Sonntag, 2. Dezember 2018

Paolo Cognetti / Acht Berge (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Ein wunderschönes Buch über die Natur, über eine besondere Freundschaft zweier Jungen, über eine interessante Vater-Sohn-Beziehung und über die politische Lage Italiens.

Gefreut habe ich mich zudem, dass ich tatsächlich eine Antwort zu Ferrantes Buch habe finden können, wo ich erst dachte, dass dies nur auf dem Umschlag steht, um die Leser*innen anzulocken. 

Daher möchte ich am Ende der Besprechung etwas über dieses Buch diskutieren, über die Antwort auf Ferrantes Werk, weshalb ich gezwungen sein werde, ein paar Details mehr anzubringen, bin aber trotzdem bemüht, nicht alles zu verraten.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive des Jungen namens Pietro Guasti erzählt. Seine Eltern, die aus dem ländlichen Veneto kommen, sind mit Anfang dreißig in die Großstadt Mailand gezogen. Veneto scheint wie ausgestorben zu sein, als hätten die Bewohner Landflucht betrieben, da die Gegend für Arbeitsplätze nicht mehr lukrativ genug war und die schlechte Infrastruktur die Wirtschaft noch weiter belastet hat. Erst viele Jahre später zog das Bergdorf durch attraktive Umbaumaßnahmen jede Menge Touristen an. Es gab kaum noch Einheimische.

Pietros Vater ist eine Kriegswaise und von Beruf studierter Chemiker. Die Mutter ist gelernte Krankenschwester, in Mailand allerdings ist sie in einem sozialen Brennpunkt als Familienhelferin tätig.

Pietro, Einzelkind, wurde Anfang der 1970er Jahre in Mailand geboren.

Pietros Eltern fühlten sich in dem stickigen Mailand nicht wirklich wohl und vermissten ihre Berge in den Dolomiten. Daher verbrachte die Kleinfamilie die Ferien mehrmals im Jahr in dem kleinen Bergdorf Grana.

Pietros Vater war Einzelgänger. Er fühlte sich wohl in der Natur, war immer froh, wenn er aus der staubigen Großstadt flüchten konnte. Zusammen mit seinem Sohn ging er in die Berge wandern und klettern.

Das Bergdorf Grana wirkte wie eine Geisterstadt, verlassen und einsam, viele heruntergekommene Häuser,  nur noch wenige Menschen sind geblieben.

Pietro lernte in Grana einen gleichaltrigen Jungen kennen, Bruno Guglielmina, der auf der Weide Kühe hütete. Es war schwierig, sich Bruno zu nähern. Bruno war wie Pietros Vater Einzelgänger und schien keine Freunde zu haben. Bruno hatte mit der Schule abgebrochen ... nun ist es Pietros Mutter, die es schafft, dass die beiden Jungen freundschaftlich zueinanderfinden. Allmählich fasst Bruno Vertrauen zu Pietro und dessen Familie …

Durch Pietros Mutter Einfluss gelingt es ihr, dass Bruno wieder zurück in die Schule geht und wenigstens einen Hauptschulabschluss erwirbt … Später setzte sich die Mutter noch dafür ein, Bruno mit nach Mailand zu nehmen, damit er dort mit den höheren Schulen fortsetzen konnte… Das stieß nicht nur bei Pietro auf Widerstand, denn welches Recht hatten seine Eltern, Bruno von seinem Zuhause wegzuholen, wenn er doch glücklich war mit seinem Leben als Kuhhirten …

Je älter Pietro wurde, desto kritischer ging er mit der Lebensweise seines Vaters um. Ständig hinterfragte er den Charakter und das Verhalten seines Vaters. Nach der Schule verließ Pietro das Elternhaus, denn er ertrug seinen Vater nicht mehr, der aus seiner Sicht nur auf seine Bedürfnisse bedacht war und völlig unprofessionell wirkte, wenn es sich z. B. um das Bergsteigen drehte. Jahre später erfuhr Pietro, dass sein Vater Bruno mit in die Berge genommen hatte ...

Pietro geht seinen eigenen Weg, bricht mit der Uni ab, um sich auf eine längere Asienreise zu begeben, um die Himalaja zu besichtigen. Zehn Jahre lang hatte er keinen Kontakt mehr zu dem Vater. Als sein Vater schließlich früh an Herzversagen stirbt, reist Pietro wieder in die Heimat zurück. Durch seine Mutter erfährt er, dass der Vater immer um seinen Sohn besorgt war, und der Stress auf der Arbeit zermürbte ihn letztendlich. Um den Tod des Vaters besser verarbeiten zu können, begibt sich Pietro in den Bergen in seine Fussstapfen ... 

Nach zehn Jahren entsteht ein neuer Kontakt zu Bruno, der inzwischen eine Maurerlehre absolviert hatte, und dennoch die Absicht verfolgt, sich beruflich zu verändern, um einen ganz anderen Bereich zu betreten, der ihm trotzdem vertraut war.

Die beiden Jungen, die zu Männern herangereift waren, kommen sich nach so vielen Jahren über den verstorbenen Freund und Vater wieder näher und setzen ihre außergewöhnliche Freundschaft fort.

Pietro tritt ein Erbe seines Vaters an. In den Bergen hatte er ein Grundstück mit einer alten Ruine geerbt, auf dem für ihn ein Haus hätte entstehen sollen. Das hat der Vater aber nicht mehr geschafft, und nun fühlt sich Bruno verantwortlich, dieses Haus für Pietro zu bauen. Pietro schließt sich Bruno an, packt am Hausbau mit an und so kommen sich die beiden Freunde durch dieses gemeisame Handwerk näher.

Ein intensiver Austausch über den verstorbenen Vater findet statt. Durch Brunos Schilderungen bekam Pietro ein ganz anderes Bild von seinem Vater. Während Pietro seinen Vater abgewertet hatte, wertete Bruno ihn wieder auf. Negative Charaktereigenschaften kamen von Pietro, die positiven von Bruno. Bruno schien Pietros Vater besser zu kennen als der eigene Sohn, vielleicht, weil sie beide seelisch verwandt waren; aber auch, weil sie in ihrer Biografie Gemeinsamkeiten aufzuweisen hatten …

Bruno setzte seine beruflichen Pläne um, und machte sich zusammen mit seiner Partnerin, die er durch Pietro kennengelernt hatte, in der Landwirtschaft selbstständig. Leider scheiterten seine Pläne, obwohl er und seine Partnerin Lara über Jahre Tag und Nacht geschuftet haben. Lara verlässt ihn mit der gemeinsamen Tochter, weil sie ihn für dieses entsetzliche Desaster verantwortlich macht. Bruno war gezwungen, Insolvenz anzumelden … Bruno war nicht bereit, rechtzeitig alle Zelte abzubrechen, um woanders einen Neustart zu wagen. Bruno hat diesen beruflichen Verlust und den Verlust seiner kleinen Familie nur sehr schwer verkraftet und zog sich als Konsequenz noch weiter von der Außenwelt zurück. Auch mit Pietro war er nicht bereit, über seinen inneren Schmerz zu sprechen, und zog wie ein Eremit ein Leben in den Bergen vor. 

Zum Schreibkonzept
Zwei schöne Zitate sind auf den ersten beiden Seiten namhafter Autoren zu lesen. Auf den folgenden Seiten findet eine kleine Einleitung zu der Familiengeschichte Guasti statt. Der Roman ist auf 245 Seiten in drei Teilen und zwölf Kapiteln gegliedert.
Es ist ein ruhiger und dadurch auch ein sehr angenehmer Schreibstil.

Cover und Buchtitel  
Ich wollte gerne das italienische Cover oben mitabbilden, war aber nicht nötig, da der deutsche Verlag das italienische Cover übernommen hat.
Der Buchtitel: Zu Beginn des Romans dachte ich erst, dass diese acht Berge die Berge der Dolomiten darstellen würden. Ich habe mich aber geirrt. Sie führen in eine völlig andere Richtung, raus aus Veneto, raus aus Italien, raus aus Europa.

Meine Identifikationsfigur
Bruno war meine Identitfikationsfigur.

Was ist die Antwort auf Ferrantes Werk?
Die Antwort ist für mich eine politische. Als Pietro nach zehn Jahren wieder nach Italien zurückgekehrt war, war er verwundert, wie sehr seine Heimat heruntergewirtschaftet wurde. Er hat sein Land fast nicht wiedererkannt. Selbst sein studierter Vater bangte zu Lebezeiten um seine Anstellung als Chemiker in einer Fabrik, die über zehntausend Arbeiter beschäftigt hat, und auch sie alle besorgt um ihren Arbeitsplatz waren. Politische Unruhen und viele Arbeiterstreiks dominierten das Land. Nun war nicht nur der Süden Italiens von der krankhaften Wirtschaftskrise befallen, auch im Norden schlug sie wie ein Krebsgeschwür um sich ... 

Und im Fall Bruno? Ja, Bruno hat es schulisch nicht weit gebracht, und wenn Pietros Mutter nicht gewesen wäre, hätte er nicht einmal einen Schulabschluss geschafft. Solche schulischen Lebensläufe findet man auch bei uns in Deutschland, aber sie sind sowohl hier als auch dort nicht die Regel. Schulschwänzer findet man überall auf der Welt.
Biografisch gesehen besaß Bruno zwar einen Vater, aber dieser Vater war kaum für seinen Sohn da. Der Vater verließ eines Tages Sohn und Frau, weil die Frau ihn nicht mehr etrug. Brunos Mutter war eine wortkarge Person, die sich tatkräftig um ihre Wirtschaft gekümmert hat. Über Probleme wurde in dieser Familie nicht gesprochen, man ertrug sie größtenteils jeder für sich stillschweigend ... Pietros Vater war für Bruno ein Vatersubstitut. Der Junge hat in diesem Mann alles gefunden, was er an seinem Vater vermisst hatte. Deshalb betrachte ich Bruno symbolisch als eine Halbwaise. Sicher hatte Bruno seinen Freund Pietro um seinen Vater bewundert, auch, dass er in der Welt herumkam. Das hätte Bruno auch haben können, zusammen mit Pietro, aber er traute sich das nicht zu. Es fehlte ihm an Selbstbewusstsein, und so hielt er an alt Vertrautem fest ... Und gescheitert ist Bruno am Ende trotzdem. Wer es besser wusste, suchte mutig woanders einen Weg, um die Existenz zu bestreiten, wie es Pietros Familie und viele andere Menschen getan haben.

Zur aktuellen politischen Lage
Die italienische Regierung schafft es durch tiefverwurzelte Mafiöse Strukturen nicht, aus der Korruption rauszukommen. Lange, lange Zeit waren auch in Italien die Südländer*innen die Bösen, nun muss auch der Norden zusehen, wo er bleibt. Die Regierung spaltet Nord und Süd. Der Norden Italiens muss höhere Steuern bezahlen, um den Süden zu unterstützen. Das Geld kommt aber nicht an, wo es eigentlich hin soll ...  Außerdem verlassen viele Akademiker*innen derzeit das Land, denn selbst mit einem abgeschlossenen Studium ist es schwer für einen jungen Menschen, in Italien Fuß zu fassen ... 

Die Mieten sind überteuert, und die Gehälter reichen nicht aus, sich ein eigenes Leben aufzubauen, und so bleiben viele junge Leute erstmal bei den Eltern wohnen, bis sie heiraten oder andere Lösungen, die ins Ausland führen, gefunden haben. Hier in Deutschland heißt es, die erwachsenen Kinder würden im Hotel Mama wohnen bleiben; ein Vorurteil, das nicht mehr aus den Köpfen zu bekommen ist. Ohne den Familienverband ist ein Leben in Italien nach wie vor sehr schwer aufrechtzuerhalten. Das Vertrauen zu den Politkern ist schon längst ausgespielt. Aber sie wählen diese Politiker, weil es keine anderen gibt. Viele verweigern die Wahl, gehen nicht mal mehr an die Wahlurne.

Bruno und seine Partnerin haben gerackert und geschuftet und sind trotzdem auf keinen grünen Zweig gekommen.

Derzeit haben die Italiener*innen rechts gewählt, mit der Hoffnung, dass die neue Regierung Arbeitsplätze schafft. Aber tief in ihnen drin, wissen sie, dass sich nichts an dieser maroden Regierung ändern wird, auch wenn die Gesichter im Parlament durch Versagen der Regierung ständig zu wechseln scheinen.

Elena Ferrante hat die Politik in ihrem Buch völlig ausgeblendet. Ich habe nur den ersten Band gelesen, den ich dermaßen einseitig und üerfrachtet mit destruktiven Bildern und Szenen erlebt habe, dass ich die Folgebände boykottieren musste. Ich habe mich gewundert, dass viele studierte Leser*innen hierzulande dieses Werk so hochgelobt haben. Mir fehlt dafür jegliches Verständnis. Ein Buch voller Klischees, voller Vorurteile; weshalb finden es die Leser*innen in Deutschland gut? Würde man über Deutschland ein dermaßen einseitiges destruktives Bild abwerfen, da würde jeder Deutsche protestieren. Warum also so unkritisch Ferrante lesen? Ich kenne in Italien so viele Italiener*innen, die ehrlich und hart ihren Unterhalt bestreiten müssen und sie trotz der Armut ihre Kinder dennoch auf die höhere Schule schicken. Es sind viele freundliche und kinderliebende Menschen, die es nicht verdient haben, in der Literatur so abgedroschen zu werden. Keiner würde das eigene Kind aus dem Fenster werfen, wie Ferrante versucht, es uns glaubhaft zu machen. Böse Menschen gibt es überall auf der Welt, aber überall auf der Welt gibt es auch gute. Die Guten musste ich bei Ferrante mit der Lupe suchen und konnte auch mit der Lupe nicht wirklich fündig werden.

Und wenn man nun beide Werke miteinander vergleicht, Cognettis und Ferrantes Werk, so hat Cognetti schlechter in der Punktevergabe abgeschnitten als Ferrante. Das gibt mir zu denken ... 

Mein Fazit
Ich selbst fand das Buch richtig toll und freue mich dadurch, Paolo Cognetti kennengelernt zu haben; ein italienscher Autor, der sich wunderbar für mein Italien-Leseprojekt eignet. Ein Buch ohne Klischees und völlig frei von Stereotypen. Ich bin dankbar, dass Cognetti dieses Buch geschrieben hat.

Ich freue mich sehr, dass das Bloggerportal mir Cognettis Debüt Sofia zum Rezensieren hat zukommen lassen.

Externe Rezension zum Buch
Meine Freundin Sabine St. hat auf Buchrevier eine interessante Rezension von Tobias Nazemi gefunden, die ich unbedingt mit meinem Blog verlinken möchte. Auf der Seite ist auch ein interessantes Interview mit Cognettis Acht Berge. Der Rezensent nimmt auch Stellung zu Ferrantes Werk.


Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten

________________
Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen,
um vorwärts zu kommen.
(Paolo Cognetti)

Gelesene Bücher 2018: 52
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Donnerstag, 29. November 2018

Paolo Cognetti / Acht Berge


Klappentext  
Wagemutig erkunden Pietro und Bruno als Kinder die verlassenen Häuser des Bergdorfs, streifen an endlosen Sommertagen durch schattige Täler, folgen dem Wildbach bis zu seiner Quelle. Als Männer schlagen die Freunde verschiedene Wege ein. Der eine wird sein Heimatdorf nie verlassen, der andere zieht als Dokumentarfilmer in die Welt hinaus. Doch immer wieder kehrt Pietro in die Berge zurück, zu diesem Dasein in Stille, Ausdauer und Maßhalten. Er ringt mit Bruno um die Frage, welcher Weg der richtige ist. Stadt oder Land? Gehen oder Bleiben? Was zählt wirklich im Leben?

Vor der ehrfurchtgebietenden Kulisse des Monte-Rosa-Massivs schildert Paolo Cognetti mit poetischer Kraft die lebenslange Suche zweier Freunde nach dem Glück. Eine eindringliche archaische Geschichte über die Unbezwingbarkeit der Natur und des Schicksals, über das Leben, die Liebe und den Tod.

Autorenporträt
Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt die Sommermonate am liebsten in seiner Hütte im Aostatal auf 2000 Metern Höhe. Er hat Mathematik studiert, einen Abschluss an der Filmhochschule gemacht und Dokumentarfilme produziert, bevor er sich ganz dem Schreiben zuwandte. Auf Italienisch sind von ihm schon Erzählbände und zwei Romane veröffentlicht worden. »Acht Berge« erhielt u.a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega, erscheint in 40 Ländern und hat sich weltweit rund 700.000 mal verkauft.

Meine ersten Leseeindrücke

Bis jetzt, nach einhundert gelesenen Seiten, gefällt mir das Buch recht gut. Mich zieht  der ruhige Schreibstil an, die Freundschaft zwischen den beiden Jungen und die tolle Naturbeschreibung. Neugierig hat mich zudem auch gemacht, dass dieses Buch eine Antwort auf Ferrantes Werk sein soll. Ich fand Ferrantes Werk furchtbar zu lesen. So einseitig destruktiv, dass ich über den ersten Band nicht hinausgekommen bin. Nun bin ich auf die Antwort gespannt.


Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 256 Seiten, 20,00 €
·         Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt; Auflage: 9 (11. September 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 9783421047786



Mittwoch, 28. November 2018

Erich Kästner / Als ich ein kleiner Junge war

Klappentext
Eine Kindheit in Dresden: Erich Kästner, geboren 1899, erzählt von seinen Eltern und Großeltern, dem Familienleben, den gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen, dem Treiben auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Kästners Erinnerungen, die junge wie alte Leser seit über 50 Jahren in ihren Bann schlagen, sind ein zeitloses Meisterwerk voller Menschlichkeit, Witz und Wärme.

Autorenporträt
Erich Kästner, geb. am 23.2.1899 in Dresden, studierte nach dem Ersten Weltkrieg Germanistik, Geschichte und Philosophie. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten war Kästner Theaterkritiker und freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen. Von 1945 bis zu seinem Tode am 29. Juli 1974 lebte Kästner in München und war dort u.a. Feuilletonchef der 'Neuen Zeitung'. 1957 erhielt er den Georg-Büchner-Preis.

Unsere ersten Leseeindrücke
Diese Autobiografie lese ich auf meiner Dienststelle mit meiner Lesegruppe und es gefällt uns allen sehr gut. Mit viel Witz und Humor schreibt Kästner hier über sich und über seine Herkunftsfamilie. Nicht nur der kleine und der erwachsene Erich, sondern auch seine Eltern sind uns sehr sympathisch.

Weiteres mehr in der späteren Buchbesprechung. 

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 240 Seiten, 19,90 €
·         Verlag: Atrium Verlag; Auflage: 32. Auflage (18. April 2011)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 9783855353781




Montag, 26. November 2018

Inger-Maria Mahlke / Archipel (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Nach 324 Seiten musste ich das Buch definitiv abbrechen. Ich habe mich das ganze Wochenende damit gequält. Und heute ist mein freier Tag und möchte ihn mit spannenderen Inhalten ausfüllen.

Aber keine Sorge, meine beiden Lesepartnerinnen Tina und Sabine St. gefällt das Buch recht gut. Die Geschmäcker dürfen auch gerne unterschiedlich bleiben. Da ich am Wochenende meine ganze Zeit dem Buch geopfert habe, werde ich daher meine inhaltliche Buchbesprechung kurzhalten.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Man bekommt es hier mit einer spanischen Familie mehrerer Generationen zu tun, die auf den kanarischen Inseln lebt. Zu Beginn des Romans lernen wir drei Generationen kennen. Das jüngste Glied dieser Familie ist Rosa Bernadotte Baute, Anfang zwanzig, hatte ein Studium begonnen, ist aber an einer Arbeit Was von meinem Vater übrig blieb gescheitert. Sie arbeitet nun in einem Seniorenheim Asyl der barmherzigen Schwestern für in Not gefallene Alte, in dem ihr Großvater Julio Baute, 95 Jahre alt, als Portier tätig ist. Der Großvater ist gleichzeitig Bewohner dieses Heimes.

Julio Baute ist der Vater von Ana Baute, die 52 Jahre alt ist und Mutter von Rosa. Sie ist politisch aktiv, und steht eher auf der konservativen Seite. Auch sie hat ein Studium absolviert und ist Verwaltungswissenschaftlerin. Eine ganz andere Richtung als die von Rosa und ihrem Mann Felipe.

Felipe Bernadotte, 53 Jahre alt, ist mit Ana verheiratet und der Vater von Rosa. Er kommt aus einer adligen Familie. Felipe hatte auch studiert, hatte aber sein Studium aus politischen Gründen abbrechen müssen. Felipe war politisch eher links orientiert. Nach dem Abbruch seines Studiums verbrachte er seine Zeit vormittags als ein einfacher Bauer, und nachmittags geht er hauptsächlich in einen Klub und lässt sich in der dazugehörigen Bibliothek mit Alkohol berieseln.

In der Familie ist auch eine Haushaltskraft namens Eulalia tätig, die Felipe mit in die Ehe gebracht hat. In dem Roman wird auch Eulalias Herkunft beleuchtet.

Es scheint hier in der Familie jede Menge Probleme zu geben, die allerdings nicht angegangen werden. Man spricht nicht darüber, man hält sie im Stillen aus. Dass Felipe am Nichtstun leidet und die Langeweile mit Alkohol kompensiert, wird an verschiedenen Stellen deutlich. Außerdem scheint er sich als Versager zu sehen, dass er den Erwartungen seines adligen Standes nicht zu erfüllen weiß.

Sein adliger Name Bernadotte war sein eigentliches Problem, mit dem er kritisch umgegangen ist. Eine familiäre Belastung, die weit in die Franco – Diktatur zu reichen scheint ... Felipe wollte kein Bernadotte mehr sein, und beschloss, nur noch einfache Gartenarbeiten zu verrichten, da er sich politisch als gescheitert betrachtet… Felipe zählte sich zu den letzten Konquistadoren, spanische Eroberer südamerikanischer Kolonien ...

Die Handlung beginnt im Jahre 2015 und endet 1919.

Zum Schreibkonzept
Dieses Schreibkonzept hat mir eigentlich gefallen. Obwohl es anstrengend war, die Handlungen von hinten nach vorne zu lesen. Der Roman besteht aus 17 Kapiteln und vereinzelt aus Unterkapiteln. Aber vieles, was die Autorin thematisch aufreißt, bleibt unvollständig und unaufgeklärt. Am Ende des Buches befindet sich ein Glossar, mit dem man nicht wirklich etwas anzufangen weiß. Außerdem werden viele spanische Sätze nicht übersetzt. 

Cover und Buchtitel?
Damit hat sich Sabine St. befasst, die gleich zu Beginn gegoogelt hat, was die Autorin mit dem Buchtitel Archipel gemeint haben könnte. Ich hatte eher gehofft, die Autorin gibt zu ihrem Titel einen Hinweis. Auf jeden Fall habe ich Archipel als eine Inselgruppe Spaniens aufgefasst, siehe Näheres dazu auch auf Wikipedia.

Meine Identifikationsfigur
Keine

Meine Meinung
Ich konnte nach 324 Seiten nicht mehr weiterlesen, da ich völlig an den Erwartungen, was ich hoffte, was mir das Buch bieten sollte, rundum gescheitert bin. Auch habe ich mich zu stark vom Klappentext verleiten lassen. Die Figuren waren mir zu flach, und die historischen und politischen Zusammenhänge nicht ausreichend genug zusammengefügt. Immer mal wieder kurz angerissen, mehr ist aber nicht passiert. Dadurch, dass das Buch von hinten nach vorne gelesen wird, war ich sicher, mehr von dem Franco-Regime zu lesen zu bekommen, sobald ich in diese Epoche eindringen würde. Doch nach 324 Seiten, als ich auch die 1970er Jahre hinter mich gebracht habe, hat sich inhaltlich nichts an der politischen Beschreibung verändert, sodass ich nun nicht anders konnte, als das Buch abzubrechen.

Wo waren Franco und sein Regime? Immerhin regierte er von 1939 bis 1977. Der Klappentext hat mehr versprochen, als dass er einhalten konnte. Wie kann man über eine Zeit schreiben, ohne die Politik mit zuberücksichtigen? Franco war nicht irgendein Politiker. Er war ein Diktator Spaniens. Er kann nicht einfach an den Menschen vorbei gelebt haben, die stark unter seinem Regime gelitten haben mussten ... Immerhin war er noch lange an der  Macht, als bei uns der Zweite Weltkrieg längst vorbei war. Politische Andeutungen? Ist mir definitiv zu wenig gewesen. 

Außerdem wurden viele Konflikte der Protagonist*innen nur angerissen und dafür hat sich die Autorin mit vielen Details aus dem Alltag ausgelassen …

Aber das waren nicht die alleinigen Gründe; zudem waren mir die Figuren zu distanziert dargestellt. Ich habe mich des Öfteren gefragt, ob die Figuren eine Psyche haben? Außerdem nimmt man wenig Anteil an ihren Gedanken und an ihren Gefühlen. Sie werden größtenteils von der Autorin beschrieben und gelenkt. (Ich meine das nicht naiv, ich meine das literarisch. Figuren so zu beschreiben, als wären sie eigenständig und dadurch lebendig, ist für mich eine literarische Kunst, wem das gelingt). Mir kommt die Autorin wie die Mutter ihrer Figuren vor, die sie zur besseren Koordinierung an der langen Leine hält und ihnen nicht zutraut, für sich selbst zu sprechen.

Sabine und Tina sind der Meinung, dass die Autorin die Gefühle den Lerser*innen überlässt. Ich glaube eher, dass die Autorin Gefühle nicht so leicht auszudrücken weiß. Um das herauszubekommen, müsste man ein weiteres Buch von der Autorin lesen, um ihren Schreibstil besser unter die Lupe zu nehmen, und um die Bücher miteinander zu vergleichen.

Tinas und Sabines Meinung
Beide finden den Schreibstil gut aber sie konnten auch meinen Abbruch nachvollziehen. Tina meinte, dass auch ihre Buchhändlerin von diesem Familienroman nicht wirklich begeistert gewesen wäre. Auch sie könne den Buchpreis nicht richtig nachvollziehen, denn es hätte in dieser Shortliste auch noch andere gegeben, die ihn verdient hätten. Tina hätte sich auch mehr politische Hintergründe gewünscht, während Sabine für die Politik Spaniens nicht so viel Interesse hat aufbringen können.

Wenn Tina und Sabine mit dem Buch durch sind, werde ich Tinas Buchbesprechung mit meiner verlinken, in der sicher auch Sabines Eindrücke festgehalten werden. Sabine hat keinen Blog.

Ich bin mal gespannt, was ich auf den letzten hundert Seiten verpasst haben könnte. Aber das, was mir fehlt, kann ich später bei Tina nachlesen und mich zusätzlich mit Sabine verbal austauschen.  

Mein Fazit?
Für mich ist dies ein Buch für Literaturwissenschaftler*innen, Literaturkritiker*innen, für Deutschlehrer*innen und für die Vielleser*innen, die für ein Buch dieser Art jede Menge Zeit und Geduld aufbringen können.

Ich habe mir die Bewertung auf Amazon angeschaut. Dieses Buch wurde im Durchschnitt mit nur 2,5 Sternen votiert. Ich vergebe keine Punkte. Ich bin nicht in der Lage, dieses Buch zu bewerten …

Meine abschließende Frage: Wie hat es dieser Roman zu einem Buchpreis geschafft?

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.

Wie man an Tinas Buchbesprechung sehen kann, hat jede Leser*in unterschiedliche Erwartungen. Meine politischen Erwartungen haben sich definitiv nicht erfüllt. Politische Andeutungen? War mir zu wenig. Zu viele Alltagsbeschreibungen, zu wenig politsche Fakten.

In den Köpfen und in der Psyche der Menschen passiert in einer Diktatur wesentlich mehr, als die Autorin hat deutlich machen können. Der gesamte Lebensalltag wird in einer restriktiven  und repressiven Politik in Beschlag genommen. 

Viele wissen nicht, wie sich eine Diktatur anfühlt ...

Und die Figuren? Waren mir alle viel zu seelenlos ... 

Mahlke hat bei mir ausgespielt. Hätte ich vorher Tinas Buchbesprechung gelesen, dann wäre meine Entscheidung gefallen. Mein Geld hätte ich mir für dieses Buch sparen können. Habe mich echt betrogen gefühlt. Und noch die kosbare FREIZEIT, die ich dafür geopfert habe. Nie wieder. In Zukunft breche ich früher ein Buch ab. Und da ist es mir ganz egal, was andere dazu denken. Dann schwimme ich eben auch gerne mal gegen den Strom. 

In der Regel mag ich ja intellektuelle Literatur. Ich lese ja sonst auch recht anspruchsvolle Bücher.

Adieu, Inger-Maria Mahlke. Das war wohl nix mit uns beiden. Ich verdiene kein Geld für das Lesen, Sie aber für das Schreiben. 
________________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2018: 51
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Freitag, 23. November 2018

Inger - Maria Mahlke / Archipel

Lesen mit Tina und Sabine St.  

Klappentext
Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2018: ein großer europäischer Familienroman von der Peripherie des Kontinents: der Insel des ewigen Frühlings, Teneriffa.  "Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte". Damit fängt es an. Und mit Rosa, die zurückkehrt auf die Insel und in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Doch für eine Weile sieht es so aus, als könnte sie es im Asilo, dem Altenheim von La Laguna, finden. Ausgerechnet dort, wo Julio noch mit über neunzig Jahren den Posten des Pförtners innehat. Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Julio ist Rosas Großvater. Von der mütterlichen Seite. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt.  Inger-Maria Mahlke ist in nur wenigen Jahren zu einer der renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen avanciert und hat sich mit jedem ihrer Bücher thematisch und formal weiter vorgewagt. In "Archipel" führt sie rückwärts durch ein Jahrhundert voller Umbrüche und Verwerfungen, großer Erwartungen und kleiner Siege. Es ist Julios Jahrhundert, das der Bautes und Bernadottes, der Wieses, der Moores und González' – Familiennamen aus ganz Europa. Aber da sind auch die, die keine Namen haben: Die Frau etwa, die für alle nur 'die Katze' war: unverheiratete Mutter, Köchin, Tomatenpackerin - und irgendwann verschwunden. Denn manchmal bestimmen Willkür, Laune, Zufall oder schlicht: mitreißende Erzählkunst über das, was geht, und das, was kommt.

Autorenporträt
Inger-Maria Mahlke wuchs in Lübeck und auf Teneriffa auf, studierte Rechtswissenschaften an der FU Berlin und arbeitete dort am Lehrstuhl für Kriminologie. 2009 gewann sie den Berliner Open Mike. Ihr Debütroman "Silberfischchen" wurde ein Jahr später mit dem Klaus-Michael-Kühne-Preis ausgezeichnet. Für einen Auszug aus ihrem Roman "Rechnung" offen bekam sie beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis den Ernst-Willner-Preis zugesprochen; 2014 erhielt sie den Karl-Arnold-Preis der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.Ihr Roman "Wie Ihr wollt" gelangte unter anderem auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises, den sie 2018 für den Roman "Archipel" dann erhielt. Inger-Maria Mahlke lebt in Berlin.
Wie man aus dem Autorenporträt entnehmen kann, ist die Autorin mit vielen Buchpreisen ausgezeichnet worden, so auch das vorliegende.

Es ist das dritte Buch aus der Buchmesse von 2018.

Meine ersten Leseerfahrungen

Ich befinde mich derzeit auf der Seite 75. Im ersten Kapitel konnte ich noch gut folgen, musste mir aber jede Menge Klebeblättchen auf die Buchseiten kleben, weil sehr viele Details beschrieben wurden. Aber mittlerweile muss ich sagen, dass ich den Kontext nur ganz schwer verinnerlichen kann. Mir kommt die Handlung sehr verkopft vor. Man erfährt kaum etwas über die Gedanken und Gefühle der Protagonist*innen. Die Handlung wird eher beschrieben. Daraufhin musste ich mir auf Amazon die Rezensionen abrufen, und stellte dabei fest, dass das Buch recht schlecht bewertet wurde.
Nun, aufgeben möchte ich nicht, da Wochenende ist, und ich mehr Ruhe habe. Abends war ich unter der Woche sehr müde und außerdem haben mich diverse Alltagspflichten beansprucht und habe Hoffnung, dass ich mit mehr Ruhe besser mit dem Buch zurechtkommen werde. Des Weiteren lese ich mit meinen beiden Lesefreundinnen Sabine St. und mit Christina. Vielleicht wird es nicht ganz so schwer werden.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
·         Verlag: Rowohlt Buchverlag; Auflage: 5. (21. August 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3498042246

Montag, 19. November 2018

Karsten Brensing / Die Sprache der Tiere - Wie wir einander besser verstehen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre    

Ich bin nun mit dem Buch durch. So viele verschiedene Forschungsergebnisse zur Kommunikation von Tieren liegen hier vor, die zu neuen Erkenntnissen führen. Erkenntnisse, die deutlich bejahen, dass Tiere reden, denken und fühlen können. Ein Leben lang hat man uns eingebläut, dass Tiere nicht denken und fühlen können. Aber stimmt das denn? Vor einem Jahr noch musste ich wegen dieser Thematik durch den Verlust meines Katers Momo auf esoterische Bücher zurückgreifen. Es war mir ein großes Bedürfnis über die Kommunikation, die sich zwischen mir und meinem Kater zu Lebzeiten zugetragen hatte, öffentlich darüber zu schreiben. Vielleicht hat mich die Eine oder Andere noch belächelt, weil ich esoterische Bücher dazu gelesen habe. Die meisten Menschen sagen ja nicht immer ehrlich, was sie in Wirklichkeit denken, wenn man sie mit bestimmten Themen wie diese konfrontiert. Doch nun bin ich mit meinem Wissen nicht mehr allein und habe mittlerweile sogar die Naturwissenschaft im Rücken, ohne die esoterische Literatur zu verteufeln. Denn auch unter dieser gibt es Juwelen. Man muss bei diesem Genre nur die Spreu vom Weizen trennen können, was tatsächlich nicht immer einfach ist.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Weiter geht es mit einem Zitat aus Brensings Buch:
Eigentlich ist es ein bisschen absurd: Wir halten uns für die Krönung der Schöpfung, und doch sind wir nicht in der Lage, die Sprache der Tiere zu verstehen. Im Gegenzug verlangen wir von diesen unterentwickelten Kreaturen, dass sie unsere Sprache lernen. Der Hund soll „Sitz“, „Platz“, „Bring mir die Zeitung“ (…) verstehen, aber wir sind nicht bereit, auch nur einmal zu bellen. (2018, 38)

Das fühlt sich gut an. Auch Karsten Brensing tat sich erst schwer mit dieser Thematik, und geht trotzdem mutig seinen Weg und veröffentlicht sein Buch und bricht damit ein großes Tabu.

Ich möchte gar nicht die vielen Theorien wiederkauen, die kann jeder im Buch selber nachlesen, denn es ist unmöglich, die vielen Theorien in kurzen Zeilen wiederzugeben. Ich möchte aber diverse Gedanken aus dem Buch aufgreifen, die mich in meinem Wissen und Denken  weitergebracht haben. Durch dieses Buch habe ich die Art der Tierkommunikation verstanden, die in Bildern stattfinden würde. Tiere würden in Bildern denken, und das nicht nur unsere Haustiere wie z. B. Hunde, Katzen etc. Völlig unbewusst habe ich dies mit meinen tierischen Freunden praktiziert. Nun endlich gelingt es mir, diese Art von Kommunikation mithilfe dieses Buches in Worte zu fassen. Ich habe meinen tierischen Freunden, wenn ich Fragen zu ihrer Gesundheit hatte, mental Bilder geschickt und habe immer mental Antworten in Bildern zurückerhalten …

Karsten Brensing ist Meeresbiologe und Verhaltensforscher. Anhand seiner vielen Beispielen zeigt er uns, dass Tiere und Menschen vom kognitiven und vom emotionalen Verhalten her sich sehr ähneln. Deutlich wird dies anhand von verschiedenen kognitiven Forschungsergebnissen. Dabei wurde ersichtlich, dass Tiere genauso logisch denken können wie wir Menschen. Auch die Hormone und Neurotransmitter spielen eine Rolle, die sowohl beim Tier als auch beim Menschen die gleichen Gefühle entwickeln, die für das Fühlen bedeutsam sind.

Während viele Menschen die Tiere auf ihre Instinkte reduzieren, wird das Verhalten von Tieren sehr wohl durch Denken und Fühlen dominiert. Nur in der Auseinandersetzung mit dem Tier auf gleicher Höhe ist zwischen den beiden Lebewesen Mensch und Tier eine Kommunikation möglich. Brensing spricht von der Vermenschlichung von Tieren, allerdings nicht in der Form, indem wir Tiere auf die Standards von Menschen heben. Man kann Tieren nicht das verbale Sprechen beibringen, und man kann auch von Tieren nicht verlangen, sich moralisch an den Erwartungen und an den Maßstäben seiner Menschen anzupassen. Kommunikation zwischen Mensch und Tier findet nur auf Augenhöhe statt. Der Mensch muss lernen, die Signale seiner Tiere zu verstehen, die in der Mimik, in der Körpersprache und im Verhalten verankert sind.
Wir dürfen nicht vermenschlichen, indem wir unsere moralischen Maßstäbe auf Tiere übertragen oder etwas in sie hineininterpretieren, das uns gerade in den Kram passt. (83)

Manchmal reicht auch ein Blickkontakt, und schon weiß man, was das Tier einem sagen möchte.
Ein Dialog funktioniert nur so lange, wie beide Seiten motiviert sind, ihn zu führen. (79)

Richtig interessant fand ich auch die Rechtspraxis Tieren gegenüber. Zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert war es in manchen europäischen Ländern üblich, auch Tiere vor Gericht zu bringen und Prozesse gegen sie zu führen und sie zu bestrafen, wenn ihnen ein Delikt angelastet wurde. Brensing hat auf der Seite 134 eine Zeichnung aus dem Jahre 1457 abgedruckt, als einer Sau zusammen mit ihren Ferkeln ein Prozess angehängt wurde, weil die Sau ein Kind getötet habe. Die Ferkel wurden freigesprochen, die Sau nicht. Erst im 18. Jahrhundert wurde diese Rechtspraxis wieder abgeschafft, da man erkannte, dass Tiere schuldunfähig sind. Hier hat man tatsächlich versucht, in Tieren eine Persönlichkeit zu sehen, aber leider in einer völlig falschen Form.
Da konnte ein Schwein gehängt, eine Kuh gesteinigt, und eine Population von Mäusen des Landes verwiesen werden. (134)

Es gibt tatsächlich Wissenschaftler, die versucht haben, Tieren das verbale Sprechen beizubringen. (Delfinen und Pferden). Schon allein durch den Körperbau ist das bei Tieren gar nicht möglich, da sie anatomisch dazu nicht ausgelegt sind.

Vögel würden grammatikalisch ganze Sätze sprechen. Dabei fällt mir der aus dem Mittelalter lebende Mönch Franz von Assisi ein, der mit Vögeln gesprochen haben soll. Als ich das erste Mal von Assisi gelesen hatte, fragte ich mich, wie das möglich ist? Auch Brensing erwähnt in seinem Buch diesen Mönch. Nun konnte mithilfe der vorliegenden Literatur meine Fragen dazu beantwortet werden. Franz von Assisi ist es gelungen, sich in die Vögel hineinzuversetzen, und war in der Lage, die Laute der Vögel zu dechiffrieren. Tatsächlich können Vögel in komplexen Sätzen miteinander sprechen, denn die Lauterzeugung würde bei den Vögeln im Stimmkopf erfolgen. Auf der Seite 35 wird aufgezeigt, wie dies möglich ist, dass die Vögel sogar in ganzen Sätzen sprechen können. Hier sind verschiedene Grafiken dazu abgebildet, die aus einer japanischen Studie stammen … Auch wenn für unsere Ohren die Sprache der Tiere immer gleich klingt, sind die Rufe und die Laute der Tiere je nach Kontext recht unterschiedlich.

Selbst Honigbienen kommunizieren untereinander durch verschiedene Tänze und Vibrationen, die dadurch in der Lage sind, wichtige Signale zu übermitteln.  

Auch Bakterien würden mithilfe verschiedener chemischer Prozesse mit ihren Artgenossen kommunizieren. 

Papageien haben neben der Sprache sogar noch rhythmische Gefühle und können tanzen, wenn sie Musik hören.

Es besteht zwischen Mensch und Tier ein Universalcode, der 370 Millionen von Jahren zurückreicht.
Die Tatsache, dass wir Menschen sowohl tierische als auch menschliche Rufe emotional einschätzen können, und wir genauso dazu in der Lage sind, Musik emotional einzuordnen, lässt den Schluss zu, dass wir ähnlich fühlen, Gefühle vergleichbar zum Ausdruck bringen und uns sogar auf einer emotionalen Ebene verstehen können. Wir alle teilen die gleichen evolutionären Wurzeln. (13)

Die gleichen evolutionären Wurzeln, wow, das gefällt mir, das leuchtet mir ein, das habe ich schon immer gewusst.Trifft nämlich auch auf Menschen zu, die aus anderen Ländern kommen.  

Zum Schluss möchte ich kurz eine Tierkommunikatorin namens Temple Grandin vorstellen, die ich durch Karsten Brensings Buch kennenlernen durfte. Auf YouTube konnte ich den biografischen Film zu ihr, Du gehst nicht alleinder sehr sehenswert ist, hochladen und mir anschauen. Ich musste mir diesen Film zwei Mal in Folge ansehen, sosehr war ich von dem Film beeindruckt. Allerdings ist der Film in HD – Qualität. Aber man kann ihn sich auch auf Amazon gegen eine Gebühr herunterladen. Ich selbst werde ihn mir ein drittes Mal anschauen, weil es darin so viel zu beobachten und zu sehen gibt.

Die Amerikanerin Temple Grandin, Jahrgang 1947, ist eine faszinierende Persönlichkeit. Sie ist Autistin und bringt durch ihre "Erkrankung" eine außergewöhnliche Begabung mit sich. Sie kann Dinge, die "normale" Menschen nicht können. Grandin fühlt sich stark zu Tieren hingezogen, besonders zu Rindern hat sie ein starkes Faible und setzt sich mit ihrer ganzen Kraft in der harten, rauen Männerwelt (Rancher) für eine Verbesserung der Massentierhaltung ein. Ihre Gedankenwelt besteht ausschließlich aus Bildern und schafft es dadurch, in die Gedankenwelt der Rinder einzudringen, da auch Tiere, wie ich oben schon geschrieben habe, in Bildern denken. Temple Grandin ist überzeugt davon, dass Tiere Persönlichkeiten, Individuen sind ...

Ich zitiere aus dem Film:
Wir züchten Tiere in Massen, wir ziehen sie für uns auf, also müssen wir sie auch human behandeln. (...) Hätten wir Rinder, wenn die Leute sie nicht essen würden jeden Tag? (...) Daher schulden wir ihnen ein anständiges, ein lebenswertes Leben und am Ende ein schneller Tod. Die Natur ist grausam, wir müssen das aber nicht sein. Wir schulden den Tieren ein bisschen Respekt. Ich berührte die erste Kuh, bevor sie getötet wurde. In nur wenigen Sekunden würde sie nichts als ein Stück Fleisch sein aber vor diesem Moment war sie noch ein Individuum.

Bisher dachte ich über ein humanes Töten immer kritisch nach, weil kein Tier getötet werden möchte, auch nicht human. Auch Tiere hängen am Leben wie wir Menschen. Aber würde es kein Fleisch mehr geben, dann würde keiner mehr Tiere züchten. Das wäre für mich sowieso die bessere Alternative, weil Töten einfach grausam ist und weltweit viel zu viel Blut vergossen wird. Auch der Autor äußerte sich zu der ambivalenten und schizophrenen Haltung der Fleischkonsumenten. Die einen Tiere sind Freunde, während die anderen Feinde sind. Wieso???? Diese Frage stellte sich auch Brensing in seinem Buch. Vielen Menschen fehlt es an Bewusstsein, denn eine Kuh, ein Schwein ist nicht weniger wert als ein Haustier ... 

Gleichzeitig erfährt man in diesem Film noch Manches von Grandins Leben als Autistin und wie sie es durch den Einsatz ihrer Mutter geschafft hat, in der Gesellschaft, in der sie von klein auf nicht gerade wohlwollend aufgenommen wurde, dennoch einen Platz finden konnte. Immerhin wollten Ärzte das kleine Kind lebenslang in ein Heim sperren, wenn nicht die Mutter gewesen wäre, die sich dagegen sträubte und es zum Glück zu verhindern wusste. Welch ein Verlust für die Gesellschaft, wenn man diesen Menschen weggesperrt hätte. Niemals wären ihre Fähigkeiten und ihre Erkenntnisse ans Licht gekommen.

Hier geht es zu dem biografischen Film.

Ganz klar, meine nächsten Bücher zu meinem Tier-Leseprojekt werden sein:
     1.    Karsten Brensing: Das Mysterium der Tiere und 
2.    Persönlichkeitsrechte für Tiere
3.    Temple Grandin: Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier: Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere.      
Das Cover finde ich sehr interessant, dass keine Haustiere abgebildet  sind, sondern Wildtiere, Erdhörnchen und Erdmännchen. In seinem Buch unterscheidet der Autor diese beiden Wesensarten, die oft zu Verwechslungen führen.

Mein Fazit
Nochmals kurz zusammengefasst: Tiere kommunizieren nicht nur mit uns Menschen, sondern auch mit ihren Artgenossen. Dadurch, dass es denkende und fühlende Wesen sind, haben Tiere auch eine Persönlichkeit. Sie sind wie wir Menschen Individuen.
Kein einfaches Thema für Menschen, die die Kommunikation mit Tieren nicht kennen. Wenn es schon heutzutage zwischen Mensch und Mensch aus der Zeitnot heraus nicht möglich ist, eine gesunde Sprachkultur zu pflegen, wie soll dann diese erst in der Praxis mit Tieren gelingen? Ein Tipp: Empathischer Umgang im Miteinander, dies funktioniert nicht nur mit den Mitmenschen, sondern auch mit den Mit-Tieren. 

Wer sich für die Forschungsexperimente interessiert, der sollte unbedingt das Buch lesen. Ich freue mich auf weitere Bücher von Karsten Brensing. Obwohl dies ein Fachbuch ist, schwingt seine Liebe zu den Tieren auf jeder Buchseite mit. Und das gefällt mir sehr gut.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Narturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.
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Vertraue auf dein Herz,
denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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