Dienstag, 2. September 2014

Dai Sijie - Wie ein Wanderer in einer mondlosen Nacht ...


Lesen mit Anne - Dai Sijie: Wie ein Wanderer in einer mondlosen Nacht

Abbruch

Anne und ich haben beide das Buch abgebrochen. An den chinesischen Namen, daran kann man sich gewöhnen, wenn aber alles andere auch nicht stimmt, dann sieht es schlecht aus, das Buch bis zum Ende zu bringen.

Ich konnte auch mit keiner Figur warm werden. Und mit den vielen Kaisern konnte ich wenig anfangen. Mir war in dem Buch alles fremd. Vielleicht muss man erst chinesische Geschichte studiert haben, um das Buch zu verstehen. Den Stoff habe ich als recht trocken erlebt.

Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Schicksalhaft kreuzen sich in Peking die Wege einer französischen Studentin und eines chinesischen Gemüsehändlers. Beide sind auf der Suche nach der verlorenen Hälfte einer uralten, seidenen Schriftrolle. Denn diese birgt nichts Geringeres als die geheimnisumwobenen Anfänge des Buddhismus. Fasziniert vom Zauber der Schrift und ihrer Macht begeben sie sich auf eine entbehrungsreiche Reise.
Auf Bücher.de habe ich eine Kritik gefunden, die genau das ausdrückt, was ich auch noch zusätzlich beobachtet habe:
anfangs leider sehr langweilig, viel zu viel vorgegriffen, man erkennt nicht den eigentlichen sinn des klappentextes, (buecher.de)
Ich werde dieses Buch nicht mit auf meine Liste "Gelesene Bücher / Abbruch" nehmen, da für mich alles, was unter hundert Seiten ist, zählt als ein Probelesen.

Schade, es war unser erstes Buch, mit dem wir gestartet haben. Aber das kommt vor. Wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, darauf sollten wir gefasst sein.

Da der September erst begonnen hat, suche ich nun das nächste Buch aus ...

Anne ist schon ganz gespannt.
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Für kleine Lebewesen wie uns
ist die Weite des Raums nur durch Liebe erträglich.
(Matt Haig zitiert Carl Sagan)

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Montag, 1. September 2014

Dai Sijie / Wie ein Wanderer in einer mondlosen Nacht

Klappentext
Schicksalhaft kreuzen sich in Peking die Wege einer französischen Studentin und eines chinesischen Gemüsehändlers. Beide sind auf der Suche nach der verlorenen Hälfte einer uralten, seidenen Schriftrolle. Denn diese birgt nichts Geringeres als die geheimnisumwobenen Anfänge des Buddhismus. Fasziniert vom Zauber der Schrift und ihrer Macht begeben sie sich auf eine entbehrungsreiche Reise.

Autorenporträt
Dai Sijie, geboren 1954 in der Provinz Fujian in China, wurde von 1971 bis 1974 im Zuge der kulturellen Umerziehung in ein Bergdorf geschickt. Nach Maos Tod studierte er Kunstgeschichte und emigrierte 1984 nach Paris. »Balzac und die kleine chinesische Schneiderin«, sein erster Roman, wurde ein...
So, heute beginnt zwischen Anne und mir das gemeinsame Lesen. Das erste gemeinsame Buch aus unserem SuB wurde von Anne für heute ausgewält.

Von dem Autor habe ich bisher gelesen:
Siji, Dai: Mao und der Pirol im Käfig
Dann gibt es noch eine Buchverfilmung:

Balzac und die kleine Schneiderin
Den Film habe ich mehrmals gesehen aber das Buch nicht gelesen. Habe es mir nicht gekauft.




Sonntag, 31. August 2014

Agota Kristof / Die Analphabetin (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Es ist zwar recht dünn vom Umfang her, trotzdem gehen wichtige Informationen aus der Erzählung hervor. Zur Erinnerung gebe ich nochmals den Klappentext rein:
Fremd in einer fremden Sprache – und doch wurde sie zu einer der wichtigsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Nach einer wohlbehüteten Kindheit in Ungarn hatte Agota Kristof unter der kommunistischen Herrschaft zu leiden. Als ihr Vater verhaftet wurde, musste das junge Mädchen in ein staatliches Internat. 1956 floh Agota Kristof mit ihrem Mann und ihrem vier Monate alten Kind in die französischsprachige Schweiz. Dort war sie plötzlich eine Analphabetin und musste eine völlig neue Sprache erlernen
Die Autorin spricht aus ihrer Kindheit in Ungarn. Ihr Vater ist Lehrer einer kleinen Dorfschule, in der mehrere Klassen in einem Raum unterrichtet werden. Das Dorf ist recht ärmlich, es gibt dort nicht einmal fließendes Wasser im Haus.

Agota lernte lesen, noch bevor sie eingeschult wurde. Die Schule befindet sich neben ihrem Elternhaus. Wenn Agota zu Hause etwas angestellt hatte, wurde sie von der Mutter zum Vater in die Klasse geschickt, der sie bestrafen sollte. Doch der Vater schickte sie mit einem Bilderbuch in die hintere Sitzreihe.

Das fand ich so sympathisch. Das Kind mit einem Bilderbuch zu bestrafen …

Agota konnte mit vier Jahren schon fehlerlos lesen und sie tat in ihrer Freizeit nichts anderes, als zu lesen. Ihr Großvater war stolz auf seine Enkelin. Älter geworden tut Agota fast nichts anderes als lesen und zieht das Unverständnis ihrer Mitmenschen auf sich:
Abgesehen von diesem großväterlichem Stolz, wird mir meine Lesekrankheit eher Vorwürfe und Verachtung einbringen: "Sie tut nichts. Sie liest die ganze Zeit."
"Sie kann sonst nichts."
"Das ist die bequemste Beschäftigung, die es gibt."
"Das ist Faulheit."
 Und vor allem: "Sie liest, anstatt…"
Anstatt was?
"Es gibt so viel Nützlicheres, nicht wahr?" 
Noch jetzt, wenn das Haus sich morgens gelehrt hat und alle meine Nachbarn zur Arbeit gehen, habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass ich mich an den Küchentisch setze, um stundenlang Zeitung zu lesen, anstatt… zu putzen oder das Geschirr von gestern Abend zu spülen, einzukaufen, die Wäsche zu waschen und zu bügeln. (11f) 
Ich kenne diese Reaktionen selbst zu gut. Auch heute noch gibt es Menschen, die das Lesen eher als Faulheit bezeichnen. Meist sind das Leute, die beruflich und in ihrer Freizeit so gar nichts mit Büchern zu tun haben und mehr handwerklich o. a. geprägt sind, und dadurch eher eine materielle Einstellung haben.

Agota wird nach der Grundschule auf ein Mädcheninternat gesteckt, als der Vater vom Militär abgeholt und ins Gefängnis gesteckt wird. Die Mutter konnte sich nicht alleine um drei kleine Kinder sorgen. Deshalb besuchten die Kinder kein Eliteinternat, sondern eines, in dem viele Waisenkinder und arme Kinder zu finden sind.

Agota erfährt von dem Tod Stalins, 1953, da ist sie schon achtzehn Jahre alt, aber noch immer Internatsschülerin.
Stalin ist tot. Wir wissen es seit gestern Abend. Im Internat wird die Traurigkeit zur Pflicht gemacht. Wir gehen schlafen, ohne miteinander zu sprechen.
Die Trauer aufzwingen, sie ins Pflichtprogramm einbauen, wobei junge Menschen in diesem Alter sehr beeinflussbar sind, das erlebt Agota auch auf dem Internat.
Unser Klassenlehrer erwartet uns. Er sagt:"Um elf Uhr läutet die Schulglocke. Sie werden sich erheben, um eine Schweigeminute einzulegen. Bis dahin schreiben Sie einen Aufsatz mit dem Thema > Stalins Tod<. In diesen Aufsatz schreiben Sie alles, was der Genosse Stalin für Sie war. Zuerst ein Vater und dann ein heller Leitstern." (37)
Agota wird erwachsen, heiratet, bekommt ein Baby und 1956 ergreift sie aus politischen Gründen zusammen mit ihrem Mann und der kleinen Tochter die Flucht, als Ungarn von Russland dominiert wird. Sie fliehen in fremde Länder, deren Sprache Agota nicht spricht, und sie sich dadurch als Analphabetin bezeichnet, die alles wieder von vorne lernen muss.
Fünf Jahre nach meiner Ankunft in der Schweiz spreche ich Französisch, aber ich lese es nicht. Ich bin wieder zur Analphabetin geworden. Ich, die ich mit vier Jahren lesen konnte. (72)
Hier mache ich einen Punkt. Was aus der Flucht geworden ist, lest selbst.

Das Buch erhält von mir wegen der Würze in der Kürze zehn Punkte. Man konnte sich leicht in die Figuren einfinden. Das Leben der Autorin klingt sehr authentisch. Die literarische Sprache fand ich auch recht gut getroffen.
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Agota Kristof / Die Analphabetin

Klappentext
Fremd in einer fremden Sprache – und doch wurde sie zu einer der wichtigsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Nach einer wohlbehüteten Kindheit in Ungarn hatte Agota Kristof unter der kommunistischen Herrschaft zu leiden. Als ihr Vater verhaftet wurde, musste das junge Mädchen in ein staatliches Internat. 1956 floh Agota Kristof mit ihrem Mann und ihrem vier Monate alten Kind in die französischsprachige Schweiz. Dort war sie plötzlich eine Analphabetin und musste eine völlig neue Sprache erlernen

Autorenporträt
Agota Kristof, geboren 1935 in Csikvánd in Ungarn, verließ ihre Heimat während der Revolution 1956 und gelangte über Umwege nach Neuchâtel in die französischsprachige Schweiz. Als Arbeiterin in einer Uhrenfabrik tätig, erlernte sie die ihr bis dahin fremde Sprache und schrieb auf Französisch ihre...
Das Buch habe ich von meiner Buchfreundin Anne geschenkt bekommen und es gefällt mir sehr gut, den ersten gelesenen Seiten zufolge.

Das Buch ist sehr dünn. Es umfasst nicht einmal hundert Seiten. Die Schrift ist recht groß mit vielen Absätzen. Das Buch werde ich heute locker am Stück durchlesen können.

Es ist recht interessant geschrieben. Schon von der ersten Zeile an.




Samstag, 30. August 2014

Virginia Woolf / Mrs. Dalloway (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Dass Virginia Woolf so sehr die Bücher von Marcel Proust gelobt hatte, kann ich mittlerweile sehr gut nachvollziehen. Denn auch die Autorin schreibt sehr reflektiert. Sie nimmt eine ganze Gesellschaft ihres Kreises unter die Lupe und seziert sie, bildlich gesprochen …  Proust ist nicht anders. Allerdings beschränke ich mich hier nur auf ein paar wenige Figuren. 

In der Geschichte ist es nicht nur die vornehme und wohlhabende Mrs. Dalloway, die sich viele Gedanken über ihr Leben macht. Vor allem über ihr vergangenes Leben nehme ich ihre Gedanken wie eine Zeitreise in die Vergangenheit wahr. Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein.
Im Juni des Jahres 1923 bereitet Clarissa Dalloway, die Ehefrau eines britischen Parlamentsabgeordneten, eine große Abendgesellschaft in ihrem Haus in London vor. Der unerwartete Besuch von Peter Walsh, den sie seit der Ablehnung seines Heiratsantrags vor mehr als 30 Jahren nicht mehr sah, bringt Mrs. Dalloway zum Nachdenken: Hat sie damals die richtige Wahl getroffen?
Es ist auch Peter Walsh, der sich seit dem Besuch bei Clarissa Dalloway viele Gedanken über die Beziehung seiner damaligen Angebetenen und deren Ehegatten Richard macht. Beide schneiden in der Reflexion nicht besonders gut ab. Walsh bezeichnet Clarissa als ziemlich vornehm und arrogant, als kalt, herzlos und prüde. Mrs. Dalloway dagegen bezeichnet Walsh als selbstlos und dem Gerede anderer Leute nach zu urteilen sei auch er herz- und kopflos und nur mit den Manieren eines Gentlemans ausgestattet. (14f)

Befinden sich beide in der Midlife-Crisis? Beide sind Anfang bis Mitte fünfzig und kennen sich seit der Jugend. Auch wenn zwischen ihnen eine große zeitliche Leere besteht, als Walsh für mehrere Jahre in Indien zubrachte, und beide sich zu dieser Zeit nicht mehr gesehen und den Kontakt zueinander verloren hatten.  

Die Menschen werden hier von der schlechtesten Seite beleuchtet. Walsh kann nicht wirklich wahrhaben, weshalb Clarissa sich für Richard entschieden und ihn geheiratet hatte. Richard, der nichts als ein Langweiler sei, ein Konservativer, der partout nicht zu Clarissa passen würde.

Clarissa Dalloway macht mich glauben, dass sie mit ihrem gegenwärtigen Leben unzufrieden ist, und bedauert ihr Leben, trauert dem gestrigen Leben nach. Hätte sie in ihrer Jugendzeit anders gehandelt, z.B. sich für Peter Walsh entschieden statt für Richard, so glaubt sie, hätte sich ihr Leben vollkommen anders entwickelt. Aber woher weiß sie, dass ihr Leben anders gelebt besser geworden wäre als das gegenwärtig der Fall ist? Man kann diesen Fragen nicht wirklich gerecht werden …

Als Walsh Clarissa zu Hause antrifft, fand er sie in ihrer Aktivität, ein Kleid nähend, viel zu gewöhnlich. Er sei in Indien gewesen, habe dort viel erlebt … Das Nähen, eine viel zu primitive Beschäftigung in Walshs Augen, die eigentlich nicht zu Clarissa passen würde ...

Clarissa und Richard haben eine Tochter,  Elizabeth, die mittlerweile auch schon achtzehn Jahre alt ist. Walsh hat keine Kinder, und in seinen Gedankenkonstrukten diffamiert er ein wenig das junge Mädchen, ohne es wirklich zu kennen, sodass ich mir die Frage stelle, ob er nicht eifersüchtig ist, weil er kinderlos geblieben ist? Auch die Ehe sei für manche Frauen nichts anderes als ein primitiver Akt und eigentlich ist Walsh, aus meiner Sicht, nichts anderes als auch auf Richard eifersüchtig. Walsh hofft natürlich, dass Clarissa mittlerweile die Ehe mit Richard zutiefst bereut hat.

Es sind Sprünge, jede Menge Gedankensprünge … Mal bedauert Clarissa es, Walsh nicht geheiratet zu haben und dann wieder nicht. Abwertungen und Idealisierung der Personen wechseln sich ab:
Wirklich, dachte Clarissa, er ist bezaubernd! Absolut bezaubernd! Jetzt erinnere ich mich, wie unmöglich es war mich zu entschließen - und warum habe ich mich entschlossen; ihn nicht zu heiraten?, fragte sie sich … (60)
Peter Walsh blieb nicht allein, auch er heiratete eine Frau auf dem Schiff, als er auf dem Weg nach Indien war. Glücklich war auch er nicht mit seiner Partnerwahl. Nun, in den Fünfzigern, ist er erneut verliebt in eine Frau, eine sehr junge Frau, die mit einem Major schon vermählt ist. Als Clarissa von dieser Verliebtheit erfährt, ist sie wieder froh darüber, Peter doch nicht geheiratet zu haben.

Ein Auf und Ab der Gefühle? Gibt es die überhaupt in Walshs und Clarissas Leben? Sie scheinen geistig beide aus dem selben Stoff gemacht zu sein. Ich vermisse ein wenig die Empathie ...

Mir stellt sich zusätzlich die Frage, ob man die Lebenszeit nicht anders nutzen kann? Das eigene Leben bejahen, so wie es ist, und nicht, wie es vielleicht hätte sein können und das Leben, was einem noch bevorsteht, sinnvoll nutzen… Man wird sonst sich selbst und den anderen Menschen nicht wirklich gerecht.

Und nun aus der Sicht Dritter:

Miss Kilmann ist Geschichtslehrerin und ein Mensch, der religiös ist und von der Politik etwas versteht. Mrs. Dalloway sieht den Kontakt dieser Frau mit der Tochter nicht gerne, da Miss Kilmann die Tochter auch religiös beeinflussen würde. Doch Clarissa kann den Kontakt zu Elizabeth nicht verhindern, da ihr Mann Richard sie eingestellt hatte, um der Tochter Geschichtsunterricht zu erteilen. Dazu die Erfahrung Miss Kilmanns mit Clarissa Dalloway:
Mr. Dalloway, um ihm gerecht zu werden, war freundlich gewesen, Mrs. Dalloway jedoch nicht. Sie war einfach nur herablassend. Sie kam aus der wertlosesten aller Klassen - den Reichen, mit einem Halbwissen von Kultur. Sie hatten überall teure Dinge: Bilder, Teppiche, jede Menge Dienstboten. Sie war der Ansicht, dass sie ein vollkommenes Recht auf alles hatte, was die Dalloways für sie taten. (164)
Miss Kilmann kommt aus einem einfacheren Haus.Ihre Familie ist nicht reich, die Mutter arbeitet in einer Fabrik, um zu überleben. Was wissen diese versnobten Reichen schon von dem Leben ärmerer Menschen?
Miss Kilmann bedauerte und verachtete Clarissa aus tiefsten Herzen, als sie auf dem Weichensteppich stand und den alten Stich eines kleinen Mädchens mit einen Muff betrachtete. Bei all dem herrschenden Luxus, was für eine Hoffnung gab es da auf einem besseren Zustand? Anstatt auf dem Sofa zu liegen ->>meine Mutter ruht sich aus<<, hatte Elizabeth gesagt- sollte sie in einer Fabrik arbeiten, hinter einer Ladentheke stehen: Mrs. Dalloway und alle anderen feinen Damen! (165)
Miss Kilmann verachtete zwar Clarissa Dalloway, aber sie ist nicht von Hass erfüllt. Ihre Gedanken zu Clarissa sind für mich sehr wohl nachvollziehbar:
Aber Miss Kilmann hasste Mrs. Dalloway nicht. Sie richtete ihre großen stachelbeerfarbenen Augen auf Clarissa, und während sie ihr schmales rosiges Gesicht, ihren zarten Körper, ihren Ausdruck von Frische und Eleganz beobachtete, fühlte Miss Kilmann, Närrin! Einfaltspinsel! Du kennst weder Sorgen noch Freude; du hast dein Leben vertrödelt! (166)
Aus meiner Sicht, wie oben schon erwähnt, sehe ich die Charakterisierung ähnlich wie Miss Kilmann ...

Ich mache nun hier Schluss, möchte nur noch mal an Marcel Prousts Mamutthema „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ anknüpfen. Prousts Figuren, die auch alle aus höheren Klassen stammen, finden mit den Figuren dieses Buchs Ähnlichkeiten, was deren Lebensweise betreffen; Menschen, die ihr Leben nicht wirklich nutzen und die Lebenszeit mit vielen oberflächlichen Themen vertun, müssen eines Tages glauben, die verlorene Zeit suchen zu müssen. Miss Kilmanns Beschreibung passt sehr wohl dazu.
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(Matt Haig zitiert Carl Sagan)

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Annes und Mirellas gemeinsame Bücherliste

Meine Bücherfreundin Anne und ich haben unsere große SuB-Liste verglichen und festgestellt, dass wir ein paar gemeinsame Bücher mit dem gleichen Titel besitzen, die uns Anne nun alle herausgeschrieben hat.

Einmal im Monat suchen wir im Wechsel aus dieser Liste ein Buch heraus, das wir gemeinsam lesen werden. Ich selbst genieße sehr dieses Internetzeitalter, da ich in Darmstadt und Umgebung keine Bücherfreundin habe finden können. Über ein Literaturforum habe ich schließlich Anne kennengelernt. Es war nicht so, dass wir gleich Freundinnen wurden, nein, das hat ein wenig gedauert, bis wir uns näher gekommen sind. Wir ergänzten unseren Forumkontakt durch einen 14tätigen Telefonanruf. Anne kommt aus Norddeutschland, ich aus Süddeutschland, und das schätze ich am Internet, denn so ist es uns möglich, von Blog zu Blog, von Buch zu Buch zu navigieren. Das Internet kennt keine Entfernung. Wir telefonieren regelmäßig, und haben vor, noch zu Zeiten unserer gemeinsamen Lesezeit öfter zu telefonieren, damit wir uns auch verbal und nicht nur in Schriftform austauschen können.


Unser SuB-Spiel beginnen wir am ersten September 2014.

Im September fängt Anne an, das Buch auszuwählen, im Oktober bin ich dann dran ...

Ich freue mich sehr auf unser Lesespiel ...


Gelesene Bücher werden mit Fettdruck erkenntlich gemacht ...







  1. Adolf Muschg: Sax
  2. Agatha Christie: Blausäure
  3. Agatha Christie: Das Haus an der Düne
  4. Agtha Christi: Der Tod auf dem Nil
  5. Agatha Christie: Die Tote in der Bibliothek
  6. Agatha Christie: Ein Mord wird angekündigt
  7. Alex Campus: Reisen im Licht der Sterne
  8. Alexander Wolkow: Der Zaueberer der Smaragdenstadt
  9. Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz
  10. Anna-Karin Palm: Die Töchter des Malers
  11. Astrid Lindgren: Die Menschheit hat den Verstand verloren
  12. Astrid Lindgren: Kati in Amerika, Italien, Paris
  13. Astrid Rosenfeld: Adams Erbe
  14. Carla Guelfenbein: Der Rest ist Schweigen
  15. Cecilia Ahern: Der Ghostwriter
  16. Charles Dickens: Eine Geschichte von zwei Städten
  17. Christopher Morley: Das Haus der vergessenen Bücher
  18. Christopher Morley: Eine Buchhandlung auf Reisen
  19. Colin Thompson: Bücher öffnen Welten
  20. Dai Sijie: Wie ein Wanderer in einer mondlosen Nacht (***)
  21. Daniel Pennac: Wie ein Roman
  22. David Foenkinos: Charlotte
  23. David Gilmour: Unser allerbestes Jahr
  24. Donany Hans: Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gelegt
  25. Maria Duenas: Wenn ich jetzt nicht gehe
  26. Elizabeth Joy Arnold: Einundachtzig Worte
  27. Elizabeth Strout: Amy & Isabelle
  28. Erik Fosnes Hansen: Das Löwenmädchen
  29. Eric Neutsch: Spur der Steine
  30. Frances Greenslade: Der Duft des Regens
  31. Frances Spalding: Virginia Woolf, Leben, Kunst und Visionen
  32. Geraldine Brooks: Die Hochzeitsgabe
  33. Gertrud Leutenegger: Panischer Frühling
  34. Günter Grass: Katz und Maus (***)
  35. Guinevere Glasfurd: Worte in meiner Hand
  36. Hans Fallada: Der Alpdruck
  37. Hans Fallada: Der Bettler, der Glück bringt
  38. Hans Fallada: Der eiserne Gustav
  39. Hans-Jürgen Geerts: Hoffnung hinterm Horizont (Buch zu Georg Büchner)
  40. Herman Melville: Moby Dick
  41. Isabel Allende: Mein erfundenes Land
  42. Jenna Blum: Die uns lieben
  43. Jens Andersen: Astrid Lindgren-Ihr Leben
  44. John Irving: Straße der Wunder
  45. John Irving: Witwe für ein Jahr
  46. J. R. Moehringer: Knapp am Herz vorbei
  47. J. R. Moehringer: Tender Bar
  48. Jonathan Franzen: Die Korrekturen
  49. Jostein Gaarder: Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort
  50. Katharina Hartwell: Der Dieb in der Nacht
  51. Kimberley Wilkins: Der Wind der Erinnerung
  52. Kitty Sewell: Zeit der Eisblüten (***)
  53. Lawrence Norfolk: Das Festmahl des John Saturnall
  54. Malala Yousafzai: Meine Geschichte
  55. Marian Izaguirre: Als die Träume noch uns gehörten
  56. Mark Twain: Meine geheime Autobiographie
  57. Markus Walther: Beatrice / Rückkehr ins Buchland
  58. Mary Kay Andrews: Die Sommerfrauen
  59. Michael Morpurgo: Nur Meer und Himmel
  60. Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
  61. Muriel Barbery: Die Eleganz des Igels
  62. Natalio Grueso: Der Wörterschmuggler
  63. Nick Hornby: Miss Blackpool (***)
  64. Nicholas Drayson: kleine Vogelkunde Ost-Afrikas
  65. Peter Walther: Hans Fallada
  66. Peter Wawerzinek: Rabeneltern (***)
  67. Petra Oelker: Das klare Sommerlicht des Nordens
  68. Regis de Sa Moreira: Das geheime Leben der Bücher
  69. Robin Sloan: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra
  70. Sandor Marai: Wandlungen einer Ehe
  71. Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit
  72. Tracy Chevalier: Zwei bemerkenswerte Frauen
  73. Yasmina Khadra: Der Schreiber von Kolea


*** ausgeschiedene Bücher





Mittwoch, 27. August 2014

Virginia Woolf / Mrs. Dalloway

Klappentext
Im Juni des Jahres 1923 bereitet Clarissa Dalloway, die Ehefrau eines britischen Parlamentsabgeordneten, eine große Abendgesellschaft in ihrem Haus in London vor. Der unerwartete Besuch von Peter Walsh, den sie seit der Ablehnung seines Heiratsantrags vor mehr als 30 Jahren nicht mehr sah, bringt Mrs. Dalloway zum Nachdenken: Hat sie damals die richtige Wahl getroffen?


Autorenporträt
Virginia Woolf, am 25. Januar 1882 in London geboren, wuchs im großbürgerlichen Milieu des viktorianischen England auf. Ihr Leben lang litt sie unter wiederkehrenden psychischen Krisen. 1912 heiratete sie Leonard Woolf; zusammen gründeten sie 1917 den Verlag ›The Hogarth Press‹. Ihr Haus war ein Zentrum der intellektuellen »Bloomsbury Group«. Am 28. März 1941 nahm Virginia Woolf sich unter dem Eindruck der Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges und erneut bedroht von einer Verdunkelung ihres Gemüts das Leben.
Mit Virginia Woolf hatte ich mich vor mehr als zwanzig Jahren beschäftigt. Einige Bücher hatte ich von ihr gelesen, und einen Film über ihr Leben gesehen. Leider gibt es diesen Film nicht mehr. Hätte das Bedürfnis, ihn ein weiteres Mal zu sehen. Habe im Netz erfolglos alles abgesucht. Aber ich habe noch einiges in Erinnerung und ich bin der Meinung, dass in dem vorliegenden Werk, das ich gestern Abend begonnen habe zu lesen, viel autobiographisches Material zu finden ist.

Stimmen, die aus den Wänden kommen - Wahnhafte Ideen.  V. W. litt an einer wahnhaften psychischen Erkrankung. Das kam in dem Film auch super gut rüber. Viel Unterstützung fand sie bei ihrem Mann Leonard, der sie abgöttisch liebte, er aber diese Liebe oft nicht erwidert bekommen hatte.

Clarissa Dalloways Ehemann Richard weist viele Parallelen auf zu ihrem Mann Leonard Woolf. Und ich bin sicher, dass die Clarissa D. ein Teil ihres inneren Ichs entspricht. Eine stark grübelnde Persönlichkeit, stark reflektierend, die alles im Leben in Frage stellt, und alle Perspektiven auf den Kopf stellt. So war auch Virginia W.

Heute bin ich aus gesundheitlichen Gründen gar nicht zum Lesen gekommen ... Das ist aber gar nicht schlimm, da ich dieses Buch schon das zweite Mal lese. Das erste Mal liegt auch schon eine ganze Weile zurück und besitze das Buch auch zwei Mal, da ich es mir ein zweites Mal angeschafft habe, damit ich mit diesem Band das Gefühl bekomme, es das erste Mal zu lesen :-). Beide Bände unterscheiden sich lediglich an den unterschiedlichen Herausgebern.



Dienstag, 26. August 2014

Thomas Moran / Wasser trage mich (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch wies anfangs eine tolle literarische Sprache auf, die schon allein ihre zehn Punkte verdient hätte. Doch später ließ sie wieder ein wenig nach …

Ich werde mich in dieser Buchbesprechung recht kurz halten, weil schon ganz schnell alles verraten sein kann. Das Buch ist nicht so facettenreich, wie ich es von vielen anderen AutorInnen kenne.

Der Inhalt hat mir anfangs auch gut gefallen. Dann flachte es später etwas ab, da der Fokus auf eine Liebesgeschichte gesetzt zu sein schien.

Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Una Moss lebt nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern bei ihrem Großvater im südirischen Cork. Als sie eines Abends in einem Pub den Zeichner Aidan kennenlernt, scheint sie endlich eine Chance auf Glück zu haben. Doch Una ahnt nicht, dass Aidan ein Schläfer der IRA ist  .. 
Mich hat es ein wenig überrascht, dass in dem so freundlichen Irland der religiöse Krieg noch immer vorhanden ist, obwohl sich in dem Land schon so viel getan hat. Aber diese politischen Organisationen, religiöse Terroristen, teilweise schon fundamentalistisch geprägt, sowohl Protestanten als auch Katholiken, existieren bis heute noch und führen noch immer den Kampf gegeneinander aus. 

Mir kam dieser Aidan merkwürdig vor. Von Anfang an stand ich ihm misstrauisch gegenüber. Im Laufe des Geschehens fing er sogar an, mich zu langweilen.

Die Dialoge zwischen ihm und seiner Freundin Una haben sich wie Schlagertexte gelesen. Richtige schnulzige Phrasen. Davon bekomme ich Gänsehaut.

Z. B. Du bist mein Leben ... Mein ganzes Leben gehört nur dir alleine …

In eine falsche Identität geschlüpft bringt er seine Una mit diesen Liebesflosken auf falsche Fährten, doch das wollte Una nun selbst zum Schluss nicht wirklich wahrhaben, obwohl er ihr Leben existentiell in Gefahr brachte.

Ist das typisch Frau, die sich das wünscht, dass der Mann ganz alleine für sie da ist, sich für sie aufgibt? Was ist das für eine Liebe? Doch Una war leider auch eine Person, die von ihm immer wieder hören wollte, wie sehr sie von ihm geliebt wird, obwohl sie es ihm anfangs nicht leicht gemacht hatte. Aidan spürte ihr selbstsüchtiges Verlangen, und sülzte ihr das vor, was sie hören wollte. 

Una verhielt sich anfangs sexuell ihm gegenüber recht verklemmt, was auf die religiöse Erziehung zurückzuführen war.

Zumindest erfährt Una am Schluss, dass die Eltern Opfer eines terroristischen Aktes waren. Der Großvater erzog Una so, dass sie lernen sollte, nichts zu sagen, nichts zu hören, und nichts zu sehen. Und vor allem auch keine Fragen zu stellen. Jeder in Irland, auch junge Menschen, kannten sich in der Politik aus, dass das Land unterschwellig immer am Brodeln ist. Una wurde sogar von ihren Freundinnen gewarnt, bestimmte Fragen in der Öffentlichkeit besser nicht zu stellen, denn sie würde damit ihr Leben in Gefahr bringen. Im Haus ihres Großvaters wurde demnach nicht über Politik / Religion gesprochen. Ist das der Grund, weshalb Una so naiv war? Obwohl sie anfangs schon vom Auftreten her recht kritisch wirkte ... 

Lest selbst. Gerade die letzten dreißig Seiten waren hochspannend. Das Ende hatte mich erschüttert und mich stark zum Grübeln verführt.
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Für kleine Lebewesen wie uns
ist die Weite des Raums nur durch Liebe erträglich.
(Matt Haig zitiert Carl Sagan) 

Gelesene Bücher 2014: 58
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86







Montag, 25. August 2014

Thomas Moran / Wasser trage mich

Klappentext
Una Moss lebt nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern bei ihrem Großvater im südirischen Cork. Als sie eines Abends in einem Pub den Zeichner Aidan kennenlernt, scheint sie endlich eine Chance auf Glück zu haben. Doch Una ahnt nicht, dass Aidan ein Schläfer der IRA ist  ...

Autorenporträt
Thomas Moran, 1948 geboren, studierte Journalistik und bereiste als Auslandskorrespondent Europa und Asien. Sein erster Roman, "Nächstes Jahr in Sankt Vero" (The Man in the Box), von der Presse enthusiastisch gelobt, erhielt den "Stephen Crane Award for First Fiction".
Der Autor war mir bisher unbekannt. Entdeckt habe ich ihn im Oxfam-Bücherladen. Gebunden, preisgünstig und sehr gut erhalten, erworben. Das Buch wurde 2000 herausgegeben.

Lt. meiner Recherchen ist das Buch nur noch antiquarisch zu erwerben. Die Taschenbuchauflage erschien beim Dromer-Knaur Verlag. Derzeit taucht der Autor auch hier nicht mehr auf.

Die ersten hundertfünfzig Seiten habe ich schon durch. Das Buch gefällt mir recht gut. Mal schauen, wie es weiter geht.





Sonntag, 24. August 2014

Isabel Allende / Das Siegel der Tage (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Hier spricht die private Isabel Allende.

Sie erzählt viele spannende Geschichten aus ihrem Leben. Doch hauptsächlich richtet sie ihren Monolog auf die verstorbene Tochter Paula, die an einer Stoffwechselerkrankung litt und daran verstarb. Sie glaubt an die Wiedergeburt der Seele. Allende durchläuft durch den Tod ihrer Tochter eine schwere Krise, die schwerste in ihrem Leben, die sie aber übersteht, und darüber hinauswächst.

Zur Erinnerung gebe ich noch einmal den Klappentext rein:
Isabel Allende ist die Meisterin des Erzählens, und ihre vielköpfige Familie bietet einen reichen Fundus an unglaublichen Geschichten. Die Erfolgsautorin hat sie in diesem Buch, das sie an die verstorbene Tochter Paula richtet, aufgeschrieben: Liebschaften und unverhoffte Trennungen spielen eine Rolle ebenso wie zwei lesbische buddhistische Nonnen, die sich wie selbstverständlich eines elternlosen Säuglings annehmen, oder ein stoischer Buchhalter, der sich auf Befehl seiner chinesischen Mutter auf die Suche nach einer Ehefrau macht.
Man bekommt es mit vielen interessanten Persönlichkeiten zu tun. Fasziniert haben mich vor allem die Charakterzüge der Großmutter Hilda: 
Sie sprach nie schlecht über andere, suchte vor Auseinandersetzungen das Weite, ertrug klaglos anderer Leute Dummheit und konnte sich nach Belieben unsichtbar machen. (98) 
Man lernt Tong kennen, ein Chinese, der unglücklich verheiratet ist, er sich aber nicht hat scheiden lassen wollen. Auch die Frau wollte sich nicht scheiden lassen, um den bürokratischen Aufwand zu umgehen:
Tong ging stramm auf die fünfzig zu, sah aber aus wie ein junger Student, schlank, klein, mit einer Matte steifer Haare und immer in Jeans und Turnschuhen. Mit seiner Frau sprach er seit zwölf Jahren kein Wort, obwohl sie noch immer zusammen unter einem Dach wohnten, aber sie ließen sich auch nicht scheiden, weil sie ihre Ersparnisse nicht aufteilen wollten und panische Angst vor seiner Mutter hatten, einer winzigen und Furcht einflößenden Greisin, die seit dreißig Jahren in Kalifornien lebte und glaubte, im Süden Chinas zu sein. (153)
Zwölf Jahre unter einem Dach zu leben, ohne miteinander ein Wort zu wechseln, das muss ja schon eine Kunst sein.

Isabel Allende ist ein Mensch, der sehr stark auf sein Äußeres bedacht ist. Gerade mal 1,50 m groß steht sie oft auf hohen Schuhen und auch ihre Haut wirkt straff wie bei einer Dreißigjährigen. Sie ist Jahrgang 1942, also schon über siebzig. Aber man sieht ihr das nicht an.
Es ist wohl üblich, dass sich die Prominenz in Amerika liften lässt. Dazu zählt auch Isabel Allende. Aber sie wirkt keineswegs arrogant, nein, sie wirkt sehr menschlich, die offen über ihre Schwächen schreibt. Allende hat Angst vor dem Älterwerden, und so setzt sie sich immer wieder mit ihrem Alter auseinander. Sie erhält von der Mutter nützliche und weise Tipps:
>>Nimm Kalzium und Hormone<<, riet sie mir, >>damit die Knochen dich nicht im Stich lassen wie mich.<<  Sie schärft mir ein, ich solle auf mich achten, gut zu mir sein, die Stunden auskosten, die doch so schnell vorbei sind, nicht mit dem Schreiben aufhören, damit mein Geist rege bleibt, und meine Yogaübungen machen, damit ich mich bücken kann und weiterhin allein in meine Schuhe komme. Auch rät sie mir, nicht zu viel Energie in jugendliches Aussehen zu verschwenden, denn wie sehr ich sie auch zu kaschieren versuchte, man sehe mir die Jahre doch an, und nichts sei erbärmlicher als eine Alte, die als Lolita daherkommt. Kein Zaubertrick stoppt den Verfall, er lässt sich nur ein bisschen aufhalten. >>Über fünfzig macht die Eitelkeit nur noch Kummer<<, versicherte mir diese Frau, die immer als Schönheit galt. Aber mich schreckt die Hässlichkeit des Alters, und ich werde mich gegen sie wehren, solange meine Gesundheit es erlaubt; deshalb habe ich mich liften lassen, denn noch ist die Salbe, die Zellen verjüngt, nicht gefunden. (202f)
Doch es gibt auch Phasen, in denen Allende das Älterwerden sehr wohl auch konstruktiv zu betrachten weiß:
Ich erlebe das Älterwerden als eine Reise nach innen und als den Beginn einer neuen Freiheit; ich konnte bequeme Schuhe tragen, musste keine Diät mehr halten und nicht mehr der halben Welt gefallen, sondern nur noch denen, die mir wirklich etwas bedeuteten. Früher waren meine Fühler stets darauf gerichtet, männliche Schwingungen in der Atmosphäre wahrzunehmen; mit über fünfzig wurden sie welk, und heute fühle ich mich nur noch zu meinem Mann Willie hingezogen. (199)
Ich empfehle allen LeserInnen dieses oder ein anderes Buch, das ihr Leben beschreibt, bevor sie sich auf die Romane stürzen. In diesem Buch erfährt man recht viel über Allendes Romane, mit welchen Intentionen sie zustande kamen und in welcher Schreibphase sie sich gerade befand.
Ich wusste noch gar nicht, dass sie eine dreibändige Jugendliteratur schrieb, kenne nur einen Band von ihr, es existieren aber wohl noch zwei weitere, die ich mir aber nicht anschaffen werde. Die Autorin hatte für sich entschieden, nur noch Bücher für Erwachsene zu schreiben, da sie vom Verlag her so viele Vorgaben hatte berücksichtigen müssen, damit die Bücher jugendtauglich wären. Die Welt sei, wie sie sei, man müsse sie nicht beschönigen, auch vor Kindern nicht, die sehr wohl wüssten, wie es in der Welt zugehen würde.
Die Vorstellung, dass ich mit einer >>positiven Botschaft<< schreiben soll, macht mich krank. Ich sehe keinen Grund, die Kleinen zu schonen, die sowieso jede Menge Mist mitbekommen; im Internet können sie sich fette Frauen beim Geschlechtsverkehr mit Eseln ansehen oder Drogendealer und Polizisten, die einander gegenseitig in widerlicher Weise foltern. Wie naiv zu glauben, man könne ihnen über die Seiten eines Buches positive Botschaften vermitteln; damit erreicht man bloß, dass sie nicht lesen. (366f)
Isabel Allende bereist die Welt und gerät so zu ihren Buchthemen. Sie beobachtet die Menschen des jeweiligen Landes, die Kultur und sammelt Informationen und geht Recherchen nach, die für Abenteur- und für historische Romane notwendig sind. Sie schreibt also nicht einfach drauf los … Und doch entstehen viele Geschichten auch aus ihrem Unbewussten. Daraus entsteht ein Mix aus eigenen Erfahrungen, aus  Intuition, aus Recherchen und Fantasie.
Ich werde häufig gefragt, woher die Anregungen zu meinen Büchern stammen. Ich wüsste es nicht zu sagen. Auf der Reise des Lebens sammle ich Erfahrung, die in die tiefsten Schichten der Erinnerung sinken, dort Wurzeln ziehen, sich wandeln und zuweilen wie seltsame Pflanzen aus anderen Welten an die Oberfläche durchstoßen. Woraus besteht dieser reiche Nährboden des Unbewussten? Wieso werden manche Bilder zu Motiven, die uns wieder und wieder in Träumen oder im Schreiben begegnen? Ich habe mich in verschiedenen Genres bewegt und vielfältige Stoffe bearbeitet, mir kommt es vor, als würde ich in jedem Buch alles neu erfinden, selbst den Stil, aber ich tue das nun seit über zwanzig Jahren und bin nicht blind für die Wiederholungen. In fast jedem meiner Bücher gibt's wagemutige Frauen, die aus ärmlichen Verhältnissen stammen, verletzlich sind und dafür vorgesehen, ein Leben in Demut zu führen, sich jedoch dagegen auflehnen und für die Freiheit jeden Preis zu zahlen bereit sind. (363f)
Nachdem ich ein paar Bücher von ihr gelesen habe, kann ich das nur bestätigen.

Isabel Allende erlebt ihre Romanfiguren innerlich als authentisch. Sie sieht sie vor sich, als wären sie real. Und genau das ist es, was meiner Meinung nach ihre Bücher so glaubwürdig macht. Zum Abschluss noch ein letztes Zitat:
Etwa in der Mitte jedes Buches, wenn ich nicht mehr ich bin, die Frau, sondern eine andere, die Erzählerin, kann ich die Figuren auch sehen. Sie tauchen aus dem Zwielicht auf und stehen leibhaftig vor mir, ich kann ihre Stimmen hören und ihren Geruch atmen, sie überfallen mich in meinem Häuschen, drängen sich in meine Träume, bevölkern meine Tage und verfolgen mich sogar auf der Straße. Aber wenn ich mein Leben niederschreibe, ist es anders, weil die Figuren Menschen aus einer Familie sind, die leben, die ihre Vorstellungen und ihre Konflikte haben. Hier geht es nicht darum, die Fantasie anzustacheln, sondern um den Versuch, das Erlebte wirklich nachzuvollziehen. (390)
Ich beende hiermit meine Aufzeichnungen. Ich habe mich sehr wenig zu Allendes Familie, ihrer Sippschaft, wie sie es selbst nennt, bezogen, und verweise auf das Buch. Sie alle sind lesenswerte Persönlichkeiten.

Ich habe mir im Buchladen noch zwei andere Bücher bestellt, die persönlichen Inhalts sind.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Es ist klar geschrieben, die Figuren recht differenziert und authentisch dargestellt, und die Themen bzw. die vielen unterschiedlichen Geschichten stimmten mich bis zur letzten Seite neugierig.
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Für kleine Lebewesen wie uns
ist die Weite des Raums nur durch Liebe erträglich.
(Matt Haig zitiert Carl Sagan)

Gelesene Bücher 2014: 57
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86









Montag, 18. August 2014

Isabel Allende / Das Siegel der Tage

Klappentext
Isabel Allende ist die Meisterin des Erzählens, und ihre vielköpfige Familie bietet einen reichen Fundus an unglaublichen Geschichten. Die Erfolgsautorin hat sie in diesem Buch, das sie an die verstorbene Tochter Paula richtet, aufgeschrieben: Liebschaften und unverhoffte Trennungen spielen eine Rolle ebenso wie zwei lesbische buddhistische Nonnen, die sich wie selbstverständlich eines elternlosen Säuglings annehmen, oder ein stoischer Buchhalter, der sich auf Befehl seiner chinesischen Mutter auf die Suche nach einer Ehefrau macht.

Autorenporträt
Isabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima/Peru geboren. Nach Pinochets Militärputsch am 11. September 1973 ging sie ins Exil. 1982 erschien ihr erster Roman La casa de los espíritus (dt. Das Geisterhaus, 1984), der zu einem Welterfolg wurde. Der dänische Regisseur Bille August verfilmte den Roman 1993. Allende arbeitete unter anderem als Fernseh-Moderatorin und war Herausgeberin verschiedener Zeitschriften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. Ihr Werk erscheint auf deutsch im Suhrkamp Verlag.

Gelesen habe ich von der Autorin:
Das Geisterhaus
Das Portrait aus Sepia
Die Insel unter dem Meer
Die Stadt der wilden Götter
Fortunas Tochter
Mayas Tagebuch
Am besten hat mir Die Insel unter dem Meer gefallen.

Die anderen Werke waren auch alle gut.

Ich beginne heute mit dem Isabel Allende-Lese-Projekt, nach dem ich mit Carson McCullers gestern abgeschlossen habe. Das bedeutet, dass ich in mehreren Abständen alle Allende-Bücher lesen werde, die ich habe und die in meiner Anschaffung noch fehlen.