Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre
Ich habe das Buch nun durch, und ich habe es als ein wenig langatmig empfunden von den Gedanken des Protagonisten Henrik, der auch zugleich ein Monologist für mich ist. Er stellt Fragen, beantwortet sie sich auch selbst, dazu zählen auch Fragen, die andere Personen betreffen. Beim Lesen dieser Monologe bekam ich das Gefühl, ich besteige einen Berg. Viele Gedankengänge wiederholten sich.
Es sind viele Fragen gewesen, die den
Sinn des Lebens betreffen, die
Treue einer Freundschaft, über
Gut und Böse,
Einsamkeit und Fragen über die
Wahrheit. Zum Schluss fand ich eine Antwort, was das Wesentliche im Leben ist. Es ist die universelle Liebe, die gelebt werden will.
Zu Beginn des Romans erfährt man viel über die Kindheit des Protagonisten namens Henrik, der aus einer Adelsfamilie stammt und in einem Schloss lebt. Henrik schien mir ein recht sensibles Kind zu sein, das viel Liebe benötigte, und nur seine Amme Nini in der Lage war, sie ihm zu schenken, obwohl man Henriks Eltern nicht als Rabeneltern bezeichnen kann. Im Gegenteil, sie waren sehr um ihr Kind wohlwollend bemüht. Der Vater, z.B. schien mir recht sympathisch, als Henrik später, im Alter von zwölf Jahren, einen Kameraden im Internat kennengelernt, mit dem er eine feste Freundschaft eingeht. Er berichtet seinem Vater von dem Freund Kónrad und der Vater erwiderte ihm:
"Wenn Kónrad dein Freund ist, Henrik, dann ist er auch mein Freund".
Das fand ich sehr schön.
Obwohl zwischen den beiden Knaben ein Standesunterschied besteht, sind diese beiden Jungen die Freundschaft eingegangen. Konrád kommt aus einer ärmeren Schicht. Die Eltern mussten jeden Cent zusammensparen, damit Kónrad eine gute Ausbildung erhält...
Und trotzdem schien mir zwischen den beiden Jungen etwas Unheimliches und Geheimnisvolles zu geben, was sich im Fortlauf des Romans auch bestätigen ließ. Selbst Henrik nahm an der Freundschaft etwas Geheimnisvolles wahr:
Und wären wir keine Freunde gewesen, wäre ich nicht anderntags in deine Wohnung gegangen, in die du mich nie eingeladen hattest, wo du das Geheimnis wahrtest, das Böse, unverständliche Geheimnis, das unsere Freundschaft vergiftete.
Kónrad gab sich nicht ganz der Freundschaft hin, was Henrik ihm später, nach fünfundvierzig Jahren des Wiedersehens, vorwirft. Zum Beispiel gab Kónrad Henrik den Standesunterschied deutlich zu spüren... .
Nach 45 Jahren sucht Henrik Konrad wieder auf und so beginnt hier ein aufklärendes Gespräch für Henrik...Kónrad ist eher der aktive Zuhörer.
Im erwachsenen Alter lernt Henrik Christina kennen, eine Musikerin. Auch Konrad ist musisch begabt. Ebenso Henriks Mutter. Manchmal spielten sie zu dritt und Henrik fühlte sich ausgeschlossen, und beneidete Konrad, dass er ein Musikinstrument beherrschen würde und in Sphären abtauchen könne, die ihm verschlossen bliebe. Auch Henrik verhielt sich ein wenig geheimnisvoll, neidete seinem Freund die Musik.
Und so glaubt Kónrad, nicht zu den Adligen dazuzugehören und schließt sich selber aus, während Henrik sich ausschließt, weil er keinen Zutritt in die Musikwelt fnden kann, und empfindet nur noch Hass für die Musik.
Christina wurde Henriks Frau... . Aber aus dem Monolog geht hervor, dass Kónrad auch in Christina verliebt war, Christina sogar Henrik mit Kónrad betrogen hatte, und Konrad diese Affaire in die Flucht schlug, wanderte aus in den Tropen, weit weg von Christina. Er hatte sich von Henrik nicht mal verabschiedet.
Ob Christina ihn tatsächlich betrogen hatte, wird später nicht wirklich bestätigt, ist aber sehr wahrscheinlich. Kónrad beantwortet die Frage nicht und auch das Tagebuch von Christina, in dem die Wahrheit stehen könnte, und das sie nach ihrem Tode zurückgelassen hatte, blieb verschlossen und wurde dem Feuer übergeben, da auch hier Kónrad keinen Einblick darin wünschte, als Henrik ihn angeboten hatte, das Tagebuch gemeinsam mit ihm zu lesen, um die Wahrheit zu erfahren. Da Kónrad ablehnte, lehnte auch Henrik ab, weshalb das Tagebuch schließlich mit dem Geheimnis im Feuer vernichtet wurde.
Nachdem sein Freund das Land verlassen hatte, zog sich in Henrik die Einsamkeit zurück. Die Freundschaft mit Kónrad erlebte er als etwas Besonderes, die man mit einer Frau nicht eingehen könne.
In meinem Haus gibt es kein Telefon, nur der Verwalter im Büro unten hat eins, und ein Radio hab ich auch nicht, denn ich habe verboten, dass man den dummen, schmutzigen Lärm der Welt in die Zimmer lässt, in denen ich wohne. Mir kann die Wahrheit nichts mehr anhaben. Neue Weltordnung mögen die Lebensform aufheben, in der ich geboren wurde und gelebt habe, aufrührerische, aggressive Kräfte mögen die Freiheit und Leben nehmen. Es ist alles gleichgültig. Wichtig ist, dass ich mit der Welt, die ich erkannt und auf meinem Leben ausgeschlossen habe, nicht feilsche.
Kónrad wird dagegen von Henrik als ein Feigling bezeichnet, der Weltflucht betreibt, und sich nicht den Problemen stellt, und stattdessen wichtige Tugenden, wie z.B. die Freundschaft, aufgibt. Zeigte sich enttäuscht darüber, von dem Freund verlassen geworden zu sein. Er stellt sich auch hier die Frage, was Freundschaft letztendlich sei und denkt an seinen Vater zurück, der die Freundschaft mit
Ehre und
Dienst gleichsetzen würde.
Gemeinsame Interessen können zwischenmenschliche Situationen schaffen, die der Freundschaft gleichen. Und auch um der Einsamkeit zu entfliehen, lassen sich die Menschen gern zu Vertraulichkeiten hinreißen, die sie später allerdings bereuen, die ihnen aber eine Zeitlang als Spielarten der Freundschaft erscheinen mögen. Das alles ist natürlich nicht das Wahre. Vielmehr stellt man es sich so vor - mein Vater tat es noch; dass die Freundschaft ein Dienst ist. Wie der Liebende, so erwartet auch der Freund keinen Lohn für seine Gefühle. Er will keine Gegendienste, er sieht den Menschen, den er als Freund erwählt hat, nicht in einem illusorischen Licht, er sieht seine Fehler und akzeptiert ihn mitsamt allen Folgen. Das wäre die Idee. Und hätte es ohne eine solche Idee einen Wert zu leben, Mensch zu sein? Und wenn ein Freund versagt, weil er kein richtiger Freund ist, darf man dann seinen Charakter, seine Schwäche anklagen? Was ist eine Freundschaft wert, in der man den anderen für seine Tugenden, seine Treue, seine Beständigkeit liebt? Was sind die Arten von Liebe wert, die mit Treue rechnen? Ist es nicht unsere Pflicht, den treulosen Freund genauso zu akzeptieren wie den treuen, der sich aufopfert? Ist nicht das der wahre Gehalt einer jeden menschlichen Beziehungen, diese Selbstlosigkeit, die vom anderen nichts, rein gar nichts fordert und erwartet? Umso weniger er erwartet, je mehr er selbst gibt? Und wenn er dem anderen das Vertrauen einer ganzen Jugendzeit schenkt und dann die Opferbereitschaft eines ganzen Mannesalters und am Schluss das höchste, das ein Mensch dem anderen geben kann, nämlich das blinde, bedingungslose, leidenschaftliche Vertrauen, und wenn er dann sehen muss, dass der andere treulos und gemein ist, darf er dann aufbegehren und Rache wollen?
Mir gefällt dieses Zitat recht gut, aber es ist voller Anklage gegen den Freund, weshalb ich es verwunderlich finde, dass Kónrad darauf kaum reagiert, hat doch auch er seine Versionen über sein Leben.
Was die Theorie zur Liebe betrifft, so fokussieren die meisten Menschen ihre Gedanken meist auf die partnerschaftliche Liebe. Ich finde es schön, dass die zwischenmenschliche Liebe in diesem Buch auch ihren Platz bekommen hat.
In dem Monolog wird auch viel von der Wahrheitssuche gesprochen und habe dazu eine Textstelle markiert, die ich auch gerne festhalten möchte:
Die Tatsachen sprechen, wie man zu sagen pflegt; gegen Lebensende schreien die Tatsachen ihre Geständnisse lauter heraus als die Angeklagten auf der Folterbank. Am Ende ist alles geschehen, und das lässt sich nicht missverstehen. Doch zuweilen ist die Tatsachen nur armselige Folgeerscheinung. Man macht sich nicht mit dem schuldig, was man tut, sondern mit der Absicht, die hinter diesem Tun steckt. (...) Ein Mensch kann eine Treulosigkeit, eine Gemeinheit, ja auch das Schlimmste, einen Mord, begehen und dabei schuldlos bleiben. Die Handlung ist noch nicht die Wahrheit. Sie ist immer nur eine Folge, und wenn man eines Tages als Richter auftreten und ein Urteil sprechen muss, darf man sich nicht mit den Tatsachen auf dem Polizeirapport begnügen, man muss auch das kennen, was die Juristen das Motiv nennt.
Teilweise ist das Buch ein wenig abstrakt, aber es ist Stoff genug, um den Gedanke im Stillen weiterzudenken. Der Mensch muss Erfahrungen machen, und diese Erfahrungen sind letztendlich wertneutral. Ich denke, dass Henrik mit seiner Philosophie seinen wirklichen Frieden gefunden hat.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)
Gelesene Bücher 2012: 74
Gelesene Bücher 2011: 86