Sonntag, 12. August 2012

Hans Fallada / Wolf unter Wölfen (1)

Erste Buchbesprechung der o. g. Lektüre 

Nun habe ich das Wochenende gut genutzt, schon mal 260 Seiten in dem Buch gelesen zu haben, auch wenn ich noch einen riesen Berg vor mir sehe.

Allerdings packt mich das Buch nicht so sehr wie die anderen Werke, die ich von Fallada gelesen habe. Ich werde mit vielen der Figuren nicht wirklich warm und betrachte diese eher mit einer ungewöhnlich großen inneren Distanz, zumal ich nicht auf jede Persönlichkeit eingehen werde. 

Am meisten beschäftigt mich der Protagonist des Romans, namens Wolfgang Pagel, genannt Wolf... . Ein junger Mann von 24 Jahren. Er leidet unter einer Spielsucht, mitten in der Inflation in dem Nachkriegsdeutschland des ersten Weltkriegs, und die Summen, um die es dort geht, dreht sich mir ja schon der Kopf... . Komme später darauf näher zu sprechen... . Bei Fallada ist es schon fast normal, dass in seinen Büchern meist Figuren mit einer "Geisteskrankheit" auftreten. Ich passe mich der Ausdrucksweise des Autors an, selbst wenn meine Ansicht dazu eine andere ist, denn als Geisteskrankheiten nennt er psychische Leiden, was zu der damaligen Zeit Usus war ... .

Ich habe woanders schon geschrieben, dass Menschen, die eine Wirtschaftskrise und die Inflation überlebt haben, Lebenskünstler waren... . Unvorstellbar, dass eine Stange Brot zehntausend Mark kostete. Und die Gehälter wurden sehr unpünktlich ausgezahlt, wenn überhaupt:

Der Staatsgerichtshof verurteilte eine Prinzessin wegen Begünstigung des Hochverrats und Meineid  zu sechs Monaten Gefängnis - aber der Dollar steht auf vierhundertvierzehntausend Mark gegen dreihundertfünfzigtausend am dreiundzwanzigsten Am Ultimo, in einer Woche, gibt es Gehalt - wie wird der Dollar dann stehen? Werden wir uns zu Essen kaufen können? Für vierzehn Tage? Für zehn Tage? Für drei Tage? Werden wir Schuhsohlen kaufen, das Gas bezahlen können, das Fahrgeld-? Schnell, Frau, hier sind noch zehntausend Mark, Kauf was dafür. Was, ist gleichgültig, ein Pfund Mohrrüben, Manschettenknöpfe, die Schallplatte-oder einen Strick, uns aufzuhängen… nur schnell, Lauf, rasch-!

Wolf pflegt eine Beziehung zu einem jungen Mädchen, die Petra Ledig heißt. Doch Wolf kann sich nicht mit dem Namen Petra anfreunden, da ihm der Name zu biblisch sei und ihn an Petrus erinnern lässt und deshalb nennt er seine Freundin einfach Peter. :D Petra lässt ihn gewähren, und überhaupt stellt sie keinerlei Ansprüche an die Beziehung oder an Wolf selbst. Mit dem Nachnamen Ledig kann er sich sehr wohl anfreunden und ist auch der Meinung, dass sie auch so bleiben könne. Daraus geht hervor, dass Wolf sein Mädchen nicht wirklich liebt, was auch an anderen Textstellen bestätigt wird, mir aber noch ein wenig fraglich ist, was er mit dem Mädchen letztendlich will. Wolfgang Pagel stammt aus einer wohlhabenden Familie, die so wohlhabend ist, dass sie auch der Inflation zu strotzen weiß, während viele andere Menschen Hunger leiden müssen, so auch seine Freundin Petra Ledig.

Petra zeigt Wolf gegenüber wenig Selbstbewusstsein, da sie alle Menschen, die wohlhabend sind, als die klügeren und als die besseren Menschen betrachtet:

Es kam ihr immer wie ein Märchen vor, dass sie, eine kleine Verkäuferin, ein uneheliches Kind, das gerade am Versacken gewesen war, in solche Häuser gehen durfte, in denen die gebildeten Menschen saßen, die sicher nie etwas erfahren hatten von all dem Schmutz, den sie so genau hatte kennenlernen müssen. Allein hätte sie sich nie hierher gewagt, obwohl ihr die-Stumm geduldeten - Elendsgestalten an den Wänden bewiesen, dass hier nicht nur Weisheit gesucht wurde, sondern auch Wärme, Licht, Sauberkeit und eben das, was auch eher aus den Büchern aufstieg: feierliche Ruhe.

Petra Ledig fängt nun auch an, sich für Bücher zu interessieren und lässt sich von Wolf gerne erzählen, aus welchem Buch er gelesen hat. Petra möchte von ihm geliebt werden und nicht nur des Körpers wegen, sondern hauptsächlich wegen ihrer Wesensart. Oft ist sie in Gedanken versunken und äußert daraufhin ihrem Freund, dass sie so schrecklich dumm sei:

"Ich lerne und ich lerne auch gar nichts! Ich werde ewig dumm bleiben!"  
Aber auch dann wieder lachte er nicht über solchen Aufruf, sondern ging freundlich ernst darauf ein und meinte, im Grunde sei es natürlich ganz egal, ob man wisse, wie Käse gemacht werden. :D :D :D. Denn so gut wie der Käsemacher lerne man es doch nie wissen. Dummheit sei, wie er glaube, etwas ganz anderes. Wenn man sich nämlich sein Leben nicht einzurichten wisse, wenn man nicht aus seinen Fehlern lerne, wenn man sich immer wieder unnötig über jeden Dreck ärgere und wisse doch ganz genau, in zwei Wochen sei er schon vergessen, wenn man mit seinen Mitmenschen nicht umgehen könne - Ja, all dies, erscheine ihm recht Dummheit. 
Interessant fand ich, als Wolf seine Mutter als Beispiel erwähnt, die recht spießige Lebensansichten pflegt, die hauptsächlich gegen Menschen gerichtet sind, die entgegen ihrer Vernunft in ihr Leben treten:

Ein wahres Musterbeispiel sei seine Mutter, die, soviel sie auch gelesen und erfahren habe und so klug sie auch sei, ihn nun glücklich mit lauter Liebe und Besserwissen und Gängeleien auf dem Haus getrieben habe, und er sei doch wirklich ein geduldiger, umgänglicher Mensch (Sagte er.) Sie, Petra, dumm-? Nun, sie hätten sich noch nicht einmal gestritten, und wenn sie auch oft kein Geld gehabt hätten, schlechte Tage hätten sie darum doch nicht gehabt und grimmige Zornesmienen auch nicht. Dumm-?! Was Peter denn meine? Natürlich genau das, was Wolf auch meinte! Schlechte Tage? Grimmige Miene? Sie hatten die allerherrlichste Zeit von der Welt miteinander gehabt, die schönste Zeit ihres ganzen Lebens-schöner konnte es nun überhaupt nicht mehr werden! Im Grunde war es ihr ja auch ganz egal, ob sie dumm oder ob sie nicht dumm war (klug kam trotz all seiner Erklärung nicht in Frage), solange er sie nur gerne hatte und ernst nahm.

Ein Fünkchen Wahrheitskern steckt wohl in dem oben genannten Zitat, aber nur ein Fünkchen. Petra ist gar nicht fähig, ihren Wolf zu sehen wie er ist. Die Liebe zu ihm führt sie in die Abhängigkeit, so dass sie alles an ihm duldet, sogar die Spielsucht, mit dem Ziel, dass er ja nur bei ihr bleibt. Eigentlich auch eine recht labile Persönlichkeit... .

Petra Ledig wird in dem Mutterhaus ihres Freundes alles andere als geduldet. Wolf sucht den Kontakt zu seiner Mutter nur noch sporadisch auf. Doch in dem Elternhaus wird trotzdem zu jeder Mahlzeit für Wolf miteingedeckt. Den Vater gibt es schon lange nicht mehr, er ist früh verstorben. Doch Wolf ist immer verschuldet. Er verspielt das ganze Geld, sogar die Kleider von Petra werden eingelöst und so bleibt Petra fast nackt in dem Zimmer zurück und wartet auf ihn... . 

In dem Haus seiner Mutter lebt seit zwanzig Jahren auch eine Bedienstete, Minna, die sehr gut die familiären Verhältnisse dort durchschaut. Es folgt nun ein Zitat, das mich hat ein wenig schmunzeln lassen, aus dem Gespräch zwischen Minna und Wolfs Mutter:

"Der junge Herr" meinte Minna, "hat es immer zu leicht gehabt. Er hat keine Ahnung, wie ein armer ein Mensch Geld verdient. Erst haben Sie ihm alles leicht gemacht, gnädige Frau - und jetzt tut es das Mädchen. Manche Männer sind so - das ganze Leben brauchen sie ein Kindermädchen - und es ist komisch, sie finden auch immer eins."

Um an Geld zu kommen, verkauft Wolf ein Gemälde aus der Familie, dass er sich bei der Mutter erpresst hat. Der Kunsthändler, der bekannt ist in Wolfs Familie und er alle Gemälde des Hauses kennt, wundert sich über den Verkauf des wertvollen Kunstobjektes. Doch Wolf hakt ein, dass man ohne Bilder sehr wohl leben könne aber nicht ohne Geld :D. Auch hier, so finde ich, steckt wieder eine große Portion Ironie.

Szenenwechsel:

Wir befinden uns in einer Strafheilanstalt, in der die Häftlinge heftig protestieren, weil sie schlecht versorgt werden. Das Brot ist hart und  ungenießbar. Mehr bekommen sie nicht zu essen. Unangemeldeter Besuch eines Reporters, jemand von der Sozialdemokratischen Pressekonferenz, der die Absicht hat, die Häftlinge darüber zu interviewen, ob sie mit Lebensmitteln ausreichend versorgt werden. Der Direktor versucht sich zu rechtfertigen in der Form, dass die Einrichtung nur mit minderwertigem Mehl beliefert werde, und sie keine andere Möglichkeit habe, Vollwertbrot  herzustellen. Doch der Reporter lässt nicht locker:

Direktor: "Ich kann es nicht ändern, das Brot ist nicht gut - aber was soll ich machen?! Unsere Verpflegungssätze hinken um vier Wochen hinter der Geldentwertung drein. Ich kann kein vollwertiges Mehl kaufen - was soll ich tun?!"
"Anständiges Brot liefern. Schlagen Sie doch Krach im Ministerium. Machen Sie Schulden für die Justizverwaltung, alles gleich - die Leute sind nach Vorschrift ausreichend zu beköstigen."
"Jawohl", sagte der Direktor bitter. "Ich riskiere Kopp und Kragen, damit meine Herren genug zu Essen haben. Und draußen hungert das unbestrafte Volk, was?" 

In dem letzten Satz steckt doch eine große Portion Ironie. Schließlich macht die Inflation ja nicht vor den Kerkertüren halt. Und es ist doch ein wenig makaber, dass es Gesetze gibt, die vorschreiben, dass die Häftlinge ausreichend versorgt werden müssen, während die Menschen draußen Hunger leiden. Ich wage mir kein Urteil zu bilden, weiß selbst nicht, was richtig und falsch ist, aber mir geht es um die Ironie, die ihre Berechtigung hat. Könnte eine Regierung auch für das gesamte Volk einstehen, vor allem für die, die wenig haben, fände ich das noch ein bisschen gerechter. Ich habe Verständnis für die Häftlinge, aber auch Mitleid für das hungernde Volk... .

Interessant finde ich auch die Romanfigur namens Baron von Bergen. Eine stark vom  Krieg gezeichnete traumatisierte Persönlichkeit, der mit dem Paragraphen 51 in einer psychiatrischen Heilanstalt geschlossen untergebracht ist. Baron von Bergen bezeichnet sich selbst als geisteskrank, auf mich macht er ein wenig den Eindruck eines Paranoikers. Er ist aus der Heilanstalt geflohen, geht in ein Hotel, und geißelt ein paar Leute hinter verschlossener Hoteltür und zwingt diese, in Übermaß Kognak zu konsumieren, sonst würde er sie erschießen. 

Wer nicht trinkt wird erschossen. Ich habe den Paragraphen 51, mir passiert nichts. Ich bin der Reichsfreiherr Baron van Bergen. Kein Polizist darf mich anfassen. Ich bin geisteskrank.-Trinkt! (…) Ich konnte das Schießen im Felde nicht vertragen, alle schossen immer nur auf mich. Seitdem schieße ich allein.-Trinkt!"


Interessant fand ich auch die Ansicht vieler zurückgekehrter Soldaten, die sich ein wenig als Helden feiern, auch wenn der Krieg als verloren galt und sie andere Kameraden eher verachten, die "Nie wieder Krieg" rufen. Sie werden als Feiglinge, als Drückeberger und als Verräter beschimpft. Es ist nicht so, dass jeder Mann, der aus dem Krieg zurückgekehrt ist, zu einem Pazifisten wird. Das war bei Remarque so, und auch bei Borchert. Nein, es gibt viele Soldaten, die immer wieder zurück in den Krieg marschieren würden, und sie würden immer wieder von neuem töten, töten, töten... . 
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Mittwoch, 8. August 2012

Hans Fallada / Wolf unter Wölfen


Klappentext

 Der große Epochenroman

Auf dem Höhepunkt der Inflation: Drei ehemalige Soldaten versuchen im hektischen Berlin und auf dem Rittergut Neulohe trotz rasender Geldentwertung ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. – Hans Fallada hat den Roman über die Schrecken der Inflation geschrieben, eine epische Chronik jener dramatischen Zeit, in der viele ihr Glück suchten, aber nur wenige es fanden.

»Eine raffinierte Reportage, bestechend in ihrer Schilderung menschlicher Abgründigkeiten.« Der Spiegel


Autorenporträt im Klappentext

RUDOLF DITZEN alias HANS FALLADA (1893–1947), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit "Der junge Goedeschal“. Der vielfach übersetzte Roman "Kleiner Mann – was nun?" (1932) machte Fallada weltberühmt. Sein letztes Buch, „Jeder stirbt für sich allein“ (1947), avancierte rund sechzig Jahre nach Erscheinen zum internationalen Bestseller. Weitere Werke u. a.: »Bauern, Bonzen und Bomben« (1931), »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937), »Der eiserne Gustav« (1938). »Alles in meinem Leben endet in einem Buch.«

Ich habe alle Fallada-Bücher bei mir zu Hause liegen, da ich ein großer Fan von ihm bin. Ähnlich wie bei Remarque schätze ich auch bei ihm so sehr die Menschlichkeit, auch wenn Fallada nicht über eine akademische Schriftsprache verfügt... . Seine Bücher sind trotzdem recht anspruchsvoll, geprägt von einer hohen und sensiblen Beobachtungsgabe... . Ich habe schon einige Bücher von ihm gelesen aber einige eben noch nicht.

Das vorliegende Buch ist ein Mammut-Werk, das aus ganzen 1243 Seiten besteht. Dicke Bücher schaffe ich von meiner Konzentration her hauptsächlich nur in meiner Freizeitt. Aktuell habe ich nur noch zwei Arbeitstage vor mir, dann habe ich drei Wochen Urlaub, so dass ich mich getrost schon langsam in die Lektüre einlesen kann.

Sicherlich werde ich aus dem Buch mehrere Buchbesprechungen abhalten. Bei den Klassikern gibt es für mich immer so viel zu sagen... . Entweder weil der Schreibstil so toll ist, oder weil gewisse Textpassagen betroffen machen, und ich diese gerne festhalten möchte.

Nun habe ich heute Morgen im Bus ein paar Seiten gelesen und denke, dass ich gut in die Thematik hineinkommen werde.

Alles weitere folgt in den nächsten Tagen, spätestens am kommenden Wochenende in meiner Buchbesprechung!

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Dienstag, 7. August 2012

Sarah Kuttner / Mängelexemplar (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe soeben das Buch zu Ende gelesen, und man kann es nicht als ein literarisches Werk im herkömmlichen Sinne bezeichnen, wohl eher als ein Erlebnisbericht der Autorin, wie ich durch Nachforschungen herausfinden konnte.  Eine Art Autobiografie. Die Autorin spricht von ihrer psychischen Erkrankung  - Depression - , Angst- und Panikattacken, aus ihrer eigenen Betroffenheit heraus und über ihre Bewältigungsmechanismen, aber getarnt als die 27jährige Erzählerin namens Karol, die aus der Ich-Perspektive spricht. Man erfährt, wie die Krankheit ausgebrochen ist, und über den (kritischen) Umgang mit den verabreichten Medikamenten, und am Schluss ist offen geblieben, ob sie von ihrer Erkrankung geheilt wurde oder nicht... , aber man kann sich den Verlauf weiter denken. Positiv zu lesen war allerdings, dass die Ängste und die Depression mit Hilfe des Antidepressivums in den Griff zu bekommen waren, allerdings erlitt Karol Rückschläge, nachdem das Medikament wieder abgesetzt wurde... . 

Die Sprache ist recht salopp, einfach und witzig geschrieben, dass ich nebenbei mit meinen Gedanken zweigleisig fahren konnte. Ich konnte das Buch lesen und gleichzeitig anderen Gedanken nachhängen, ohne vom Inhalt etwas verpasst zu haben :D. Doch, das geht... .  Ist ja manchmal ganz gut, zur Abwechslung auch etwas Seichtes zu lesen... . 

Einige Dinge in dem Buch waren mir zu überspitzt ausgedrückt und manches nicht wirklich überzeugend genug... . 

Die Therapeuten und Ärzte waren immer verfügbar, sobald  Karol diese benötigte. Und hier sage ich Vorsicht, in der Realität sollte man nicht die gleiche Erwartung hegen, denn sonst tut man diesen Psycho-Profis einfach nur Unrecht und selbst ist man enttäuscht... . Sie können nicht immer verfügbar sein, sind selbst nur Menschen... Die Psychologin verteilt Rescue - Tropfen an ihre Patienten, die sie als Homöopathie bezeichnet, obwohl es Bachblüten sind und so viel ich weiß, dürfen Psychologen solche Verabreichungen gar nicht vornehmen... , aufgrund der Gefahr von Unverträglichkeit bei den Patienten, so können sie im schlimmsten Fall deswegen sogar belangt werden... . 

In der zweiten Stunde ist die Psychologin mit der Patientin schon beim "Du", nachdem sie es ihr angeboten hatte, und Karol, zwar etwas verdutzt erst, sie das Du schließlich angenommen hatte. Auch das ist nicht wirklich realistisch, denn Therapeut und Patient benötigen mindestens fünf Stunden (Probatorische Sitzungen), um sich besser kennenzulernen (Aufbau einer Vertrauensbasis), und um zu entscheiden, ob eine Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Patient vorstellbar ist. Das "Du" in einer Psychotherapie, und schon gar nicht in der zweiten Stunde, finde ich arg gewagt und nicht wirklich professionell... . Aber man weiß nicht, was an dem Buch wahr ist und was dazu gedichtet wurde... .

Karol stürzt sich von einer Beziehung in die nächste. Sobald sie mit einem Mann näher zu tun hat, lässt sie sich gleich wieder auf eine Beziehung ein, ohne die letzte wirklich verarbeitet zu haben. Sie spricht zwar über die Erlangung von mehr Selbstständigkeit, doch meiner Meinung nach schafft sie es nicht wirklich, es mir sich alleine auszuhalten, wenigstens für eine bestimmte Zeit, bis die letzte in die Brüche geratene Beziehung verarbeitet ist. Und ich fragte mich, ob sie nicht irgendwelche Ansprüche an den Partner hat, dass sie so schnell wieder in die Arme eines Mannes fällt... . Und ihre Therapeutin und Psychiater loben sie auch  noch für die neue Beziehung... . 

Allerdings ist Karol ziemlich reflektiert, mit Witz und Humor nimmt sie sich selbst oft auch auf die Schippe. Ich habe mich amüsiert bei dem Begriff so sind wir jungen Konservativen. Sicherheitsbedürftig, faul und feige, als es darum ging, sich von ihrer unglücklichen Partnerschaft zu trennen:

Jeder von uns denkt regelmäßig an Trennung, keiner hat den Arsch in der Hose. Ich denke, wir haben einfach Angst, allein zu sein. Lieber eine Beziehung mit Streit und fehlenden gemeinsamen Interessen als keine Beziehung. (2012, 20)


Karol litt nicht nur an negativen Gefühlen., sondern auch in glücklichen Situationen baute sich in ihr emotionaler Stress auf, was sich bei vielen psychisch kranken Menschen  beobachten lässt. Viele leiden bei besonders guten Erlebnissen sogar unter Schlafstörungen :D, dies nicht nur bei Karol:

Gefühle sind Stress. Natürlich ist man sich einig, dass Trauer, Schmerz und Enttäuschung sehr, sehr schlimm sind. Das weiß jeder. Aber auch Glück ist anstrengend. Ich finde nichts frustrierender, als neben einer auserwählten Person zu liegen und das Bedürfnis zu haben, ihr so nah wie möglich zu sein. Man kann sich umarmen und festknoten, bis man schwarz wird, man hat immer das Gefühl, noch näher sein zu wollen. Das so genannte In - den - Partner - reinkriechen - Wollen. Aber man kann nun mal, von bestimmten Sexualpraktiken abgesehen, nicht in den Partner rein kriechen. Man wird nie nah genug sein. (2012, S.16)
Dies fand ich eine schöne Textstelle, drückt eigentlich auch gleichzeitig so richtig gut dieses unstillbare Bedürfnis nach Nähe aus bei Menschen wie Karol.

Karol hat auch eine gute Psychiaterin, die versucht, ihr ihre psychischen Probleme bildlich darzustellen, in der Form, dass ein ausgeglichenes Leben sich auf fünf Säulen stützt:

Familie, Liebe, Wohnung, Beruf und Freunde. Brechen mehrere Säulen auseinander, so verursacht dieses Auseinanderbrechen dann quasi das Ungleichgewicht in der Psyche, so dass im schlimmsten Falle betreffende Personen daran erkranken können, was bei Karol der Fall ist, die zudem auch ihren Job verloren hat, und die Miete monatlich von ihrer Großmutter bezahlt bekommt.

Hier mache ich nun Schluss, und verweise auf das Buch, da ich nicht mehr verraten möchte.

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Montag, 6. August 2012

Sarah Kuttner / Mängelexemplar



Klappentext

Karo lebt schnell und flexibel. Sie ist das Musterexemplar unserer Zeit: intelligent, selbstironisch, liebenswert. Als sie ihren Job verliert, ein paar falsche Freunde aussortiert und mutig ihre feige Beziehung beendet, verliert sie auf einmal den Boden unter den Füßen. Plötzlich ist die Angst da."

Autorenportrait im Klappentext

 Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen ›Sarah Kuttner – Die Show‹ (VIVA) und ›Kuttner.‹ (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD, zuletzt war sie dort mit ›Kuttners Kleinanzeigen‹ und ›Ausflug mit Kuttner‹ zu sehen. Aktuell moderiert sie auf ZDF.neo ihr neues Großstadtmagazin ›Bambule‹. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Sarah Kuttner lebt in Berlin.

Die Autorin ist mir unbekannt, mal sehen, was sie mir bringen wird... . Entdeckt habe ich das Buch in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung, die für mich die reinste Fundgrube ist. 


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Sonntag, 5. August 2012

Téa Obreht / Die Tigerfrau (1)

 



Eine kurze Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Die letzten Seiten spare ich mir zu lesen, da ich keinen wirklichen inneren Bezug zu dem Buch oder vielmehr zu den Literaturfiguren finden konnte, und ich mir sicher bin, dass das daran liegt, weil ich die Kultur aus dem ehemaligen Jugoslawien zu wenig kenne... . Zu viele Szenen von Aberglauberei, dem die junge Autorin sicher selbst kritisch gegenübersteht, weshalb sie solche magischen Themen in ihrem Buch thematisiert. Ausgegrabenen Toten werden die Beine amputiert, damit sie nicht mehr laufen können, um den Lebenden ihre Krankheiten zu überbringen :D. 

Die Erzählerin in dem Roman ist Natalia, die auch viel von ihrem verstorbenen Großvater berichtet, doch auch diese Beschreibung kommt mir irgendwie nicht authentisch genug rüber... . Die Tigerfrau tritt mir auch viel zu schwach auf, einfach auch nur, weil viel über die Protagonisten erzählt wird, als dass man selbst an bestimmten Handlungen dabei sein könnte... . Für mich alles Scheinwesen... .

Und den Mann, der nicht sterben kann, fand ich erst interessant, aber dann habe ich schon wieder den inneren Bezug zu ihm verloren... . Mir sind in dem Buch einfach zu viele Hauptpersonen... .

Der Balkan-Krieg wird meiner Meinung nach auch viel zu schwach dargestellt oder gar behandelt... .

Aber keine Sorge, bei http://www.perlentaucher.de hat das Buch eine recht gute Kritik erhalten... :D

Habe auf einer anderen Literaturseite gelesen, dass die Autorin mit Gabriel Garcia Marquez verglichen wurde. Nun, da auch er nicht zu meinen Favoriten zählt, wundert es mich nun gar nicht mehr, weshalb ich auch mit diesem Buch nicht klar kam. Bei Marquez waren mir die Figuren auch nicht greifbar genug... .  Von Marquez habe ich zwei Bücher gelesen, und das waren dann auch für mich die letzten beiden... .
 

Die Tigerfrau ist das zweite Buch in diesem Jahr, das ich nicht bis zur letzten Seite durchgehalten habe... . Das erste Buch war von Marcel Proust, BD 4 von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Freitag, 3. August 2012

Téa Obreht / Die Tigerfrau

 

Klappentext

Natalia arbeitet in einem Waisenhaus irgendwo in Südosteuropa, als sie vom rätselhaften Tod ihres geliebten Großvaters erfährt. Nach Erklärungen suchend, erinnert sich die junge Ärztin an jene Geschichten aus seinem Leben, die sich um zwei seltsame, fatale Gestalten drehen – die Tigerfrau, eine schöne Taubstumme in seinem Heimatdorf, die einen geflüchteten Tiger pflegte; und einen charmanten, obskuren Mann, der nicht sterben kann. Während Natalia auf den Spuren des Großvaters durch idyllische und kriegsverwüstete Landschaften reist, werden ihr diese Figuren immer gegenwärtiger. Bald entspinnt sich ein ganzer Kosmos an Mythen und Gestalten, und Natalia begreift, welche Wahrheit über die Lebensrätsel ihrer Familie und ihre versehrte Heimat in ihnen steckt …



Autorenportrait im Klappentext

Téa Obreht, geboren 1985 in Belgrad, lebt seit ihrem zwölften Lebensjahr in den USA. Dort veröffentlichte sie erste Erzählungen u.a. im "New Yorker", in "Harper‘s" und der "New York Times". Ihr Debütroman "Die Tigerfrau" (2011), der in den USA und England zu einem sensationellen Überraschungserfolg wurde, erscheint in mehr als dreißig Sprachen. Im Sommer 2011 erhielt Téa Obreht den Orange Prize for Fiction, im Herbst wurde "Die Tigerfrau" für den National Book Award nominiert.


Auf das Buch wurde ich durch ein Literaturforum aufmerksam. Habe gestern Abend schon ein paar Seiten gelesen, und ich denke, dass es mich ansprechen wird. Außerdem bin ich immer neugierig, neue AutorInnen kennenzulernen.

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Donnerstag, 2. August 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe das Buch heute Morgen auf meinem Dienstweg im Bus zu Ende bekommen. Was es doch für Vorteile hat, kein Auto zu fahren... . 

Mir hat das Buch, eine Denkschrift, ein Plädoyer, sehr gut gefallen, und freue mich, dass ich Remarque richtig eingeschätzt habe. Remarque geht es einzig und allein um die Menschlichkeit, um die Würde des Menschen... . Beides verliert der Soldat im Krieg. Menschlichkeit und die Würde... . 

Kaum dass ein junger Mann erwachsen geworden ist, steht er an der Front und wird mit dem Gräuel eines Krieges konfrontiert:

Bildet euch nicht ein, dass Deutschlands Jugend aus Patriotismus, für "Kaiser und Reich", stirbt und leidet. Das fegt nur aus eurem Herzen heraus. :D Patriotismus haben nur Kriegsgewinnler und Reklamierte! Außerdem ist der Patriotismus, mit dem ihr die Zeitungen füllt, Anzeichen von Heldentum, und kein Zeichen freien Geistes. Ist das denn eine Tat, wenn ich für eine absurde Idee, für eine Dummheit von Staatsmännern, für einen Menschen, dem Geburt und Angewohnheit, die ich längst nicht gutheiße, eine Stellung gaben, mein Leben wage und gebe? Ist dieser Krieg nicht eine totale Verkehrung der Natur? Eine Minderheit diktiert, befiehlt der großen Mehrheit: Jetzt ist Krieg!
Remarque war erst achtzehn Jahre alt, als er im ersten Weltkrieg an den Händen und am Hals durch Granatsplitter schwer verwundet wurde, so schwer, dass Remarque, der eine Musikerkarriere anstrebte, seine beruflichen Ziele in dieser Richtung aufgeben musste. Der Krieg hatte ihn dermaßen geprägt, dass er zu einem Pazifisten geworden ist, und zwar zu einem militanten :D. Eine gewisse Ironie steckt in dieser Bezeichnung...

Gestern hatte ich eine lange Aussprache mit einem Kameraden, (…). Was mir bis dahin unbestimmt vorgeschwebt hatte, bekam festere Gestalt. Nämlich der Gedanke, die Jugend Deutschlands, diese prachtvolle, stahlharte Jugend aufzurufen nach dem Kriege zum Kampfe gegen das morsche und faule und oberflächliche in Kunst und Leben. (…) Sturm gegen veraltete Erziehungsmethoden, (…) Kampf für bessere Lebensbedingungen des Volkes, Bodenreform, vor allem Kampf gegen die drohende Militarisierung der Jugend, gegen den Militarismus in jeder Form seine Auswüchse. (…) Vor allen Dingen: Streben nach innerer Wahrheit und Ernst in allen Dingen, Kampf gegen Kleinigkeiten niederes unter allen Umständen.

Remarque spricht auch oft von einer Gewissensbildung, denn mit einem dumpfen Gewissen ist der Mensch nicht mehr sensibilisiert genug gegen Unrecht und Leid...  . Gewissensbildung auch noch nach dem Kriege. Sich mit diesen Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen, statt diese schnell zu vergessen... , nur so könne der Mensch aus der Geschichte lernen. Ich denke dabei auch an Alexander Mitscherlich, der das Buch geschrieben hat: "Die Unfähigkeit zu trauern". Auch er schrieb ähnliches: Wenn der Mensch unfähig ist zu trauern, besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt... . Aus Remarques Bücher geht deutlich hervor, dass die zurückgekehrten Soldaten unter dem Erwartungsdruck der Gesellschaft standen. Trauer war nicht erlaubt... . Der zurückgekehrte Soldat befand sich mit seiner Trauer und mit seinen zahlreichen Verlusten allein... .


Auch Familienmitglieder Remarques wurden von dem Krieg bedroht und tödlich getroffen. Im zweiten Weltkrieg wurde Remarques Schwester von den Nationalsozialisten wegen des Widerstandes mit einem Handbeil hingerichtet. Remarque selbst wurde von den Nazis ausgebürgert, er lebte in der Schweiz, wo er aufgrund seiner Popularität ohne Bedrohung leben konnte, während seine geschiedene Frau, die ebenfalls ausgebürgert und staatenlos war, aus der Schweiz ausgewiesen worden wäre, hätte Remarque sie nicht ein zweites Mal geheiratet, um sie vor der Ausweisung zu schützen. Er hatte hier eine richtig gute Tat begangen.

Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, dies dementiert Remarque in seiner Denkschrift vehement, nach dem die Konzentrationslager nach Kriegsende aufgelöst wurden:

"Das Volk der Dichter und Denker, dass es niemals war, - das Volk der Mörder und Henker"-

In der Nachkriegszeit, Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, warf Remarque den Kriegsländern vor, nichts von den Kriegskatastrophen gelernt zu haben, da weiterhin Waffen erfunden und  produziert werden würde ... 

Die Welt liegt weder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann.- Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan worden als in unserer Zeit.

 Remarque stellt sich oft die Frage, wie Menschen vom Krieg abgeschreckt werden könnten... . Er selbst hegt keinerlei Rachegefühle gegen die Feinde  des Landes, stattdessen aber ruft er: "Nie wieder."
Remarque hegt idealistische Ansichten, und wendet sich mit seinem Appell an die Jugend, und an die Institution Schule, um so viele junge Leute wie nur möglich ansprechen zu können:

Unterricht und Geschichte muss nicht auf die Nation begrenzt werden wie bisher, sondern auf internationale Geschichte erweitert werden, um die Abhängigkeit aller Länder voneinander und damit das Verbrechen des Krieges unter zivilisierten Nationen aufzuzeigen. Die Jugend braucht Helden, aber es gibt genug Helden in der Wissenschaft, der Medizin, Helden des persönlichen Opfers für menschlichen Fortschritt, der Erforschung der Welt, selbst im Sport, um die Generale zu ersetzen. Die schrecklichen Verluste in den Kriegen sollten betont werden - die Verluste an menschlichem Leben, andererseits, durch Zerstörung von Kunstwerken, an nationalem Einkommen etc. Es sollte gezeigt werden, dass, wenn das Geld, das für die Kriege ausgegeben wurde, stattdessen in Fortschritt, Zivilisation und vorrangig tätig investiert worden wäre, die Welt leicht zu etwas wie ein Paradies sein könnte.
Man sollte das mit Tabellen und Fakten untermauern. Man sollte beweisen, dass in einer Zeit, wo ein Flugzeug in wenigen Stunden alle europäische Grenzen überqueren kann, kein Konflikt zwischen europäischen Nation so unlösbar sein kann, dass sie einen Krieg mit seinen Schrecken rechtfertigt. Es sollte gezeigt werden, dass ein zukünftiger Krieg selbst diesen letzten zu einem Kinderspiel machen würde; dass ganze Länder und Völker zerstört werden würden und dass sich ein Krieg noch nie ausgezahlt hat - nicht einmal für den Sieger.

 Remarque selbst hatte mit einer Ausbildung zum Volksschullehrer begonnen, an der er allerdings scheiterte, weil er mit den Vorgaben und mit den veralteten Erziehungsmethoden alles andere als zurecht kam. Er sträubte sich gegen konservative Hierarchien und deren Lehrpläne.

Aus dem Buch geht auch hervor, dass Remarques Bücher keine Erfindungen seien, sondern alles Erlebnisse, die er in seinen Büchern verpackt hat. Er schrieb keine Kriegsbücher, stattdessen schrieb er für die Menschlichkeit. Obwohl aus seinen Büchern schwere Kriegserlebnisse hervorgehen, ist Remarque alles andere als ein Pessimist.

Der Mensch ist gut, trotz allem. Sonst wäre die Atombombe die einzige Lösung.

Mit diesem Zitat beende ich meine Buchbesprechung und freue mich auf weitere Bücher von Remarque, von denen ich mir vor ein paar Monaten einen Vorrat angelegt habe... . 

Anmerkung: Die in Fettdruck hervorgehobenen Textstellen sind durch mich entstanden.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Montag, 30. Juli 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist

Klappentext:

 Gedanken und Bekenntnisse eines unbequemen Autors, der sich zeitlebens gegen Krieg und Militarismus und für Menschlichkeit und Nächstenliebe engagierte. Die hier veröffentlichten Texte, Interviews, Anmerkungen zu eigenen Werken, Rezensionen und politische Aufsätze geben einen umfassenden Einblick in das Denken Remarques und sind zugleich Spiegel der Geschichte unseres Jahrhunderts.
"Ich dachte immer jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen." (E.M. Remarque)



Autorenportrait aus dem Klappentext

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher “Im Westen nichts Neues” und “Der Weg zurück” wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1941 lebte Remarque offiziell in den Usa und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.

Da ich ein Fan von Remarque bin und schon einige Werke von ihm gelesen habe, habe ich mir alle Buchbestände von ihm angelegt, und ich alle seine Werke nach und nach zu lesen beabsichtige... . 

Gelesen habe ich von ihm:

1. Arc de Triumph
2. Im Westen nichts Neues
3. Der schwarze Obelisk

Remarque schreibt recht einfühlsam und psychologisch fundiert mit einer ausgeprägten Beobachtungsgabe.. . 

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 55
Gelesene Bücher 2011: 86





Elsa Osorio / Mein Name ist Luz (1)



Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Gestern Nacht habe ich das Buch durchbekommen und es hat mir ganz gut gefallen... .

 Das Buch beginnt mit einem Prolog, und endet logischerweise mit einem Epilog. Im Prolog erfährt man, dass die junge Frau Luz Iturbes zusammen mit ihrer Familie in Spanien auf einer gewissen Suche nach einer männlichen Person namens Carlos Squirru ist, den sie wohl auch mit Hilfe von Nachforschungen findet. Carlos ist Argentiner, lebt aber seit über sechs Jahren in Spanien und möchte mit Argentinien nicht mehr viel zu tun haben... . Die Militärdiktatur der 70er Jahre aus dem letzten Jahrhundert hatte ihm stark zugesetzt, da er zu den Revolutionären gehörte und für eine bessere Welt und für eine gerechtere Gesellschaft kämpfte... . Wer Carlos Squirro ist lässt sich schnell vermuten, ich verrate es aber nicht... . 

Die vielen unterschiedlichen Erzählperspektiven, immer aus der Sicht der Person, die gerade berichtet, finde ich ein wenig gewöhnungsbedürftig... . 

Auf den ersten Seiten nach dem Prolog erfährt man über das Schicksal der Agentinierin Miriam Lopez, die, um sich eine Ausbildung als Mannequin zu finanzieren, sich prostituiert und lernt dort ihren Lebensgefährten El Bestia (übersetzt Bestie, Monster) kennen. El Bestia ist Leutnant beim Militär. Wie aus dem Klappentext hevorgeht, s. u., werden Säuglinge während der Militärdiktatur von ihren inhaftierten Müttern nach der Geburt weggenommen, und in wohlhabenden Familien übergeben, die kinderlos geblieben sind... . Die Kinder wurden den Müttern quasi gestohlen... . Die Mütter selbst wurden nach der Geburt des Kindes ermordet... . Die Säuglinge wurden von dem Militär wie Gegenstände, wie Kriegsbeute behandelt. Miriam sehnte sich nach einem Kind, nachdem sie  selbst keine Kinder bekommen konnte und bekam von El Bestia versprochen, ihr ein Kind aus dem Gefangenenlager zu beschaffen... . Sie sollte das Kind von der Gefangenen Liliana bekommen, auf das sie sich sehr freute und für das Kind alle Vorbereitungen traf, wie z.B. das Herrichten eines Kinderzimmers... .

Nun kommt es zu einer völlig anderen Wende, da El Bestias Vorgesetzter, Oberstleutnant Alfonso selbst an dem Kind von Liliana interessiert ist, da seine eigene Tochter Mariana eine Totgeburt erlitt und durch die schwere Geburt für eine längere Zeit im Koma lag, so dass Mariana gar nichts von der Totgeburt mitbekam und so wurde ihr später das Kind von Liliana als ihr eigenes untergeschoben... . 

In der Zwischenzeit wurde Liliana zusammen mit ihrem Säugling zu Miriam verlegt, damit das Kind gut versorgt werden und später an die unechte Mutter übergeben werden konnte... . Das Kind wurde von Liliane gestillt aber immer im Beisein von Miriam, da die Mutter die Augenbinde umhatte, die nicht abgelegt werden durfte...  . Zwischen Miriam und Liliane entwickelt sich eine geheime Freundschaft und Miriam erkennt plötzlich ihre Schuld, die feste Absicht gehabt zu haben, das Kind einer Mutter wegnehmen zu wollen und fühlte sich elend... . Miriam wird zu Lilianes Verbündete, die Mutter und Kind zur Flucht verhilft... . Dieser Abschnitt verlief in einer längeren Szene, bis es zur Flucht kam, die gut kalkuliert werden musste, da vor der Haustüre immer ein Wachposten stand... . 

Interessant fand ich auch die Romanfigur Pablo, der aus einer höheren Gesellschaftsschicht stammt, und der freiwillig auf den Wohlstand seiner Familie verzichtete. Pablo zog mit  seiner Lebensgefährtin Mirta, die recht arm war, in ein Elendsviertel um sich zu proletarisieren... . Zu seiner Volljährigkeit bekam Pablo von den Eltern ein Autor geschenkt, das er ablehnte, weil es ihm peinlich war ein Auto zu besitzen, wo es so viel Elend und Armut auf der Welt gibt und machte sich bei seinen Angehörigen unbeliebt... . Auch Pablo und seine Freundin gehörten zu den Revolutionären. Seine Schwester Dolores kämpfte gegen die politische Überzeugung Pablos, als müsse sie ihn davor schützen:

"Warum bist du so extrem? Kannst du nicht mit der Arbeiterklasse reden, ohne dich als einer von ihnen verkleiden zu müssen?". 

Dolores warf ihrem Bruder vor, dass seine politische Beteiligung mit einem Selbstmord zu vergleichen ist, sie kannte wohl die Gefahren der Gegner und stellte ihm die Frage, ob er das Leben nicht lieben würde:

"Es ist nicht so, dass ich mir nichts aus dem Leben mache. Wir kämpfen für das Leben, aber für ein Leben, das anders ist als im bürgerlichen System. Wir kämpfen für das Leben in einem umfassenden, besseren Sinn. Für ein würdiges Leben der ganzen, sich kollektiv verwirklichenden Menschheit."

Eine Diktatur, unabhängig davon, wie sie sich nennt, hat immer etwas mit willkürlichem Handeln und Verbrechen an die Menschheit zu tun. Die Herrschenden, in diesem Buch das Militär, haben das System in der Hand und sie bestimmen, wie sich eine Gesellschaft nach ihren Prinzipien zu bewegen hat. Man konnte aus den banalsten Gründen schon eingesperrt werden. Eine Mutter einer Schülerin wurde ins Gefängnis gesteckt, die nichts anderes getan hat:
als gemeinsam mit ihren Kameraden zu fordern, dass die Fahrpreise für die Schulbusse gesenkt werden sollten. Und dafür hat man ihr das Leben genommen.

Auch wenn der Roman eine Fiktion ist, zeigt er doch eine reale Abbildung davon, wie eine Diktatur funktionieren kann. Die Autorin ist Jahrgang 1952, ist Argentinierin, und hat wohl die  Militärdiktatur am eigenen Leib erlebt. Und genau diese Authentizität liest sich deutlich aus dem Buch heraus. Obwohl man immer wieder von einer Diktatur liest, ist es für mich trotzdem von neuem unfassbar, wie ein Menschenleben zerstört werden kann, in diesem Fall hier die protestierenden Mütter, wegen der Ermäßigung der Fahrpreise an Schulbussen.

Luz ist der Säugling von Liliana... . Der angebliche Vater Eduardo wehrte sich damals dagegen, doch er konnte sich nicht gegen seine Schwiegereltern durchsetzen, die sich in allen familiären Angelegenheiten einmischten und das Sagen hatten. Sein Schwiegervater Alfonso ist ein hohes Tier beim Militär und hat alle Fäden in der Hand, auch die seiner Familie. Eduardo wird dazu getrieben, sämtliche Dokumente des Kindes fälschen zu lassen… . Sein Gewissens war war dermaßen geplagt, dass er sieben Jahre später sich auf die Suche nach der wirklichen Mutter des Kindes begibt. Er hat selbst keine Ahnung, woher das Kind letztendlich stammte und befürchtet allmählich, dass es ein geraubtes Kind sei. Seine Recherchen werden von dem Schwiegervater strengstens unterbunden, doch diesmal widersetzt sich Eduardo ihm und begibt sich aber in Lebensgefahr, da die Reaktion des Schwiegervaters mafiose Strukturen annimmt... .  

Aber ich muss auch zugeben, dass dieses Szene, besser gesagt das Verhalten von Eldorado, ich als ein wenig naiv empfunden hatte. Erst empfand ich es als recht beeindruckend, dass er Mut aufbringen konnte, sich gegen sein Schwiegervater, was schon lange fällig war, sich ihm zu widersetzen aber die Art und die Taktik wie er dies  tat, hielt ich nicht für ausreichend klug... .

Luz ahnt später, dass ihre Herkunft Lücken und Rätsel aufweist und begibt sich auf die Ich-Suche. Später muss sie sich mit der Gewissensfrage plagen, ob auch sie nicht eine gewisse Schuld mitträgt, Eduardo, den sie als ihren Vater anerkennt, ihn weiterhin als ihren Vater zu bezeichnen, nachdem sie immer mehr von sich in Erfahrung bringen konnte???

Sie gerät in eine riesengroße Sinn und Identitätssuche und wird mit vielen Beteiligten aus der Zeit der Militärdiktatur konfrontiert, doch die meisten halten sich bedeckt. 

War Luz etwa schuld daran, dass sie für den Mann, der sie gestohlen hatte, Zuneigung empfand?

Mit dieser Gewissensfrage müssen sich alle Beteiligten aus der Zeit auseinandersetzten, auch die, die die Wahrheit gar nicht wissen möchten, wie zum Beispiel Mariana, die bis dato die vielen Verbrechen ihres Vaters Alfonso verleugnete, da sie ihren Vater stark idealisiert hatte. Sie negierte alle Verbrechen ihres Vaters, der in der Gesellschaft als "Hurensohn" betitelt wurde... .


Auch nach der Militärdiktatur werden die Verbrechen nicht gesühnt. 1987 wird ein neues Gesetz erlassen, das sich "Befehlsnotstand" nennt, und somit wurden alle Soldaten freigesprochen, die an den Grausamkeiten beteiligt waren, da sie nur  Befehle befolgten und sie nicht aus eigenem Antrieb handelten... . 

Als ich das Buch gelesen hatte, rechnete ich aus, wie alt ich in der Militärdiktatur Argentiniens selbst gewesen war. Ich war eine Jugendliche, und welches ungeheurere Glück ich doch gehabt haben muss, dass ich zwar zur selben Zeit aber an einem anderen Ort geboren wurde, wobei man eine Diktatur auch im Kleinen als Einzelschicksal im Privaten erleben kann, mit ähnlichen demütigenden und repressiven Formen. Z. B. lässt sich die Familie auch als ein Mikrostaat bezeichnen.. . (Und nicht nur Familie).

Und hier beende ich mein Gespräch zu dem Buch, da ich nicht zu viel verraten möchte, aber ich solidarisiere mich geistig mit allen Menschen, die auf dem selben Planeten leben wie ich, die aber tagtäglich um ihr Leben kämpfen müssen, um zu existieren.

Wie es mit Luz, Mirjam, Liliana, Pablo und wie sie alle heißen ausgeht, so verweise ich auf das Buch. Das Buch hat so viele Facetten, so viele unterschiedliche Reaktionen der Romanfiguren, dass meine Beschreibung hier im Block nur ein kleiner Teil des Ganzen ist.

Ich gebe dem Buch neun von zehn Punkten. Neun und nicht weniger: 1. Weil es sehr authentisch geschrieben ist und  2. Weil es bis zum Schluss die Spannung gehalten hat... . Neun und nicht zehn, weil mir die vielen unterschiedlichen Erzählperspektiven ein wenig unübersichtlich waren... .

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Donnerstag, 26. Juli 2012

Elsa Osorio / Mein Name ist Luz



Klappentext

Systematisch wurden in den Jahren der argentinischen Diktatur (1976-1983) die Babys inhaftierter Regimegegnerinnen geraubt und von Militärs adoptiert. Viele Jahre später versucht eine junge Frau – Opfer dieser Praxis –, Licht in das Dunkel ihrer Herkunft zu bringen. Alle ihre inneren Kräfte muß Luz dabei aufbieten, um von den Schatten der Vergangenheit nicht erdrückt zu werden.
Einfühlsam und differenziert erzählt Elsa Osorio in ihrem Weltbestseller von dem aufrüttelnden Geschehen. Für Mein Name ist Luz, in sechzehn Sprachen übersetzt, wurde Elsa Osorio mit dem Literaturpreis von Amnesty International ausgezeichnet. Ihr Roman Im Himmel Tango ist 2007 im Insel Verlag erschienen.





Autorenportrait im Klappentext

Elsa Osorio wurde 1952 in Buenos Aires geboren und lebt seit 1994 vorwiegend in Madrid, wo sie als Journalistin, Dozentin und Drehbuchautorin für Film und Fernsehen arbeitet. Neben zahlreichen anderen Preisen wurde sie 1982 mit dem argentinischen "Premio Nacional de Literatura" für ihr Buch Ritos privados aus dem selben Jahr ausgezeichnet. Für Reina Mugra (1990) erhielt sie den "Premio Sociedad Argentina de Escritores" und 1992 für ihre Komödie Ya no hay hombres den Preis für das beste Drehbuch.
A veinte años, Luz (1998, dt. Mein Name ist Luz, 2000) ist ihr sechster Roman. Mit dem Thema der Kinder von "Verschwundenen" hat sie darin ein besonders düsteres Kapitel der südamerikanischen Militärdiktaturen aufgegriffen. Das Buch war Anstoß für viele weitere Nachforschungen, nicht nur in Argentinien.

Aufmerksam wurde ich auf das Buch durch ein Literaturforum... .

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Mittwoch, 25. Juli 2012

Carlos Maria Domingues / Das Papierhaus (1)



Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Ich konnte mich sogar mit den Figuren indentifizieren; alles Bibliophile wie ich eine bin... .Es wird hier eher ein Erlebnisbericht erfolgen.

Auch die Figuren in der Erzählung können von dem reichlichen Bücherkauf nicht ablassen. Fühle mich gut zu lesen, dass es anderen auch so ergeht. Bei mir gehen oft ganze Monatsgehälter drauf :D. 

Ich kenne Leute, die jede Lektüre sorgfältig verbuchen, mit Tag, Monat und Jahr, sozusagen ein Kalender ihrer geistigen Erwerbungen führen.

Ich  habe auch gelernt, meine Bücher mit Daten zu versehen, allerdings erst, wenn ich sie gelesen habe... . Erst dann bekommt das Buch für mich den eigentlichen Wert. Und führe auch einen Archiv meiner gelesenen Bücher seit Aug. 2010. Die anderen Bücher vor dieser Zeit bleiben ungezählt... . 

 Andere schreiben ihren Namen auf die erste Seite und verleihen ein Buch erst, wenn sie den Empfänger mit Datum in ein Notizbuch eingetragen haben. Ich habe Bücher mit Stempeln wie in öffentlichen Bibliotheken gesehen und solche, in denen ein Kärtchen des Besitzers steckte. Niemand hat es gern, wenn ihm ein Buch abhanden kommt. Lieber verlegen wir einen Ring, eine Uhr oder unseren Schirm als ein Buch, das wir vielleicht nicht mehr lesen werden, das aber mit dem vertrauten Klang seines Titels ein altes, vielleicht verloren gegangenes Gefühl in uns wach ruft.

Ich fand den letzten Satz absolut treffend. Es beschreibt recht gut das innere Erleben, das uns die Bücher bescheren... .

Viele sind durch und durch Leser und stellen im Laufe ihres Lebens beachtlich Bibliotheken zusammen. Sie sind passioniert und imstande, einen Haufen Geld für ein bestimmtes Buch auszugeben, um für Stunden darin zu versinken und nichts anderes zu tun, als es zu studieren und zu verstehen. (...)
Wer sich eine Bibliothek aufbaut, der baut sich ein ganzes Leben auf. Sie ist nämlich nie die Summe ihrer einzelnen Exemplare.

Eine Erzählfigur nennt sich Delgado, der es bedauert, nicht so viel Zeit zum lesen zu haben, er aber trotzdem seine freie Zeit nicht ungenutzt lässt:

 Ich arbeite nämlich von acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags in einer verantwortungsvollen Stellung und kann es kaum abwarten, anschließend hierher zukommen, in meine Höhle (…), um bis zehn Uhr selige Zeit zu verbringen.

So ähnlich sieht bei mir der Alltag auch aus. Auch ich freue mich auf den Abend, um mich in aller Stille zurückzuziehen, um mich literarisch zu vertiefen... . Schön dies auch von anderen zu lesen... . 

Die Hauptfigur in der Erzählung ist für mich Carlos Brauer. Ein absoluter Büchernarr, der es mit seinem Papierhaus ziemlich weit treibt. Darauf komme ich später zu sprechen. Bevor er sich ein Papierhaus gebaut hatte, lebte er in einer Wohnung, wo selbst das Badezimmer mit Büchern bestückt war und er sich angewöhnt hatte, kalt zu duschen, um keinen Wasserdampf zu provozieren... . Er gewöhnte sich an die kalten Duschen, zu allen Jahreszeiten, nicht nur im Sommer. Und er verschenkte sogar sein Auto, um die Garage auch noch als Bibliothek umzufunktionieren.

Er war ein heißhungriger Leser und verbrachte nicht bloß vier Uhr, sondern den größten Teil des Tages und die ganze Nacht mit seinen Büchern. Seine Exemplare waren immer hoffnungsvoll geschrieben.

Bei mir sind es die Wochenenden, die ich bis tief in die Nacht hineinlese. Lästig finde ich die kleinen Alltagspflichten :D. Ohne sie könnte ich mich ganz der Lektüre hinbegeben... .  Ich markiere viele Textstellen, schreibe aber hinterher in mein Lesetagebuch meine Gedanken und Leseerfahrungen auf. 

Doch der arme Brauer hatte eine fürchterliche Plage. Silberfischchen, die ihn fast zum Wahnsinn trieben:

Er hatte Hunderte, vielleicht Tausende davon in seiner Bibliothek. Eine Zeitlang hat der Schadensbegrenzung betrieben indem er alle sechs Monate (…) einen Kammerjäger zum Ausräuchern in seine Wohnung schickte. Sie fingen nämlich an, ihm bedeutende Werke zu zerstören.

Wenn man die ganze Wohnung mit Büchern voll hat, dass die Wände keine Luft mehr zum Atmen haben, dann kann ich mir schon gut vorstellen, dass die Bibliothek als hervorragende Brutstätte  dienen für die unerbetenen Gäste.

Nun komme ich zu dem Papierhaus Brauers. Er zieht um, fährt mit seiner ganzen Bibliothek ans Ufer, um sich mit seinen Büchern ein neues Haus zu bauen. Er engagiert auch einen Maurer... .

Carlos hat den Maurer gebeten, die Pfosten für die Fenster und zwei Türen im Sand zu verankern und ihm aus Stein ein Kamin zu bauen. Als der Kamin auf der einen Seite stand, und Fenster und Türen abgestürzt waren, ließ er ihn Zement anmischen. Und dann-(…) seine Bücher als Ziegelsteine mit dem Zement zu verbauen.
Während der Mauer den Zement anrührte, machte Brauer sich, unter den teils mitleidigen, teils gleichgültigen Blicken des Mannes daran, aus dem Haufen der vom Pferdekarren in den sauberen weißen Sand gekippten Bücher diejenigen auszuwählen, die ihn vor Wind und Wetter schützen sollten.
Ich habe mir das häufig ausgemalt. Wie er hin und her gelaufen sein muss, während die Mauer immer höher wurde, dem Mann einen Borges für die Füllung unter dem Fenster reichte, einen Valejo für die Wand neben der Tür, einen Kafka für oben, einen Kant für die Seite und daneben ein gebundenes Exemplar von Hemingways in einem anderen Land; hierhin einen Cortazar und dorthin den stets voluminösen Vargas Llosa; einen Valle Inclan auf Aristoteles, einen Camus auf Morosoli, und Shakespeare im Mörtel brachte schicksalhaft mit Marlow verbunden; allesamt dazu erkoren, sich als Mauer zu erheben und Schatten zu spenden. (…) Wenigstens konnte er sagen: Sie bleiben meine Freunde. Sie bieten mir ein Dach über dem Kopf im Sommer Schatten. Sie schützen mich vor dem Wind. Die Bücher sind mein Haus. Das konnte ihm niemand nehmen, auch wenn seine Lebensumstände das rudimentäre Niveau erreicht hatten und er auf einem abgelegenen, einsamen Strand gelandet war, weil er die erhabensten Dimension des Buches kennenlernen durfte.

Wie das Buch ausgeht, verrate ich nicht. Für mich nimmt es ein trauriges Ende... .

Ich bin jetzt wenig auf die einzelnen Handlungen und Hintergründer der anderen Figuren eingegangen, da das Buch recht dünn ist und aus dem Klappentext schon reichlich hervorgeht... . Mir waren die Zitate sehr wichtig und meine Erlebnisse zu diesen...

Anmerkung: Textstellen mit Fettdruck wurden durch mich hervorgehoben!

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Dienstag, 24. Juli 2012

Carlos Maria Dominguez / Das Papierhaus

  Klappentext

Eine Literaturdozentin, die so in die Gedichte von Emily Dickinson vertieft ist, dass sie tödlich verunglückt, ihr argentinischer Kollege, der um die halbe Welt reist, um das Geheimnis eines rätselhaften Buches zu lösen, und ein Mann, der bereit ist, seine Liebe für Bücher in Stein zu fassen: drei Menschen, die ohne Bücher nicht sein können und deren Leben auf höchst seltsame Weise miteinander verknüpft werden.



"Eine kleine Geschichte über die Leidenschaft für Bücher."
Elke Heidenreich 



Autorenportrait

Carlos María Domínguez wurde 1955 in Buenos Aires geboren und lebt heute in Montevideo, wo er als Journalist, Literaturkritiker und Schriftsteller arbeitet. „Das Papierhaus“, Domínguez' Deutschlanddebüt, wurde 2001 in Uruguay mit dem „Premio Lolita Rubial“ ausgezeichnet.

Das Buch habe ich von meiner Literturfreundin Anne geschenkt bekommen.
Ich selbst kenne den Autor nicht. Freue mich aber immer wieder,  neue AutorInnen kennenzulernen. 
Das Thema dieses Bandes spricht mich voll an, und gehe mit großer Neugier an das Buch heran. 
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