar eine Körperverletzung?<<
>>Das sehe ich auch so.<<
>>Und Adam ist doch, nach den gesetzlichen Bestimmungen, fast schon erwachsen.<<
>>Auch wenn er morgen früh achtzehn werden würde, wäre er heute noch minderjährig.<< (76)
Das Streitgespräch setzt sich noch
lange fort, es bleibt also spannend, wie es letztendlich entschieden wird.
Die
Richterin Fiona Maye, die beruflich mit vielen unterschiedlichen
Menschenschicksalen zu tun bekommt, hat eigene Sorgen. Ihr Mann begeht einen
Seitensprung, weil sie beruflich zu sehr eingespannt ist, und kaum noch Zeit
hat, sich im Rahmen ihrer Ehe um die eigenen Bedürfnisse und um die sexuellen
Bedürfnisse ihres Mannes zu kümmern. Ihr Mann macht ihr ein Geständnis ... Es
kommt zu einem Eklat.
In
diesem Ehezwist kommt einem die Frage auf, ob Fionas Mann nicht das Recht hätte,
seine sexuellen Bedürfnisse mit einer anderen Frau zu befriedigen, wenn die
eigene Frau dafür nicht mehr zu gewinnen sei?
Mein Fazit zu dem Buch?
Wie
oben schon gesagt, hat mir das Buch sehr gut gefallen, sodass ich vorhabe, mir
erstmal noch zwei andere Bücher von dem Autor vorzunehmen und so denke ich dabei an Die Nussschale und an Abbitte. Wenn diese beiden Bücher bei mir ebenso gut ausfallen sollten, erkore ich auch diesen Autor
zu meinen Favoriten, und mache daraus ein Leseprojekt.
Auch
das Cover hat mich sehr angesprochen. Kein Foto, sondern ein Gemälde des jungen
Adams. Anfangs wusste ich mit diesem Profil noch gar nichts anzufangen, da der
Ehezwist der beiden Eheleute im Vordergrund stand, und ich dieses Cover noch
gar nicht einzuordnen wusste ... Auch den Titel fand ich gut gewählt.
Allerdings
wurde Adam auf der Seite 112 mittig als schwarzhaarig und mit dunklen Augen
beschrieben. Das entspricht aber nicht dem Profil auf dem Bild. Der Junge hat
hier blaue Augen, und die Haare sind eher braun und mit schwarzen Strähnen
abgebildet. Sollen die schwarzen Strähnen ein Kompromiss sein? Denn darf ein
englischer Junge nicht schwarzhaarig sein? Und müssen es bei einem Engländer
immer blaue Augen sein? Ist die Natur tatsächlich so einseitig? Nein, das ist
sie eigentlich nicht, nur der Mensch ist es, der es nicht schafft, die Natur,
so wie sie ist, und zwar bunt, zu akzeptieren …
Aber
alles andere fand ich passend, insgesamt fand ich das Buch sehr gut gelungen.
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
(Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus |
Zehn
von zehn Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch:
Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte
Rezensionsexemplar beim Diogenes Verlag bedanken.
Taschenbuch: 224 Seiten, 12,00 €
Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. August 2016)
ISBN-10: 3257243774
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Gelesene Bücher 2017: 14
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