Montag, 23. Februar 2015

Renate Feyl / Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich gestern Nachmittag ausgelesen und es hat mir recht gut gefallen. Renate Feyl schreibt über die Protagonistin Caroline von Wolzogen, Schillers Schwägerin, als sei sie selbst diese Person. Das ist ihr sehr gut gelungen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Caroline von Wolzogen, geboren 1763, ist Autorin und Mitglied des Weimarer Intellektuellenkreises. Als sie Friedrich Schiller kennenlernt, ist dieser ein mittelloser Dichter. Sie finden ebenbürtige Gesprächspartner ineinander und kommen sich näher. Trotzdem heiratet Schiller Carolines jüngere Schwester Lotte. Nach seinem frühen Tod schreibt Caroline eine Biografie über ihren Schwager. Was sie in ihrer Biografie aber mit Rücksicht auf Zeitgenossen verschweigen musste, wird in diesem Buch erzählt.
Caroline v. W. ist die Icherzählerin dieses Werkes. Ihr Leben fand ich sehr interessant, nicht nur literarisch recht versiert und kundig, nein, sie konnte auch als eine emanzipierte Frau gut durchs Leben gehen, ebenso im Kreise der Dichter und Denker.

Caroline hatte mit der Wahl ihres ersten Mannes kein gutes Los gezogen, da die Ehe von der Mutter arrangiert wurde. Der Mutter war es wichtig, einen gut betuchten Ehemann für ihre ältere Tochter zu finden. Doch Caroline fühlte sich in der Ehe mit diesem reichen Mann Herrn von Ursus Beulwitz sehr einsam. Ein Mann, der geistig recht arm zu sein schien ...
Sicherlich konnte man keiner Mutter vorwerfen, ihre Töchter gut versorgt zu wissen. Aber was nützte das ganze Geld, wenn man sich darüber hinaus in der Ehe nichts zu sagen hatte. Bis heute konnte ich ihr nicht verzeihen, mir den Ursus aufgebürdet zu haben. Mir war einfach nicht gelungen, ihr klarzumachen, dass reich und geistreich nicht das Mindeste miteinander zu tun hatten und selten in einer Person zu finden waren. Meine Mutter jedoch vergötterte ihren Schwiegersohn. Mich in diese Ehe gepresst zu haben, war auch der Grund, weshalb ich mich ihr gegenüber sehr reserviert verhielt, ja sogar Distanz zu ihr wahrte.
Bis Schiller auftauchte, der Caroline die geistige Langeweile nahm. Schiller galt aber, verglichen mit dem reichen Adel, als recht ärmlich. Caroline machte das nichts, denn in Schiller fand sie eine tiefe seelisch-geistige Verwandtschaft. In der Seele Schillers fühlte sich Caroline zu Hause, ebenso Schiller in der Seele Carolines.

Schiller zeigte auch Interesse für Carolines jüngere Schwester Charlotte. Eine attraktive junge Frau, aber sehr still und introvertiert. Lotte verliebte sich in Schiller, und nun lag es an ihr, ihn der Mutter nahe zu bringen. Nicht mehr lange, so hielt er um Lottes Hand an. Allerdings gibt er ihr in einer Depesche bekannt: 
Caroline ist näher im Alter und darum auch gleicher in der Form unserer Gefühle und Gedanken. Sie hat mehr Empfindungen in mir zur Sprache gebracht, als du meine Lotte - aber ich wünschte nicht um alles, dass dieses anders wäre, dass du anders wärst, als du bist. Was Caroline vor dir voraushat, musst du von mir empfangen - deine Seele muss ich in meiner Liebe entfalten, und mein Geschöpf musst du sein, deine Blüte muss in den Frühling meiner Liebe fallen. Hätten wir uns später gefunden, so hättest du mir diese schöne Freude weggenommen, die ich für mich aufblühen zu sehen.
Das fand ich ein wunderschönes Zitat, wie sensibel Schiller diese Andersartigkeit zwischen Lotte und Caroline zur Sprache bringt. Ehrlich und authentisch.

Als Lottes Mutter die Heiratsabsichten mit Schiller mitgeteilt wurden, zeigte sie daraufhin folgende Reaktion:
Dieser Herr Schiller mochte ja ein ganz netter, umgänglicher und unterhaltsamer Mensch sein, aber er war doch kein Mann für die Ehe! >>Einen Dichter bewundert man aus der Ferne, aber man heiratet ihn doch nicht. Schließlich ist es bekannt, dass Dichter immer um ihre Existenz zu kämpfen haben und schnell verblühen. Mag sein, dass Herrn Schiller noch ein paar Stücke gelingen, aber von den Gütern der Fantasie lässt sich auf die Dauer nicht leben.<< Nein, er war nicht in der Lage, Charlottes standesgemäßes Leben zu sichern. Sie war an Diener und Personal gewöhnt. Sollte sie ihm nun etwa wie eine Magd hinterher putzen müssen? Das hatte ihre Tochter weder nötig noch verdient. Außerdem kam Herr Schiller aus ganz gewöhnlichen Verhältnissen, und wenn Lotte ihn heiratete, verlor sie den Adel. Das war doch eine Blamage und gab Anlass zu allgemeinem Gelächter! >>Und überhaupt - was für ein tollkühnes Stück, in eine so alte, wenn auch nicht reiche, aber doch eher würdige Familie einheiraten zu wollen - ohne alles, ohne Rang, ohne Vermögen. Mit nichts als ein paar Ideen im Kopf.<< 
Schließlich sei der Geist Schillers, so Caroline, auch eine Form von Adel …

Über gewisse literarische Gedanken hatte ich mich richtig gefreut, als der Literaturkreis sich über die griechische Mythologie Orpheus und Eurydike ausgelassen hatte. Ich liebe dieses Stück ebenso sehr, komponiert von Christoph Willibald Gluck, und ich ein Musikstück dieser Szene selbst auf meiner Flöte gespielt habe. Wunderschöne Melodie. Wunderschöne Sage. Wunderschöne Metaphern.

Ein wenig gibt es auch zu der Freundschaft zwischen Schiller und Goethe zu lesen. Als Goethe Schiller kennenlernte, ignorierte er Schiller völlig. Zu groß waren die Standesunterschiede. Schiller lernte Goethe durch Caroline kennen. Es hat ein wenig Zeit gebraucht, bis Goethe Schiller als einen bedeutenden Dichter anerkennen konnte. Auch zwischen diesen beiden Dichtern bestand eine tiefe geistige Verwandtschaft. Goethe verfiel nach Schillers Tod in einer tiefen Trauer, die er auf seine Weise im Stillen auslebte.

Caroline ließ sich von ihrem Ursus scheiden und heiratete neu, auch einen Literaten, zur Verwunderung der Mutter, die mittlerweile die Ansicht vertrat, dass ihre Töchter geboren wurden, um sich mit Poeten zu vermählen ...

Literarisch verfasste sie den Roman Agnes von Lilien, der in der Öffentlichkeit für Furore sorgte. Sie wurde als weibliche Schriftstellerin anerkannt. Alle drängten, auch Schiller und Goethe, Caroline solle sich nun schnellstens an das nächste Werk heranmachen, aber sie fand keine Ruhe zum Schreiben, da viele familiäre Verpflichtungen auf sie zukamen.

Nach Schillers Tod wollte sie zusammen mit ihrer Schwester und mit Goethe als Nachruf Briefe von Schiller herausbringen, damit der Dichter nicht in Vergessenheit geriet. Doch das Publizieren dieser Briefe zeigte sich als problemhaft; wie konnten die Menschen, die in den Briefen auftauchten, vor der Öffentlichkeit geschützt werden?

Caroline schrieb auch eine Autobiografie mit dem Titel Schillers Leben.

Sie verfasste zusätzlich verschiedene Werke wie z. B. Romane, Erzählungen, und vereinzelt Theaterstücke.

Sehr nachdenklich hat mich auch Schillers Begräbnis gestimmt, der am neunten November 1805 mit knapp sechsundvierzig Jahren verstarb. Er wurde um Mitternacht des zwölften Mai auf dem ältesten Friedhof Weimars in ein Gemeinschaftsgrab bestattet. Zehn Jahre später fand die Ausgrabung statt, um die Gebeine Schillers in der Fürstengruft beizusetzen. Laut einer DNA-Analyse eine recht umstrittene Angelegenheit. Da Schiller mit anderen Toten beigesetzt wurde, war es schier unmöglich, die Gebeine Schillers, vielmehr den Schädel, den Goethe in seinen Händen wegen der Größe zu halten glauben schien, von den Gebeinen anderer Leichen deutlich abzuheben. Ein großer Dichter, ein großer Schädel. Aber das lest selbst.

Mein Fazit: Ich kannte bisher wenig von Schillers Schwägerin. Ich fühle mich nun mit diesem Buch mehr als bereichert. Caroline v. Wolzogen war mir sehr sympathisch. Mit ihrer Intelligenz schaffte sie es, sich von gesellschaftlichen Normen und Pflichten zu lösen. Für die damalige Zeit war sie sehr mutig. Wie und in welcher Form, könnt ihr dazu noch mehr im Buch selbst nachlesen. Es ist nicht die Scheidung alleine …

Und wie weit die Recherchen zu den von Wolzogenschwestern mit der Realität übereinstimmen, kann ich leider nicht beurteilen. 

Renate Frey erhält von mir zu dem Band trotzdem zehn von zehn Punkten.
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Die Welt ist eine Metapher.
(H. Murakami)

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