Sonntag, 3. November 2019

Todesfall in der Familie Proust

Seite 331 – 349  

Die zehn Seiten aus dem letzten Wochenende haben Anne und ich zwar gelesen aber es befand sich nichts darunter, worüber es sich gelohnt hätte, einen Blogbeitrag dazu zu schreiben, obwohl ein sehr langer Brief sich darunter befand, der schon interessant gewesen wäre, und ich einen Absatz daraus in die hiesige Besprechung packen möchte.

Die französischen Intellektuellen scheinen sich 1903 in einer Umbruchphase zu befinden. Sie lehnen alles Religiöse ab, besonders auch in Bildungseinrichtungen. Die einen sind Antisemiten, andere sind gegen den Katholizismus, und wieder andere gegen den Jesuiten, unterm Strich gesagt; am besten alles abschaffen, was mit Glauben und Religion zu tun hat, und rein in eine antiklerikale Haltung gehen. Auch fordern sie eine Trennung von Kirche und Staat. Ich fand dies sehr spannend, vor allem, weil Frankreich katholisch ist, der sich bis heute erhalten hat, selbst, wenn mittlerweile viele aus der Kirche ausgetreten sind, trotzdem ist der Katholizismus mit 57 % in Frankreich die stärkste Konfession. Deshalb finde ich diese religiöse Antibewegung sehr spannend, während Proust sich allerdings gegen diese Bewegung ausspricht.

Hierbei Prousts Meinung:
Ich mag den jesuitischen Geist nicht. Aber immerhin gab es eine jesuitische Philosophie, eine jesuitische Kunst, eine jesuitische Pädagogik. Wird es eine antiklerikale Kunst geben? Das alles ist weniger leicht zu beantworten, als es scheint. Welche Zukunft hat der Katholizismus in Frankreich und in der Welt, ich meine, wie lange noch und auf welche Weise wird er seinen Einfluss ausüben; das ist eine Frage, die niemand auch nur stellen kann, denn er wächst, in dem er sich wandelt, und seit dem 18. Jahrhundert, in dem er die Zuflucht der Ignoranten zu sein schien, hat er selbst auf die, die ihn bekämpfen und verleugnen sollten, einen Einfluss gehabt, den das vergangene Jahrhundert sich nicht hat vorstellen können. (335)

Aus der Fußnote ist zu entnehmen:
Proust formuliert hier bereits Gedanken, wie er sie ein Jahr später, im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes zur Trennung von Staat und Kirche, in seinem Artikel >La mort de Cathédrales< (Le Figaro, 16. August 1904) weiter ausführen wird. (338)

Weiter schreibt Proust, in dem er sich auf namhafte Schriftsteller bezieht:
Das Jahrhundert Carlyles, Ruskins, Tolstois, selbst wenn es auch das Jahrhundert Hugos oder Renans war, (…) ist kein antireligiöses Jahrhundert. Selbst Baudelaire hängt an der Kirche, zumindest im Sakrileg. (Ebd.)

Weiter geht es nun mit der Besprechung aus den folgenden Seiten, von 341 bis 349, wobei mir hauptsächlich die Briefe an Lucien Daudet und an Anna de Noailles ins Auge geschossen sind.

Denn hier entnimmt man die traurige Nachricht, dass Marcel Proust, gerade mal 32 Jahre alt, seinen Vater verlieren wird.

An Lucien Daudet
25. November 1903, Proust ist 32 Jahre alt
Papa ist sehr krank. Deshalb habe ich Ihnen gestern nicht geschrieben. Es ist mir unmöglich, mich mit Ihnen zu verabreden. Bemühen Sie sich nicht hierher, denn ich weiche nicht von seiner Seite, Sie würden mich nicht zu Gesicht bekommen und das machte alles nur noch komplizierter. (346) 

Den Satz in der Klammer finde ich ein wenig befremdlich.
(Wenn Sie aber heute Abend vorbeischauen mögen, dann will ich Sie aber nicht daran hindern, aber wir würden uns wahrscheinlich nicht sehen. Und morgen lieber auch nicht.) (Ebd.)

Wer würde denn in so einer Situation sich mit einem Besuch aufdrängen wollen? Vielleicht sind das unterschwellige Wünsche, möge der Freund doch bitte, bitte kommen, auch wenn der Vater krank ist. So fühlt sich das für mich an. Alles überflüssige Worte, wenn Proust sie wirklich so geschrieben hat, wie er es auch gemeint hat. Für mich ist mittlerweile klar durch die vielen anderen Vorbriefen, dass Proust sehr manipulativ mit seinen Mitmenschen umgehen kann.

Zu der Erkrankung seines Vaters ist aus der Fußnote zu entnehmen:
Adrien Proust hatte am Dienstag, dem 24. November, in der medizinischen Fakultät, wo er bei der Verteidigung einer Doktorarbeit der Prüfungskommission vorsaß, eine Hirnblutung erlitten. Sein Sohn Robert transportierte ihn nach Hause (…) wo er am 26. November um 9 Uhr morgens verstarb. Der Figaro brachte in seiner Ausgabe vom 27. November einen langen Nachruf. (346) 


An Anna de Noailles
03. Dezember 1903

Auch hier schreibt Proust über seine Trauer zum verstorbenen Vater. Interessant fand ich zu lesen, dass Proust mit Ruskin abgebrochen hatte, es aber die Mutter schließlich war, die ihn dazu brachte, die Übersetzungsarbeit aus Liebe zu seinem Vater erneut aufzunehmen. Erstaunlich, unter welch starkem Einfluss Proust hier steht.
Aber als nun Mama erfuhr, dass ich den Ruskin aufgegeben hatte, setzte sie sich in den Kopf, dass diese Arbeit alles gewesen sei, was Papa sich sehnlichst gewünscht habe, dass er von einem Tag auf den anderen mit der Veröffentlichung gerechnet habe. (348)

 Proust bewundert seine Mutter, ihre Stärke, nicht an dem Tod seines Vaters zu zerbrechen, aber er weiß auch, dass das nach außen hin nur so wirken kann und macht sich doch große Sorgen um seine liebe Mama.
Mama verfügt über eine solche Energie (eine Energie, die in keiner Weise energisch aussieht und nicht verrät, dass man sich beherrscht), dass es keinen augenfälligen Unterschied zwischen der Mama vor einer Woche und der Mama von heute gibt. Aber ich, der ich weiß, in welchen Tiefen – und auf welcher Dauer – sich das Drama abspielen kann, kann nur Angst um sie haben. (347)

Proust reflektiert die Beziehung zu seinem verstorbenen Vater, an dem er stets bemüht gewesen sein soll, eine gute Beziehung zu pflegen. Er beschreibt seinen Vater als sehr liebenswürdig, obwohl ich aus seinen Briefen eine rechte Distanz zwischen Vater und Sohn vernommen habe. Außerdem gibt es nicht so viele Briefe zwischen ihnen beiden, und es auch der Vater war, der den Sohn als sein Sorgenkind betrachtet hat, wäre da nicht die Mutter gewesen, die die Beziehung zwischen Vater und Sohn immer auf´s Neue gekittet hat. Aber das weiß Proust auch.
So kann ich auch kaum an meinen eigenen Kummer denken. Und doch leide ich sehr.(…) denn mir ist sehr wohl bewusst, dass ich stets der dunkle Punkt in seinem Leben war-, so habe ich doch versucht, ihm meine Liebe zu beweisen. Und doch gab es Tage, an denen ich mich gegen das allzu Bestimmte, allzu Selbstgewisse in seinen Behauptungen auflehnte, und ich erinnere mich, dass ich vergangenen Sonntag während einer politischen Diskussion Dinge gesagt habe, die ich nicht hätte sagen sollen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das jetzt tut. Es ist mir jetzt so, als wäre ich gegen einen Menschen hart gewesen, der sich schon nicht mehr verteidigen konnte. Ich würde, wer weiß dafür geben, wenn ich an diesem Abend nur von Sanftmut und Zärtlichkeit gewesen wäre. (347f)

Meine Gedanken dazu
Ich fand die Briefe sehr traurig, wenn man bedenkt, was ein Kind alles den Eltern schuldet, und es aus Liebe zu ihnen angehalten wird, das zu tun, was sie von ihm erwarten, sonst wird das Kind mit Liebesentzug und später mit vielen Schuldgefühlen gestraft, sobald die Eltern gestorben sind.
Traurig war für mich auch, dass Proust so jung schon viele Menschen aus seiner Familie verloren hat. Erst die Großeltern mütterlicherseits, und dann der Vater und nicht sehr viel später wird auch die Mutter gehen.

Was ist eigentlich mit den Großeltern väterlicherseits? Diese wurden noch nie erwähnt, sodass ich den Verdacht hege, dass Proust durch deren vorzeitigen Tod sie niemals hat kennenlernen können. Hierbei muss ich nochmals ein wenig im Netz recherchieren.

Hier konnte ich einen Link zu Prousts Großeltern väterlicherseits finden, den ich überflogen habe, ich ihn aber noch vertiefen werde. Der Text wird mir hier nicht mehr verloren gehen, so kann ich nun jeder Zeit darauf zurückgreifen. 

Angeblich sind die Großeltern väterlicherseits doch nicht verstorben. Verwunderlich, dass Proust sie niemals hat erwähnen können. 

Anne hat diesmal auch zwei Zitate gefunden, die sie beschäftigt haben.

Hier Annes Beitrag:
Heute zitiere ich auch mal zwei Textstellen, und zwar handelt es sich um einen Brief an Auguste Marguillier vom 20.? Oktober 1903 - Proust ist mittlerweile 32 Jahre alt:
"Cher Monsieur, Wären Sie so liebenswürdig mir zu sagen, ob mein Artikel über den Ruskin von Madame Broicher jemals in der ,Chronique' erschienen ist? Und falls ja, könnte ich dann ein Exemplar bekommen? Ich war über eine ziemlich lange Zeit abwesend von Paris und konnte daher nicht in die rue Favart kommen, um Sie danach zu fragen." (Seite 344)

Gleich der Folgesatz nach der Frage (und auch Mira erinnerte mich daran) zeigt ja, dass er oft unterwegs war. Aber selbst, wenn er nicht zu Hause war, kann doch trotzdem Post ankommen. Und wurde er vom Auftraggeber nicht benachrichtigt über Veröffentlichungen und wie lief das dann mit seiner Bezahlung?

Interessant fand ich auch den Passus, in dem Proust am 3. Dezember 1903 nach dem Tode des Vaters (26. November 1903) an Anna de Noailles über seine Mutter schreibt:
"Ich wage nicht, mir ernsthaft vorzustellen, wie ihr Leben sein wird, wenn ich bedenke, dass sie den einzigen Menschen, für den sie lebte (ich kann nicht einmal sagen: den sie liebte, denn seit dem Tod ihrer Eltern war jedes andere Gefühl der Zuneigung soviel schwächer im Vergleich dazu), niemals wiedersehen wird." (Seite 347)

Ich weiß natürlich von Paaren, die ohne Liebe zusammen leben, sei es, dass die Ehe arrangiert wurde oder dass die Liebe irgendwann verschwunden ist, und ich weiß auch von Menschen, die nach dem Verlust einer geliebten Partnerin, eines geliebten Partners nicht mehr in der Lage sind, sich auf eine neue Liebe einzulassen. Aber dass man dieses Liebesgefühl nicht mehr zulassen kann, weil man seine Eltern verloren hat, ist mir noch nie untergekommen.

Meine Gedanken dazu
Ja, Anne, die Liebe ist ein Mysterium. Die meisten Bücher, die geschrieben wurden, behandeln die Liebe, und viele Lieder wurden und werden darüber noch gesungen, und trotzdem sind wir nicht weitergekommen, diese Phänomene zu enträtseln. Wäre Madame Proust nicht verheiratet, und hätte sie selbst keine eigene Familie gegründet, dann hätte ich gesagt, sie habe sich von ihrem Elternhaus nicht gelöst. Aber das ist es ja nicht. Außerdem ist dies die Sichtweise des Sohnes über seine trauernde Mutter, die einfach verzerrt ist, weil er gar nicht wissen kann, was ein Mensch innerlich denkt, fühlt, was ihn bewegt, wenn er in eine Krise gerät, selbst wenn es die eigene Mutter ist. In einer Psychotherapie geht es zum Beispiel immer um die Sichtweise des Behandelnden. Man müsste die Mutter fragen, wie sie diese Trauer selbst definieren würde. Aus ihrem Inneren heraus. Selbsteinschätzung versus Fremdeinschätzung. 


Weiter geht es nächstes Wochenende von Seite 349 – 359.

_______________
Unser aller Schicksale sind vermutlich geschaffen, 
um gelebt, nicht aber um verstanden zu werden.
(Marcel Proust)

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Donnerstag, 31. Oktober 2019

Andrej Kurkow / Graue Bienen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Was für ein tolles Buch. Von der ersten bis zur letzten Seite hat mich der Autor damit in den Bann gezogen, dass ich nach der letzten Seite mit meiner Bücherfreundin Anne telefonieren musste, um ihr von dem Buch zu erzählen. So viel Menschlichkeit hat Kurkow in seinen Figuren gepackt, trotz dieser schweren Zeit des Krieges zwischen Russland, der Ukraine und dem Niemandsland. Ich fand keine Seite langweilig, selbst im ersten Teil nicht, wo es hauptsächlich um zwei Männer geht, die alleine im Dorf zurückgeblieben sind, und sie aufeinander angewiesen sind. Mich hat die Beziehung zwischen diesen zwei Menschen sehr interessiert.

Ich möchte nicht so viele Details verraten, damit auch andere denselben Genuss erleben können, den ich erlebt habe. Ich nenne nur ein paar Fakten, dann mache ich Schluss.

Hier geht es zur Buchvorstellung, zum Klappentext, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.


Die Handlung
Der Held dieser Geschichte ist für mich nicht nur Sergej Sergejitsch, auch viele Nebenfiguren habe ich als Helden erlebt. Die meisten sind Zivilisten, aber auch ein paar von den Soldaten zeigten sich von ihrer gutmütigen Seite. Helden deshalb, weil sie für mich alles Menschen sind, die versuchen, in Kriegszeiten das Menschsein nicht zu verlieren.

Aber Sergej ist der Oberheld dieses Romans, der zusammen mit seinem Kindheitsfeind Paschka im Krisengebiet Donbass lebt, in dem ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten sich bekriegen. Die beiden Männer leben in dem kleinen Dorf, während der Rest der Dorfbewohner*innen vor dem Krieg geflohen ist, sodass sämtliche Häuser leer und verlassen stehen. Lediglich die Dorfkirsche wurde zerbombt. Dombass ist eine sogenannte Grauzone, das ich als ein Niemandsland bezeichnen würde.
Nur lebte er, Sergejeitsch, jetzt gleichsam weder in der >Republik< noch im Land. Er war in der grauen Zone, und graue Zonen hatten keine Hauptstädte! (2019, 107)

Sergej ist Bienenzüchter, der sich danach sehnt, mit seinen Bienen ein ruhiges Leben zu führen. Er interessiert sich überhaupt nicht für Politik und wirkt dadurch manchmal ein wenig naiv im Umgang mit Soldaten oder mit der späteren Grenzpolizei. Sergeij liebt seine Bienen, wie andere ihre Haustiere lieben, und zeigt dadurch ein sehr verantwortungsbewusstes Leben ihnen gegenüber.

Er ist 44 Jahre alt und ist Frührentner, da er an einer Staublunge erkrankt ist.

Paschka und er, sie haben sonst niemand, sind beide aufeinander angewiesen, wenn sie nicht in der Einsamkeit verkommen wollen. Außerdem ist die Lebensqualität der beiden Männer dermaßen eingeschränkt, da ihnen der Strom seit drei Jahren abgestellt wurde, und sie dadurch auch kein Fernsehen können, selbst das Handy kann nicht aufgeladen werden und bleiben ohne Verbindung zur restlichen Welt.

Sergej hatte zudem noch Pech mit seiner Familie, da er von Frau und Kind aus anderen Gründen verlassen wurde.

Aus Sorge, Sergejs Bienen könnten den Krieg nicht überleben, es könnte eine Granate auf ihren Bienenstöcken fallen, fühlte sich nun auch Sergej gezwungen, im Frühling sein Heimatdorf mit seinen sechsstöckigen Bienen für eine bestimmte Zeit zu verlassen, Richtung Westen, um die Bienen dort fliegen zu lassen, wo es ruhig ist und wo kein Krieg herrscht. Leicht wird diese Reise nicht, sämtliche Hürden muss er überwinden, Krisengebiete weitestgehend zu umfahren, und sämtliche Checkpoints in einer ruhigen Art zu bezwingen.
Er brachte sie dorthin, wo es still war, wo die Luft sich langsam mit der Süße sich aufblühender Gräser füllte, die bald von blühenden Kirschbäumen, Aprikosenbäumen, Apfelbäumen und Akazien Verstärkung erhalten würden. (200)

Nun blieb Paschka ganz alleine zurück, der auf eine baldige Rückreise hoffte.

Auf dieser Reise lernt Sergej viele Frauen kennen, die ihn in seiner Not unter die Arme greifen. Doch auch Sergej wird vom Schicksal herausgefordert, politischer Helfer für andere Menschen zu werden.

Mehr möchte ich nicht verraten …

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Ganz klar, dass das Szenen sind, wo Menschen in einem totalitären und korruptem Staat unschuldig verhaftet und zu Tode gefoltert werden. Furchtbar, wenn einer Familie, den Kindern der Vater und der Mutter der Ehemann genommen wird, der nur noch als Leiche zurückkehren wird. Oder wenn der Journalismus gelinkt wird und man die Meinungsfreiheit abgesprochen bekommt. 

Doch der Krieg hatte auch etwas Gutes. Er verwandelte nämlich zwei Kindsfeinde zu Freunden.

Bis zum Tod hätten sie nicht miteinander geredet. Wäre nicht der Krieg gewesen. (11)

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Es gab so viele Szenen, die mir gut gefallen haben, und es fällt mir schwer, mich auf eine zu fokussieren.

In der Geschichte gibt es eine Szene, in der ein Soldat in Sergejs Nachbardorf den Weihnachtsmann gespielt hat, um den Kindern in dieser tristen Zeit Geschenke zu bringen. Die Kinder hatten sich auf den Weihnachtsmann gefreut, da er sich ja angekündigt hatte. Doch als Weihnachten ohne den Weihnachtsmann kam, waren die Kinder sehr traurig. Sie warteten jeden Tag auf ihn, selbst dann noch, als Weihnachten schon längst vorbei war. Als Sergej in das Dorf ging, um Besorgungen zu tätigen, haben die Kinder gedacht, dass Sergej der Weihnachtsmann sei.

Achtung Spoiler
Doch was die Kinder nicht wussten, ist, dass der Weihnachtsmann ein Soldat war, der tot im Schnee gelegen hat. In der Nähe von Sergejs und Paschkas Haus. Der Soldat kam durch eine Bombe um. Sergej hatte den Soldaten Tage vorher im Schnee gefunden und hatte seinen Rucksack durchwühlt und wunderte sich, dass dieser voller Süßigkeiten war, und er ging von der Annahme aus, dass dieser Soldat Süßigkeiten geliebt haben musste. Da er tot war, nahm Sergej den Rucksack an sich.

Als er das Nachbardorf wieder verlassen hatte, dachte er nochmals über den toten Soldaten nach, über den Rucksack, der mit Süßigkeiten gefüllt war und begriff nun, dass der Weihnachtsmann tot im verschneiten Feld lag, und die Süßigkeiten gar nicht für ihn gedacht waren. Sergej beschloss schließlich, am nächsten Tag den Kindern die Süßigkeiten aus dem Rucksack zu bringen. Das fand ich so schön, wie er es geschafft hat, die Kinder glücklich zu machen.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Mir ist Sergej Sergejitsch ans Herz gewachsen, aber viele andere Figuren fand ich auch spannend und interessant.

Welche Figur war mir antipathisch?
Kann ich nicht sagen. Eher die Grenzpolizisten, die Sergej zu einem Flüchtling degradiert hatten.

Meine Identifikationsfigur
Ich konnte mich in jeder spiegeln.

Cover und Buchtitel
Beides sehr gelungen, gut getroffen. Allerdings hatte ich den Buchtitel anfangs etwas anders gedeutet, was sich aber später gewandelt hat. Die Symbolik Graue Bienen habe ich zum Schluss als sehr surreal erlebt.

Zum Schreibkonzept
Auf den 445 Seiten ist die Geschichte in 74 Kapiteln gegliedert und mit vielen Absätzen verziert, was das Lesen sehr angenehm gemacht hat.

Meine Meinung
Eigentlich ist dies ein Buch, das man zwei Mal lesen müsste. Sergej wurde nachts mit so vielen Alpträumen geplagt, die man psychoanalytisch stärker ins Visier nehmen müsste. Sigmund Freud hätte hier seine Freude gehabt. Nein, seine Träume waren keine Nonsense, sie waren symbolträchtig und tiefgründig, und sie spiegelten auch oft Sergejs Ängste wider, wenn auch der letzte Traum ein wenig kafkaeske Züge aufwies.

Was die Liebe zu den Bienen betrifft, da stehe ich dem ein wenig ambivalent gegenüber. Weil den Tieren, die eigentlich den Honig für sich und für ihr Bienenvolk herstellen, ihn weggenommen bekommen. Sie sind dadurch immer am Schaffen, am Produzieren, ohne selbst etwas von dem Honig zu haben. Dies ist der Grund, weshalb Veganer*innen keinen Honig essen. Die Bienen produzieren, und produzieren und produzieren, immer auf Akkord, ständig sind diese Tiere am Schaffen, was eigentlich mit einer absoluten Ausbeutung zu vergleichen wäre. Die Bienen werden, wenn man es genau nimmt, regelrecht ausgeraubt … Dadurch, dass sie indirekt zum vielen Abreiten gezwungen werden, sinkt auch ihre Lebenserwartung, da ihnen die Lebensgrundlage genommen wird.

Mein Fazit
Es ist nicht nur ein Kriegsbuch, sondern auch ein Buch über Freundschaft in vielerlei Hinsicht. Ein sehr lesenswertes Buch, das mich auch politisch gepackt hat. Die Thematik ist eingebettet in eine sehr schöne und sehr fantasievolle, literarische und in eine sehr warme Sprache, ohne die Ernsthaftigkeit der menschlichen Nöte in Zeiten des Krieges in Zweifel zu stellen.

Ich werde Andrej Kurkow nun auch zu meinen Favoriten gesellen.


Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismu
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.


Weitere Information zu dem Buch

Vielen herzlichen Dank an den Diogenes - Verlag für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars.

________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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Donnerstag, 24. Oktober 2019

Andrej Kurkow / Graue Bienen

 Klappentext
Aus dem Russischen von Johanna Marx und Sabine Grebing 
Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung und wunderbare Produktivität. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen in eine Gegend bringen, wo sie wieder in Ruhe Nektar sammeln können.Ein Dorf in der Nähe von Donezk, im Frontgebiet zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten. Seit drei Jahren herrscht Krieg, die Einwohner haben das Dorf verlassen, nur der Bienenzüchter Sergej ist geblieben. Denn wenn alle gehen, wird auch keiner mehr zurückkehren. Außer ihm ist nur sein »Kindheitsfeind« Paschka geblieben, die Not schweißt sie zusammen. Im dritten Frühling beschließt Sergej, seine Bienen aus der Kriegszone zu bringen. Sie sollen in Ruhe ausschwärmen, um ihren Nektar zu sammeln. Auf seiner Reise knüpft Sergej Freundschaften, stößt aber auch auf Misstrauen und Missgunst. Selbst auf der paradiesischen Krim fühlt er sich nicht wirklich willkommen. Und als sich sogar seine Bienen zu verändern scheinen, beschließt er, in sein Dorf zurückzukehren.

Autorenporträt
Andrej Kurkow, geboren 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew und schreibt in russischer Sprache. Er studierte Fremdsprachen (er spricht insgesamt elf Sprachen), war Zeitungsredakteur und während des Militärdienstes Gefängniswärter. Danach wurde er Kameramann und schrieb zahlreiche Drehbücher. Sein Roman ›Picknick auf dem Eis‹ ist ein Welterfolg. Kurkow lebt als freier Schriftsteller in Kiew und arbeitet auch für Radio und Fernsehen.

Meine ersten Leseeindrücke

Ich habe knapp über hundert Seiten gelesen und mir gefällt das Buch sehr gut. Die Figuren, vor allem Sergej, ist mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen. Trotz dieser Nöte beschreibt der Autor sie mit einer menschlichen Ruhe und einer menschlichen Wärme, die mich fasziniert. Sergej tut viel Gutes aber auch die Beziehung zu seinem Kindheitsfeind namens Paschka finde ich sehr angenehm beschrieben, dass die Kriegsumstände Menschen zwingen, das zwischenmenschliche Feindselige hinter sich zu lassen, und eine Freundschaft einzugehen, weil man sonst in dieser Einsamkeit verkommt, finde ich sehr gut getroffen.

Interessant finde ich den Kriegsroman aus der Sicht der Zivilisten erzählt.

Der Autor ist mir durch Picknick auf dem Eis bekannt, was mir auch sehr gut gefallen hatte. Das ist aber jetzt schon ganz lange her. Ich hatte das Buch gelesen, bevor ich einen Bücherblog eröffnet hatte. Ich wollte noch weitere Bücher von dem Autor lesen, und irgendwie, weil ich noch so viele andere Favoriten hatte, habe ich Kurkow aus den Augen verloren. Das ist der Grund, weshalb ich auf meinem Blog alle Lieblingsschriftsteller aufgereiht habe, damit mir keiner mehr verloren geht.  

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 445 Seiten
·         Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. Juli 2019)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3257070829

Hier geht es zu der Verlagsseite von Diogenes.

Hier geht es zu meiner Buchbesprechung. 


Mittwoch, 23. Oktober 2019

Henning Mankell / Die italienischen Schuhe (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Nun habe ich gestern mein 24. Buch in diesem Jahr beendet.

Das Buch war nicht schlecht, aber es hat mich nicht richtig gefangen. Mal schauen, was ich aus mir heraus noch quetschen werde. Wenn ich nicht viel in mir finden kann, was das Buch angestoßen haben könnte, dann wird es eine kurze Besprechung geben. Aber die Sprache fand ich sehr schön. Ruhig und besinnend.

Hier geht es zur Buchvorstellung; zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Der Roman behandelt die Lebensweise einer recht einsamen Figur von 66 Jahren. Sein Name ist Fredrik Welin. Fredrik Welin ist Rentner, von Beruf war er ein orthopädischer Chirurg. Sein Vater hatte in einer Kneipe gearbeitet, während seine Mutter Hausfrau war.
Ein Mann von sechsundsechzig Jahren, finanziell unabhängig, der eine Erinnerung in sich trägt, die ihn ständig plagt. Ich bin in einer Armut aufgewachsen, die man sich heute in diesem Land kaum noch vorstellen kann. Mein Vater war ein übergewichtiger Kellner, den man häufig schikanierte, und meine Mutter versuchte, mit dem Geld auszukommen.

Deshalb ist es nicht selbstverständlich, dass der junge Welin es zu einem Studium gebracht hat. Sein Vater hatte ihn dahingehend unterstützt. Trotzdem hatte er keine einfache Kindheit, da seine Eltern ständig Ehekrach hatten, und sich die Mutter häufig weinend zurückgezogen hatte, und der Vater mit Zinnsoldaten spielte. Seine Art, mit dem dauerhaften Ehekrach fertig zu werden, in dem er seine Wut über die Zinnsoldaten zum Ausdruck brachte.

Der junge Welin verliebte sich in jungen Jahren in ein gleichaltriges Mädchen namens Harriet Hörnfeld, das war vor knapp vierzig Jahren.

Welin zog es damals nach Amerika, ohne sich von Harriet zu verabschieden, und brach somit durch seine Gedankenlosigkeit die Beziehung zu ihr ab, und ahnt nicht, welche weitreichende Folgen sein Fortgehen mit sich brachte. In Wirklichkeit flüchtete er regelrecht vor Harriet, da er ihr übermäßiges Verlangen nach Nähe nicht erwidern konnte.

Nun lebt der alte Welin mit einem alten Hund, einer alten Katze und mit einem alten Ameisenhügel im Haus auf einer einsamen Insel, auf den Stockholmer Schären. Völlig abgeschieden. Er bekommt lediglich Besuch von dem Postboten Jure Jansson, der mit seinem Hypochonder-Syndrom auch ein wenig schräg zu sein scheint. Da Welin durch sein zurückgezogenes Leben wenig Post von anderen Menschen bekommt, bringt Jansson ihm mit seinem Hydrokopter Werbeprospekte, die Welin eigentlich gar nicht haben wollte. Aber er hatte keine Chance, der Postbote kam immer wieder mit lästigem Werbematerial.
Das Leben handelt nicht von Sonderangeboten, versuchte ich ihm zu erklären. Das Leben handelt von etwas Wesentlichem. (18)

Was meinte er damit? Das wurde schließlich auf den nächsten Seiten deutlich.
Jeden Morgen hackt Welin bei Minus 19 Grad ein Loch ins Eis, damit er darin völlig nackt baden konnte, um sich selbst spüren zu können.

Eines Tages steht eine dunkle Gestalt auf dem Eis etwas entfernt von seinem Haus, eine ältere Person mit einem Rollator, wie Welin durch das Fernglas erkennen kann. Welin erkennt sofort seine Jugendliebe Harriet wieder. Harriet hat ihr ganzes Leben nicht verwinden können, dass Welin sie ohne ein Wort verlassen hatte. Außerdem hatte er noch ein Versprechen nicht eingehalten, das Harriet dazu bewogen hat, Welin nach so langer Zeit neu aufzusuchen, um ihn zu zwingen, dieses Versprechen endlich einzulösen. Doch hinter dem Versprechen verbirgt sich noch viel mehr ... 

Harriet ist sterbenskrank, weshalb sie unbedingt Welin aufsuchen musste, damit sie noch vor ihrem Tod sämtliche Fronten mit ihm klären konnte.

Das Leben durch Harriet bekommt für Welin eine absolute Wende.

Aber Harriet ist nicht die einzige Frau, mit der er es hier zu tun bekommt. Auf der Insel hat Weli genug Zeit nachzudenken. Als er beruflich noch als Chirurg tätig war, begann er an einer Patientin, die musisch begabt war, einen Kunstfehler. Die 33-jährige Patientin hieß Agnes und sie war damals noch sehr jung, knapp über zwanzig. Agnes wurde an ihrem Arm ein bösartiger Tumor diagnostiziert, der nicht herauszuoperieren war, ohne den Arm abzunehmen. Der Arm wurde von Welin amputiert. Später stellte sich heraus, dass es der falsche Arm war, der abgenommen wurde. Die Musikkarriere dieses Mädchens war dahin.

Obwohl Welin angezeigt wurde, hatte er noch immer ein schlechtes Gewissen dieser Patientin gegenüber. Er nimmt nun Kontakt zu ihr auf. Agnes stößt Welin nicht ab, und so entsteht zwischen beiden ein dauerhafter Kontakt. Hierbei erfährt Welin, dass Agnes in ihrer Wohnung ein Betreuungsheim leitet, indem sie Flüchtlingsmädchen bei sich aufgenommen hat. Alle Mädchen sind durch den erfahrenen Krieg aus der Heimat stark traumatisiert und dadurch psychisch sehr auffällig.

Welche Szenen haben mir gar nicht gefallen?
Es kann sein, dass Mankell mit diesem Buch ein Tabubrecher ist. Hier wird der Tod behandelt, aber nicht nur durch die krebskranke Harriet. Das Alter spiegelt sich auch in den Haustieren von Welin wider. Nicht mehr lange und so hatte auch sein alter Hund sein Leben ausgehaucht. Welin begräbt ihn im Garten vor seinem Haus. Tage oder Wochen später gräbt er das Grab wieder auf und nimmt teil an der Verwesung des Hundes, der überall mit Maden gesät war. Vor allem der Darm sah sehr parasitär aus. Er holte seine alte Katze und setzte sie auf den verwesenden Hund. Die Katze schrie und rannte schleunigst davon.

Ich finde die Handlung mit dem Hund und der Katze eine sehr perverse Szene, dass ich mich fragen musste, was hat den Autor dazu bewogen, diese Szenen aufzuschreiben? Und auch noch die Katze auf den verwesenden Hund zu setzen, grauenvoll.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat es gefallen, dass Welins Vater, der es beruflich nicht ganz einfach hatte, seinen Sohn auf die höhere Schule und auf die Universität geschickt hatte.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Mich haben alle Figuren kalt gelassen.

Welche Figur war mir antipathisch?
Kann ich nicht beantworten. Keine Figur hat mich positiv oder negativ berührt. Ich stehe ihnen neutral gegenüber.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel
Das Cover finde ich passend, der Buchtitel ist mir nicht ganz schlüssig gewesen. Es gibt zwei Metapher. In einem Zimmer von Welin befindet sich ein Ameisenhügel, den er erst am Ende seiner Geschichte entfernt. Dann die italienischen Schuhe. Der Ameisenhügel könnte symbolisch für Fleiß und Strebsamkeit stehen, während die italienischen Schuhe genau das Gegenteil ausdrücken könnten. Denn Welin lässt sich von einem virtuosen italienischen Schuhmacher perfekte Schuhe anfertigen, für die der Schuster aber ein Jahr benötigt. Dieser italienische Schuster zog auch eine einsame Lebensform vor, weshalb er der Stadt, das hektische Treiben, den Rücken zugekehrt hatte. Hier auf der Insel kann er sich so viel Zeit lassen, wie er braucht, um gute Schuhe herzustellen.
Ich wuchs in einem Niemandsland auf, zwischen Tränen und Zinnsoldaten. Und mit einem Vater, der hartnäckig behauptet, dass das, was einen Kellner mit einem Opernsänger verbinde, die Notwendigkeit sei, bei der Arbeit ordentliche Schuhe zu tragen. (14)
Aber diese Metapher passen nicht so recht ins Konzept. Wirken ohne Zusammenhänge. Man bekommt es schließlich hier nicht mit arbeitswilligen und mit faulen Menschen im Ganzen zu tun.

Zum Schreibkonzept
Der Roman ist aus der Ichperspektive des Fredrik Welin geschrieben. Er besteht auf den 364 Seiten aus vier Teilen, die aber nicht nummeriert sind. Nummeriert sind die Kapitel. Nach jedem neuen Teil beginnen die Kapitel wieder von neuem in der Aufzählung. 

Meine Meinung
Die Geschichte in diesem Roman wirkte auf mich alles andere als authentisch. Mich hat sie nicht überzeugen können. Lediglich den ruhigen Schreibstil fand ich sehr angenehm. Alle Figuren waren in ihrer Art einsame Figuren, nicht nur die, die einsam auf der Insel ihr Leben gefristet haben. Außerdem hat der Autor sehr klischeehaft geschrieben. Welin wurde z. B. in Rom ausgeraubt. Und ein Mädchen namens Sima aus Agnes´ Betreuungsheim konnte die schwierigsten Autoschlösser knacken, die es von einem Italiener beigebracht bekommen hat. 
Sima hatte einmal einen Freund, Filippo hieß er, ein freundlicher junger Mann aus Italien, der ihr alles darüber beibrachte, wie man verschlossene Autos knackt und Motoren startet. (210)

Mankells Vater war Jurist, sodass der Sohn an der Quelle kriminalistischer Fälle saß. Es gibt auch in Schweden Verbrecher*innen sämtlicher Couleurs. Warum aber wählen nordische Autor*innen immer wieder Italiener, die sie zu Tätern ihrer Figuren machen? Das Böse immer schön im Außen suchen und nie bei sich selbst. Wie feige ist das denn?

Der Schwede setzt sich hier wiedermal ins beste Licht, auch was die Aufnahme von Flüchtlingskindern betrifft. Warum schreibt der Autor nicht über die rechte Partei, die in Schweden zusammen mit den Sozialdemokraten eine Regierung gebildet hat? Viele Schweden lehnen Ausländer*innen vehement ab. 

Mein Fazit
Würde ich kein zweites Mal lesen. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen,Vorurteilen, Klischees und Rassismus
0 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Hat mir die Geschichte an sich gut gefallen?
Trotz mittelmäßiger Bewertung meinerseits nur mittelmäßig.
Sechs von zwölf Punkten.

______________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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