Mittwoch, 24. Oktober 2012

Alissa Walser / Am Anfang war die Nacht Musik (1)

Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch aber so richtig gefallen hat es mir nicht. Einfach auch deshalb, weil mich das Thema Alternative Heilmethoden nicht wirklich interessiert hat. Ein deutscher Arzt namens Anton Mesmer, der in Wien praktiziert, hat sich mit seiner Methode einen Namen gemacht. Seine Methoden bestehen hauptsächlich aus Magnetismus, aus Geistheilung (Handauflegen und Energieübertragung, innere Blockaden zu lösen) , und auch aus der Hahnemannsche Homöopathie. Dr. Mesmer ist selbst auch Musiker und beherrscht das Spielen mehrere Instrumente, hauptsächlich aber das Glasharmonika. Auch die Musiktöne nutzt der Arzt während seiner Behandlung. Die Stimme eines kranken Menschen ordnet er einer Tonlage zu. 

Es mag sein, dass es Ärzte oder Heiler gibt, die erfolgreich mit diesen Methoden arbeiten,  ich selbst aber bin noch nie an so einen geraten.

Doktor Mesmer hatte der blinden jungen Frau Maria Therese Paradis, die auch Virtuosin im Klavierspiel ist, zu einer Heilung verholfen, allerdings verschlechterte sich ihr Klavierspiel dadurch. Zum Entsetzen ihres Vaters würde die Tochter spielen wie eine blinde Anfängerin. Erst wurde der Doktor von den Eltern des Mädchens groß gefeiert, doch später wurde er als Scharlatan bezeichnet und seine Methoden kamen in Verruf, wurden alles Hexerei und Aberglaube abgetan, so dass die Behandlung durch die Eltern vorzeitig abgebrochen wurde, mit dem Risiko einer Rückfälligkeit. Allerdings bestätigte das Mädchen die Wirksamkeit der Methoden, da sei auch ihr seelisches Gleichgewicht wieder zurückerlangt hatte aber sie konnte sich bei den Eltern nicht durchsetzen, die Behandlung nicht abzubrechen.

Der Vater, ein großer Musikliebhaber, hatte nichts anderes im Sinn, seine musikbegabte Tochter zu einer großen Musikerlaufbahn zu verhelfen, obwohl Maria Therese auch ohne Augenlicht ihre Virtuosität bewies, immerhin musizierte sie oft bei Kaiser und der Kaiserin. 

Später habe ich durch eine Mitleserin in Erfahrung bringen können, dass die beiden Hauptfiguren Anton Mesmer und Maria Therese Paradis es wirklich gegeben hat, ich selbst, trotz meiner Liebe zur Musik, noch nie von dieser Klavierspielerin gehört habe, die aus der Zeit stammt, in der auch Mozart gelebt hat. In Deutschland genießt die Pianistin nicht den selben Ruf wie in Wien. 

Die Eltern von Maria Therese, der Vater ist Hofrat, erwiesen sich mir als recht einfache Leute, die mehr materiell orientiert waren, so dass diese nur an das glaubten, was sie mit ihren Augen auch sehen konnten. Demnach galten für die Eltern blinde Menschen als nicht vollständige, oder als nicht wirklich existente Wesen:
Für die professionelle Laufbahn brauche man Augen. Wer nicht sehen kann, wird auch nicht gesehen. Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gehört. Wer nicht gehört wird, lebt nicht. Sage ihr Vater.

Doktor Anton Mesmer dagegen sah blinde Menschen oftmals als die wahren Sehenden an:
Die Augen seien der Wahrheit kein bisschen näher als die anderen Sinne. Alles Lug und Trug. Alle, auch die Augen, erfinden Geschichten, so gut sie können.

Das Äußern der Gedanken seiner Patientin waren dem Doktor äußerst wichtig, um an die Ur-Gedanken dranzukommen, die aus einem unbewussten Trieb stammen würden. Was wahr und nicht wahr sei, mache er hauptsächlich davon abhängig, was der Mensch im Inneren seines Wesen denkt. Auch die Musik sei ein Teil von Ur-Gedanken, in Affekten ausgedrückt. 
Der Doktor bezeichnet selbst Tiere als die wahren Wesen, die mit Klugheit und Intelligenz ausgestattet seien, allerdings seelischer- geistiger Art, nicht der reine Intellekt, wie den der Menschen:
Tiere haben alle möglichen Gaben und tiefere Sinne. Sie scheinen oft klüger als der Mensch. Das belegen die periodischen Reisen der Fische und Vögel oder die Art, wie sie Gefahr vermeiden, dieselbe erraten.
Auch waren die Eltern stark auf Äußerlichkeiten bedacht, so dass sie die Tochter, die wegen verschiedener anderer ärztlicher operativer Behandlungen keine Haare mehr auf dem Kopf hatte, und sie den kahlen Kopf mit einer mehrstöckigen Perücke bedeckten. Mesmer ist erstaunt über diese Perücke:
Dieses verrückte Erfindungen seien ja gut und schön. Aber manchmal sei das Naheliegende das Dringlichste… Und die Frisur nicht das Unwesentliche am Menschen. Schließlich sitze sie auf dem Kopf. Wo, wie er immer behaupte, der Verstand wohne.
Später, nach fortschreitender Behandlung, lehnte sich das Mädchen gegen das Tragen der Perücke auf, da sie nun selbst zugeben musste, dass sich die Perücke als unschön und als unpraktisch erwies. Als die Eltern sie ohne Perücke empfingen, waren sie schockiert den Anblick ihrer Tochter.

Schön fand ich auch die folgende Textstelle, wo der Doktor seiner blinden Patientin einen Globus mitbringt, und er ihren Finger darauf lenkte, und zeigte, wo sie sich befinden:
Sie erkannte die Kugel sofort. Ein Globus! Er ließ ihre Finger auch über Amerika spazieren, wo, wie sie wusste, Indianer lebten. Dann fuhr sie selbst mit dem Finger über die Kugel. Irgendwo musste doch Kap Horn hervorstechen. Sie presste ihren Leib an das Ding. Freute sich, weil sie die ganze Welt umarmte. Warum hatte der Doktor ihr eine Welt mitgebracht?
Der Doktor zog auch einen Therapiehund in die Therapie mit ein, der recht beliebt war und sich gut in die Patienten einbringen konnte. Maria Therese gewann den Hund recht lieb und an einer Textstelle musste ich laut lachen, als sie versuchte, den Hund zu beschreiben:
Ich glaube, Hunde sind schöner als Menschen. Schon allein die Nase. Dem Hund stehen sie. Auf jeden Fall passen sie in sein Gesicht. Besser als Mesmer in Mesmers. Ob er wisse, wovon sie spreche?

Maria Therese wird wieder rückfällig, und die Eltern betrachten dies als ein Beweis der Scharlatanerie, obwohl der Doktor daraufhin gewarnt hatte, als die Eltern die Behandlung vorzeitig beendet hatten. 

Zum Abschuss kurz zusammengefasst; der Mensch könne mit Heilung rechnen, wenn er an das wahre Ich gelangen würde, das tief und unbewusst in einem selbst liegt, und in dem wahren Ich auch die subjektive ureigenste Wahrheit sitzt. 

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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